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1858 -
Stuttgart
: Schweizerbart
- Autor: Pleibel, August Ludwig
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
427
Am 28. November 1762 erschien der Herzog auf dem Paradeplatz, wo,
wie gewöhnlich, eine große Anzahl von Offizieren nebst einer zahlreichen
Truppenschaar versammelt war. Rieger, durch Unpäßlichkeit zu Hause
gehalten, wurde durch einen Adjutanten herbeigerufen. Und als nun der
Herzog seiner ansichtig wurde, ging er raschen Schrittes auf ihn zu, riß
ihm mit dem lauten Rufe: Schändlicher Verräther! den Orden von der
Brust und Montmartin nahm ihm den Degen ab, zerbrach denselben und
warf ihm die Stücke vor die Füße. Rieger stand wie voni Blitz getroffen
und vermochte kaum die Worte zu stammeln: „Euer Durchlaucht sind
falsch berichtet!" „„Nur zu gut berichtet!"" erwiederte der Herzog, stieß
ihm mit dem Stock auf die Brust und rief zürnend: „„Fort mit dem
schlechten Kerl!"" Und unter militärischer Bedeckung wurde er alsbald
nach Hohen-Asberg und später nach Hohen-Twiel abgeführt. Ueber vier
Jahre hatte er hier in einem unterirdischen Gefängniß die Qualen eines
verschärften Gewahrsams zu tragen, ohne ein menschliches Antlitz zu sehen;
dann erhielt er seine Freiheit wieder. 9 Jahre später, 1775 ward ihm
gestattet, sich dem Herzog wieder zu nähern, der sein Unrecht — denn
Jedermann war überzeugt, das; Montmartin durch Fälschung von Papieren,
oder sonst einen Betrug, ihn zu Grunde gerichtet hatte — dadurch wieder
gut zu machen suchte, daß er ihn zum Befehlshaber der Feste Asberg und
zum Generalmajor ernannte, welche Stelle Rieger bis zu seinem Tode
bekleidete. —
Als mit der Zeit allmählig ein Umschwung der Dinge, namentlich
durch Kaiser Josephs Ii. Einfluß in der Weise sich gestaltete, daß das
Recht wieder Schutz fand, da bat Mvntmartin, „um kein Hindernis; der
Wiederherstellung des vollkommenen Vertrauens zwischen Herr und Land
zu sein", um seine Entlassung und erhielt dieselbe unter Entbindung von
aller Verantwortlichkeit mit einem Jahrgehalt von 4000 fl. Zu gleicher
Zeit entwich auch Wittleder, der keinen Schutz gegen die Rache des Landes
zu finden hoffte, nach Heidelberg, wo er — ein von der Angst seines Ge-
wissens gescheuchter Missethäter — sein, verächtlicher Knechtschaft und
schändlichem Wucher gewidmetes Leben wenige Jahre spater endete. —
Doch — auch wackere Männer schmachteten in den Felsengemächern
auf Hohentwiel; so namentlich
Johann Jakob Moser,
geb. 1701, gest. 1798.
Er ist unter den ächtpatriotisch gesinnten Biedermännern, welche in
der Geschichte Württembergs uns entgegentreten, einer der berühmtesten.
Geboren den 18. Januar I70i zu Stuttgart hatte er die dortigen Bildungs-
anstalten aufs beste benützt, hierauf die Rechte studirt und war 1720 schon
Professor in Tübingen. Später wurde er nach Wien berufen, wo er blieb,
bis er 1736 als Geheimerath und Direktor der Universität zu Frankfurt
a. d. O. in preußische Dienste trat. Im Jahr m, kehrte er ins Vater-
land zurück und leistete demselben als Consulent der Landschaft die wichtigsten
1858 -
Stuttgart
: Schweizerbart
- Autor: Pleibel, August Ludwig
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
258
schaft, an Festen und auf Reisen eine fürstliche Pracht und in Folge
derselben ein Aufwand, dessen Deckung nur durch unwürdige Mittel
und zudringliche Forderungen möglich wurde; — das Alles erfüllte
die Herzen der Gutgesinnten mit Trauer.
