1899 -
Gera
: Hofmann
- Autor: Polack, Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 17
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittlere Mädchenschule, Höhere Mädchenschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Mädchen
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die Ruhe seines Gemütes und der uneigennützige Trieb, Gutes zu thun.
Seine natürliche Heftigkeit zähmte er durch Strenge gegen sich selbst.
Mit der geringsten Kost war er zufrieden. Schuhe trug er nicht. Ein
schlichter Mantel war seine Kleidung. Sein Wahlspruch hieß: „Nichts
bedürfen ist göttlich; am wenigsten bedürfen, bringt der Gottheit am
nächsten." Doch tadelte er die absichtliche Vernachlässigung der äußern
Ordnung. „Aus den Löchern deines Mantels schaut die Eitelkeit!"
sagte er zu Antisthenes. Als ein vornehmer Athener das teure
Leben in Athen beklagte, zeigte ihm Sokrates, wie billig man
leben könne, wenn man nur wolle. Hunger und Durst, Frost
und Hitze, Entbehrung und Anstrengung ertrug er mit Gleichmut.
Durch Abhärtung hatte er seinen Körper zum gehorsamen Diener seiner
Seele gemacht. Eine beständige Übung in der Geduld war für ihn seine
launische Gattin Xanthippe. Ihr Name ist sprichwörtlich für ein
zänkisches Weib. Doch schätzte Sokrates sie als gute Hausfrau und
Mutter. Nur tadelte sie oft seine brotlose Erzieherkunst und mahnte
ihn, einträgliche Bildwerke zu schaffen. Als sie ihm einst nach einer
Scheltflut auch noch Wasser nachschüttete, sagte der Weise lächelnd:
„Dachte ich's doch, daß dem Donner der Regen folgen würde!" Reinen
Sinn und edle Sitte forderte er von der Jugend. Zu einem schönen
Jüngling, der aber schmutzige Reden führte, sagte er: „Schäme dich, aus
elfenbeinerner Scheide eine bleierne Klinge zu ziehen!"
2. Der weise Lehrer. Die Jugend zu unterweisen, das war
Sokrates' liebstes Geschäft. Lohn forderte er nicht dafür. Eine Schar
strebsamer Jünglinge sammelte sich um ihn und lauschte seinen Worten
ans Spaziergängen, am Meeresufer und auf dem Markte. Einer kam
täglich drei Stunden weit, um ihn zu hören und zu lernen. Als der Besuch
Athens bei Todesstrafe verboten wurde, schlich er sich abends mit Lebens-
gefahr in Frauenkleidern zu dem geliebten Lehrer. Durch Fragen und
Einwürfe leitete Sokrates die Schüler an, die Wahrheit selbst zu finden.
Die Selbsterkenntnis war ihm die höchste Weisheit; daher mahnte er,
wie die Inschrift am Tempel zu Delphi: „Erkenne dich selbst!" Als
ihn das Orakel den weisesten Mann Griechenlands nannte, meinte er:
„Meine Weisheit besteht in der Erkenntnis, daß ich nichts weiß!" Die
Tugend galt ihm als der einzige Weg zum wahren Glück. Er war
überzeugt, daß über den Göttern, die sein Volk verehrte, eine höchste
allwissende Gottheit stehe, die sich durch die mahnende und warnende
Stimme des Gewissens im Menschen offenbare. Was er lehrte, das
übte er auch im Leben.
3. Der geduldige Märtyrer. Seine größten Feinde waren die
Sophisten. Sie redeten schön, aber handelten schlecht. Mit spitzfindigen
Scheingründen stellten sie die Wahrheit auf den Kopf. Sokrates in
seiner Wahrheitsliebe schonte sie nicht. Da klagten sie ihn an, daß er
die heimischen Götter verachte, neue Götter einführe und die Jugend
verführe. Durch seinen edeln Stolz und seine schneidige Verteidigung,
welche die Ankläger und Richter scharf traf, reizte er letztere so, daß sie ihn
zum Schierlingsbecher verurteilten. Heiter ging der Greis in das Ge-