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1. Hülfsbuch für den Unterricht in der deutschen Geschichte, mit besonderer Berücksichtigung der Kulturgeschichte - S. 726

1896 - Berlin [u.a.] : Heuser
726 Das Zeitalter Wilhelms I. b) Sorge für den Schutz und das Wohl des Arbeiterstandes. Während sich das neue Deutsche Reich nach außen hin als Friedensreich bewährte brachte die innere Entwickelung des Reiches und Staates dem Kaiser und dem Vaterlande schwere Kämpfe. Die schwersten Sorgen und die bittersten Erfahrungen find dem Kaiser Wilhelm im letzten Jahrzehnt seiner Regierung durch die Bestrebungen einer Partei bereitet worden, die auf den Umsturz aller bestehenden Ordnungen in Staat und Kirche gerichtet sind. Die Führer dieser Partei, der Sozialdemokraten, wußten in den Kreisen der Arbeiter die Unzufriedenheit und den Klassenhaß auf alle Weise zu nähren. Die Folgen dieses unheilvollen Treibens sollten in furchtbarer Weise bald zu Tage treten, in den Mordanfällen, welche zwei ruchlose Menschen auf das Leben des Kaisers ausführten. Am Nachmittag des 11. Mai 1878 fuhr der Kaiser mit seiner Tochter, der Großherzogin Luise von Baden, im offenen Wagen die Berliner Linden entlang. In der Nähe des Brandenburger Thores hatte sich ein junger Mensch aufgestellt und halb hinter einer Droschke versteckt. Als der Wagen des Kaisers heranfuhr, feuerte der Bursche, ein 21 jähriger Klempnergeselle Namens Hödel aus Leipzig, zwei Revolverschüsse auf den Kaiser ab. Beide Schüsse gingen fehl, der verruchte Mörder aber wurde sofort ergriffen, und es zeigte sich, daß der Mensch Schriften gelesen hatte, die von der Umsturzpartei ausgegangen waren' Noch hatte sich die allgemeine Entrüstung über diesen Mordanschlag nicht gelegt, als wenige Wochen darauf, am 2. Juni, sich zum zweitenmal eine Mörderhand gegen feen Kaiser erhob. Diesmal hatte der Frevler aus dem Fenster eines Hauses „Unter den Linden eine doppelte Ladung von Rehposten und Schrotkörnern aus den vorüber« fahrenden Kaiser abgegeben, die ihr Ziel leider nicht verfehlten. Nur der Umstand, daß der Kaiser den Helm trug und der kühlen Witterung wegen einen Mantel umgeschlagen hatte, schützte ihn vor dem Äußersten, aber er war doch irrt Gesicht, am Kops und an beiden Armen schwer verwundet. Der Verbrecher war ein Landwirt und Doktor der Philosophie, Nobiling, der Sohn eines Domänenpächters in der Provinz Posen. Auch bei ihm stellte es sich heraus, daß er von den Lehren der Umsturzpartei angesteckt worden war. Noch bevor er ergriffen wurde, schoß er sich selbst in den Kopf und erlag bald darauf dieser Verwundung. Der Kaiser aber war so schwer verletzt, daß er die Regierungsgeschäfte dem Kronprinzen bis zum 5. Dezember übertragen mußte.*) Unter dem Druck dieser beiden schmachvollen Thaten kam ein Gesetz gegen die gefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokraten zustande, durch welches wenigstens den öffentlichen Umtrieben derselben ein Ziel gesetzt wurde. Aber der Kaiser wußte es wohl und sprach es öfters öffentlich aus, daß die Heilung der sozialen Schäden nicht ausschließlich mit strengen Maßregeln, sondern gleichmäßig auf dem Wege der Förderung des Wohles der Arbeiter zu suchen sein würde. In der Lebenslage der Arbeiter lagen Mißstände vor, die sie aus eigener Kraft nicht hinwegräumen konnten, deren Beseitigung aber notwendig war. Es bestand vielfach ein arges Mißverhältnis Mischen Arbeit und Lohn; die Klagen der arbeitenden Klassen, daß sie zu gunften des Kapitals ausgebeutet und ausgenutzt wurden, waren nicht ohne Berechtigung; schlimm waren insbesondere ihre Wohnungsverhältniffe, und trübe war die Aussicht aufs Alter. So lange der Besitzlose arbeitsfähig war, sah er sich vor Not und Verarmung geschützt, wurde er aber durch einen Unfall, durch Krankheit und Alter er-werbsunfähig, dann war er meistens dem Elend preisgegeben. Reichte doch der *). S. die Aufzeichnung des Kaisers in meinen „B e g l e i t st o f f e n" S. 127.
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