1873 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Antike
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Ix. Die Griechen.
ausgezeichnete Jungfrau dem Volke leibhaftig vor Augen gestellt zu werden pflegte. In diesem Zuge, den Niemand zu stören wagte, gleichsam von der Göttin geleitet, die ihm zur Seite stand, kehrte Pisistratus in die Stadt zurück und herrschte dort, auf seinen und der Alkmäoniden Anhang gestützt.
Auch diese Verbindung war eine unnatürliche. Megakles' Tochter fühlte sich gekränkt im Hause des Gatten, welcher keine Nachkommenschaft aus dieser Ehe haben wollte; der Vater sah sich von Neuem nur als Mittel benutzt für die listigen Pläne seines Gegners. Sein ganzer Zorn flammte auf, und ehe Pisistratus stark genug war, das Geld und den Anhang der Alkmäoniden entbehren zu können, riß Megakles sich von ihm los, und vermochte in Kurzem einen solchen Umschwung der Verhältnisse hervorzubringen, daß der Tyrann mit den Seinigen nicht nur Burg und Stadt, sondern auch das Land der Athener meiden mußte. Er wurde geächtet und sein Grundbesitz von Staatswegen versteigert.
Diesmal war man vorsichtiger. Alles, was den Tyrannen haßte, vereinigte sich fester; es bildete sich eine starke Partei verfassungstreuer Republikaner. Indessen war es für ein Haus, das den Reiz unbedingter Herrschaft gekostet hatte, eine schwere Aufgabe, sich in die Weise des bürgerlichen Lebens zurückzugewöhnen. Am wenigsten waren die im Vollgefühle ihrer Kraft stehenden Söhne bereit, den Hoffnungen, in denen sie groß geworden waren, zu entsagen. Darum machte sich im Familienrathe vor Allem die Stimme des Hippias geltend, der von keinem Verzicht wissen wollte. Das letzte Mißlingen sei einer Unbesonnenheit zuzuschreiben. Die göttlichen Sprüche, welche ihres Hauses Größe verbürgten, könnten nicht täuschen. Sie dürften keine andere Politik befolgen, als das zwei Mal gewonnene Kleinod der Herrschaft nun zum dritten Male, und zwar mit umfassenderen Mitteln ausgerüstet, zu erwerben. Des Hippias Beredsamkeit begegnete keinem ernsten Widerstande. Schon die Wahl des Aufenthalts in Eretria zeigt, daß die Pisistratiden nur gingen, um wieder zu kommen.
Trotz reicher Geldmittel und vielfacher auswärtiger Verbindungen gingen Jahre hin, ehe die vorsichtigen Pisistratiden mit der Rückkehr Ernst machten. Erst im eilften Jahre (541) setzten sie mit Fußvolk und Reiterei über den euböischen Sund, und rückten mit anwachsender Heeresmacht langsam gegen Athen vor. Bei Pallene überraschte Pisistratus die Athener, wie sie beim Frühmahle sorglos gelagert waren; an Widerstand war nicht zu denken, der Sieg war sein und es stand ihm frei, an seinen Gegnern Rache zu nehmen. Indessen kam ihm Alles darauf an, daß der Sieg unblutig sei, und daß an den Tag seiner neuen Machterhebung keine trüben Erinnerungen sich anknüpften. Auf raschen Pferden eilten seine Söhne den fliehenden Gruppen nach, redeten ihnen freundlich zu und forderten sie auf, furchtlos zu den Geschäften ihres bürgerlichen Lebens zurückzukehren.
So zog Pisistratus zum dritten Male in Athen ein, mit zahlreichem