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1. Hülfsbuch für den Unterricht in der deutschen Geschichte, mit besonderer Berücksichtigung der Kulturgeschichte - S. 158

1896 - Berlin [u.a.] : Heuser
158 Zustände unseres Volkes von der Zeit Konrads I. Die Damen ließen sich zuweilen nicht daran genügen, von den Rittern im allgemeinen Beweise der Liebe zu verlangen, sie forderten auch im besondern diese oder jene That des Gehorsams als Probe der Geduld der Männer. Dabei ließen sich die Frauen oft bis zur Launenhaftigkeit fortreißen. Die Blütejahre des höfischen Lebens sind reich an Äußerungen weiblicher Launen. Nicht übel spottet der Tannhäuser, einer der späteren Lyriker des 13. Jahrhunderts, über diesen weiblichen Übermut. Er sagt: „Bald soll der Schönen ich den Salamander bringen, die Rhone bald in Nürnberg strömen lassen, die Donau dann zum Rhein hinüber zwingen und noch auf meiner Bitt' Erhörung passen. Ja, Dank sei ihr, ihr Nam' ist Gute; sprech' ich ein Ja, so spricht sie Nein, drum stimmen stets wir überein; es blieb zu fern ihr wohl die strenge Rute." Ein anderer der späteren Minnesänger, Herr Steinmar, weiß sich mit ebenso guter Laune über den Eigensinn der Geliebten zu trösten. Er meint, es sei ein altes Märe, ein Minnerlein sei stets ein „marteraere" (— Märtyrer), und nimmt sich vor, fortan den Herbst als Spender von Gänsen, Schweinen, Würsten, Wein und dergl. zu besingen und sich mit Schüssel und Becher in seinem Liebesleid zu trösten. Nur wenige freilich wußten sich so gut über ihr Liebesleid zu erheben, andere seufzten und vollbrachten allerlei Thorheiten und ließen sich dafür von der erwählten Herrin nicht selten verspotten. So der Minnesänger Ulrich von Lichtenstein, ein steirischer Edelmann, der ein langes Leben im Dienste einer Frau zubrachte, die ihn verhöhnte. Eine thörichte Aufgabe nach der andern erfüllte er, um fortwährend verspottet und nie von feiner Thorheit geheilt zu werden. Schon als Edelknabe wählte er sich die Dame seines Herzens, und so liebestoll war er, daß er das Waschwasser trank, das man der Geliebten „über die weißen Händlein gegossen." Mit den Jahren wächst seine Tollheit. Er läßt sich eine allzubreite Oberlippe abschneiden, weil sie seiner Herrin nicht gefällt; er mischt sich unter eine Schar Aussätziger, um auf eine Zusammenkunft mit feiner Herrin zu harren; er läßt sich einen Finger, der ihm bei einem Turnier zu ihrer Ehre verwundet worden war, abhauen, weil sie die Wunde für etwas Unbedeutendes gehalten. Als er ihr den Finger geschmückt in reichem Kästchen zusendet, bricht sie in Verwunderung aus, daß ein verständiger Mensch solche Narrheit thun könne. Und dieser selbe Ulrich hat daheim auf feiner Burg ein eheliches Weib, das ihn liebend empfängt und freundlich pflegt, wenn er einmal von feinen Landfahrten
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