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1. Alte deutsche und mittlere allgemeine Geschichte bis Ende der Hohenstaufenzeit - S. 120

1878 - Leipzig : Klinkhardt
— 120 — ausdauernd und, wenn er nicht die Strenge eines Königs zeigen mußte, immer heiter. Er schlief sehr wenig, im Schlaf aber redete er beständig, so daß man ihn für wachend hätte halten sollen. Er besaß eine bewundernswürdige Fassungskraft des Verstandes; denn obgleich er bis zu seinem 35ten Jahre keinen Unterricht empfangen hatte, lernte er doch nachher so viel, daß er jedes Buch nicht allein lesen, sondern auch vollkommen verstehen konnte. Er sprach sowohl die lateinische als die slavische Sprache; doch verschmähte er es, sich derselben zu bedienen, weil er seine Muttersprache hoch hielt. Dem Vergnügen der Jagd ergab er sich häufig; auch die Reitkunst übte er zuweilen, jedoch wie ein König, mit Ernst und Würde. Otto besaß einen großen, stattlichen Körperbau, hatte lichtblondes Haar, feuchtende blaue Augen, kräftige Gesichtszüge und gesunde Farbe. Den Bart pflegte er bis auf die Brust niederwallen zu lassen und länger zu tragen, als sonst bei den Deutschen Brauch war. Sein Gang war bald rasch, bald langsam, wahrscheinlich je nach den Gedanken, die ihn beschäftigten. Ausländischen Putz liebte er nicht; stets trug er — einige seltene Fälle ausgenommen — die einfache Kleidung seiner Väter. Als Otto gewählt worden war, begab er sich nach Aachen, um sich dort salben zu lassen und zugleich die Huldigung der großen Vasallen entgegen zu nehmen; denn es genügte ihm nicht, ein mächtiger Herzog der Sachsen zu sein wie sein Vater Heinrich, sondern er wollte als König aller deutschen Stamme angesehen werden. Nachdem die großen Vasallen des Reiches, namentlich die Herzoge von Franken, Baiern, Schwaben und Lothringen, ihm den Eid der Treue geschworen hatten, zogen alle feierlich in das Münster Karls des Großen, an dessen Schwelle ihn die Geistlichen in vollem Schmuck und eine unzählbare Volksmenge empfingen. Der Erzbischof von Mainz nahm ihn bei der Hand, leitete ihn in die Mitte der Kirche und rief aus: „Seht hier Otto, den Gott zu enerm Herrscher bestimmt, den der König Heinrich den Fürsten empfohlen und den diese gewollt haben! Seid ihr mit dieser Wahl einverstanden, so erhebt zum Zeichen dessen die Hände!" Frohlockend hoben alle Anwesenden die Hände auf, und nun führte der Erzbischof den jungen König — er war damals erst 24 Jahre alt — an den Altar, wo die Reichskleinode lagen, umgürtete ihn mit dem Schwert Karls des Großen und sagte dabei: „Führe dies Schwert tapfer dein Lebenlang, dem Vaterland zur Freude, deinen Feinden zum Schrecken, der Christenheit zum £>eil!Z/ Dann legte er ihm den Königsmantel und die goldenen Armringe an mit den Worten: „Wie dieser Mantel dich umhüllt, so sei der feste Glaube stets dein Ehrenkleid; wie er niederhängt bis zur Erde, so weiche nicht vom Glauben, bis auch du zur Erde sinkest." Hierauf legte er ihm Scepter und Stab in die Hände, salbte ihn mit dem heiligen Oel und sagte dabei: „Sei ein Vater deiner Unterthanen, züchtige die Bosheit; aber dir
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