Einmal auf der schiefen Bahn des Verderbens angekommen,
trieb der Herzog, irre geführt von schlimmen Rathgebern, die seinen
Neigungen und Leidenschaften zu schmeicheln wußten, immer rascher
vorwärts und untergrub, wie sein eigenes, so auch das Wohl seines
Volkes.
Als solcher schlimmen Rathgeber und gewissenloser Werkzeuge
in Ausführung der ungerechtesten Entwürfe führen wir an den
Hauptmann Fr. Rieger, den Grafen Moutmartin und Lorenz Witt-
leder. Siehe Hohentwiel!
Hatte Rieger namentlich während des siebenjährigen Krieges
(1756 — 63) sich dem Herzog unentbehrlich zu machen gewußt durch
Stellung großer Truppenmassen, so wurde Montmartin mit jedem
folgenden Jahre um so nothwendiger, als er es war, der die Mittel
zur Deckung der unerschwinglichen Ausgaben des Herzogs, veranlaßt
durch dessen Vorliebe für das Kriegswesens durch seine große Bau-
lust^ und den unmäßigen Aufwand am Hofe1 2 3 aufzubringcn hatte.
Er lag beständig im Hader mit der Landschaft, welcher er, da sie der
fortwährenden Eingriffe in die Rechte des Landes sich widersetzte, end-
lich geradezu erklärte, „die Forderungen des Herzogs seien als ab-
solute Befehle anzusehen und die Pflicht des Landes sei unbedingte
Unterwerfung ohne alle Widerrede". Wittleder endlich warein vor-
treffliches Werkzeug, neue Geldquellen aufzufindeu, wobei er aber
nicht vergaß, seinen Beutel neben der Kasse des Herzogs zu füllen.
Es wäre ein trauriges Geschäft, alle die gesetzwidrigen Schritte
des damaligen Regiments hier aufzuzählen; es genügt zu sagen,
1 Das stehende Militär war während des siebenjährigen Krieges auf
17,000 Mann angewachsen.
2 In kurzer Zeit entstanden eine Menge Bauten, die Millionen kosteten,
und von denen wir hier nur die Solitude und Hohenheim anführcn.
3 Mehr als zwanzig Fürsten und Reichsgrafen des Auslandes lebten
an demselben; im Marstall standen 6vo der schönsten und theuersten aus-
ländischen Pferde; ein einziger Tänzer erhielt für sechs Monate 12,000 fl.
und eine einzige Oper kostete manchmal 100,000 fl., während ein Geburts-
tag auf 3-400,000 fl. kam, und in manchem Feuerwerk 40 — 50,000 fl.
in Rauch aufgingen.
1875 -
Tübingen
: Fues
- Autor: Staiger, G.
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): Jungen
46. Herzog Karl. Seine Reg. bis zum Erbvergleich Die Wirtbschast Riegers zc. 161
verdienen: Rieger und Montmartin. Zu diesen gehrt noch als Dritter im Bunde" Wittleder.
Philipp Friedrich Rieger, der Sohn des Dekans Georg Konrad Rieger in Stuttgart, war imjahr 1756 aus preuischem in den wrttembergischen Kriegsdienst getreten. Er war ein Mann von groen Talenten und vielen Kenntnissen, voll Witz und Gewandtheit im Umgang, aber jedes Rechtsgefhls bar. Stolz, alles Recht und alle Vertrge verachtend, erfahren in den Knsten der Schmeichelei war er vorzglich zu einem Werkzeug der Willkrherrschaft ge-schaffen. Im Jahr 1753 hatte der Herzog mit Frankreich einen Subsidien-vertrag abgeschlossen, nach welchem 6000 Mann wrttembergischer Truppen in franzsischen Sold kamen. Als nun drei Jahre spter der siebenjhrige Krieg (1756 1763) ausbrach und Frankreich mit Oesterreich gegen Preußen kmpfte, sollte Wrttemberg die vertragsmige Truppenzahl stellen. Man hatte aber nur 2000 Mann; zudem fehlte es an Ausrstungen und an Geld. Da trat Rieger auf und erhielt vom Herzog unumschrnkte Vollmacht zur Auf-stellung der Truppen. Das frstliche Versprechen, da jeder Unterthan blo durch ordentliche Werbung und freiwillig zum Kriegsdienst