Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Schumann-Heinzes Leitfaden der preußischen Geschichte - S. 190

1895 - Hannover : Carl Meyer (Gustav Prior)
— 190 — unnatürlichen Aufschwung folgte nun ein entsprechender Rückgang und Stillstand, Handel und Gewerbe stockten, manches Lebensglück wurde zerstört. Die größte Unzufriedenheit herrschte in den Reihen der Arbeiter. In der „Schwindelperiode" hatten sie ihre Arbeitgeber durch Arbeitseinstellung (Streiken) zu Lohnerhöhungen gezwungen, jetzt, wo sie sich notdürftig durchschlagen mußten oder ganz brotlos waren, verstärkten sie die Partei der Sozialdemokraten, die, auf den Lehren des Juden Ferdinand Lass alle und Karl Marx fußend, die Herrschaft des Kapitals bekämpfen und eine gerechtere Verteilung des Arbeitsertrages fordern. Nach Marx sollen alle Arbeitsmittel (Grundeigentum, Maschinen n. s. w.) dem Staate, das ist der Gesamtheit der Bewohner, gehören; die Produktion soll vom Staat geregelt werden, jeder Arbeiter gleichen Anteil an den erzeugten Gütern und Werten empfangen, allen gleiche Erziehung zuteil werden. Dazu ist nötig, daß der bestehende Staat in die Gewalt der Volksmehrheit, das ist des vierten Standes, kommt, um von ihr gründlich umgestaltet zu werden. Es konnte nicht ausbleiben, daß unter den Anhängern dieser für Staat und Gesellschaft gleich gefährlichen Lehre bald eine schreckliche Weltanschauung Platz griff: in allem, was den Staat schützte, in der Monarchie, Religion und Vaterlandsliebe sah sie ihre Feinde. Die Freizügigkeit und die Vereinsfreiheit sowie das allgemeine und gleiche Stimmrecht wurde von der Sozialdemokratie aufs nachdrücklichste ausgenutzt, ihre Macht zu verstärken. Wo es ihr gelang, sich einzunisten, da machten sich die Wirkungen bald in erschreckender Weise geltend. Die Ehrfurcht vor jeder Autorität in Staat, Kirche und Gesellschaft wich, Ausschreitungen und Roheit nahmen überhand. Im Reichstage verkündete der Leipziger Drechsler Bebel offen das Feldgeschrei des ganzen europäischen Proletariats: „Krieg den Palästen überall." Die Ärgsten der Partei nannten sich nicht mehr Sozialisten, sondern Anarchisten, und zwei freche Buben, der verkommene Klempnergeselle Hödel und ein Dr. Nobiling, der es zu keiner festen Lebensstellung gebracht hatte, legten sogar, der erstere den 11. Mai, der zweite den 2.-Juni 1878, die freche Hand an das geheiligte Haupt unseres geliebten greisen Kaisers Wilhelm. Gott aber schützte in seiner Gnade den edlen Monarchen vor der Revolverkugel des ersten und ließ ihn von den Schrotschüssen des zweiten Meuchelmörders genesen. Die allgemeine Empörung des getreuen Volkes forderte aber strenge Maßregeln gegen die Brutstätte solcher Verbrechen. Noch im Jahre 1878 genehmigte der Reichstag das „Sozialistengesetz", welches „gemeingefährliche Bestrebungen" hindern sollte, und gab so der Regierung die Mittel, mit der ganzen Strenge des Gesetzes gegen die Ausschreitungen der Partei vorzugehen. Aber Kaiser Wilhelm, der sein ganzes deutsches Volk, hoch wie niedrig, mit gleicher Liebe auf feinem Herzen trug, war durch die Greuelthaten, die Irregeleitete gegen ihn selbst versucht hatten, nicht verbittert; vielmehr fühlte er nach jenen erschreckenden Verirrungen den ganzen Ernst und die volle Verantwortung, die der Staat in seiner Fürsorge für die Hülfsbedürftigen trägt; er wollte,
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer