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1. Die Geschichte der neuern Zeit - S. 91

1876 - Köln : DuMont-Schauberg
18. Die Wiedertäufer. 91 die göttliche Inspiration, auf das innere Wort und die unmittelbare Offenbarung legten, im Gegensatze zum geschriebenen Worte Gottes, so bedurften sie keines Priesterstandes als Vermittlers des göttlichen Wortes; als ein Bund der Auserwählten und Heiligen glaubten sie alle gleicher Gnade theilhast zu sein. Die Verachtung der Ehe und Gestattung der Vielweiberei war eine auf der Uebertragung alttestamentlicher Verhältnisse in die christliche ■ Welt beruhende Entartung des Wiedertäuferischen Wesens, keineswegs ein allgemein gültiger Grundsatz. Aber solche, die christliche Sitte verhöhnende und die bürgerliche Gesellschaft gefährdende Auswüchse wurden von den Gegnern gerade mit besonderem Nachdruck hervorgehoben, um die Verfolgung und Unterdrückung zu rechtfertigen. Das Gebot des Herrn, die Völker zu lehren, und das Vorbild der apostolischen Reisen veranlaßte die Wiedertäufer, nach allen Ländern Apostel auszusenden, welche ihr Bekehrungswerk mit dem Ruf zur Buße und mit der Verkündigung der nahen Ankunft des Herrn begannen; dann werde das Weltgericht hereinbrechen und die Gottlosen vernichten, für die Auserwählten aber werde ein neues, glückseliges Leben beginnen. Die Leiden, Verfolgungen und Drangsale, welche die Apostel ohne Widerstreben über sich ergehen ließen, erhöhte die Wirkung ihrer Worte, wie denn überhaupt ihre Größe im Ertragen von Trübsal und Bedrängniß bestand; zum Ordnen und Aufbauen fehlte ihnen Geschick. Durch Melchior Hofmann, der unter unablässigem Bibellesen sich immer mehr in mystische Vorstellungen vertieft hatte, kam die neue Botschaft nach den Niederlanden, wo sie in dem Handwerkerstand der volkreichen Städte, wie Amsterdam, Leyden, Haarlem u. a., einen besonders günstigen Boden fand. Zahlreiche Hinrichtungen vermochten ihren raschen Fortschritten keinen Einhalt zu thun. In Amsterdam trat Jan Matthys, ein Bäcker aus Haarlem, als Prophet auf, welcher weit über Melchior Hofmann hinaus ging. Während dieser ein friedliches Verfahren und ruhiges Ertragen von Leiden und Drangsalen geboten, empfahl Matthys das Schwert sowohl zum eigenen Schutz als zur Vertilgung der Gottlosen. Er sandte Apostel aus in alle Städte, wo Gläubige lebten, um die Taufe vorzunehmen. Unter diesen war ein junger Mann von schöner Gestalt und beredter Zunge, Jan Bockelsohn (Bockold) von Leyden. Er hatte anfangs das Schneiderhandwerk betrieben; als ihm dieses nicht mehr zusagte, errichtete er mit seiner Frau eine Schenkwirthschast, wo es weltlich genug herging und er sich durch muntere Unterhaltungsgabe hervorthat. Nicht lange, so stieg sein Ehrgeiz höher: er trat in die Sängerzunft von Leyden ein, einen jener poetischen Vereine, die, gleich den deutschen Meistersängerschulen, Dichtkunst und Schauspielwesen übten und pflegten. In den Schauspielen, die er entwarf, spielte er wohl selbst eine Rolle. Bald kam er mit den niederländischen Wiedertäufern in Berührung, wurde mit dem „Propheten" Matthys bekannt und
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