beigezogen werden knne, war damit gebrochen. Rieger nahm alle Jnglinge von 18 Jahren an, vom Pflug, aus der Werksttte, Nachts aus den Betten, Sonntags aus der Kirche; den Witwen wurden die einzigen Shne entrissen. Beamte, die nicht mithalfen, wurden mit den schwersten Strafen bedroht. Bald war die Schar beisammen. Aber was fr Soldaten! Keiner wollte gegen Preußen kmpfen, in dessen Regenten sie den Vertheidiger des evangelischen Glaubens erblichen". Unterwegs emprten sie sich und die Hlfte lief davon. Schnell mute Rieger eine neue Auswahl vornehmen; sie erfolgte mit noch schrecklicheren Mitteln als das erste Mal. Auch unter diesen Truppen entstand ein Ausruht; in Gppingen wurden 16 Rdelsfhrer hingerichtet. Inder Schlacht bei Reuthen (5. Dez. 1757) wurden die Wrttemberger von der preuischen Reiterei umgangen; sie rumten in wilder Flucht das Feld. In den Winterquartieren in Bhmen brach eine Seuche aus, so da nur noch 1900 Mann zurckkamen. Im nchsten Jahre trieb Rieger auf's neue Soldaten zusammen-, sie wurden theilweise in Ketten zu den Regimentern gefhrt. Durch Bestechung und Betrug bernahm der franzsische Kommissar die vorhandenen 4000 Mann fr 6000. In Hessen wurden sie mit den von dem Prinzen Soubise befehligten Franzosen vereinigt. Weil der Subsidienvertrag erloschen war, schlo der Herzog einen neuen, nach welchem er 12000 Mann stellte. In Beschaffung dieser groen Mannschaft wurde Rieger das Lob zutheil, da er sich selbst bertreffen habe". Das Heer stand in Hessen, wo es bei Fulda von dem Erbprinzen von Braunschweig ber-fallen und geschlagen wurde (Nov. 1759). Im nchsten Jahr zog Herzog Karl nach Sachsen; hier nahm sein eigener Bruder Friedrich Eugen, der preuischer General war, 600 wrttembergische Jger bei Kothen gefangen. So theilten die Wrttemberger in jenem Kriege in allem die Schande der deutschen Reichs-(Reiaus-) Armee.
Rieger hatte sich durch die gewaltsamen Truppenaushebungen so sehr die Gnade de Herzogs erworben, da er zum Obersten und Geheimen Kriegsrath er-nannt wurde. Unterthnig und kriechend dem Herzog gegenber, war der Allge-
taiger, Geschichte Wrttembergs. 11
1858 -
Stuttgart
: Schweizerbart
- Autor: Pleibel, August Ludwig
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
424
Von dem 6000 Mann starken Heere kehrten im folgenden Frühjahr
kaum mehr i!)oo Mann, und diese im elendesten Zustand in ihr Vater-
land zurück.
Dem erneuten Substdien - Vertrage mit Frankreich zufolge hatte der
Herzog jetzt die Stellung eines Heeres von 12,000 Mann übernommen,
und Rieger erwarb sich in Beischaffunq dieser Mannschaft das Lob, „sich
selbst über troffen zu haben". Aber auch dieser Feldzug brachte den
württembergischen Waffen wenig Ehre, und auch im folgenden Jahr 1760,
wo dem Herzog an der Spitze von 12,000 Mann der Kriegsschauplatz in
Sachsen angewiesen war, kam kein irgend merkwürdiges Ereigniß vor.
Auf die angedeutete Weise war es Riegern gelungen, von einer Stufe
des Dienstes zur andern, bis zu dem Grade eines Obristen und geheimen
Kriegsraths emporzusteigen und sich in der Gunst des Herzogs in einer
Weise festzusetzen, daß er — während jede Schmach kriechenden Sklaven-
sinnes ihn bedeckte — gegen alle diejenigen, die unter ihm standen, die
übermüthigste Tyrannei ausüben konnte. So lud er, der Schrecken der
Vornehmen nicht minder als des Volks, den Haß Aller auf sich, und im
Gefühl seiner immer mehr sich erweiternden Macht hielt er es nun durch-
aus nicht für nöthig, Vorsicht zu üben.
