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1. Leitfaden zur physikalischen und mathematischen Geographie - S. 35

1880 - Dresden : Salomon
35 eng begrenzten Räume, dem Focus, aus, innerhalb dessen sie am heftigsten ist, und verbreitet sich strahlenförmig nach allen Rich- tungen, so daß die Wellen ähnlich fortschreiten wie die Wellen eines Wasserspiegels, in den ein Stein geworfen wird. Den Be- reich, innerhalb dessen die Erschütterungen bemerklich sind und an dessen Umfang sie enden, nennt man Erschütterungskreis. Derselbe hat oft einen ungeheuren Umfang. Das Erdbeben von Lissabon, den 1. November 1755, erstreckte sich auf einen Erdraum von 700000 Quadratmeilen. Lineare Erdbeben sind in Süd- amerika auf einer Strecke von 300 Meilen und von Syrien aus bis nach Spanien und bis nach Iiidien zwischen dem 38. und 40. Breitengrade wahrnehmbar gewesen. Die Dauer der Erdbeben beschränkt sich aus Secunden, höchstens Minuten. Das Erdbeben von Venezuela im Jahre 1812 begann mit einem 6 Secunden anhaltenden Stoße, welcher die Glocken in Caracas bewegte, woraus ein Stoß von 12 Secunden Dauer und ein 3—4 Secunden andauernder senkrechter Stoß folgte, der in Verbindung mit einer nachfolgenden nndulatorifcheu Bewegung die Stadt Caracas in einen Trümmerhaufen verwan- delte. Das Erdbeben von Jamaika 1862 dauerte 3 und das von Lissabon 5 Minuten, aber schon der erste gewaltige Stoß von 8 Secunden Dauer zertrümmerte die meisten und größten Ge- bände. Die angeblichen Vorzeichen von Erdbeben, namentlich Witterungserscheinungen, sind nur problematisch. Daß höhlen- bewohnende und andere Thiere vor einem Erdbeben unruhig wer- den und ihre Schlupfwinkel verlassen, kommt vielleicht daher, daß unathembare Gase aus der Erde dringen. In Südamerika und auf den Molukken fallen die meisten Erdbeben in die Regenzeit, in Europa in den Winter. Nach Volger kamen von 1230 Erdbeben in der Alpengegend 150 auf den Januar, 143 aus den Februar, 138 auf den März, 119 auf den April, 58 auf deu Mai, 54 auf den Juni, 40 auf den Juli, 47 auf den August, 117 auf deu September, Iii auf den October, 85 auf den November und 186 auf den Deccmber. Auch der Mond mag einen gewissen Einfluß auf die Erdbeben haben, da in den Syzygien mehr Erdbeben vorkommen als zur Zeit der Quadraturen. Perrey meint, daß er in dem flüssigen Erdinnern eine Art Ebbe (Quadraturen) und Fluth (Syzygien) erzeuge, so daß die Erde am häufigsten erbebt, wenn auch der Ocean seine stärksten Schwankungen hat. Die Erdbeben rufen große Veränderungen auf der Erdober- fläche hervor: Thäler entstehen oder werden verschüttet, Berge 3*

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1. Vaterländisches Lesebuch für die mehrklassige evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 382

1888 - Halle a.S. : Buchh. des Waisenhauses
382 83. Das Erdbeben von (Caracas. begriffen, welche schwere Verletzungen erlitten und erst mehrere Monate später aus Mangel an Nahrung und gehöriger Pflege ihren Geist aufgaben. Die Nacht nach dem ersten Ostertage zeigte die herzzerreißendsten Scenen von Elend und Kummer. Die dicke Staubwolke, welche sich über die Trümmer der Stadt erhob und gleich einem Nebel die Luft verdunkelte, hatte sich wieder auf den Erdboden herabgesenkt; die Stoße hatten aufgehört; es herrschte nie eine schönere und stillere Nacht; der Mond, dessen Scheibe fast voll war, beleuch- tete die runden Gipfel des Gebirges, in dessen Thale Caracas liegt, und die Heiterkeit des Himmels stach gegen den Zustand der mit Ruinen und Leichen bedeckten Erde gewaltig ab. Man sah Mütter mit Kindern auf ihren Armen, die sie ins Leben zurückzurufen hofften; trostlose Frauen irrten durch die Stadt, um einen Bruder oder Gatten aufzusuchen, über dessen Schicksale sie in Ungewiß- heit schwebten, und von dem sie glaubten, daß er im Gedränge von ihnen getrennt worden wäre; das Volk drängte sich auf den Straßen, die man jetzt nur an den in geraden Linien aufgehäuften Ruinen unterscheiden konnte, hin und her. Alle Unfälle und Schrecknisse,. welche man bei den Erdbeben von Lissabon, Messina und anderen Orten erfahren hatte, wiederholten sich an diesem unheil- vollen Tage. Die Verwundeten, unter den Trümmern und Schutthaufen begra- den , flehten die Vorübergehenden mit lautem Jammer und Wehklagen um Hilfe au, und mehr als 2000 wurden ausgegraben. Niemals zeigte sich das Mit- leiden auf eine so rührende Weise, niemals sah man es, so zu sagen, in seiner Thätigkeit ersinderischer, als bei diesen Bestrebungen, den Verunglückten, deren Jammergeschrei das Ohr erreichte, Hilfe zu leisten. Unglücklicherweise fehlte es gänzlich an Werkzeugen, die sich zur Ausgrabung des Bodens und zur Weg- räumung der Trümmer eigneten, und mau sah sich genötigt, zum Ausscharren der noch Lebenden die Hände zu gebrauchen. Diejenigen, welche verwundet waren, so wie die Kranken, die sich aus den Spitälern geflüchtet, wurden an das Ufer eines kleinen Flusses geschafft, wo sie kein anderes Schutzdach als das Laub der Bäume hatten. Betten, Leinwand zum Verbände der Wunden, chirurgische Instrumente, kurz alles, was ihre Verpflegung und Behandlung erforderte, lag unter den Trümmern begraben. In den ersten Tagen fehlte es an allem, selbst an Nahrung, ebenso wurde in der Stadt das Wasser selten. Durch die Erschütterung hatten die Brunnenröhren gelitten, und das Einsinken des Erdreichs hatte die Quellen, welche diese mit Wasser versahen, verstopft. Um Wasser zu erhalten, mußte man sich bis zu dem erwähnten kleinen Flusse begeben, der bedeutend angeschwollen war, und auch hier fehlte es an Gefäßen zum Schöpfen, da diese unter den Häusern begraben worden waren. Noch hatte man sich einer Pflicht gegen die Toten zu entledigen, die sowohl die Sitte, als die Furcht vor den ansteckenden Krankheiten, welche aus der Fäulnis der Leichname entstehen konnten, gebot. Da es unmöglich war, so viele Tausende halb unter dem Schutt begrabener Leichname zu beerdigen, so wurden Kommissäre ernannt, um sie zu verbrennen. Mitten unter dem Schutt wurden Scheiterhaufen errichtet, und die Verbrennung der Leichen dauerte zwei ganze Tage. Bei diesen allgemeinen Leiden und Unfällen suchte das Volk den zürnenden Himmel durch eifrige religiöse Übungen zu besänftigen. Viele zogen in ganzen Gesellschaften umher und sangen Sterbelieder, während andere auf

2. Vaterländisches Lesebuch für die mehrklassige evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 389

1902 - Halle a.S. : Buchh. des Waisenhauses
389 84. Das Erdbeben von Caracas. begriffen, welche schwere Verletzungen erlitten und erst mehrere Monate später aus Mangel an Nahrung und gehöriger Pflege ihren Geist aufgaben. Die Nacht nach dem ersten Ostertage zeigte die herzzerreißendsten Scenen non Elend und Kummer. Die dicke Staubwolke, welche sich über die Trümmer der Stadt erhob und gleich einem Nebel die Luft verdunkelte, hatte sich wieder aus den Erdboden herabgesenkt; die Stöße hatten aufgehört; es herrschte nie eine schönere und stillere Nacht: der Mond, dessen Scheibe fast voll war, beleuch- tete die runden Gipfel des Gebirges, in dessen Tale Caracas liegt, und die Heiterkeit des Himmels stach gegen den Zustand der mit Ruinen und Leichen bedeckten Erde gewaltig ab. Man sah Mütter mit Kindern auf ihren Armen, die sie ins Leben zurückzurufen hofften; trostlose Frauen irrten durch die Stadt, um einen Bruder oder Gatten aufzusuchen, über dessen Schicksale sie in Ungewiß- heit schwebten, und von dem sie glaubten, daß er im Gedränge von ihnen getrennt worden wäre; das Volk drängte sich auf den Straßen, die man jetzt nur an den in geraden Linien aufgehäuften Ruinen unterscheiden konnte, hin und her. Alle Unfälle und Schrecknisse, welche man bei den Erdbeben von Lissabon, Messina und anderen Orten erfahren hatte, wiederholten sich an diesem unheil- vollen Tage. Die Verwundeten, unter den Trümmern und Schutthaufen be- graben, flehten die Vorübergehenden mit lautem Jammer und Wehklagen um Hilfe an, und mehr als 2000 wurden ausgegraben. Niemals zeigte sich das Mitleiden auf eine so rührende Weise, niemals sah man es, sozusagen, in seiner Tätigkeit erfinderischer, als bei diesen Bestrebungen, den Verunglückten, deren Jammergeschrei das Ohr erreichte, Hilfe zu leisten. Unglücklicherweise fehlte es gänzlich an Werkzeugen, die sich zur Ausgrabung des Bodens und zur Weg- räumung der Trümmer eigneten, und man sah sich genötigt, zum Ausscharren der noch Lebenden die Hände zu gebrauchen. Diejenigen, welche verwundet waren, sowie die Kranken, die sich aus den Spitälern geflüchtet, wurden an das Ufer eines kleinen Flusses geschafft, wo sie kein anderes Schutzdach als das Laub der Bäume hatten. Betten, Leinwand zum Verbinden der Wunden, chirur- gische Instrumente, kurz alles, was ihre Verpflegung und Behandlung erforderte, lag unter den Trümmern begraben. In den ersten Tagen fehlte es an allem, selbst an Nahrung, ebenso wurde in der Stadt das Wasser selten. Durch die Erschütterung hatten die Brunnenröhren gelitten, und das Einsinken des Erd- reichs hatte die Quellen, welche diese mit Wasser versahen, verstopft. Um Wasser zu erhalten, mußte man sich bis zu dem erwähnten kleinen Flusse begeben, der bedeutend angeschwollen war, und auch hier fehlte es an Gefäßen zum Schöpfen, da diese unter den Häusern begraben worden waren. Noch hatte man sich einer Pflicht gegen die Toten zu entledigen, die so- wohl die Sitte, als die Furcht vor den ansteckenden Krankheiten, welche aus der Fäulnis der Leichname entstehen konnten, gebot. Da es unmöglich war, so viele Tausende halb unter dem Schutt begrabener Leichname zu beerdigen, so wurden Kommissäre ernannt, um sie zu verbrennen. Mitten unter dem Schutt wurden Scheiterhaufen errichtet, und die Verbrennung der Leichen dauerte zwei ganze Tage. Bei diesen allgemeinen Leiden und Unfällen suchte das Volk den zürnenden Himmel durch eifrige religiöse Übungen zu besänftigen. Viele zogen in ganzen Gesellschaften umher und sangen Sterbelieder, während andere auf

