Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Neuzeit - S. 106

1897 - Leipzig : Wunderlich
— 106 — c. Die Mittel, welche er zur Ausführung seiner Pläne und Absichten anwandte, waren ebenfalls ihrem sittlichen Werte nach verschieden. List, Heuchelei, Verstellung, Lüge, Wort- und Treubruch verschmähte er ebensowenig als Kühnheit, Tapferkeit, Mut, rasche Entschlossenheit, Wagesinn, Vorsicht, Klugheit und Umsicht. Alle diese Mittel waren den Umständen angepaßt, genau berechnet und darum auch durchschlagend und erfolgreich. d. Seine Bedeutung für die Reformation können wir nicht hoch genug anschlagen. Galt er anfangs auch für den schändlichen Verräter, so war er doch später der glückliche Retter der lutherischen Kirche. Sein durchdringender Verstand hatte längst erkannt, daß der schmal-kaldische Bund trotz seiner Macht unfähig war, seine Aufgabe zu erfüllen. Daher wandte er sich mit Recht von ihm ab; denn dadurch behielt er Bewegungs- und Handlungsfreiheit. Als er jedoch sah, daß der Kaiser seine Macht mißbrauchte und die Vertragsbestimmungen mißachtete, ergriff er die Waffen gegen ihn und zwang ihn durch seinen raschen Sieg zum Passauer Vertrag; selbst der Augsburger Religionsfriede ist im Grunde genommen sein Werk und Erfolg. Wenn dieser Friede auch noch mangelhaft war, so brachte er doch den Protestanten Gleichberechtigung und rechtliche Anerkennung. An eine Vernichtung und Ausrottung der Reformation war trotz der eifrigen Wirksamkeit des Jesuitenordens nun nicht mehr zu denken. Freilich war auch durch den geistlichen Vorbehalt der weiteren Ausbreitung derselben vorgebeugt, da dadurch den geistlichen Herren die Lust und Neigung zum Übertritte verging. So haben wir Protestanten alle Ursache, den frühzeitigen Tod des Kurfürsten Moritz tief zu betrauern und von Herzen zu beklagen. 3. Kaiser Karl Y. Karl V. strebte gleich seinen ruhmgekrönten Vorfahren und Vorgängern danach, sein Fürstenhaus über alle anderen Fürstenhäuser Europas zu erheben, seine Kaisermacht unumschränkt, die Landesfürsten dagegen von ihm völlig abhängig zu machen, die Macht des Papstes zu erniedrigen, und in Deutschland die Kirchenspaltung dadurch zu beseitigen, daß er die Reformation ausrottete. Es war eine große Aufgabe, die er sich damit gefetzt hatte. Obgleich er sie mit Klugheit, Schlauheit, List, ja auch mit Lug und Trug, mit Treu- und Wortbruch und mit Waffengewalt und großem Herrschergeschick verfolgte, so erreichte er sie doch nicht, da er als Spanier und Ausländer den Geist der neuen Zeit, der deutschen Reformation, nicht verstand, da er den Geist der Befreiung von Roms Knechtschaft in Ketten zu schmieden suchte, anstatt ihn zu lenken und zu leiten, anstatt ihn mit Weisheit vor Abwegen zu bewahren. Hätte er sich an die Spitze dieser neuen Bewegung gestellt, so wäre Deutschland gleich den nordischen Reichen der große Nachteil der verhängnisvollen Kirchenspaltung erspart geblieben, so wäre der deutsche
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer