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1. Hülfsbuch für den Unterricht in der deutschen Geschichte, mit besonderer Berücksichtigung der Kulturgeschichte - S. 532

1896 - Berlin [u.a.] : Heuser
532 Deutsche Zustände im Zeitalter Von allen Überlieferungen der alten Tage war nur eine einzige in voller Kraft geblieben, das freundliche Verhältnis zu dem Kaiser. Sie genossen durch kaiserliche Vergünstigung Schutz gegen jeden Arrest, ausgenommen, wenn es sich um Mord, Brandstiftung und Landesverrat handelte. Durch ihre freiwilligen Gaben erhielten sie wieder für den Kaiser eine besondere Bedeutung, da diese nicht nur die größte Einnahme bildeten, welche er vom Reiche genoß, sondern auch seiner alleinigen freien Verwendung überlassen blieb. Der Kaiser allein sicherte den Fortbestand der Reichsritterschaft; sank er, so sank auch sie. Die Zeit kam früher, als wohl damals jemand ahnte, in welcher die Reichsritterschaft verschwand. Während der hohe und niedere Reichsadel den kleinen Alleinherrscher spielte, war er bei den Bürgern und Bauern verhaßt und verspottet. Sein Familienbesitz war nicht festzuhalten, ein Acker, ein Waldstück nach dem andern fiel in die Hände der Gläubiger, die Geldverlegenheiten nahmen in vielen Familien kein Ende. Viele vom Reichsadel zogen sich in die Hauptstädte der geistlichen Staaten und bildeten dort eine von den Bürgern stark befeindete Aristokratie, welche vorzugsweise die sklavischen Nachahmer des französischen Geschmacks blieben. ä) Der niedere Adel. Auch die ärmeren des landsässigen Adels waren verschuldet, zumal im östlichen Deutschland, aber auf ihren Gütern herrschten die Herren wie unumschränkte Fürsten, als die gnädigen Herren des Landes, die Gutswirtschaft besorgte der Amtmann. Selten bildete sich ein gutes Verhältnis zwischen den Herren und den Verwaltern ihres Gutes, deren Pflichttreue damals nicht in dem besten Rufe stand. Zwischen den Gutsherren und den frohnenden Bauer gestellt, suchten die Verwalter häufig von beiden zu gewinnen, nahmen Geld von den Landleuten und erließen ihnen Hofdienste und bedachten beim Verkauf der Bodenerzeugnisse sich nicht weniger als den Herrn. Die Wintermonate verlebte der Landadel in der Hauptstadt seiner Landschaft, im Sommer besuchte er gern große und kleine Badeorte, um feinen ganzen Staat zu entfalten. Viel wurde auf Pferde und glänzende Wagen geachtet, der Adel benutzte noch gern sein Vorrecht, vierspännig zu fahren, dann fehlten auch wohl die Läufer nicht, welche in bunter theatralischer Kleidung vor den Rossen hertrabten. Bei Abendgesellschaften oder nach dem Theater hielt eine lange Reihe glänzender Wagen, viele mit Vorreitern, in den Straßen, und achtungsvoll sah der kleine Mann auf den Glanz der Herren. Noch unterschieden sie sich auch in der Kleidung durch reichere Stickerei, die weiße Feder rund um den Hut, aus Maskenbällen schätzten sie immer noch vorzugsweise den rosafarbenen Domino, den Friedrich Ii. für ein Vorrecht des Adels erklärt hatte. Manche der Reicheren unterhielten auch Kapellen, kleine Konzerte waren häufig, und aus dem Gute wurde am Sonntag früh unter den Fenstern der Hausfrau der Morgengruß geblasen. Ein verhängnisvolles Vergnügen war das Spiel, besonders das Hazardspiel; da begegnete es den deutschen Gutsbesitzern zuweilen, daß sie Wagen und Pferde im Spiel verloren und in einem Mietwagen, verschulbet, nach Hause reisten. Solches Unglück wurde mit gutem Anstand getragen und sobald als möglich vergessen. Ein großer Teil des Landadels war noch strenggläubig, ein Teil aber huldigte den freien französischen Anschauungen. Paris war für den Adel noch immer tonangebend, besonders in der Mode.
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