3. Vaterländisches Lesebuch für die mehrklassige evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 351

1872 - Halle a/S. : Buchh. des Waisenhauses
351 Prozession anzuschließen, wurde, mit Ausnahme weniger, unter diesem Hause begraben. Neun Zehntel der schönen Stadt Caracas stürzten völlig in Trümmer zusammen. Die Häuser, welche nicht einsielen, waren dergestalt gesprungen, daß es niemand wagen durfte, sie zu bewohnen. Die Hauptkirche, welche durch große Strebepfeiler gestützt ist, blieb stehen. Unter die 9 biö 10,000 Menschen, welche oben als die Zahl der durch daö Erdbeben Getödtetcn angegeben wurden, sind nicht die Unglücklichen mit einbegriffen, welche schwere Verletzungen erlitten und erst mehrere Monate später aus Mangel an Nahrung und gehöriger Pflege ihren Geist aufgaben. Die Nacht nach dem ersten Ostertage zeigte die herzzerreißendsten Scenen von Elend und Kummer. Die dicke Staubwolke, welche sich über die Trümmer der Stadt erhob und gleich einem Nebel die Luft verdunkelte, hatte sich wieder ans den Erdboden herabgescnkt; die Stöße hatten aufgehört; eö herrschte nie eine schönere und stillere Nacht; der Mond, dessen Scheibe fast voll war, beleuchtete die runden Gipfel des Gebirges, in dessen Thale Caracas liegt, und die Heiterkeit deö Himmels stach gegen den Zustand der mit Ruinen und Leichen bedeckten Erde gewaltig ab. Man sah Mütter mit Kindern auf ihren Armen, die sie ins Leben zurückzurufen hofften; trostlose Frauen irrten durch die Stadt, um einen Bruder oder Gatten aufzusuchen, über dessen Schicksal sic in Ungewißheit, schwebten, und von dem sie glaubten, daß er im Gedränge von ihnen getrennt worden wäre; das Volk drängte sich auf den Straßen, die man jetzt nur an den in geraden Linien anfgehäuftcn Ruinen unterscheiden konnte, hin und her. Alle Unfälle und Schrecknisse, welche man bei den Erdbeben von Lissabon, Messina und anderen Orten erfahren hatte, wiederholten sich an diesem unheilvollen Tage. Die Verwundeten, unter den Trümmern und Schutthaufen begraben, flehten die Vorübergehenden mit lautem Jammer und Wehklagen um Hülfe an, und mehr als 2000 wurden aus- ge,graben. Niemals zeigte sich das Mitleiden auf eine so rührende Weise, niemals sah man es, so zu sagen, in seiner Thätigkeit erfinderischer, als bei diesen Bestrebungen, den Ver- unglückten, deren Jammergeschrei das Ohr erreichte, Hülfe zu leisten. Unglücklicher Weise fehlte es gänzlich an Werkzeugen, die sich zur Ausgrabung des Bodens und zur Wegräu- mung der Trümmer eigneten, und man sah sich genöthigt, zum Ausscharren der noch Lebenden die Hände zu gebrauchen. Diejenigen, welche verwundet waren, sowie die Kran- ken, die sich aus den Spitälern geflüchtet, wurden an das Ufer eines kleinen Flusses ge- schafft, wo sie kein anderes Schutzdach als das Laub der Bäume hatten. Betten, Leinwand zum Verbände der Wunden, chirurgische Instrumente, kurz alles, was ihre Verpflegung und Behandlung erforderte, lag unter den Trümmern begraben. In den ersten Tagen fehlte es an allem, selbst an Nahrung, ebenso wurde in der Stadt das Wasser selten. Durch die Erschütterung hatten die Brunncnröhren gelitten, und das Einsinken des Erd- reichs hatte die Quellen, welche diese niit Wasser versahen, verstopft. Um Wasser zu erhal- ten, mußte man sich bis zu dem erwähnten kleinen Flusse begeben, der bedeutend ange- schwollen war, und auch hier fehlte eö an Gefäßen zum Schöpfen, da diese unter den Häu- sern begraben worden waren. Noch hatte man sich einer Pflicht gegen die Todten zu entledigen, die sowohl die Sitte, als die Furcht vor den ansteckenden Krankheiten, welche aus der Fäulniß der Leichname entstehen konnten, gebot. Da es unmöglich war, so viele Tausende halb unter dem Schutt begrabener Leichname zu beerdigen, so wurden Commissaire ernannt, um sie zu verbrennen. Mitten unter dem Schutt wurden Scheiterhaufen errichtet, und die Verbrennung der Leichen dauerte zwei ganze Tage. Bei diesen allgemeinen Leiden und Unfällen suchte das Volk den zürnenden Himmel durch eifrige religiöse Uebungen zu besänf-

4. Für Schüler von 13 bis 16 Jahren - S. 249

1843 - Potsdam : Riegel
249 feit, das sich eben zur Processen begeben sollte; von diesem rette- ten sich nur wenige einzelne, die andern lagen unter dem Schutte vergraben, in dm sich das große Gebäude so plötzlich verwandelt hatte. Neun Zchntheilc der schönen Stadt Caracas waren gänz- lich zerstört. Die Häuser, welche nicht einstürzten, waren so zer- rissen, daß sie nicht mehr bewohnt werdm konnten. Etwas we- niger verheerend zeigten sich die Wirkungen des Erdbebens im süd- lichen und westlichen Theile der Stadt zwischen dem großen Platze und dem Hohlwege von Caragnata. Hier blieb die Kathcdral- Kirche aufrecht stehen. Wenn man nun erzählt, daß 9- bis 10,000 Menschen durch die Trümmer der Stadt Caracas erschlagen wor- den seien, so scheint man damit nur den glücklichen Theil der Bewohner bezeichnet zu haben, die plötzlich und unvermuthet, zum Theil in Andacht und Gebet begriffen, vom Tode überfallen, den Leiden entnommen wurden, welche die andern Mitbürger trafen. Man gedenke nun aber der Menge dieser llnglücklichen, die ver- wundet, an ihren Gliedern zerschmettert, noch Monate lang zum Theil die Ihrigen überleben mußten, und dann aus Mangel an Pflege und Nahrung dmnoch umkamen. Die Nacht vom grünen Donnerstag auf den Eharfreitag bot den Anblick eines grenzenlo- sen Elends dar. Beim Einsturze der Stadt hatte sich eine fin- stere, dicke Staubwolke erhoben, und die Luft gleich einem dicken Nebel erfüllt und verfinstert. Gegen Abend schlug sich der Staub zur Erde nieder, und die Lust wurde wieder rein, die Erde war wieder fest und ruhig, und die Nacht so stille und schön, wie je zuvor. Der fast volle Mond leuchtete, und die ruhige heitere Ge- stalt des Himmels bildete einen furchtbaren Abstich gegm die mit Trümmern und Leichen bedeckte Erde, und den namenlosen Jam- mer der Menschen. Mütter trugen die Leichen ihrer Kinder im Arme, durch die Hoffnung getäuscht, sie wieder ins Leben zu bringen. Jammernde Haushaltungen durchzogen die Schutthau- fen, die am Morgen noch eine Stadt waren, reichblühend, belebt, um einen Bruder, einen Freund zu suchen, dessen Schicksal unbe- kannt war, und den man im Gedränge verloren glauben konnte. Alles Unglück, welches in den großen Jammerscenen von Lissabon, Messcna, Lima und Riobamba war erlebt worden, wiederholte sich an dem Schreckenötage des 26. März 1812. Die unter dem Schutte begrabenen Verwundeten riefen die Vorbeigehenden laut flehend um Hülfe an; über 2000 wurden

