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1. Kurze Darstellung der deutschen Geschichte - S. 66

1872 - Gütersloh : Bertelsmann
63 Ii. Zeitr. Das Mittelalter. Von 768 bis 1517. Er wurde ein verwöhnter, launenhafter, ja oft gänzlich verkehrter Mensch. Dev Vater hatte Land und Leute zu regieren gewußt, weil er sich selbst zu regieren verstand; der Sohn aber war die ganze lange Zeit seiner Regierung hindurch in stetem Streite mit seinen eigenen Unterthanen, mit den Päpsten, mit Gegenkönigen, ja nachher mit seinen eigenen Kindern, von denen er zuletzt ganz unterdrückt wurde, — und dies alles, weil er sich von seinen Leidenschaften gänzlich beherrschen ließ. Wie wäre er doch bei seinen vorzüglichen Anlagen gewiß ein anderer Mensch geworden, wenn sein strenger und gewissenhafter Vater ihn hätte erziehen können! Aber er hat nach einander ein paar Erzieher gehabt, die von entgegengesetzter Denkungsart waren und ihn um die Wette verdarben. Was der eine ihm als Recht beigebracht hatte, nannte der andere thöricht; was jener erlaubte, verbot dieser; wenn der erste ihn in strenger Zucht gehalten hatte, so ließ ihm der andere ganz und gar alle Zügel schießen. Diese beiden Erzieher waren der Erzbischof Anno von Köln und der Erzbischof Adalbert von Bremen, beide stolze, ehrgeizige und herrschsüchtige Männer. Zuerst brachte Anno den 13jährigen Knaben, der von seiner Mutter Agnes recht gut erzogen wurde, durch List in seine Hände, um in dessen Namen selbst in Deutschland zu herrschen. Er begab sich nämlich zu Ostern 1062 mit einen Gefährten nach Kaiserswerth am Rheine, wo die Kaiserin gerade ihr Hoflager hielt, und lud nach der Mahlzeit den Knaben Heinrich, 'als er recht vergnügt geworden war, ein, mit nach dem Flusse zu gehen und das neue schöne Schiff, ans welchem er von Köln gekommen sei, zu besehen. Der junge König ging mit und stieg arglos in das mit Wimpeln und Flaggen prächtig gezierte Schiff. Sogleich gab der Erzbischof einen Wink, die Schiffer stießen vom Lande und steuerten mitten in den Rhein hin. Der heftige Knabe erschrack dermaßen, daß er, ohne sich zu besinnen, in den Fluß sprang und nur mit großer Noth durch den Grafen Ekbert von Braunschweig gerettet und wieder auf das Schiff gebracht wurde. Man sprach ihm Muth ein und er folgte dann nach Köln. Hier hielt ihn der Erzbischof, der ein finsterer Mann war, streng und eingezogen und sorgte dafür, wenn er ihn in andere Gegenden Deutschlands mußte reisen lassen, daß er in den Händen solcher Männer war, die mit ihm in ihren Grundsätzen übereinstimmten. Anno haßte die kaiserliche Gewalt und hätte sie gerne verkleinert, um die Macht der Fürsten immer hoher zu erheben. Der oben schon gencymte Erzbischof Adalbert von Bremen war nicht weniger herrschsüchtig, als Anno. Er sah mit neidischen Augen auf des letztem Macht und benutzte den Augenblick, als dieser in Geschäften nach Rom gereist war, um den jungen König ganz für sich zu gewinnen. Das wurde ihm nicht schwer; denn er war schon an sich ein viel einnehmenderer Mann, als der strenge Anno, und gestattete dem Jüngling auf einmal alles, was er nur begehrte. Von nun an brachen alle die Leidenschaften, die in ihm waren, mit Heftigkeit hervor; für ihre Befriedigung opferte er alles, und so gingen die guten Anlagen, die ganz offenbar in ihm waren, bald gänzlich zu Grunde. Er wurde heftig, ungenügsam, jähzornig und wollüstig. An Kraft und Muth in einzelnen Augenblicken hat es ihm als König nicht gefehlt, aber wohl an demjenigen, wodurch die Könige in den Augen der Völker am ehrwürdigsten werden, an Ruhe, Standhaftigkeit und Gerechtigkeit. Bald war er stolz und hart, bald demüthig und verzagt; im Sieg war er grausam, und wann Unglück über ihn kam, so ließ er sich oft zu den kriechendsten Demüthigungen herab.
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