1897 -
Stuttgart
: Neff
- Autor: Treuber, Oskar, Klett, Theodor
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Realschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schulformen (OPAC): Gymnasium, Realschule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Nürnberg-Fiirtli 1885, erste grössere Linie Dresden-Leipzig 1889), mit dem
sechsten begann es für Welthandel und Weltproduktion Bedeutung zu erlangen,
und seit dem achten entwickelte es sich zu einem der ersten In-
dustriestaaten der Welt, mit im ganzen stetig wachsendem Anteil an
dem immer intensiveren Weltverkehr und Weltwettbewerb
(Alpenbahnen: Semmering 1854, Brenner 1867, Mont Cenis 1871, St. Gotthard
1882; Pacificbahnen; transatlantische Kabel, erstes 1866; Suez-Kanal 1869;
Weltausstellungen: in London 1851, 1862, in Paris 1855, 1867, 1878, 1889,
in Wien 1873, in Philadelphia 1876, in Chicago 1893; Weltpostverein auf An-
regung des deutschen Generalpostdirektors Stephan 1874 gegründet; deutsche
vom Reich subventionierte Postdampferlinien nach Ostasien seit 1886 und
nach Ostafrika seit 1889; Nordostsee-Kanal 1895). Wie Deutschland aus dem
Weltverkehr immer grösseren Nutzen zog, so wurde es in seinem wirtschaft-
lichen Gedeihen auch immer mehr von ihm abhängig.
In Benützung der Elektricität zum Austausch von Nachrichten (den
Schreibtelegraphen erfand der Amerikaner Morse) blieb Deutschland zeitlich
kaum hinter andern Ländern Europas zurück, in ihrer Benützung zur Lasten-
beförderung (erste elektrische Bahn von Siemens und Halske in Berlin 1879),
sowie zur Bewegung von Arbeitswerkzeugen und zur Beleuchtung ging es ihnen
voran, ebenso in der Verwendung des Telephons für den öffentlichen Verkehr.
Der Verkehr und der Wettbewerb nahm stetig an Intensität und Umfang zu,
der Wettbewerb führte zusammen mit den sich immer mehrenden technischen Er-
findungen häufige Aenderungen der Erzeugungsweisen und überhaupt eine Hast
und Unruhe nicht bloss des Erwerbs, sondern des ganzen Lebens immer grösserer
Teile des Volks herbei. Am schnellsten lösen sich die Erfindungen in der
Waffentechnik (sowie auch im Schiffsbau) ab, wodurch der „bewaffnete Friede“
die Finanzen der europäischen Völker immer mehr belastet und verschlimmert.
Soziale Frage und Bewegung. Die auch an Zahl sich mehrenden
Industriezweige, wie im Zusammenhang damit der Bergbau (Kohlen, Eisen),
teilweise auch der immer intensivere und massenhaftere Verkehr, geschaffen
und geleitet von Unternehmern und vom „Kapitalismus“, gaben, von Zeiten
der Krisen und Stockungen abgesehen, einer immer grösseren Zahl
freier Lohnarbeiter Beschäftigung; der Grossbetrieb nahm stetig
zu und hiermit die Konzentration gewaltiger wirtschaftlicher
Mittel in wenig Händen; eine geringe Minderheit sammelte grosse Reich-
tümer an; der Mittelstand wurde zum mindesten schwer gefährdet,
Teile desselben verkümmerten oder wurden zur wirtschaftlichen Unselbständig-
keit hinabgedrückt. Die Bevölkerung der Städte mehrte sich in ausserordent-
lich raschem Tempo.
Die „Unternehmer“ zahlten wenigstens lange und vielfach, teils von
rücksichtsloser Erwerbsucht geleitet, teils durch in- oder ausländische Kon-
kurrenz darauf hingewiesen, geringe Löhne; und wenn auch mit der Zeit die
Lebenshaltung (Standard of life) beträchtlicher Teile des „Arbeiterstandes“
früheren Verhältnissen gegenüber sich hob, so bewirkte doch die Vergleichung
mit dem der unmittelbaren Beobachtung sich darbietenden Wohlleben und
Prunk der rasch reich gewordenen Fabrikanten Unzufriedenheit mit der ma-
teriellen Lage, Hass und Neid. Frauen- und Kinderarbeit wurden nicht selten
(wenn auch nicht so sehr wie in England und Frankreich) in einem Umfang
angewandt, der die leibliche und geistige Gesundheit und die Sittlichkeit schwer
beeinträchtigte und den Lohn der männlichen Erwachsenen niederhielt. Auch
diesen wurde oft zu lange Arbeitszeit auferlegt. Ferner wurde es versäumt,
die gesundheitsschädlichen Einwirkungen, die zum Teil mit dem Grossbetrieb
selbst, zum Teil mit der besonderen Art der Arbeit bzw. des bearbeiteten Stoffes
verbunden sind, nach Möglichkeit zu mindern und den Gefahren des Betriebs
für die Arbeiter möglichst vorzubeugen. Endlich trafen Krisen und Stockungen