5. Bd. 2 - S. 438

1903 - Langensalza : Greßler
438 Jammerszenen von Lissabon, Messina, Lima und Riobamba war erlebt worden, wiederholte sich an dem Schreckenstage des 26. März 1812. Die unter dem Schutte vergrabenen Verwundeten riefen die Vor- übergehenden laut flehend um Hilfe an; über 2000 wurden hervor- gezogen. Nie hat Wohl das Mitleid sich rührender und ersinderischer gezeigt als in den Anstrengungen, welche gemacht wurden, um den Un- glücklichen, deren Seufzer man hörte, Hilfe zu reichen. Es mangelte gänzlich an Werkzeugen zum Nachgraben und Wegräumen des Schuttes, man mußte sich also der Hände zur Hervorgrabung der Unglücklichen bedienen. Die Verwundeten sowohl, als die aus den Hospitälern Ge- retteten, wurden am Gestade des kleinen Guyaraslusses gelagert. Hier konnte der Schatten der Bäume den Menschen allein Obdach gewähren. Die Betten, die Leinwand zum Verband der Wunden, chirurgische Werk- zeuge, Arzeneien, alle Gegenstände der ersten Bedürfnisse waren unter dem Schutt begraben. In den ersten Tagen mangelte alles, sogar Nahrungsmittel. Auch das Wasser war im Innern der Stadt selten geworden. Die Erdstöße hatten teils die Brunnenleitungen zerschlagen, teils waren durch das eingestürzte Erdreich die Quellen verstopft. Um Wasser zu bekommen, mußte man den Gnyarasluß hinabsteigen, wo es wieder an Gefäßen zum Schöpfen fehlte. Die Bestattung der Toten war sowohl durch Religion, als durch die Sorge für die Gesundheit geboten. Es war jedoch unmöglich, so viele Tausende zu bestatten: es wurden daher Kommissarien ernannt, die für die Verbrennung zu sorgen hatten. Mitten zwischen dem Schutte der Häuser wurden Scheiterhausen für die Bewohner errichtet, und dieses traurige Geschäft dauerte mehrere Tage. Unter diesem allgemeinen Jammer vollzog das Volk die religiösen Gebräuche, mit welchen sie am ehesten den Zorn des Himmels zu besänftigen hofften. Einige stellten feierliche Prozessionen an, bei welchen sie Leichengesänge ertönen ließen. Andere, von Geistesverwirrung befallen, beichteten laut aus der Straße. Es ereignete sich in Caracas, was in der Provinz Quito nach dem schrecklichen Erdbeben vom 4. Februar 1797 geschehen war. Viele Ehen wurden von Personen geschlossen, die seit Jahren ohne priesterliche Ein- segnung zusammen gelebt hatten; Kinder bekamen jetzt Eltern, von denen sie früher verstoßen waren; Rückerstattungen wurden von Leuten verheißen, die niemand eines Diebstahls beschuldigt hatte: Familien, die lange in Feindschaft miteinander gelebt hatten, versöhnten sich im Gefühle des gemeinsamen Unglücks. Wenn jedoch das allgemeine Unglück bei einigen die Sitten milderte und das Herz dem Mitleid öffnete, fo ge- schah auch hier wieder bei andern das Gegenteil, sie wurden nur ver- härteter und unmenschlicher. In großen Nöten sieht man, daß gemeine Seelen die Güte des Gemüts weniger als seine Stärke beibehalten. Das Unglück ist wie das Studium der Wissenschaften und der Natur, nur wenige werden durch dasselbe veredelt, in ihrem Gemüte er- hoben und in ihrem Charakter gebessert.

6. Bd. 2 - S. 356

1886 - Langensalza : Greßler
356 Trümmer der Stadt Caracas erschlagen Warden seien, so scheint man damit nur den glücklichen Teil der Bewohner bezeichnet zu haben, die plötzlich und unvermutet, zum Teil in Andacht und Gebet ergriffen, vom Tode überfallen, den Leiden entnommen wurden, welche die andern Mitbürger trafen. Man gedenke nun aber der Menge dieser Unglück- lichen, die verwundet, an ihren Gliedern zerschmettert noch Monate lang zum Teil die Ihrigen überleben mußten, und dann aus Mangel an Pflege und Nahrung dennoch umkamen. Die Nacht vom grünen Donners- tag auf den Karfreitag bot den Anblick eines grenzenlosen Elends dar. Beim Einsturze der Stadt hatte sich eine finstere, dicke Staubwolke er- hoben, und die Luft gleich einem dicken Nebel erfüllt und verfinstert. Gegen Abend schlug sich der Staub zur Erde nieder, und die Luft wurde wieder rein, die Erde war wieder fest und ruhig, und die Nacht so stille und schön, wie je zuvor. Der fast volle Mond leuchtete, und die ruhige heitere Gestalt des Himmels bildete einen furchtbaren Abstich gegen die mit Trümmern und Leichen bedeckte Erde und den namen- losen Jammer der Menschen. Mütter trugen die Leichen ihrer Kinder im Arme, durch die Hoffnung getäuscht, sie wieder ins Leben zu bringen. Jammernde Familien durchzogen die Schutthaufen, die am Morgen noch eine Stadt waren, reichblühend, belebt, um einen Bruder, einen Freund zu suchen, dessen Schicksal unbekannt war, und den man im Gedränge verloren glauben konnte. Alles Unglück, welches in den Jammerscenen von Lissabon, Messina, Lima und Riobamba war erlebt worden, wieder- holte sich an dem Schreckenstage des 26. März 1812. Die unter dem Schutte vergrabenen Verwundeten riefen die Vorüber- gehenden laut flehend um Hilfe an; über 2000 wurden hervorgezogen. Nie hat wohl das Mitleid sich rührender und erfinderischer gezeigt als in den Anstrengungen, welche gemacht wurden, um den Unglücklichen, deren Seufzer man hörte, Hilfe zu reichen. Es mangelte gänzlich an Werkzeugen zum Nachgraben und Wegräumen des Schuttes, man mußte sich also der Hände zur Hervorgrabung der Unglücklichen bedienen. Die Verwundeten sowohl, als die aus den Hospitälern Geretteten, wurden am Gestade des kleinen Guyaraflusses gelagert. Hier konnte der Schatten der Bäume den Menschen allein Obdach gewähren. Die Betten, die Leinwand zum Verband der Wunden, chirurgische Werkzeuge, Arzeneien, alle Gegenstände der ersten Bedürfnisse waren unter dem Schutt be- graben. In den ersten Tagen mangelte alles, sogar Nahrungsmittel. Auch das Wasser war im Innern der Stadt selten geworden. Die Erdstöße hatten teils die Brunnenleitungen zerschlagen, teils waren durch das eingestürzte Erdreich die Quellen verstopft. Um Wasser zu be- kommen,' mußte Ulan den Guyarafluß hinabsteigen, wo es wieder an Gefäßen zum Schöpfen fehlte. Die Bestattung der Toten war sowohl durch Religion, als durch die Sorge für die Gesundheit geboten. Es war jedoch unmöglich, so viele Tausende zu bestatten: es wurden daher Kommissarien ernannt,

7. Geographische Bilder aus allen Erdtheilen - S. 326

1878 - Danzig : Verlag und Druck von A. W. Kafemann
326 Bilder aus Amerika. sollte; von diesen retteten sich nur wenige einzelne; die andern lagen unter dem Schutt vergraben, in den sich das große Gebäude so plötzlich ver- wandelt hatte. Neun Zehntheile der großen Stadt Caracas waren gänz- lich zerstört. Die Häuser, welche nicht einstürzten, waren so zerrissen, daß sie nicht mehr bewohnt werden konnten. Die Nacht vom grünen Donnerstage auf den Charfreitag bot den Anblick eines grenzenlosen Elends dar. Beim Einsturze der Stadt hatte sich eine finstere, dicke Staubwolke erhoben und die Luft gleich einem dicken Nebel erfüllt und verfinstert. Gegen Abend schlug sich der Staub zur Erde nieder, und die Luft wurde wieder rein; oie Erde war wieder fest und ruhig und die Nacht so stille und schön, wie je zuvor. Der fast volle Mond leuchtete, und die ruhige, heitere Gestalt des Himmels bildete einen furchtbaren Abstich gegen die mit Trümmern und Leichen bedeckte Erde und den namenlosen Jammer der Menschen. Mütter trugen die Leichen ihrer Kinder im Arme, durch die Hoffnung getäuscht, sie wieder ins Leben zu bringen. Jammernde Familien durchzogen die Schutthaufen, um einen Bruder, einen Freund zu suchen, dessen Schicksal unbekannt war, und den man im Gedränge verloren glauben konnte. Alles Unglück, welches in den großen Jammerscenen von Lissabon, Messina, Lima und Riobamba war erlebt worden, wiederholte sich an dem Schreckenstage des 26. März 1812. Die unter dem Schutte begrabenen Verwundeten riefen die Vorbei- gehenden laut flehend um Hilfe an; über 2000 wurden hervorgezogen. Nie hat wohl das Mitleid sich rührender und erfinderischer gezeigt, als in den Anstrengungen, welche gemacht wurden, um den Unglücklichen, deren Seufzer man hörte, zu Hilfe zu eilen. Es mangelte gänzlich an Werkzeugen zur Hinwegräumung des Schuttes, sie waren mit verschüttet; man mußte sich also der Hände zur Hervorqrabung der Unglücklichen bedienen. Die Ver- wundeten sowohl, als auch die aus den Hospitälern Geretteten wurden ans Gestade des kleinen Guharaflusses gelagert. Hier konnte der Schatten der Bäume allein dem Menschen Obdach gewähren. Die Betten, die Leinewand zum Verbände der Wunden, chirurgische Werkzeuge, Arzneien, alle Gegenstände der ersten Bedürfnisse waren unter dem Schutte begraben. In den ersten Tagen mangelte alles, sogar Nahrungsmittel. Auch das Wasser war im Innern der Stadt selten geworden. Die Erdstöße hatten theils die Brunnenleitungen zerschlagen, theils waren durch das eingestürzte Erdreich die Quellen verstopft. Um Wasser zu bekommen, mußte man an den Guharafluß hinabsteigen, wo es wieder an Gefäßen zum Schöpfen fehlte. Die Bestattung der Todten war sowohl durch Religion, als durch die Sorge für die Gesundheit geboten. Es war jedoch unmöglich, so viele Tausende zu bestatten, und deshalb wurden Kommissarien verordnet, die für die Verbrennung zu forgen hatten. Mitten zwischen dem Schutte der Häuser wurden Scheiterhaufen für die Todten errichtet und dieses traurige Geschäft dauerte mehrere Tage. Unter diesem allgemeinen Jammer vollzog das Volk die religiösen Gebräuche, mit welchen sie am ehesten den Zorn des Himmels zu besänftigen hofften. Einige stellten feierliche Processionen an, bei welchen sie Leichengesänge ertönen ließen. Andere, von Geistes- verwirrung befallen, beichteten laut auf der Straße. Es ereignete sich in Caracas, was in der Provinz Quito nach dem schrecklichen Erdbeben vom 4. Februar 1797 geschehen war. Rückerstattungen wurden von Leuten ver- heißen, die niemand eines Diebstahls beschuldigt hatte; Familien, die lange in Feindseligkeit mit einander gelebt hatten, versöhnten sich im Gefühle gemeinsamen Unglückes. A. v. Humboldt.

