1899 -
Gera
: Hofmann
- Autor: Polack, Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 17
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittlere Mädchenschule, Höhere Mädchenschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Mädchen
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Immer bedeutsamer wurde die Stellung der Frauen am Anfänge
dieses Jahrhunderts. Ihre Teilnahme am öffentlichen Leben und ihr
Einfluß auf die Litteratur und die Volkswohlfahrt wuchsen von Jahr
zu Jahr. In den Befreiungskriegen brachten sie begeistert die größten
Opfer. Preußische Prinzessinnen erließen am 1. April 1813 einen
Aufruf an die Frauen aller Stände, worin sie zur Mitarbeit an der
Rettung des Vaterlandes aufforderten durch regelmäßige Gaben an Geld,
Schmucksachen, Verbandstoffen, Wollen- und Leinenzeugen, durch Pflege
der Verwundeten, Erquickung der Kämpfer u. s. w. Der Erfolg war
ein großartiger, der Anteil der Frauen an der Befreiung des Vaterlandes
ein reich gesegneter. Als Schutzgeist begleitete die Freiheitskämpfer das
Bild der verklärten Königin Luise. Die arme, aber edelgesinnte
Ferdinande von Schmettau opferte ihr reiches, schönes Lockenhaar auf
dem Altar des Vaterlandes. Hofrat Heun ließ daraus Uhrbänder und
Ringe Herstellen und löste dafür 3600 Mark. Eleonore Prohaska,
die Heldenjungfrau, trat als „Jäger August Renz" in das Lützow'sche
Freikorps, focht und fiel als Heldin in dem Gefechte an der Göhrde
in Hannover. Glücklicher war die Mecklenburgerin Friederike Krüger.
Sie brachte es im Aork'schen Korps zum Unteroffizier und kehrte, mit
dem eisernen Kreuze und einem russischen Orden geschmückt, heim.
Johanna Stegen half das Gefecht bei Lüneburg siegreich entscheiden,
indem sie den Preußen, die sich schon zurückziehen wollten, aus einem
umgestürzten französischen Munitionswagen im Kugelregen Patronen in
der Schürze zutrug. Begeistert pries ein Rück er t den Opfermut der
deutschen Frauen.
Die Dichtkunst in ihrer schönsten Blütezeit haben deutsche Frauen
wesentlich beeinflußt. Es braucht bloß erinnert zu werden an Goethes
Mutter, die Frau Rat, an Schillers Gattin Charlotte von Lengefeld,
an die Herzogin Amalie von Weimar und an die herrlichen Frauen-
gestalten, die Goethe und Schiller in ihren Meisterwerken gezeichnet haben.
Auch um die Volkswohlfahrt erwarben sich Frauen die größten
Verdienste. Luise Scheppler, die treue Dienstmagd des Pfarrers
Ob erlin im Stei nthale, führte zuerst den Gedanken der Kleinkinder-
Bewahranstalten aus. Weitere Verbreitung erhielten diese wohlthätigen
Anstalten durch die edle Fürstin Pauline von Lippe-Detmold.
Als Gründerin der so segensreichen Frauenvereine muß Amalie
Sieveking in Hamburg angesehen werden. Sie gründete in der
Cholerazeit den Frauenverein „Tabea" für Armen- und Krankenpflege,
der viel Elend gelindert hat. Auf ihren Wunsch wurde sie, wie ihre
lieben Armen, in einem Sarge mit flachem Teckel begraben.
Das Glück und Behagen des häuslichen Lebens hing haupt-
sächlich von den Frauen ab. Sie entschieden über die innere Einrichtung
des Hauses. Viel Porzellan, Zinngeschirr, Betten und Leinenzeug war
ihr Stolz. Speise und Trank bereiteten sie selbst. Kaffee wurde der
beliebte Früh- und Nachmittagstrunk. Immer rührten sie die fleißigen
Hände, strickten, nähten, sotten Seife, gossen Lichte, schlissen Federn,
spannen am Rade und besuchten sich in Spinustuben.