1894 -
Halle a.S.
: H. Peter
- Autor: Schmelzer, A.
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Antike, Mittelalter
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sein außerordentliches, die volle königliche Macht in sich vereinigendes Amt nicht länger als sechs Monate bekleiden durfte. Die gewichtigste Stellung im ganzen Gemeinwesen nahm der Senat ein, welcher über Krieg und Frieden entschied, Verträge mit sremden Völkern abschloß und als höchste Aufsichtsbehörde die Verwaltung und Rechtspflege des Staats überwachte.
Die Plebejer hatten den Patriciern bei Abschaffung des Königtums kräftigen Beistand geleistet, ohne indes aus der Neugestaltung der Dinge irgend welchen nennenswerten Vorteil zu ziehen. Sie blieben nach wie vor von dem Zutritt zu den Staatsämtern ausgeschlossen, während die vollbürgerlichen Geschlechter einen bedeutenden Zuwachs an Macht gewannen und in weit höherem Maße noch als bisher den Charakter eines herrschenden Standes erhielten. Mußte schon diese Thatsache die Plebejer tief verstimmen, so verletzte und erbitterte sie vollends die Wahrnehmung, daß die bevorzugte Klasse ihre ererbten und erworbenen Rechte mit der größten Rücksichtslosigkeit geltend zu machen suchte. Obgleich die Plebejer zum Kriegsdienst ohne Sold und mit Stellung der Waffen und Rüstung verpflichtet waren, wurden die eroberten Ländereien doch lediglich den Patriciern zugewiesen, welche dafür eine nur geringe, nicht einmal regelmäßig erhobene Abgabe zu entrichten hatten. Infolge dessen häuften sich Reichtümer auf Reichtümer in den Händen der letzteren, und die kleinen Leute, die nicht wie jene ihre Äcker durch Sklaven bewirtschaften lassen konnten, gerieten durch die fast ununterbrochenen äußeren Kämpfe immer mehr in Armut. Sahen sich aber die Bedauernswerten genötigt, bei den vermögenden Grundbesitzern Kapitalien aufzunehmen, deren Zinsen sie schlechterdings nicht zu erschwingen vermochten, so harrte ihrer das Los der Schuldknechtschaft, und ihre Gläubiger durften sich jegliche Härte und jegliche Mißhandlung gegen sie erlauben.
Die Erbitterung über solche Zustände kam endlich bei Gelegenheit eines Krieges mit den Volskern zum Ausbruch. Die Plebejer erklärten, nicht mit ins Feld ziehen zu wollen, wenn die Lage der Schuldner nicht erleichtert würde; und als man ihnen dies zwar verhieß, nach erfochtenem Siege aber nicht gewährte, wanderten sie nach dem eine Meile von Rom entfernten ..heiligen Berge" aus, in der Absicht, dort eine neue Stadt 494 zu gründen. Die Patricier erschraken und sandten den allgemein beliebten Menenins Agrippa ab, um mit dem Volke zu unterhandeln und gegen billige Zugeständnisse die Rückkehr zu bewirken. Seine Gleichnisrede von den mit dem Magen hadernden Gliedern, mehr aber noch das Versprechen der Abstellung der drückenden Schuldnot und der Einsetzung plebejischer Be-