8. Bd. 3 - S. 305

1838 - Eisleben : Reichardt
305 Col ombi sch e Republiken. giment Soldaten, das in der großen Kaserne unter den Waffen stand und eben sich zur Prozession begeben sollte, ward, mit Ausnahme weniger Einzelner, unter den Trümmern dieses großen Gebäudes ver- schüttet. Neun Zehntheile der schönen Stadt Caracas wurden gänzlich zerstört. Wenn die Zahl der Todten in dieser Stadt auf 9—10,000 be- rechnet wird, so sind dabei die Unglücklichen noch nicht in Anschlag gebracht, welche schwer verwundet, nach Monaten erst, aus Mangel an Nahrung und Pflege umkamen. Die Nacht vom Donnerstag auf den Charfreitag bot den Anblick eines unsäglichen Jammers und Un- glücks dar. Mütter trugen Kinderleichen im Arm, durch die Hoff- nung getauscht, sie wieder ins Leben zu rufen. Jammernde Familien durchzogen die Stadt, um einen Bruder, einen Gatten, einen Freund zu suchen, dessen Schicksal unbekannt war und den man im Gedränge verloren glauben konnte. Man drängte sich in den Straßen, die an Trümmer- und Schutt-Reihen einzig noch kennbar waren. Alles Unglück, das in den großen Jammerszenen von Lissabon und Messina (B. I, S. 108 und 465) erlebt worden war, wiederholte sich an dem Schreckenstage des 26. Marz 1812 zu Caracas. Bogota, sonst Santa Fe de Bogota, die Hauptstadt der Republik Neugranada, liegt auf einer 8000 F. über dem Meere er- habenen Hochebene der östlichen Andenkette, am Fuße zweier Berge, des Montserrat und Guadelupe, welche auf ihren Gipfeln Klöster tra- gen, und genießt durch ihre hohe Lage ein gesundes, erfrischendes Klima, welches den Anbau aller Europäischen Getreidearten gestattet, die im Jahre zweimalige Erndte geben. Diese Hochebene von Bogota, von N. nach S. 9| M. lang und fast 5 M. breit, ringsum von Ber- gen umgeben, gewahrt den Anblick einer fast ganz wagerechten Ebene. Diese Stadt, von 40,000 Menschen bewohnt, hat einen großen Um- fang, (da sie sehr viele Garten und Klöster einschließt), in rechten Winkeln einander sich durchschneidende Straßen, die gerade und mit Trottoirs versehen sind, und meistens einstöckige Hauser, mit außer- ordentlich starken Mauern und selten mit Glasfenstern. Die häufigen Erdbeben sind die Ursache, daß man die Häuser von so geringer Höhe erbaut. Um den innern Hof der Hauser zieht sich gewöhnlich eine Gallerie. Die größte und schönste Straße ist die Königs- oder je- tzige Republikanerstraße, welche sich an dem schönsten Platze der Stadt endigt, auf welcher die 1814 erbaute prächtige Kathedrale, die aber bei dem furchtbaren Erdbeben 1827 zerstört wurde, das schöne Regierungsgebäude und das Zollhaus stehen. Auf diesem Platze wird alle Freitage Markt gehalten, der durch das bunte Gewühl der mit Einkäufen und Verkaufen beschäftigten Kreolen, Mulatten, Mestizen, Indianer und Neger, und durch die Mannigfaltigkeit von Waaren, namentlich der Gemüse und Baumfrüchte dem Fremden ein interessan- tes Schauspiel darbietet. Cannabich's Hülfsbüch. Iii. Band. 20

9. H. 1 - 4 - S. 37

1881 - Karlsruhe : Reiff
37 eine Bildung der Neuzeit! Wie manche Stadt (z. B. Ravenna) lag noch vor mehreren Jahrhunderten am Meere und ist jetzt vielleicht P/a Stunden landeinwärts gerückt! Große Zerstörungen werden oft durch die Eisgänge der Ge- Wässer, selbst der kleinsten Flüsse bewirkt. Eine Menge Zerstörungen und Neubildungen werden endlich durch die Pflanzen (Bildung des Torfs?c.) und Tiere (Koralleninfeln ?c.) und ganz besonders durch die Hand der Menschen (Trockenlegung von Seen, Entwässerung von Morästen, Sprengen von Felsen, Kultur- anlage von Feldern ?c.) hervorgerufen. b) Die Wirkungen, wodurch Zerstörungen und Neubildungen her- vorgerufen werden, können aber auch aus dem Innern der Erde kommen, nämlich durch vulkanische Ausbrüche und Erdbeben. Wie verheerend die Vulkane austreten können, das beweisen die verschütteten Städte Herculanum und Pompeji beim Vesuv. Unter den vielen Feuerbergen der Erde sind noch weit über 200 thätig; viele da- von find erloschen. Noch viel verheerender wirkt ein Erdbeben; denn die Wirkung eines feuerspeienden Berges ist doch nur immer aus einen sehr kleinen Raum eingeschränkt. Das „Lissaboner Erdbeben" vom I. Nov. 1755, wodurch Lissabon in 6 Sekunden zerstört wurde, erstreckte sich über einen Flächenraum von 700000 Q.-M. Große Erdbeben: 1693 (Eatania), 1746 (Peru), 1755 (Lissabon), 1783 (Messina), 1797 (Quitos 1812 (Caracas, wurde in 3^Sekunden zerstört), 1822 (Syrien) und 1829 (Spanien). § 20. Die mineralischen Schätze der Erde. Man teilt alle Naturprodukte ein in organische und unorganische. Zu den ersteren gehören die Pflanzen und Tiere; sie besitzen Leben durch das Vermögen der Er- nährung und Fortpflanzung; letztere, zu welchen die Mine- ralien gehören, find leblos und haben keine Organe zur Be- wegung, Ernährung und Fortpflanzung. Man teilt die Mineralien ein in 4 Klaffen: 1) Bronze oder brennbare Mineralien (Stein-, Braunkohle, Torf), 2) Metalle (Kupser, Gold, Eisen, Blei :c.), 3) Steine und Erden (Diamant, Quarz, Feldspat, Kalksteine.) und 4) Salze (Stein- und Kochsalz, Alaun, Soda 2c.). Genaueres über die Mineralien lehrt die Mineralogie. Die wichtigsten Mineralien find: Kohle, Petroleum, Eisen, Gold, Silber, Kupfer, Zinn, Salz, Edel- eine, Kalk- und Sandsteine. n

10. Für Oberklassen - S. 372

1870 - Altenburg : Bonde
372 bekannt war, und den man im Gedränge verloren glauben konnte. Alles Unglück, welches in den großen Jammerscenen von Lissabon, Messina, Lima und Riobamba war erlebt worden, wiederholte sich an dem Schreckenstage des 26. März 1812. Die unter dem Schutte begrabenen Verwundeten riefen die Vor- beigehenden laut flehend um Hülfe an; über 2000 wurden hervorge- zogen. Nie hat Wohl das Mitleid sich rührender und erfinderischer gezeigt, als in den Anstrengungen, welche gemacht wurden, um den Unglücklichen, deren Seufzer man hörte, zu Hülfe zu eilen. Es man- gelte gänzlich an Werkzeugen zur Hinwegräumung des Schuttes, sie waren mit verschüttet, man mußte sich also der Hände zur Hervorgra- bung der Unglücklichen bedienen. Die Verwundeten sowohl, als die aus den Hospitälern Geretteten wurden ans Gestade des kleinen Guyaraflusses gelagert. Hier konnte der Schatten der Bäume allein dem Menschen Obdach gewähren. Dre Betten, die Leinwand zum Ver- bände der Wunden, chirurgische Werkzeuge, Arzneien, alle Gegenstände der ersten Bedürfnisse waren unter dem Schutte begraben. In den ersten Tagen mangelte alles, sogar Nahrungsmittel. Auch das Wasser war im Innern der Stadt selten geworden. Die Erdstöße hatten theils die Brunnenleitungen zerschlagen, theils waren durch das eingestürzte Erdreich die Quellen verstopft. Um Wasser zu bekommen, mußte man an dew Guyarafluß hinabsteigen, wo es wieder an Gefäßen zum Schöpfen fehlte. Die Bestattung der Todten war sowohl durch Religion, als durch die Sorge für die Gesundheit geboten. Es war jedoch unmöglich, so viele Tausende zu bestatten, und deshalb wurden Commissarien ver- ordnet, die für die Verbrennung zu sorgen hatten. Mitten zwischen dem Schutte der Häuser wurden Scheiterhaufen für die Todten er- richtet, und dieses traurige Geschäft dauerte mehrere Tage. Unte>r die- sem allgemeinen Jammer vollzog das Volk die religiösen Gebräuche, mit welchen sie am ehesten den Zorn des Himmels zu besänftigen hofften. Einige stellten feierliche Processionen an, bei welchen sie Lei- chengesänge ertönen ließen. Andere, von Geistesverwirrung befallen, beichteten laut auf der Straße. Es ereignete sich in Caracas, was in der Provinz Quito nach dem schrecklichen Erdbeben vom 4. Februar 1797 geschehen war. Rückerstattungen wurden von Leuten verheißen, die Niemand eines Diebstahls beschuldigt hatte; Familien, die lange in Feindseligkeit mit einander gelebt hatten, versöhnten sich im Gefühle gemeinsamen Unglückes. 342. Der Amazonenstrom. Der Amazonenstrom, der grösste Strom der Erde, bildet das mittelste der drei grossen Wassersysteme Südamerikas. Ihm strömen die Ge- wässer von einem Flächenraume zu, der fast zehnmal grösser als Deutsch- land ist. Flüsse vereinigen sich mit ihm, die Europas grössten Flüssen an Wassermenge gleichkommen. Von seiner Quelle ab, die in Ober- Peru gelegen ist, führt er den Namen Marannon; von der Mündung des Yucayali bis zu der des Rio Negro heisst er Silimoes und von

