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1. Alte deutsche und mittlere allgemeine Geschichte bis Ende der Hohenstaufenzeit - S. 94

1878 - Leipzig : Klinkhardt
— 94 — Fußstapfen mußten ihn verrathen. Da war guter Rath theuer. Endlich sagte Emma: „Weißt du was, lieber Eginhard? Ich trage dich auf meinem Rücken über den Schloßhof, dann sind doch nur meine Fußtritte zu sehen und das schadet ja nichts!" Eginhard weigerte sich zwar und meinte, sie werde ihn doch nicht tragen können; aber als Emma darauf bestand, und da er nicht wußte, wie er wieder fortkommen solle, willigte er endlich ein. Emma trug ihn wirklich hinüber, aber als sie zurückkam, da sah sie zu ihrem großen Schrecken, daß ihr Vater am Fenster stand und in die sternenhelle Wacht hinausschaute. Ob er sie wohl gesehen hatte ? Ja wohl hatte er das und auch sogar erkannt! Erst trug er sich mit dem Gedanken, daß er beide Sünder lebenslang in ein Kloster sperren wolle; als er aber wieder ruhiger geworden war, da bedachte er, daß Emma immer eine gute Tochter gewesen sei, und daß Eginhard, wenn auch niederer Herkunft, doch ein ganz trefflicher junger Mann sei und seine Frau gewiß glücklich machen werde. Während Karl dies bedachte, saß Emma in großen Sorgen in ihrem Zimmer — an Schlaf war ja gar nicht zu denken — und kaum dämmerte der Morgen, als sie Eginhard benachrichtigte. Nach wenigen Stunden schon kam ihnen der Befehl zu, vor dem Kaiser zu erscheinen, und sie gehorchten zitternd. Karl empfing sie zwar ernst, aber doch gütig, machte ihnen gelinde Vorwürfe über ihre heimliche Verlobung und schloß mit den Worten: „Wenn ihr denn meint, daß ihr ohne einander nicht leben könnt, so will ich euch nicht trennen, sondern gebe meine Einwilligung zu eurer Heirat. Aber so lange ich lebe, müßt ihr bei mir bleiben; renn du weißt ja, Emma, daß ich nicht glücklich bin, wenn ich nicht meine Kinder jeden Tag um mich habe." So wurden denn Eginhard und Emma ein Paar, bekamen nach des Vaters Tode ein Gebiet am Odenwald (Hessen-Darmstadt) und gründeten hier Seligenstadt. Als Emma nach Jahren starb, verlor Eginhard alle Lust am Leben, gründete hier ein Kloster und blieb in diesem bis an seinen Tod. — Der letzte Theil dieser Sage wird aber auch so erzählt: c. Als Karl erfuhr, daß Emma und Eginhard sich ohne seine Einwilligung verlobt hatten, gerieth er in Zorn und verbannte die beiden auf ewig aus feinem Angesichte. Traurigen Herzens z^gen die Verstoßenen hinweg und gelangten nach mancher Tagereise in den Odenwald. Hier beschlossen sie zu bleiben, und Eginhard, der freilich die Feder besser zu führen wußte als Aj-'t und Spaten, rodete mit großem Fleiß ein Stück Wald aus und legte einige Aecker an. Emma half ihm treulich, und wer die jungen Leute da so arbeiten sah, hielt sie für rechte Bauersleute und hätte sich gewiß nicht träumen lassen, daß der Mann ein Gelehrter und die Frau gar eine kaiserliche Prinzessin sei. So verging ihnen manches Jahr, und sie lebten, wenn auch ärmlich, doch glücklich und zufrieden, obschon Emma wohl manchmal
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