1875 -
Mainz
: Kunze
- Autor: Jäger, Oskar
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schulbuchtyp (WdK): Hilfsbuch, Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Europäische Geschichte
- Inhalt: Zeit: Neuzeit
- Geschlecht (WdK): Jungen
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land mit so vielen anderen Fragen auch die schleswig-holstei-
nische in Fluss kam.
2. Deutschland.
1. Ueberwältigend war die Wirkung des pariser Ereig-
nisses auf Deutschland. Die liberale Partei, seither auf eine
mehr oder weniger unfruchtbare Oppositionsstellung in den
Kammern der Einzelstaaten beschränkt, sah sich plötzlich durch
eine mit jedem Tage wachsende unwiderstehliche Volksbewe-
gung unterstützt, welche überall, in Stuttgart, München, Han-
nover, Dresden und sonst, hier mit mehr, dort mit weniger
Tumult die Fürsten zwang, das seitherige Regierungssystem
zu wechseln, die Ministerien mit Männern der seitherigen Oppo-
sition zu besetzen, und die Forderungen des Liberalismus, —
Volksvertretung am Bunde, Pressfreiheit, Geschwornengericlite,
Volksbewaffnung u. s. w. — zuzugestehen. Dies geschah
überall in den ersten Tagen des März ohne viel Mühe und im
Allgemeinen ohne Blutvergiessen; Märzministerien, Märzerrun-
genschaften. Am 13. März wurde auf demselben Wege der
„Sturmpetitionen“ in Wien dem Kaiser das Versprechen einer
Constitution und die Entlassung des Fürsten Metternich ent-
rissen. Für Oesterreich begann eine verhängnissvoll schwere
Zeit, da jede der vielen Nationalitäten, aus denen der Kaiser-
staat zusammengesetzt war, die Ungarn, die Italiener u. s. w.,
ihre besonderen, also der Reichseinheit zuwiderlaufenden For-
derungen aufstellte. Für Deutschland entscheidend musste
der Verlauf der Dinge in Preussen sein. Dieselben Symptome
wie überall zeigten sich in Berlin; am 18. März erscheint
eine köngliclie Proclamation, in welcher alle wesentlichen Zu-
geständnisse im liberalen und national-deutschen Sinn gemacht
waren. Aus der Dankesprocession vor dem königlichen Schloss
entwickelt sich durch Zufall, Aufregung und revolutionäre Ge-
waltlust der im Wesentlichen ziel- und gegenstandslose Auf-
ruhr vom 18. März. Heftiger Strassen- und Barrikadenkampf,
die Truppen machen Fortschritte; der König giebt in der
Nacht Befehl, die Truppen zurückzuziehen. Am folgenden
Tag liberales Ministerium, aber die Kraft des königlichen Re-
giments auf längere Zeit gebrochen, und der König unpopulär
und für die Rolle, welche die Proclamation vom 21. ankündigte,