11. Schul-Lesebuch - S. 488

1873 - Berlin : Stubenrauch
488 wegener Reiter, der auf ihm festsitzt, mag das Pferd bäumen und schla- Aeu, wie es will. Es zittert vor Wuth; blutiger Schaum dringt aus leinen Nüstern: endlich entflieht es im stärksten Galopp in die weite Ebene. Aber oer Reiter bleibt kaltblütig auf ihm sitzen. Bis es auf dem Punkte ist zusammenzubrechen, setzt es seinen Lauf fort. Dann aber erkennt es die Macht des Stärkeren an und kehrt langsam zurück, jeder Bewegung des Zügels gehorchend. 78. Das Erdbeben von Caracas. Caracas ist die Hauptstadt der Provinz Caracas oder Venezuela, die ehemals zu dem spanischen Südamerika gehörte, nunmehr aber eine Republik bildet. Caracas war eine schöne, lebhafte Stadt, die 40 bis 45,000 Einwohner hatte, bis sie im -Jahre 1812 durch ein Erdbeben in weniger als einer halben Minute in einen Schutthaufen verwandelt wurde. Dieses schreckliche Naturereigniß begrub einen großen Theil ihrer Einwohner; auch fanden über 20,000 Menschen in der Provinz Venezuela beinahe in demselben Augenblicke den Tod. Bereits im Dezember 1811 ward Caracas zuerst aus seiner Sicher- heit durch einen Erdstoß von beträchtlicher Heftigkeit aufgeschreckt. Man beruhigte sich jedoch wieder, da beinahe drei volle Monate vergingen, ohne daß die geringste Erschütterung erfolgt wäre. Endlich ging die Sonne am 26. März 1812 über Caracas auf; es sollte aber den Untergang derselben nicht mehr sehen. Der Tag kündigte sich sehr heiß an; die Luft war ruhig und der Himmel wolkenlos. Es war der grüne Donnerstag, und das Volk strömte haufenweis zu den Gottes- häusern. Plötzlich ertönten um 4 Uhr Nachmittags die Glocken. Es war nicht Menschen-, sondern Gotteshand, die sie zum Grabgeläute zwang. Eine zehn bis zwölf Sekunden lange Erschütterung schreckte das Volk; die Erde schien flüssig und kochend. Man glaubte, die Gefahr sei vor- über, als sich plötzlich der heftigste unterirdische Donner hören ließ, stärker und anhaltender als das Rollen der Gewitter in dieser Jahres- zeit. Unmittelbar darauf erfolgte eine senkrechte, bret bis vier Sekun- den anhaltende Bewegung, welche zu gleicher Zeit von einer horizontalen, wellenförmigen begleitet war. Diese Stöße erfolgten in zwei sich kreu- zenden Richtungen: von Norden gegen Süden und von Osten nach Westen. Solchen gleichzeitigen Bewegungen von unten nach oben und sich kreuzend konnte nichts widerstehen. In einer Viertelminute war Caracas ein Schutthaufen, der 9 bis 10,000 der Einwohner begraben hatte. Die Erschütterung war an der Nordseite der Stadt am heftig- sten gewesen. Hier waren zwei große Kirchen in einen Trümmerhau- fen verwandelt, der nicht höher als fünf bis sechs Fuß war.^ Die Zermalmung des Schuttes war so beträchtlich , daß von den Pfeilern und Säulen keine Spur kenntlich blieb. Eine Kaserne war beinahe verschwunden. In derselben stand ein Regiment Soldaten, das sich eben zur Prozession beheben sollte. Von diesem retteten sich nur wenige einzelne; die übrigen lagen unter dem Schutte vergraben, in den sich das große Gebauoe so plötzlich verwandelt batte. Neun Zehn- theile oer frönen Stadt Caracas waren gänzlich zerstört. Die Häuser,

12. Geographische Bilder aus allen Erdtheilen - S. 325

1878 - Danzig : Verlag und Druck von A. W. Kafemann
Tie Botokuden. — Das Erdbeben von Caracas. gehört, ist alles ihr Geschäft. Sie müssen die Hütten bauen, Früchte aller Art zur Nahrung aufsuchen, und auf Reisen sind sie beladen wie Lastthiere. Die mannigfaltigen und mühsamen Arbeiten erlauben ihnen nicht, sich viel um ihre Kinder zu bekümmern. Sind diese noch klein, so trägt man sie beständig auf dem Rücken mit sich umher, sind sie schon etwas größer, so bleiben sie sich selbst überlassen, wo sie schnell ihre Kräfte gebrauchen lernen. Der fünde Botokude kriecht im Sande umher, bis er den kleinen Bogen spannen kann; alsdann fängt er an sich zu üben, und nun bedarf er zu seiner Ausbildung nichts weiter, als die Lehren der Mutter Natur. Die Liebe zu einem freien, rohen und ungebundenen Leben drückt sich ihm von Jugend an tief ein und dauert sein ganzes Leben hindurch. Alle jene Wilden, welche man aus ihren Urwäldern entfernt und tu die Gesellschaft der Europäer gezogen hat, hielten wohl eine Zeit lang diesen Zwang aus, sehnten sich indessen immer nach ihrem Geburtsorte zurück und entflohen oft, wenn man ihren Wünschen nicht Gehör gab. Prinz Max v. Wied. 181. Das Erdbeben von Caracas. Caracas ist die Hauptstadt vonz>er Provinz Caracas oder Venezuela, die eine Republick^ bildet. Was die Stadt Caracas betrifft, so war sie eine lebhafte, schöne Stadt, die 10- bis 45,000 Einwohner hatte, bis sie tut Jahre 1812 durch ein Erdbeben in weniger als einer halben Minute in einen Schutthaufen verwandelt wurde. ^ Bereits im Dezember 1611 ward Caracas zuerst aus seiner Sicherheit durch einen Erdstoß von einer beträchtlichen Heftigkeit aufgeschreckt. Alan beruhigte sich jedoch wieder, da beinahe drei volle Monate vergingen, ohne daß die geringste Erschütterung erfolgt wäre. Endlich ging die 'Lonne am 26. März 1812 über Caracas auf; es sollte aber ihren Untergang nicht mehr sehen. Der Tag kündete sich sehr heiß an, die Luft war ruhig und der Hunmel wolkenlos. Es war der grüne Donnerstag; das Volk strömte haufenweise zu den Gotteshäusern. Es war vier Uhr nachmittags. Plötzlich tönten die Glocken; es war Gottes- nicht Menschenhand, die sie zum Grab- geläute zwang. Eine zehn bis zwölf Sekunden lange Erschütterung schreckte das Volk; die Erde schien flüssig und kochend. Man glaubte, die Gefahr sei vorüber, als sich plötzlich der heftigste unterirdische Donner hören ließ, aber stärker und anhaltender als das Rollen der Gewitter in dieser Jahres- zeit. Unmittelbar auf dieses Donnern folgte eine senkrechte, drei bis vier Sekunden anhaltende Bewegung, welche zu gleicher Zeit von einer horizontalen, wellenförmigen begleitet war. Diese Stöße erfolgten in zwei sich durchkreuzenden Richtungen von Norden gegen Süden und von Osten nach Westen. Diesen gleichzeitigen Bewegungen von unten nach oben und sich durchkreuzend konnte nichts mehr widerstehen; in einer Viertelminute war Caracas ein Schutthaufen, der 9- bis 10,000 seiner Einwohner be- graben hatte. Noch hatte die Prozession den Umgang nicht eröffnet; aber das Hinzuströmen zur Kirche war so groß, daß'gegen 3- bis 4000 Ein- wohner unter dem Einsturz ihrer Gewölbe begraben wurden. Die Ex- plosion war in der Nordseite der Stadt am heftigsten gewesen. Die Kirche der Dreifaltigkeit und der Alta Gratia, die 50 Meter Höhe hatten, und deren Schiff durch 3 bis 4 Meter dicke Pfeiler getragen ward, lagen in emen Trümmerhaufen verwandelt, der nicht höher als 2 Meter war, und die Zermalmung des Schuttes war so beträchtlich, daß von den Pfeilern und Säulen auch keine Spur mehr kenntlich geblieben ist. Die Kaserne San Carlos war beinahe verschwunden. Es stand darin ein Regiment Linientruppen unter den Waffen, das sich eben zur Prozession begeben

