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1. Altertum und Mittelalter - S. 195

1894 - Halle a.S. : H. Peter
— 195 — zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts eine Höhe erreichen, auf welcher sie der kaiserlichen in vielen Beziehungen nebengeordnet erschien, und von wo aus eine weitere Steigerung fast mit Sicherheit erwartet werden durfte. Ein Hauptverdienst, diesen Umschwung bewirkt zu haben, gebührt Papst Nikolaus I, der mit seltener Kühnheit und 85^ Festigkeit ein besonderes Geschick in Benutzung der Verhält- 8g| niffe verband. Er zwang den als selbständigen Kirchenfürsten sich gebärdenden Erzbischof von Ravenna, trotzdem derselbe den Kaiser Ludwig Ii auf seiner Seite hatte, zur Unterwerfung und zum bußfertigen Gehorsam; er trat in dem unerquicklichen Ehestreit Lothars Ii als oberster geistlicher Richter der Welt auf und nötigte den König unter Androhung der Excommnni-cation, feine verstoßene Gemahlin wieder anzunehmen und sich von einer zweiten Gattin, mit der er in unerlaubter Ehe lebte, zu trennen; er entschied als letzte Instanz in den wichtigsten kirchlichen Angelegenheiten, indem er beispielsweise die den Wünschen Lothars entsprechenden Beschlüsse der Metzer Synode für ungiltig erklärte und die dabei beteiligten Erzbischöfe von Köln und Trier absetzte, während er anderseits den durch Synodalbeschluß aus dem Amte entfernten Bischof von Soissons, welcher nach Rom Berufung eingelegt, aufs neue mit der bischöflichen Würde bekleidete. Nikolaus I war es auch, der zuerst den Versuch machte, die falschen Dekretalen des Isidor, welche für die mittelalterliche Entwickelung des Papsttums eine so hervorragende Bedeutung gewannen, in das geltende Kirchenrecht einzuführen. Dieselben bestauben ans einer Sammlung von Anordnungen, Briefen und Entscheidungen der ältesten römischen Bischöfe, die der im Jahre 636 verstorbene heilige Isidor von Sevilla veranstaltet haben soll, die aber zum weitaus größten Teile offenbar unecht ist und höchst wahrscheinlich von einem Geistlichen der Diöcese Rheims herrührt, der das Machwerk um die Zeit des Vertrages von Verbun abschloß. Nach den pseubo-isiborischen Dekretalen ist der Papst das monarchische Oberhaupt der Kirche und die Quelle alles geistlichen Rechts; keine Synobe bars ohne Wissen und Willen desselben abgehalten werben, und ihre Beschlüsse erlangen erst durch seine Bestätigung Giltigkeit; jeber angeklagte ober verurteilte Bifchof kann vor den geistlichen und weltlichen Gerichten an den apostolischen Stuhl appellieren, der in allen den höheren Klerus betreffenben Prozessen die Entscheidung zu fällen hat. Unter dem Einstuß solcher Ansichten und Forbemngen bilbete sich die zur Zeit Karls des Großen entstanbene Jbee von einem christlichen Weltregimente, von einem „Gottesreiche aus Erben", in welchem der Kaiser 13*
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