1897 -
Stuttgart
: Neff
- Autor: Treuber, Oskar, Klett, Theodor
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Realschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schulformen (OPAC): Gymnasium, Realschule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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torialge walten an Vorgänge und Entwickelungen des Xv. Jahr-
hunderts an (s. Ii. S. 218).
Recht und Pflicht der Obrigkeiten, das kirchliche Wesen und Leben zu
ordnen und zu beaufsichtigen, seit 1535 durch Konsistorien ausgeübt, wurde
teils unmittelbar aus der staatlichen Aufgabe, Zucht und Ordnung zu schaffen
und zu wahren, teils als Notrecht (so von Luther) aus dem Wegfallen der bischöf-
lichen Jurisdiktion abgeleitet (die übrigens Albrecht von Mainz Mitte 1528
bis zum Konzil Hessen und Kursachsen für ihre Gebiete überliess). Dass in
einer Gemeinde nur Ein Kultus statthaft sei, war allgemeine Anschauung
(also höchstens individuelle Gewissens- und Glaubensfreiheit). In Kursachsen
ging man 1526 ans Werk (Luthers „deutsche Messe11; Visitationen nach den
von Melanchthon ausgearbeiteten Instruktionen, Beaufsichtigung der Lehre
und des Lebens der Geistlichen durch „Superattendenten“; 1529 Luthers
grosser und kleiner Katechismus; den kleinen Katechismus auswendig zu
lernen sollte jedermann angehalten werden). In Hessen wurde der auf der
Homburger Synode 1526 vereinbarte Verfassungsentwurf, der das Kirchen-
regiment einer, aus den Pfarrern und je einem Abgeordneten der engeren Kirchen-
gemeinden („congregatio fidelium“), dem Fürsten, den Grafen und Rittern zu-
sammengesetzten, Synode zuwies, vom Landgrafen als unausführbar bald auf-
gegeben und die Neuordnung auch auf Grund des „Summepiskopats“ ausgeführt.
Aus einem Teil der eingezogenen Kirchengüter wurde die Universität Mar-
burg gegründet (1527). Vielen norddeutschen Städten schuf Bugenhagen ihre
Kirchenordnung (Braunschweig 1528, Hamburg 1529, Lübeck 1531 u. a.). Im
Herzogtum Braunschweig-Liineburg wurde die Reformation 1527 durchgeführt.
Boden gewann die Reformation auch in Schleswig-Holstein und in manchen
Teilen Schlesiens. — Wie der Adel vielfach bestrebt war, zum Schaden der
Pastoration der Gemeinden, die Kirchengüter an sich zu bringen, so ver-
mehrten manche Fürsten durch eingezogene Kirchengüter ihr Kammergut
bedeutend, z. B. der Graf von Ostfriesland, später Kurbrandenburg; zum Teil
auch Hessen. In dem mit der Säkularisation zweifellos aus dem Reichs-
verbande ausgeschiedenen Herzogtum Preussen wurde die kirchliche Neuerung
unter Mitwirkung der Bischöfe von Samland und von Pomesanien rasch durch-
geführt. An den Zeremonien wurde, wo Luthers Ansichten bestimmend waren,
möglichst wenig geändert.
Die „Wiedertäufer“ gewannen seit 1525 in Süd- (und Mittel-)
Deutschland, besonders in den Handwerkerkreisen, immer mehr an Anhang.
In Mähren gelangten sie zu fester Gemeindebildung. Verschiedene Richtungen
wurden unter diesem Namen (s. S. 42) zusammengefasst, wobei sich manchmal
einzelne zu innerlich entgegengesetzten Anschauungen bekannten: teils ein zu-
weilen kindischer, biblischer Radikalismus, vor allem bestrebt, das apostolische
Leben und Wesen wieder zu verwirklichen, teils eine Missachtung des Buch-
stabens, entweder mystisch den inneren Geist, die fortdauernde individuelle
Offenbarung der Schrift gegenüber betonend oder rationalistisch die Dogmen
kritisierend; hier das Streben, eine weltfremde Gemeinde der Heiligen zu
gründen, und Verwerfung eigenen Gebrauchs des Schwertes und der Bekleidung
obrigkeitlicher Aemter, dort schon Gedanken einer gewaltsamen Verwirk-
lichung chiliastisch-kommunistischer Ideen. Aber bei weitem die meisten
waren von musterhaftem Lebenswandel. Die entsetzliche Verfolgung,
die seit Anfang 1528 über sie kam, verhalf der revolutionären Richtung nach
und nach zur Vorherrschaft. Ein kaiserliches Mandat verfügte An-
fang 1528 gegen die Wiedertäufer Todesstrafe, der Schwäbische Bund
liess der Wiedertaufe Schuldige und Verdächtige (aber auch Zwinglianer)
durch Reiterabteilungen summarisch hinrichten. In den wittelsbachischen Ge-
bieten (Bayern: „wer widerruft, wird geköpft, wer nicht widerruft, wird ver-