13. Für Oberklassen - S. 370

1870 - Altenburg : Bonde
---- 370 --------- neuen Tag mit eben so wenig Bedürfnissen, als man den alten be- schlossen hat. Kommt eins von den wilden Thieren der brasilianischen Einöden nur auf hundert Schritte dem Botokuden zu nahe, so ist es seine sichere Beute. Im Nu ist der Doppelbogen gespannt und der mit Blitzes- schnelle fortgeschleuderte Stein trifft sein Ziel stark und sicher. So sehr aber der Botokude die anderen Wilden noch an Klugheit und Ge- schicklichkeit übertrifft, so steht er doch an innerer Gesittung selbst hinter den rohesten und barbarischsten noch zurück. Selbst die Gefühle der Freundschaft und der Familienliebe sind dem Botokuden ganz fremd. Brüderliche Anhänglichkeit, mütterliche Zärtlichkeit, Kindesliebe sind ihm unbekannte Dinge. Man wird geboren und man lebt. Man spannt dem Kinde die Ohren lang, durchschneidet ihm die Unterlippe, um das dicke Stück Holz hineinzuklammern, man gibt ihm später einen Bogen mit Pfeilen oder Steinen, zeigt ihm die Ebene und sagt zu ihm: „Da suche Dir Deine Nahrung und bekämpfe jedes lebende Wesen, das Dir Widerstand leisten will." Wenn man stirbt, so fließt keine Thräne, ertönt keine Todtenklage. 341. Das Erdbeben von Caracas. Caracas ist die Hauptstadt von der Provinz Caracas oder Vene- zuela, die ehemals zu dem spanischen Südamerika gehörte, nunmehr aber eine Republik bildet. Was die Stadt Caracas betrifft, so war sie eine lebhafte, schöne Stadt, die 40- bis 45,000 Einwohner hatte, bis sie im Jahre 1812 durch ein Erdbeben in weniger als einer hal- den Minute in einen Schutthaufen verwandelt wurde. Dieses schreck- liche Naturereigniß begrub einen großen Theil ihrer Einwohner; auch fanden über 20,000 Menschen in der Provinz Venezuela beinahe in demselben Augenblicke den Tod, viele wurden verstümmelt und verwun- det, und die Übergebliebenen waren dem Schmerz und der Trauer um die Ihrigen preisgegeben. Bereits im December 1811 ward Caracas zuerst aus seiner Sicher- heit durch einen Erdstoß von beträchtlicher Heftigkeit aufgeschreckt. Man beruhigte sich jedoch wieder, da beinahe drei volle Monate vergingen, ohne daß die geringste Erschütterung erfolgt wäre. Endlich ging die Sonne am 26. März 1812 über Caracas auf; es sollte aber den Un- tergang nicht mehr sehen. Der Tag kündigte sich sehr heiß an, die Luft war ruhig und der Himmel wolkenlos. Es war der grüne Don- nerstag, das Volk strömte haufenweis zu den Gotteshäusern. Nichts schien den Betern ihr nahes Ende zu verkünden. Es war vier Uhr Nachmittags. Plötzlich tönten die Glocken; es war Gottes-, nicht Men- schenhand, die sie zum Grabgeläute zwang. Eine zehn bis zwölf Se- kunden lange Erschütterung schreckte das Volk; die Erde schien flüssig und kochend. Man glaubte, die Gefahr sei vorüber, als sich plötzlich der heftigste unterirdische Donner hören ließ, aber stärker und anhalten- der, als das Rollen der Gewitter in dieser Jahreszeit. Unmittelbar auf dieses Gewitter folgte eine senkrechte, drei bis vier Sekunden an-

14. Vaterländisches Lesebuch für die mehrklassige evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 381

1888 - Halle a.S. : Buchh. des Waisenhauses
83. Das Erdbeben von Caracas. 381 83. Das Erdbeben von Caracas. Pom Anfange des Jahres 1811 bis zum Jahre 1813 war ein großer Flächen- raum, der die Provinz Venezuela, Westindien und einen Teil von Nord- amerika begreift, fortwährend den Erschütterungen unterirdischer Kräfte aus- gesetzt. Am Mississippi befand sich der Erdboden Tag und Nacht in dem Zustande eines steten Hin- und Herschwankens; die Stadt Caracas verspürte den ersten Stoß im Dezember 1811. Die Provinz Venezuela litt vor der Erschütterung, welche ihre Hauptstadt zerstörte, an großer Trockenheit; zu Cara- cas und in einem Umkreise von 311 englischen Meilen um diesen Ort war in den fünf Monaten, welche diesem Unglücke vorausgingen, kein Tropfen Regen gefallen. Am 26. März herrschte eine außerordentliche Hitze, die Luft war ruhig und der Himmel wolkenfrei. Es war gerade der erste Ostertag, und ein großer Teil der Einwohner befand sich in den Kirchen. Kein gefahrdrohendes Zeichen ging dem furchtbaren Ereignisse voraus. Sieben Minuten nach 4 Uhr abends wurde die erste Erschütterung gespürt. Sie war so stark, daß die Glocken in den Kirchen ertönten, und dauerte 5 bis 6 Sekunden. Unmittelbar aus diesen ersten Stoß folgte ein zweiter, welcher 10 bis 12 Sekunden anhielt. Während desselben war der Boden in einem beständigen Schwanken begrasten und wogte gleich einer kochenden Flüssigkeit. Man glaubte schon, die Gefahr sei vorüber, als sich ein furchtbares unterirdisches Getöse vernehmen ließ, wel- ches dem Rollen des Donners glich. Auf dieses Getöse folgte eine Erschütterung in senkrechter Richtung, und auf diese eine wellenförmige, die etwas länger dauerte. Die Stöße befolgten entgegengesetzte Richtungen, von Norden nach Süden und von Osten nach Westen. Es war unmöglich, daß irgend etivas die Bewegung von unten nach oben und die einander kreuzenden Bewegungen aus- halten konnte. Die Stadt Caracas ward gänzlich zerstört, und 9 bis 10 000 ihrer Einwohner wurden unter den Trümmern der einstürzenden Kirchen und Häuser begraben. Eine Prozession, welche gehalten werden sollte, hatte noch nicht begonnen, allein das Gedränge in den Kirchen war so groß, daß gegen 3 bis 4000 Personen durch den Einsturz der gewölbten Dächer zerschmettert wurden. Im nördlichen Teile der Stadt war die Erschütterung am stärksten. Zwei Kirchen dieses Teils, welche etwa 45 Meter hoch waren und deren Schiffe auf Säulen von etwa 4 Meter im Durchmesser ruhten, wurden in eine Maste von Ruinen verwandelt, die nirgends über anderthalb Meter hoch war. Das Ein- sinken der Trümmer war so bedeutend, daß nach wenigen Jahren kaum noch eine Spur von den Pfeilern und Säulen gesehen wurde. Die Baracken, aus denen ein nördlich von diesen Kirchen gelegenes Quartier bestand, verschwanden fast gänzlich. Ein Regiment Linientruppen, welches sich in einem großen Gebäude dieses Stadtteils versammelt hatte, um sich dem feierlichen Zuge der Prozession anzuschließen, wurde, mit Ausnahme weniger, unter diesem Haufe begraben. Neun Zehntel der schönen Stadt Caracas stürzten völlig in Trümmer zusam- men. Die Häuser, welche nicht einfielen, waren dergestalt gesprungen, daß es niemand wagen durfte, sie zu bewohnen. Die Hauptkirche, welche durch große Strebepfeiler gestützt ist, blieb stehen. Unter die 9 bis 10 000 Menschen, welche oben als die Zahl der durch das Erdbeben Getöteten angegeben wurden, sind nicht die Unglücklichen mit ein-

15. Vaterländisches Lesebuch für die mehrklassige evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 388

1902 - Halle a.S. : Buchh. des Waisenhauses
388 84. Das Erdbeben von Caracas. 84. Das Erdbeben von Caracas. Pom Anfange des Jahres 1811 bis zum Jahre 1813 mar ein großer Flächen- raum, der die Provinz Venezuela, Westindien und einen Teil von Nord- amerika begreift, fortwährend den Erschütterungen unterirdischer Kräfte aus- gesetzt. Am Mississippi befand sich der Erdboden Tag und Nacht in dem Zustande eines steten Hin- und Herschwankens; die Stadt Caracas verspürte den ersten Stoß im Dezember 1811. Die Provinz Venezuela litt vor der Erschütterung, welche ihre Hauptstadt zerstörte, an großer Trockenheit; zu Cara- cas und in einem Umkreise von 311 englischen Meilen um diesen Ort war in den fünf Monaten, welche diesem Unglück vorausgingen, kein Tropfen Regen gefallen. Am 26. März herrschte eine außerordentliche Hitze, die Luft war ruhig und der Himmel wolkenfrei. Es war gerade der erste Ostertag, und ein großer Teil der Einwohner befand sich in den Kirchen. Kein gefahrdrohendes Zeichen ging dem furchtbaren Ereignisse voraus. Sieben Minuten nach 4 Uhr abends wurde die erste Erschütterung gespürt. Sie war so stark, daß die Glocken in den Kirchen ertönten, und dauerte 5 bis 6 Sekunden. Unmittelbar auf diesen ersten Stoß folgte ein zweiter, welcher 10 bis 12 Sekunden anhielt. Während desselben war der Boden in einem beständigen Schwanken begriffen und wogte gleich einer kochenden Flüssigkeit. Man glaubte schon, die Gefahr sei vorüber, als sich ein furchtbares unterirdisches Getöse vernehmen ließ, welches dem Rollen des Donners glich. Auf dieses Getöse folgte eine Erschütterung in senkrechter Richtung, und auf diese eine wellenförmige, die etwas länger dauerte. Die Stöße befolgten entgegengesetzte Richtungen, von Norden nach Süden und von Osten nach Westen. Es war unmöglich, daß irgend etwas die Bewegung von unten nach oben und die einander kreuzenden Bewegungen aushalten konnte. Die Stadt Caracas ward gänzlich zerstört, und 9 bis 10000 ihrer Einwohner wurden unter den Trümmern der einstürzenden Kirchen und Häuser begraben. Eine Prozession, welche gehalten werden sollte, hatte noch nicht begonnen, allein das Gedränge in den Kirchen war so groß, daß gegen 3 bis 4000 Personen durch den Einsturz der gewölbten Dächer zerschmettert wurden. Im nördlichen Teile der Stadt war die Erschütterung am stärksten. Zwei Kirchen dieses Teils, welche etwa 45 Meter hoch waren und deren Schiffe auf Säulen von etwa 4 Meter im Durchmesser ruhten, wurden in eine Masse von Ruinen verwandelt, die nirgends über anderthalb Meter hoch war. Das Ein- sinken der Trümmer war so bedeutend, daß nach wenigen Jahren kaum noch eine Spur von den Pfeilern und Säulen gesehen wurde. Die Baracken, aus denen ein nördlich von diesen Kirchen gelegenes Quartier bestand, verschwanden fast gänzlich. Ein Regiment Linientruppen, welches sich in einem großen Gebäude dieses Stadtteils versammelt hatte, um sich dem feierlichen Zuge der Prozession anzuschließen, wurde, mit Ausnahme weniger, unter diesem Hause begraben. Neun Zehntel der schönen Stadt Caracas stürzten völlig in Trümmern zusam- men. Die Häuser, welche nicht einfielen, waren dergestalt gesprungen, daß es niemand wagen durste, sie zu bewohnen. Die Hauptkirche, welche durch große Strebepfeiler gestützt ist, blieb stehen. Unter die 9 bis 10 000 Menschen, welche oben als die Zahl der durch das Erdbeben Getöteten angegeben wurden, sind nicht die Unglücklichen mit ein-

