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1. Geschichtsbilder aus der allgemeinen und vaterländischen Geschichte - S. 50

1899 - Gera : Hofmann
50 die Ruhe seines Gemütes und der uneigennützige Trieb, Gutes zu thun. Seine natürliche Heftigkeit zähmte er durch Strenge gegen sich selbst. Mit der geringsten Kost war er zufrieden. Schuhe trug er nicht. Ein schlichter Mantel war seine Kleidung. Sein Wahlspruch hieß: „Nichts bedürfen ist göttlich; am wenigsten bedürfen, bringt der Gottheit am nächsten." Doch tadelte er die absichtliche Vernachlässigung der äußern Ordnung. „Aus den Löchern deines Mantels schaut die Eitelkeit!" sagte er zu Antisthenes. Als ein vornehmer Athener das teure Leben in Athen beklagte, zeigte ihm Sokrates, wie billig man leben könne, wenn man nur wolle. Hunger und Durst, Frost und Hitze, Entbehrung und Anstrengung ertrug er mit Gleichmut. Durch Abhärtung hatte er seinen Körper zum gehorsamen Diener seiner Seele gemacht. Eine beständige Übung in der Geduld war für ihn seine launische Gattin Xanthippe. Ihr Name ist sprichwörtlich für ein zänkisches Weib. Doch schätzte Sokrates sie als gute Hausfrau und Mutter. Nur tadelte sie oft seine brotlose Erzieherkunst und mahnte ihn, einträgliche Bildwerke zu schaffen. Als sie ihm einst nach einer Scheltflut auch noch Wasser nachschüttete, sagte der Weise lächelnd: „Dachte ich's doch, daß dem Donner der Regen folgen würde!" Reinen Sinn und edle Sitte forderte er von der Jugend. Zu einem schönen Jüngling, der aber schmutzige Reden führte, sagte er: „Schäme dich, aus elfenbeinerner Scheide eine bleierne Klinge zu ziehen!" 2. Der weise Lehrer. Die Jugend zu unterweisen, das war Sokrates' liebstes Geschäft. Lohn forderte er nicht dafür. Eine Schar strebsamer Jünglinge sammelte sich um ihn und lauschte seinen Worten ans Spaziergängen, am Meeresufer und auf dem Markte. Einer kam täglich drei Stunden weit, um ihn zu hören und zu lernen. Als der Besuch Athens bei Todesstrafe verboten wurde, schlich er sich abends mit Lebens- gefahr in Frauenkleidern zu dem geliebten Lehrer. Durch Fragen und Einwürfe leitete Sokrates die Schüler an, die Wahrheit selbst zu finden. Die Selbsterkenntnis war ihm die höchste Weisheit; daher mahnte er, wie die Inschrift am Tempel zu Delphi: „Erkenne dich selbst!" Als ihn das Orakel den weisesten Mann Griechenlands nannte, meinte er: „Meine Weisheit besteht in der Erkenntnis, daß ich nichts weiß!" Die Tugend galt ihm als der einzige Weg zum wahren Glück. Er war überzeugt, daß über den Göttern, die sein Volk verehrte, eine höchste allwissende Gottheit stehe, die sich durch die mahnende und warnende Stimme des Gewissens im Menschen offenbare. Was er lehrte, das übte er auch im Leben. 3. Der geduldige Märtyrer. Seine größten Feinde waren die Sophisten. Sie redeten schön, aber handelten schlecht. Mit spitzfindigen Scheingründen stellten sie die Wahrheit auf den Kopf. Sokrates in seiner Wahrheitsliebe schonte sie nicht. Da klagten sie ihn an, daß er die heimischen Götter verachte, neue Götter einführe und die Jugend verführe. Durch seinen edeln Stolz und seine schneidige Verteidigung, welche die Ankläger und Richter scharf traf, reizte er letztere so, daß sie ihn zum Schierlingsbecher verurteilten. Heiter ging der Greis in das Ge-
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