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1. Hülfsbuch für den Unterricht in der deutschen Geschichte, mit besonderer Berücksichtigung der Kulturgeschichte - S. 256

1896 - Berlin [u.a.] : Heuser
256 Deutsche Einrichtungen und Zustände vom Ende des Zwischenreiches der Gnadenstätte wie vom Donner gerührt zusammen, andere warfen sich in Kreuzgestalt auf die Erde oder griffen in ihrer Raserei mit den Händen nach dem Hülfebringenden Bild. Noch zu Anfang des 16. Jahrhunderts, als die allgemeine Unzufriedenheit durch eine neue, bisher unbekannte Seuche vermehrt wurde, flammte die religiöse Erregtheit zu einer unerhörten Macht empor. Um Ostern 1502 setzte das Kreuzwunder in der Diözese Lüttich die gesamten Rheinlande in fieberhafte Bewegung, um bald auch Dänemark, Polen und Ungarn zu erschüttern und noch jahrelang im Reiche nachzuzittern. Goldfarbige und blutige Kreuze und Sterne, oft selbst Lanzen, Geißel und Nägel wollte man, wie vom Himmel gefallen, auf den Kopftüchern der Frauen oder der Stola der Priester bemerkt haben. Ein ungeheuerer Schrecken ergriff die Menge, man deutete die Flecke auf Pest und Krieg. Um den Zorn Gottes zu versöhnen, gelobten Tausende die Wallfahrt; in härenem Gewand, einen Strick von Weidenbast um den Leib, barfuß, ohne Hut und Wanderstab, nur ein hölzernes Kreuz in der Hand, zogen die „grauen Büßer" von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt, und überall, wo sie erschienen, erschütterten die Bußprediger die Herzen der Hörer. Die althergebrachte Fahrt zu den Schwellen der Apostel in Rom fand in dieser Zeit eine eigenartige Anregung. Der Papst Bonifatius Viii. hatte die Jubeljahre eingeführt. Je nach 100 Jahren sollte ein Jubeljahr begangen werden. Allein spätere Päpste setzten den Zeitraum zwischen je zwei Jubeljahren auf 50 Jahre, dann auf 33 und schließlich auf 25 herab. Fremde, die zur Zeit des Jubeljahres 15 Tage lang die Schwellen der Apostel in Rom täglich besuchten, gewannen vollkommenen Ablaß. Unzählige wallten da nach Rom und brachten reichliche Geldspenden dar. Und nicht genug damit, die Päpste ließen auch in Deutschland Nachjubiläen anstellen^ in denen man gleichen Ablaß erwerben konnte. Zum Dank für Gottes Wohlthaten oder auch um sein Erbarmen anzurufen, endlich je am Fronleichnamstage durchzogen Prozessionen die Straßen. So schildert uns ein Erfurter Geistlicher die große Regenprozession im Sommer 1483, der er beiwohnte. Nach vielen Tausenden zählte der Zug, der sich früh um 5 Uhr in Bewegung setzte und mit allen Stationen und heiligen Handlungen erst um 12 Uhr ein Ende nahm. Die Schüler der Stadt, 948 an der Zahl, gingen nach den Pfarrkirchen, ihnen folgten 312 Weltpriester, die gesamte Hochschule und die Mönche von zwölf Klöstern; dem Sakrament, welchem man eine große Menge vor riesigen Kerzen und Laternen
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