16. Bd. 2 - S. 355

1886 - Langensalza : Greßler
355 gebliebenen waren teils dem Schmerz und der Trauer um die Ihrigen preisgegeben. Bereits im Dezember 1811 ward Caracas zuerst ans seiner Sicher- heit durch einen Erdstoß von beträchtlicher Heftigkeit aufgeschreckt. Man beruhigte sich jedoch wieder, da beinahe drei volle Monate vergingen, ohne daß die geringste Erschütterung erfolgt wäre. Endlich ging die Sonne am 26. März 1812 über Caracas auf; es sollte aber den Unter- gang nicht mehr sehen. Der Tag kündigte sich sehr heiß an, die Lust war ruhig und der Himmel wolkenlos. Es war der grüne Donners- tag, das Volk strömte hausenweis zu den Gotteshäusern. Nichts schien den Betern ihr nahes Ende zu verkünden. Es war vier Uhr nach- mittags. Plötzlich tönten die Glocken; es war Gottes-, nicht Menschen- hand, die znm Grabgeläute zwang. Eine zehn bis zwölf Sekunden lange Erschütterung schreckte das Volk; die Erde schien flüssig und kochend. Man glaubte, die Gefahr sei vorüber, als sich plötzlich der heftige unterirdische Donner hören ließ, aber stärker und anhaltender als das Rollen der Gewitter in dieser Jahreszeit. Unmittelbar auf dieses Gewitter folgte eine senkrechte, drei bis vier Sekunden anhaltende Bewegung, welche zu gleicher Zeit von einer wagerechten, wellenförmigen begleitet war. Diese Stöße folgten in zwei sich durchkreuzenden Rich- tungen von Norden gegen Süden und von Osten nach Westen. Diesen gleichzeitigen Bewegungen von unten nach oben und sich durchkreuzend konnte nichts mehr widerstehen, in einer Viertelminute war Caracas ein Schutthaufen, der 9 bis 10 000 seiner Bewohner begraben hatte. Noch hatte die Prozession (mehrere in feierlicher Ordnung gehende Personen) den Umgang nicht eröffnet; aber das Hinzuströmen zur Kirche war so groß, daß gegen 3 bis 4000 Einwohner unter dem Einsturze ihrer Gewölbe begraben wurden. Die Erderschütterung war in der Nordseite der Stadt am heftigsten gewesen. Die Kirche der Dreifaltigkeit und der Alta Gratia, die mehr als 45 Meter Höhe harten, und deren Schiss durch 4—5 Meter dicke Pfeiler getragen ward, lagen in einen Trümmerhaufen verwandelt, der nicht höher als 1,5 bis 2 Meter war, und die Zermalmung des Schuttes war so beträchtlich, daß von den Pfeilern und Säulen auch keine Spur mehr kenntlich geblieben war. Die Kaserne San Carlos war beinahe verschwunden. Es stand darin ein Regiment Linientruppen unter den Waffen, das sich eben zur Pro- zession begeben sollte, von diesem retteten sich nur wenige einzelne, die andern lagen unter dem Schutte vergraben, in den sich das große Ge- bäude so plötzlich verwandelt hatte. Neun Zehnteile der schönen Stadt Caracas waren gänzlich zerstört. Die Häuser, welche nicht einstürzten, waren so zerrissen, daß sie nicht mehr bewohnt werden konnten.. Etwas weniger verheerend zeigten sich die Wirkungen des Erdbebens im süd- lichen und westlichen Teile der Stadt zwischen dem großen Platze und dem Hohlwege von Carognata. Hier blieb die Kathedralkirche aufrecht stehen. Wenn man nun zählt, daß 9 bis 10 000 Menschen durch die 23*

17. Vaterländisches Lesebuch für die mehrklassige evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 381

1883 - Halle a.S. : Buchh. des Waisenhauses
83. Das Erdbeben von Caracas. 381 83. Das Erdbeben von Caracas. Pom Anfange des Jahres 1811 bis zum Jahre 1813 war ein großer Flächen- raum, der die Provinz Venezuela, Westindien und einen Teil von Nord- amerika begreift, fortwährend den Erschütterungen unterirdischer Kräfte ausgesetzt. Am Mississippi befand sich der Erdboden Tag und Nacht in dem Zustande eines steten Hin- und Herschwankens; die Stadt Caracas verspürte den ersten Stoß in: Dezember 1811. Die Provinz Venezuela litt vor der Erschütterung, welche ihre Hauptstadt zerstörte, an großer Trockenheit; zu Caracas und in einem Umkreise von 311 englischen Meilen um diesen Ort war in den 5 Monaten, welche diesem Unglücke vorausgingen, kein Tropfen Regen gefallen. Am 26. März herrschte eine außerordentliche Hitze, die Luft war ruhig und der Himmel wolkenfrei. Es war gerade der erste Ostertag, und ein großer Teil der Einwohner befand sich in den Kirchen. Kein gefahrdrohendes Zeichen ging dem furchtbaren Ereignisse voraus. Sieben Minuten nach 4 Uhr abends wurde die erste Erschütterung gespürt. Sie war so stark, daß die Glocken in den Kirchen ertönten, und dauerte 5 bis 6 Sekunden. Unmittelbar auf diesen ersten Stoß solgte ein zweiter, welcher 10 bis 12 Sekunden anhielt. Während desselben war der Boden in einem beständigen Schwanken begriffen und wogte gleich einer kochenden Flüssigkeit. Man glaubte schon, die Gefahr sei vorüber, als sich ein furchtbares unterirdisches Getöse vernehmen ließ, welches dem Rollen des Don- ners glich. Auf dieses Getöse folgte eine Erschütterung in senkrechter Richtung, und auf diese eine wellenförmige, die etwas länger dauerte. Die Stöße befolg- ten entgegengesetzte Richtungen von Norden nach Süden und von Osten nach Westen. Es war unmöglich, daß irgend etwas die Bewegung von unten nach oben und die einander kreuzenden Bewegungen aushalten konnte. Die Stadt Caracas ward gänzlich zerstört, und 9 bis 10 000 ihrer Einwohner wurden unter den Trümmern der einstürzenden Kirchen und Häuser begraben. Eine Prozession, welche gehalten werden sollte, hatte noch nicht begonnen, allein das Gedränge in den Kirchen war so groß, daß gegen 3 bis 4000 Personen durch den Einsturz der gewölbten Dächer zerschmettert wurden. Im nördlichen Teile der Stadt war die Erschütterung am stärksten. Zwei Kirchen dieses Teils, welche etwa 45 Meter hoch waren und deren Schiffe auf Säulen von etwa 4 Meter im Durchmesser ruhten, wurden in eine Masse von Ruinen verwandelt, die nirgends über anderthalb Meter hoch war. Das Ein- sinken der Trümmer war so bedeutend, daß nach wenigen Jahren kaum noch eine Spur von den Pfeilern und Säulen gesehen wurde. Die Baracken, aus denen ein nördlich von diesen Kirchen gelegenes Quartier bestand, verschwanden fast gänzlich. Ein Regiment Linientruppen, welches sich in einem großen Gebäude dieses Stadtteils versammelt hatte, um sich dem feierlichen Zuge der Prozession anzuschließen, wurde, mit Ausnahme weniger, unter diesem Hause begraben. Neun Zehntel der schönen Stadt Caracas stürzten völlig in Trümmer zusammen. Die Häuser, welche nicht einfielen, waren dergestalt gesprungen, daß es niemand wagen durfte, sie zu bewohnen. Die Hauptkirche, welche durch große Strebe ^ Pfeiler gestützt ist, blieb stehen. Unter die 9 bis 10000 Menschen, welche oben als die Zahl der durch das Erdbeben Getöteten angegeben wurden, sind nicht die Unglücklichen mit einbegriffen,

