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1. Handbuch für den Unterricht in der deutschen Geschichte - S. 182

1894 - Paderborn : Schöningh
'1» — 182 — Nun noch die Hungersnot, und infolge der schlechten Nahrung, der Ausdünstung von Leichen u. s. w. eine schreckliche Pest. Elend, Hunger, Marter und die alles verzehrende Seuche brachten die Menschen in. einen Zustand von Verzweiflung und Raserei. In Lothringen blieb kaum der hundertste Teil der Einwohner übrig. Ganze Dörfer standen dort leer, so daß sich die Wölfe ihre Wohnungen in den Häusern suchten. Auf deu Äckern wuchsen Disteln und Dornen, und Wälder entstanden, wo sonst gefäet worden. Das verödete Land durchirrten Bettler, verhungerte Menschen in der scheußlichsten Gestalt; Soldaten zogen umher, die nichts schonten. Zu Colmar im Elsaß mußte man den Kirchhof schließen, damit die frischen Leichen nicht gestohlen wurden. Daselbst zehrten vier elfjährige Mädchen an einem fünften, das vor ihnen gestorben war. Aus Worms schreibt Gottfried Andreä: „Er selbst habe gesehen, wie an einem toten Pferde ein altes Weib, einige Hunde und Raben gemeinschaftlich genagt hätten." Der elende und betrübte Zustand in und um Worms dauerte fort, die einquartierten Soldaten vermehrten die große und unerträgliche Hungersnot, denn die Kriegsleute nahmen alle Nahrungs- und Lebensmittel. „Um das Pferdefleisch haben sich die Menschen gerauft, geschlagen und gar ermordet, in Summa es war eine solche Not, daß auch kein Mensch den anderen verschonte, sondern sie sich totschlugen und verzehrten, die Gottesäcker durchsuchten, die Gräber aufbrachen, die Hoch- gerichte erstiegen und die Toten zur Speise nahmen." In der Pfalz war das Elend so groß, daß man tote Tiere, die schon wochenlang im Wasser gelegen, hervorsuchte, um sie zu essen. Froh war, wer einen Frosch fand, und man pries die Ägyptier um dieser Plage willen glücklich. Auch im Odenwalde war alles ausgestorben. Ganze Herden von Hunden scharten sich um die Leichen. Zwischen 1636 und 1638 kaufte man in Seligenstadt einen Morgen Acker um ein Brot. — Im Nassauischen schleppten die Hunde abgerissene Menschenglieder auf den Straßen herum. In dem Dorfe Endlichhofen fand man kein lebendes Wesen, außer zwei Hunden in einem Hanse, in welchem halbverzehrte Leichen lagen. In Coblenz blieben nur 150 Bürger übrig. In Ulm starben 15000 Menschen, in Stuttgart im Jahre 1636 5370. Man aß dort Eicheln und Nesseln und schlug sich um tote Pferde. In Heilbronn wurde der Scharfrichter reich, weil er Fleisch von toten Pferden verkaufte. In Niedersachsen standen ganze Städte leer; Droesfeld sechs Monate lang. Als einige Einwohner zurückkehrten, verkauften sie das Eisen von den niedergerissenen Häusern den Kasselern um Brot. In Nordheim wurden von den übriggebliebenen 150 Einwohnern 250 herrenlose Häuser abgebrochen. In Berlin, das verhältnismäßig geschont worden war, blieben doch nur 300 Bürger übrig. Mitten in Wäldern findet man noch Spuren von Mauern ehemaliger Dörfer und unzählige Ruinen von Burgen und Schlössern in ganz Deutschland; sie sind Zeugen von der Zerstörung und Verheerung, die unser Vaterland in jener Zeit erfahren. Ein Zeitgenosse spricht am Schlüsse des dreißigjährigen Krieges also zu den Deutschen: „Wie elend stehen die kleinen Städte, die offenen Flecken! Da liegen sie verbrannt, zerfallen, zerstöret, daß weder Dach, Gesperr, Thüren oder Fenster zu sehen ist. Ach Gott! wie jämmerlich steht es auf den Dörfern? Man wandert bei zehn Meilen und siehet nicht einen Menschen, nicht ein Vieh, nicht einen Sperling. In allen Dörfern sind die Häuser voller toten Leichname und Äser gelegen, Mann und Weib, Kinder und Gesind, Pferde, Schweine, Kühe und Ochsen, neben und unter einander von der Pest und vom Hunger erwürget, voller Maden und Würmer, und von Wölfen, Hunden, Krähen, Raben und Vögeln gefressen, weil niemand gewesen, der sie begraben, beklaget und beweinet hat." (Kleins Bilder.)
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