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1. Teil 2 - S. 179

1887 - Hannover : Helwing
Das Rittertum. 1 79 Geldes. Nur wenige vermochten diesen Aufwand zu bestreiten, und hinter mancher Burgmauer herrschte bittere Armut. Ein bürgerliches Gewerbe zu ergreifen, verbot den Adeligen die Standesehre; so trieb sie die Not. oft aber auch die Habgier zum Leben „vom Stegreif". Bom Wartturm herab spähete der Knecht nach den reichen Warenzügen der Kaufleute, die auf den schlechten Wegen mühsam daherzogen oder auf dem nahen Strome heranglitten. Sein Ruf trieb den gierigen Haufen zu Roß; an den Hohlwegen, im Waldesdunkel, an dem Flusse, der oft mit Ketten gesperrt war, warteten die „Wegelagerer", bis der Kaufmannszug herangekommen war. Durch plötzlichen Überfall suchte man die Begleitung auseinander zu sprengen; wer sich widersetzte, ward nieder« gehauen, die Waren wurden geraubt, die reichen Handelsherren ausgeplündert und meistens in das Burgverlies geworfen, wo sie oft elendiglich verschmachten mußten, wenn nicht die Ihrigen sie mit schweren Summen lösten. Zum Schutze gegen solche Straßenräuber ließen die Kaufleute ihre Warenzüge durch Bewaffnete begleiten; auch schlossen sich an mehreren Orten die Städte zu gegenseitigem Schutze zusammen. So entstanden z. B. der rheinische und der schwäbische Städtebund. Am meisten hatten von den Raubrittern die wehrlosen Bauern zu leiden. Das ganze Dorf wurde oft „ausgepocht", d. h. das Vieh wurde fortgetrieben, die Habe geraubt oder vernichtet, die Häuser eingeäschert; mancher Bauer, der sich nicht lösen konnte, ist in dem dumpfen, dunklen Burgverlies verfault. Ein Markgraf von Brandenburg rühmte sich, daß er in seinem Leben 170 Dörfer zerstört habe. Ein römischer Kardinal schreibt gegen Ende des 15. Jahrhunderts: „Ganz Deutschland ist eine Räuberhöhle, und unter den Adeligen ist der am angesehensten, welcher am meisten raubt". War doch in' Ritterkreisen das Sprichwort üblich geworden: „Reiten und Rauben ist keine Schande, das thun die Besten im ganzen Lande". Wiederholt haben die Kaiser, wie Friedrich Rotbart und Rudolf von Habsburg, und die Städte solche Raubburgen gebrochen und die Ubelthäter gehenkt; aber gänzlich unterdrückt wurde das Unwesen erst, als der Adel selber sich desselben zu schämen begann und es nicht mehr sür anstößig hielt, sich der Bewirtschaftung seiner Güter und dem Studium hinzugeben. Mit dem Verfall der edlen Ritterzeit artete auch die Kleidung in das Geschmacklose und Unnatürliche aus. Die Frauen trugen so hohe Hauben, daß sie nicht durch eine Thür gehen konnten, ohne sich zu bücken, dazu Schleppen von drei bis vier Ellen. Männer und Frauen hängten G l ö ck ch e n und S ch e l l e n an den Gürtel und an die Halsbänder. „Wo die Herren seien, da klingen die Schellen," sagt eine alte Chronik. Später nahmen die Hofnarren die Schellen als einen ihnen allein zustehenden Schmuck in Anspruch, und es entstand das Sprichwort: „Je größer der Narr, je größer die Schelle." Die Schuhe liefen bei Männern und Frauen in einen langen Schnabel aus. Derselbe war entweder schlaff und wurde mit einem Kettchen am Knie oder am Gürtel in die Höhe gehalten, oder steif ausgestopft und stand von selbst in die Höhe. In der Schlacht bei Sempach (1367) gegen die Schweizer trugen die östreichischen Herren so lange Schnäbel, daß sie dieselben, als sie genötigt waren, abzusteigen und zu Fuße zu kämpfen, erst abhauen mußten. „Man hätte damit gefüllt einen Wagen!" sagt 12*
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