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1. Die Geschichte des Alterthums - S. 301

1873 - Köln : DuMont-Schauberg
83. Sokrates und die Sophisten. 301 reinen Wahrheit in deren Dienst er alt geworden, so viel zu vergeben. Er trat vor seine Richter mit der ruhigen Entschlossenheit eines schuldsreien Gewissens, mit der Zuversicht eines Mannes, der -vor einem höheren als menschlichen Richter sein Recht zu nehmen gewohnt und bereit war. ^ Man muß dem Gesetze gehorchen und sich vertheidigen: nicht mit künstlich gesetzten Worten, sondern mit der Wahrheit, die zu hören der Richter, die zu sprechen der Angeklagte die Pflicht hat. Er weist die Richter auf sein Leben hin, - jenen delphischen Spruch, der ihn veranlaßt, Weisere zu suchen als er selbst: das thue er nun im Dienste des Gottes, ohne Vortheile für sich, und er lehre andere so zu thun: seine Art zu sprechen und zu handeln aber, sagte er, betrachte er als eine von dem Gott selbst ihm auferlegte. „Ich würde mich schwer vergangen haben, Ihr Männer von Athen, wenn ich damals als ich auf den Befehl derer, die Eure Wahl mir zu Befehlshabern gab, bei Potidäa oder Delion oder Amphipolis, meinen Posten behauptete, und dagegen da, wo der Gott selbst, so wie ich glaube und annehmen muß, mir meinen Posten anweist — daß ich nämlich die Wahrheit suchen soll, indem ich mich und andere prüfe — aus Furcht vor dem Tode oder sonst irgend einer Sache diesen Posten verlassen wollte. Dem Gotte ungehorsam sein ist ein gewisses Uebel — ob der Tod ein solches ist, weiß ich nicht, vielleicht ist er ein großes Gut — und wisset, daß wenn ihr mich jetzt freiließet und sprächet: Sokrates, jetzt zwar wollen wir dem Anytos nicht folgen, sondern lassen dich frei, aber unter der Bedingung, daß du dich nicht fernerhin mit dieser Art des Philosophirens abgibst, und wenn du wieder darüber betroffen wirst, so wirst du sterben müssen, — dann würde ich sagen: ich, ihr Männer von Athen, halte Euch lieb und werth, aber ich werde dem Gott mehr gehorchen als Euch: so lange ich athme und fähig bin, werde ich nicht aufhören, zu forschen, Euch zu ermahnen, euch zu belehren — Jeden dem ich begegne, Jung und Alt, Bürgerund Fremde -denn also befiehlt mir Der Gott, wisset wohl." Er schloß mit der Mahnung an die Richter, nur nach dem Gesetze zu richten: „ich stelle es euch und dem Gotte anheim, das Urtheil zu fällen, das für mich und euch das beste ist." Sicherlich war noch nie ein Angeklagter einem athenischen Dikasterion gegenüber mit einer solchen Rede aufgetreten: es mochte manchem, der Richter wie eine Gottlosigkeit vorkommen, daß ein Angeklagter — ein einzelner Mann wie andere — sich auf einen besonderen göttlichen Auftrag berufe, und mehr als einmal wurde die Rede von lauten Aeußerungen des Unwillens unterbrochen. Gleichwohl erfolgte, dem Sokrates selbst zum Erstaunen, das Schuldig nur mit einem Mehr von wenigen Stimmen. Und noch war die Wahrscheinlichkeit, das Aeußerste abzuwenden überwiegend. Die Humanität des attischen Rechts gestattete den Verurtheilten, der Strafe, die das Gesetz bestimmte, gegenüber selbst einen Strafantrag zu stellen, über welchen dann die Richter abstimmten, deren Mitleid leicht der milderen
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