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1. Geschichte für Volks- und Bürgerschulen : mit Abbildungen - S. 109

1892 - Bielefeld [u.a.] : Velhagen & Klasing
— 109 — I legte er sie beiseite und begann heftig zu weinen. Er wußte, was sie enthielt. Nun hielt es ihn nicht länger vom Vaterlande fern. Er entschloß sich sofort zur Heimkehr. Den Ärzten, welche ihn dringend baten, die Reise noch aufzuschieben, sagte er: „Und wenn ich unterwegs sterben müßte, ich kehre doch zurück." Au der Beisetzungsfeier seines hochseligen Vaters konnte er der rauhen Witterung wegen nicht teilnehmen. Doch stand er, während der Leichenzug am Stadtschlosse in Charlottenburg vorüberzog, am Fenster und schaute thränenden Auges seinem geliebten Vater nach. Seit seiner Abreise vor etwa Jahresfrist hatte er ihn nicht mehr gesehen, auch auf dem Totenbette sollte er ihn nicht wiedersehen. — Mit unermüdlichem Eifer erledigte der Kaiser trotz seiner Schwäche die eingehenden Regierungsgeschäfte, und wie sein erhabener Vater selbst aus dem Sterbebette keine Zeit hatte, müde zu sein, so hatte er feine Zeit, krank zu sein. 6. Tod. Doch nur wenige Tage noch waren dem Kaiser Friedrich beschieden. Das Leiden wurde so bösartig, daß alle Hoffnung auf Besserung schwand. Am Tage vor seinem Tode hatte die zweitjüngste Tochter des Kaisers ihren Geburtstag. Als sie zu ihm kam, um sich den Glückwunsch des geliebten Vaters zu holen, schrieb er ihr ins Stammbuch: „Bleibe fromm und gut, wie du bisher warst; das ist der letzte Wunsch deines sterbenden Vaters." Die Kräfte des Kaisers sanken von Stunde zu Stunde, und am Vormittage des 15. Juni fand der königliche Dulder endlich Erlösung von seinem furchtbaren Leiden. Drei Tage später wurde seine Leiche in der Friedenskirche zu Potsdam beigesetzt. — Ganz Deutschland beweinte den Tod seines Lieblings. Nur kurze Zeit — 99 Tage — hat sein Haupt im Glanze der Kaiserkrone gestrahlt. 62. Kaiser Wilhelm Ii. (\5. Juni ^888.) 1. Jugend. Kaiser Wilhelm Ii., der älteste Sohn des Kaisers Friedrich, wurde am 27. Januar 1859 geboren. Zugleich mit bett ersten Lese- und Schreibübungen begannen auch die solbatischeu Übungen. Durch den Eifer, den er besonbers bei den letzteren an den Tag legte, würde er balb der Liebling seines Großvaters, des Kaisers Wilhelm. Nachbem der Prinz 1874 konfirmiert worben war, schickten ihn seine Eltern auf das Gymnasium in Kassel. Auf Befehl der Eltern sollte er hier wie alle anbeten Schüler behanbelt und bürsten ihm keinerlei Vorrechte eingeräumt werben. Die Lehrer mußten ihn daher einfach „Prinz Wilhelm" und „Sie" (nicht: Königliche Hoheit) an-reben. Wer den Prinzen in seinem schlichten Anzuge auf der Schulbank sitzen sah, der ahnte wohl schwerlich, daß er hier den einstigen deutschen Kaiser vor sich habe. Gleich den übrigen Schülern unterzog sich der Prinz willig den kleinen Dienstleistungen in der Schule, reinigte die Wandtafel, spitzte die Kreide und wusch den Schwamm am Brunnen. Einst hatte er kein Frühstück mit zur Schule gebracht. Da er aber Hunger bekam, bat er einen feiner Mitschüler um einen Bissen. Dieser wollte ihm sein ganzes Butterbrot geben. Aber der Prinz duldete es nicht. Vielmehr faßten beide an das Butterbrod und zogen. Der Prinz erhielt nur ein kleines Stückchen, aber er begnügte sich damit; denn nicht mehr wollte er annehmen, als ihm „im ehrlichen Kampfe" beschieden war. Fast drei Jahre blieb Prinz Wilhelm in Kassel. Als er dann an seinem 18. Geburtstage feine Abgangsprüfung ablegte, erhielt er das Zeugnis, daß er den Anforderungen der Prüfung in „ehrenvoller Weise" genügt habe. Auch wurde ihm eine der drei Denkmünzen überreicht, welche an die drei fleißigsten und würdigsten Primaner zur Verteilung kamen. Nach der Schulzeit trat Prinz Wilhelm als Offizier in das Garderegiment zu Potsdam ein. Als ihn fein Großvater den Offizieren vorstellte, schloß er feine Rede mit den Worten: „Nun gehe und thue beine Pflicht, wie sie bich gelehrt werden wird. Gott sei mit bir!" Um sich aber
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