18. Bd. 2 - S. 437

1903 - Langensalza : Greßler
437 stehen, in einer Viertelminute war Caracas ein Schutthaufen, der 9- bis 10 000 seiner Bewohner begraben hatte. Noch hat die Pro- Zession (mehrere in feierlicher Ordnung gehende Personen) den Um- gang nicht eröffnet; aber; das Hinzuströmen zur Kirche war so groß, daß gegen 3- bis 4000 Einwohner unter dem Einstürze ihrer Gewölbe begraben wurden. Die Erderschütterung war in der Nordseite der Stadt am heftigsten gewesen. Die Kirche der Dreifaltigkeit und der Alta Gratia, die mehr als 45 Meter Höhe hatten, und deren Schiff durch 4—5 Meter dicke Pfeiler getragen ward, lagen in einen Trümmer- Haufen verwandelt, der nicht höher als 1,5 bis 2 Meter war, und die Zermalmung des Schuttes war so beträchtlich, daß von den Pfeilern und Säulen auch keine Spur mehr kenntlich geblieben war. Die Kaserne San Carlos war beinähe verschwunden. Es stand darin ein Regiment Linientruppen unter den Waffen, das sich eben zur Prozession begeben sollte, von diesem retteten sich nur wenige einzelne, die andern lagen unter dem Schutte vergraben, in den sich das große Gebäude so plötzlich verwandelt hatte. Neun Zehnteile der schönen Stadt Caracas waren gänzlich zerstört. Die Häuser, welche nicht einstürzten, waren so zerrissen, daß sie nicht mehr bewohnt werden konnten. Etwas weniger verheerend zeigten sich die Wirkungen des Erdbebens im südlichen und westlichen Teile der Stadt zwischen dem großen Platze und dem Hohl- wege von Earagnata, Hier blieb die Kathedralkirche aufrecht stehen. Wenn man nun zählt, daß 9- bis 10000 Menschen durch die Trümmer der Stadt Caracas erschlagen worden seien, so scheint man damit nur den glücklichen Teil der Bewohner bezeichnet zu haben, die plötzlich und unvermutet, zum Teil in Andacht und Gebet begriffen, vom Tode überfallen, den Leiden entnommen wurden, welche die andern Mitbürger trafen. Man gedenke nun aber der Menge dieser Unglücklichen, die verwundet, an ihren Glieder zerschmettert noch monatelang zum Teil die Ihrigen überleben mußten, und dann aus Mangel an Pflege und Nahrung dennoch umkamen. Die Nacht vom Grünen Donnerstag auf den Karfreitag bot den Anblick eines grenzenlosen Elends dar. Beim Einstürze der Häuser der Stadt hatte sich eine sinstere, dicke Staubwolke erhoben, und die Luft gleich einem dicken Nebel erfüllt und versinftert. Gegen Abend schlug sich der Staub zur Erde nieder, und die Luft wurde wieder rein, die Erde war wieder fest und ruhig, und die Nacht so stille und schön, wie je zuvor. Der fast volle Mond leuchtete, und die ruhige heitere Gestalt des Himmels bildete einen furchtbaren Ab- stich gegen die mit Trümmern und Leichen bedeckte Erde und den namenlosen Jammer der Menschen. Mütter trugen die Leichen ihrer Kinder im Arme, durch die Hoffnung getäuscht, sie wieder ins Leben zu bringen. Jammernde Familien durchzogen die Schutthaufen, die am Morgen noch eine Stadt waren, reich, blühend, belebt, um einen Bruder, einen Freund zu suchen, dessen Schicksal unbekannt war, und den man im Gedränge verloren glauben konnte. Alles Unglück, welches in den

19. Für Schüler von 13 bis 16 Jahren - S. 247

1843 - Potsdam : Riegel
247 ganze Gebäude eine amphitheatralische Gestalt, indem es aus drei Absätzen oder Terrassen besteht, von denen die eine sich über die andere erhebt. Das Ganze ist aus dem Marmor gebaut, den die Gebirge selber hergaben, und die ungeheuern Blöcke sind mit einer so bewunderungswürdigen Kunst ohne Kalk und Mörtel zusam- mengefügt, daß man die Fugen oft kaum mit der angestrengtesten Aufmerksamkeit entdecken kann. Bon den untern Terrassen zu den Hähern führen Marmortrcppen, die zugleich breit und bequem ge- nug sind, daß zehn Reiter neben einander würden reiten können. Die Wände sowohl der Treppen, als der Mauern, welche die in- neren Gemächer des Palastes bildete,i, sind mit einer Menge bild- licher Darstellungen bedeckt, die für den Alterthumsforfcher von dem größten Interesse sind. Die Wände neben den Treppen zei- gen eine bedeutende Anzahl menschlicher Figuren, die eine Proces- sion vorzustellen scheinen, und durch ihre Trachten und Attribute sich aus mannichfaltige Art von einander unterscheiden. Auf den Wänden und Eingängen der hintern Gebäude sind theils Perso- nen von hohem Range mit ihren Begleitern und Ehrenzeichen, theils Gefechte wilder oder fabelhafter Thiere sowohl nntercinan- der, als mit Menschen vorgestellt. Die scharfsinnigen und gelehrten Untersuchungen Heerens über die Bestimmung und das Alter der Denkmäler, von welchen nur noch diese Trümmer übrig sind, haben e6 höchst wahrscheinlich gemacht, daß Perscpolis die Heimath und die Todtenresidenz der Könige des alten Persiens war, das Heiligthum der Nation und der Wohnsitz ihrer Götter. <E. J. K. "Äpfentnülltr.) Xlviii. Das Crdbeben von Caracas. Caracas ist die Hauptstadt von der Provinz Caracas oder Ve- nezuela , die ehemals zu dem spanischen Süd - Amerika gehörte, nunmehr aber eine Republik bildet. Was die Stadt Caracas be- trifft, so war sie eine lebhafte, schöne Stadt, die 40- bis 45,000 Einwohner hatte, bis sie im Jahre 1812 durch ein Erdbeben in wmiger als einer halben Minute in einen Schutthaufen verwan- delt wurde. Dieses schreckliche Naturereigniß begrub einen großen Theil ihrer Einwohner; auch fandm über 20,000 Menschen in der Provinz Venezuela beinahe in demselben Augenblicke dm Tod,

20. Für Oberklassen - S. 371

1870 - Altenburg : Bonde
371 haltende Bewegung, welche zu gleicher Zeit von einer horizontalen, wellenförmigen begleitet war. Diese Stöße erfolgten in zwei sich durch- kreuzenden Richtungen von Norden gegen Süden und von Osten nach Westen. Diesen gleichzeitigen Bewegungen von unten nach oben und sich durchkreuzend konnte nichts mehr widerstehen, in einer Viertelmi- nute war Caracas ein Schutthaufen, der 9- bis 10,000 seiner Einwoh- ner begraben hatte. Noch hatte die Procession den Umgang nicht er- öffnet; aber das Hinzuströmen zur Kirche war so groß, daß gegen 3 bis 4000 Einwohner unter dem Einsturze ihrer Gewölbe begraben wurden. Die Explosion war in der Nordseite der Stadt am heftigsten gewesen. Die Kirche der Dreifaltigkeit und der Alta Gratia, die mehr als 150 Fuß Höhe hatten, und deren Schiffe durch 12 bis 15 Fuß dicke Pfeiler getragen wurden, lagen in einen Trümmerhaufen verwan- delt, der nicht höher als 5 bis 6 Fuß war, und die Zermalmung des Schuttes war so beträchtlich, daß von den Pfeilern und Säulen auch keine Spur mehr kenntlich geblieben ist. Die Kaserne San Carlos war beinahe verschwunden. Es stand darin ein Regiment Linientrup- pen unter den Waffen, das sich eben zur Procession begeben sollte; von diesem retteten sich nur wenige Einzelne, die andern lagen unter dem Schutte vergraben, in den sich das große Gebäude so plötzlich verwandelt hatte. Neun Zehntheile der schönen Stadt Caracas waren gänzlich zerstört. Die Häuser, welche nicht einstürzten, waren so zer- rissen, daß sie nicht mehr bewohnt werden konnten. Etwas weniger verheerend zeigten sich die Wirkungen des Erdbebens im südlichen und westlichen Theile der Stadt zwischen dem großen Platze und dem Hohl- wege von Caragnata. Hier blieb die Kathedralkirche ausrecht stehen. Wenn man nun erzählt, daß 9- bis 10,000 Menschen durch die Trüm- mer der Stadt Caracas erschlagen worden seien, so scheint man damit nur den glücklichen Theil der Bewohner bezeichnet zu haben, die plötz- lich und unvermuthet, zum Theil in Andacht und Gebet begriffen, vom Tode überfallen, den Leiden entnommen wurden, welche die andern Mitbürger trafen. Man gedenke nun aber der Menge dieser Unglück- lichen, die verwundet, an ihren Gliedern zerschmettert, noch Monate lang zum Theil die Ihrigen überleben mußten, und dann aus Mangel an Pflege und Nahrung dennoch umkamen. Die Nacht vom grünen Donnerstag auf den Charfreitag bot den Anblick eines grenzenlosen Elends dar. Beim Einsturze der Stadt hatte sich eine finstere, dicke Staubwolke erhoben, und die Luft gleich einem dicken Nebel erfüllt und verfinstert. Gegen Abend schlug sich der Staub zur Erde nieder, und die Luft wurde wieder rein, die Erde war wieder fest und ruhig, und die Nacht so stille und schön, wie je zuvor. Der fast volle Mond leuchtete, und die ruhige heitere Gestalt des Himmels bildete einen furchtbaren Abstich gegen die mit Trümmern und Leichen bedeckte Erde und den namenlosen Jammer der Menschen. Mütter trugen die Lei- chen ihrer Kinder im Arme, durch die Hoffnung getäuscht, sie wieder in's Leben zu bringen. Jammernde Haushaltungen durchzogen die Schutthaufen, die am Morgen noch eine Stadt waren, reich blühend, belebt, um einen Bruder, einen Freund zu suchen, dessen Schicksal un- 24*