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1. Alte deutsche und mittlere allgemeine Geschichte bis Ende der Hohenstaufenzeit - S. 255

1878 - Leipzig : Klinkhardt
— 255 — nun begann, merkte Hagen bald, daß er einem Meister gegenüber stand. Halb zürnend, halb scherzend, rief er aus: „Hätte ich dich eher gekannt, so würde ich dich nicht zum Schüler angenommen haben; du lernst mir gar zu rasch!" Die Gesandten Hettels gewannen besonders.dadurch die Gunst der irländischen Königsfamilie, daß Horand so schön singen konnte. Nie hatte man solche Klänge vernommen, und wenn ein Lied zu Ende war, sehnte man sich schon nach dem folgenden und konnte nimmer genug hören. Kranke wurden gesund von seinen Liedern, ja selbst Thiere schienen seinen Tönen mit Wohlgefallen zu lauschen; sobald er sang, schwiegen die Vögel; das Wild des Waldes kam von der frischen Weide herbeigelaufen; der Wurm im Grase vergaß, weiter zu kriechen; die Fische erhoben die Köpfe aus dem Wasser. Die Prinzessin Hilde ließ ihn heimlich nach Hofe kommen, lobte ihn wegen seines herrlichen Gesanges und bat ihn, noch ein Lied zu singen. Aber Horand fürchtete den Zorn Hagens und sagte: „Es thut mir leid, edle Jungfrau, daß ich bei euch hier nicht singen darf; aber wäret ihr in meines Herrn Lande, so wäre ich euch zu jedem Dienst erbötig." Als Hilde sich nun danach erkundigte, wer sein Herr sei, erzählte er ihr von dem mächtigen Hettel und daß dieser um ihre Hand werbe. Hilde willigte auch ein, feine Gemahlin zu werden, namentlich als sie erfuhr, daß am Hofe zu Hegelingen 12 große Meister des Gesanges feien und daß sie alle Tage die süßesten Lieder hören könne. Freudig begab Horand sich zu feinen Gefährten; weil sie aber nimmer hoffen konnten, daß der wilde Hagen in die Vermählung feiner Tochter willigen werde, beschlossen sie, List zu gebrauchen. Der alte Wate ging zu dem Könige, um ihm ihre Abreise anzuzeigen, und als dieser ihnen kostbare Waffen, Geschmeide und schöne Rosse als Geschenk anbot, sagte jener: „Wir besitzen selbst alles in Fülle; aber wenn du uns danken willst für die kleinen Gaben, welche du empfangen haft, so ehre uns durch einen 23efuch mit deiner Familie." Das wollte Hagen gern thun, und am nächsten Morgen ritt die ganze königliche Familie, begleitet von präcß-tig geschmückten Edelfrauen und Rittern, an den Strand. Aber Wate hatte Befehl gegeben, daß alles zur Abfahrt bereit fein solle, und kaum hatte Hilde das Schiff betreten, als man davon segelte. Die alte Königin streckte weinend die Hände ans nach ihrem Kinde, und auch Hilde war tödlich erschrocken über ihre Entführung; aber Hagen genelh in grimmigen Zorn und ließ sofort Schiffe ausrüsten, um den Räubern nachzusetzen. Glücklich erreichten die Hegelingen den heimatlichen Strand, wo Hettel ihrer mit großer Ungeduld harrte; aber ehe sie weiter ziehen konnten, erschien auch schon Hagen mit feinen Rittern, und nun begann eine Schlacht, die vielen das Leben kostete. Zuletzt geriethert Hagen und Wate an einander und dieser versetzte jenem einen so furchtbaren Hieb auf den Kopf, daß es ihm vor den Augen dunkelte.
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