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1. Bilder aus der Weltgeschichte - S. 216

1871 - Braunschweig : Wreden
— 216 — Fürsten gegenüber sein Ansehen wahren könne. Da er auch seine sechs Töchter mit mächtigen Fürsten vermählte, so stärkte er seine königliche Gewalt so sehr, daß er sich überall Gehorsam zu erzwingen vermochte. Mit gleicher Thätigkeit sorgte Rudolf für die Handhabung der Gerechtigkeit und die Herstellung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Er durchzog das Reich von einem Ende bis zum andern, saß oft persönlich zu Gericht und erlaubte einem Jeden Zutritt, „denn", sagte er, „ich bin wahrlich nicht König geworden, um mich vor den Menschen einzuschließen." Mehrmals gab er Gesetze zur Aufrechthaltung des Landfriedens, welche von den Ständen des Reiches beschworen werden mußten. Die Uebertreter traf strenge Strafe. Einst ließ er in Thüringen neunundzwanzig gefangene Raubritter in seiner Gegenwart zu Erfurt hinrichten. Ueber ein Jahr verweilte er hier, bis alle Raubschlösser — es waren sechsuudsechzig — gebrochen waren. Rudolf wünschte die deutsche Krone seinem Sohne Albrecht, der von seinen Söhnen allein noch am Leben war, zu hinterlassen. Allein die Fürsten fürchteten die schnell emporstrebende Größe des habsburgischen Hauses und den finsteren, harten und abschreckenden Sinn Albrechts. Sie wichen daher den Anträgen Rudolfs aus. Mißvergnügt verließ dieser Frankfurt und ging, schon krank und schwach, nach Straßburg. Als er die Nähe des Todes fühlte, rief er: „Wohlan, nachspeier!" Hier, an der Begräbnißstätte der Kaiser, wollte er sein Ende erwarten, aber er kam nur bis^Germersheim, wo er in einem Alter von dreiundsiebzig Jahren starb Rudolf hat den Ruhm der Gerechtigkeit, Mäßigung und Tapferkeit sein ganzes Leben hindurch bewahrt. Seine Gestalt war sehr hoch und schlank, seine Sitten einfach; Speise und Trank genoß er mäßig. Wenn er sprach, gewann er durch biedere Zutraulichkeit und war ein Freund von fröhlichen Reden und munteren Scherzen. Niemals ließ er es aber an Ernst und Ausdauer in seinen Unternehmungen fehlen. Von den vielen kleinen Geschichten, welche von Rudolfs Gutmütigkeit, Menschenfreundlichkeit, Edelmuth und Leutseligkeit erzählt werden, sollen hier nur einige angeführt werden. Einmal wurde er von einem Bettler mit den Worten angeredet: „Bruder Rudolf, beschenke doch auch einen Armen mit einer kleinen Gabe." — „Seit wann sind wir denn Brüder?" fragte ihn der Kaiser, dem diese Anrede von einem Bettler etwas Neues war. „Ei," antwortete der Arme, „sind wir denn nicht alle Brüder von Adam her." — „Du hast Recht, Freund," sagte der Kaiser, „ich dachte nur nicht gleich daran!" und mit diesen Worten griff er in die Tasche und drückte ihm einen Kreuzer in die Hand. „Aber ein Kreuzer ist boch für einen großen Kaiser gar zu wenig," sagte der Bettler. „Was," entgegnete Rub o lf, „zu wenig? Freuub, wenn dir alle deine Brüder von Adam her so viel schenkten, so würbest bu balb der reichste Mann im Lanbe sein!" Nach diesem brüderlichen Geschenke gab er ihm vermuthlich auch ein kaiserliches. — Einfach in seinen Sitten, trug der Kaiser gewöhnlich ein schlichtes graues Wamms, das er sich im Feldzuge wohl gar selbst flickte. Da sah man ihm freilich seine hohe Würde nicht an und
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