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1. Teil 2 - S. 320

1887 - Hannover : Helwing
320 Die Neuzeit. schwand, das Feld verwuchs und ward stellenweise wieder zu Wald-die Dorfhunde rotteten sich wie Raubtiere zusammen. In manchen Gegenden gab es keine Menschen mehr, die Leichen zu begraben; denn Hunger und Pest entvölkerten ganze Gegenden. Ein schwedischer General weigerte sich, sein Heer von Pommern nach Süddeutschland zu führen, weil das dazwischen liegende Land verödet sei und sein Heer in demselben verschmachten würde. In der Grafschaft Ruppin (34 Q Meilen) standen noch vier Dörfer; in der Grafschaft Henneberg, am Südfuß des Thüringerwaldes, waren 75 Prozent der Familien, 66 Prozent der Häuser untergegangen; in Berlin, das damals 6 000 Einwohner zählte, lagen 200 Häuserstellen wüst; in Prenzlau waren von 787 Hausern noch 107 bewohnt. Noch im Jahre 1651 zählte man in den 14 Dörfern des Amtes Westerhof im Grubenhagifchen neben 279 bewohnten 287 wüstliegende Ackerhöse. In Böhmen und Mähren verschwanden über 100 Dörfer ganz, so daß man von vielen ihre Stätte nicht mehr weiß; in Württemberg waren 40 000 Häuser verbrannt. Als der Kurfürst von der Pfalz nach dein Kriege in das Land seiner Väter zurückkehrte, das vordem wie ein blühender Garten gewesen war, fand er die Felder mit Dorngestrüpp bewachsen, die Weinberge verwüstet, und statt der reichen, dichtgesäeten Ortschaften nur wenige Hütten, in denen Not und Armut, oft auch Räuber und Verbrecher ihre Zuflucht suchten. Das alte Stammschloß zu Heidelberg, das mit seinen Prunkgemächern und Lustgärten vor Friedrichs V. Weggänge mit allen Höfen Europas wetteifern konnte, war in so traurigem Zustande, daß er in demselben nicht einmal eine anständige Wohnung für sich finden konnte. Zwei Drittelte der Einwohner Deutschlands hatten das Schwert, die Pest oder der Hunger hinweggerafft. In der Pfalz waren von einer halben Million Einwohner nur 48000 übrig geblieben. Württemberg verlor an der Pest in zwei Jahren 28 000 Menschen, Stuttgart über die Hälfte seiner Bewohner. Der Dichter des Liedes „Nun danket alle Gott", Martin Rinkart, begleitete als Pfarrer des Städtchens Eilenburg bei Leipzig in dem einen Jahre 1637 nicht weniger als 4 800 Tote zu Grabe. In dem Amte Idstein waren mehrere Dörfer ganz menschenleer. Aber es fehlte nicht nur an arbeitenden Händen, um die zerstörten Häuser wieder aufzubauen und die wüsten Felder wieder urbar zu machen, sondern es mangelte auch an Vieh, an Geld und der nötigen Bildung. Von einem Dorfe des Amtes Weinsberg erzählt die Chronik: „Kein Wagen, kein Pflug im ganzen Dorfe. Von 140 Pferden waren nur 3, von 400 Stück Hornvieh nur 4 übrig. Schafe, Schweine und das gesamte Geflügel war ganz und gar verloren." Noch heute, nach mehr als zweihundert Jahren, haben sich viele der schwer heimgesuchten Gegenden noch nicht wieder zu dem Wohlstände erhoben, welchen sie vor dem großen Kriege hatten. Der geplagte Bauer konnte bei dem herrschenden Geldmangel und den niedrigen Getreidepreisen kaum die allernotwendigsten Ausgaben bestreiten; von seinen Abgaben und Frondiensten erließ ihm aber der Grundherr selten etwas: verlangte doch ein Kloster von dem einzigen übriggebliebenen Bauern eines Dorfes die ganze, vor dem Kriege gezahlte Steuer! Zu dieser Not gesellte sich die fast völlige Rechtlosigkeit
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