Ungefähr um dieselbe Zeit mit Riegern (1758) trat auch der Graf
Montmartin in die Dienste des Herzogs. Er hatte sich bei Betreibung
der Mündigkeitserklärnng des Herzogs äußerst thätig erwiesen und sich
dadurch den Dank desselben erworben. Hatte er auch nicht den tiefen,
sichern Blick, die gründliche Kenntniß der Gesetze, der Verwaltung und
der Menschen, nicht jene Selbstständigkeit und Gediegenheit, wie eine hohe
Stellung sie erfordert, so war er dagegen schlau und ein Meister, wenn
es galt, Ränke einzulciten und durch Lüge und Untreue zu täuschen.
Obendrein hatte er einen gewissen Schein von Hoheit, viel Selbstgefühl
und eine strömende Beredtsamkeit. Mit diesen Eigenschaften verband
Montmartin eine unbegrenzte Unterwürfigkeit unter den Willen seines
Herrn, so daß er mit gänzlicher Resignation auf Ehre und Pflicht Alles
aufs genaueste vollzog, was dieser verlangte, oder was dem persönlichen
Interesse und den Neigungen desselben zusagte.
So schwang sich Montmartin in kurzer Zeit zum ersten Minister des
Herzogs und zum Präsidenten des Geheimenraths empor, und er durfte
sich wenigstens so lange für unentbehrlich halten, als die ordentlichen
Einnahmsquellen des Herzogs nicht hinreichend waren, die außerordent-
lichen Ausgaben desselben zu decken, und so lange er im Stande war, neue
Quellen zu eröffnen. Wenn nun aber schon eine einzige Liebhaberei des
Herzogs, seine Lust zum Kriege und zu militärischem Prunk, im Stande
war. die Finanzen in Unordnung zu bringen, — hatte doch die Unter-
haltung der übermäßigen Truppenzahl während des 7jährigen Krieges
allein über 8 Millionen Gulden gekostet! — was war zu erwarten, wenn
auch nach andern Richtungen hin ein Aufwand gemacht wurde, der in
keinem Verhältniß stand zu den Kräften des Landes! Die Schriftsteller
1858 -
Stuttgart
: Schweizerbart
- Autor: Pleibel, August Ludwig
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
gute Bezahlung Privilegien, wodurch ganze Bezirke an ihre Mühlen ge-
bannt wurden rc.
Als Verwalter des Kirchenguts nahm er davon nach und nach auf
gesetzwidrige Weise die Summe von 547,000 fl. — Doch genug hievon. —
Um die Rechte des Landes, die Vorstellungen und Beschwerden der
Landschaft, bekümmerte sich Montmartin gar nicht; vielmehr erklärte er
der Letztern unumwunden, sie hätte die Forderungen des Herzogs als
„absolute Befehle" anzusehen und ihre Pflicht sei „unbeschrankte
Unterwerfung"; was der Souverän verlange, müsse ein für
allemal „ohne Widerrede" befolgt werden.
Diesen Grundsätzen gemäs; handelte er auch. Als z. B. die Landschaft
l?58 sich weigerte, die ihr angesonnene Beihülfe zu den Landesvertheidi-
gungsanstalten zu leisten, so erhielten die beiden Landschafts-Einnehmer
den Befehl, die Kasse zu stürzen und den Erfund an die Kriegskasse ab-
zuliefern, und als sie auf ihrer beschworenen Pflicht beharrten, so büßten
sie ihre Treue jeder mit 100 Dukaten Strafe. Einige Monate später
erschien der Herzog an der Spitze seiner Garde; Bewaffnete umgaben das
Landschaftsgebäude, einige fürstliche Abgeordnete drangen ein und nahmen
aus der Kasse 30,000 fl. weg. Statt des auf 36o,ooo fl. festgesetzten
Militärbeitrags sollte nunmehr 1763 eine Monatssteucr erhoben werden,
welche für das Jahr auf i'6oo,ooo sich belief, und was auch die Landschaft
gegen das Unrecht des Ansinnens und die Unmöglichkeit seiner Erfüllung
cinwenden mochte: in kurzer Zeit waren doch i'30o,ooo fl. erpreßt. Pflicht-
getreue Beamte suchte Montmartin zu bestechen oder durch Drohungen
einzuschüchtern und wenn das nicht gelang, so wurden sie zur Haft gebracht.
So namentlich der Consulent der Landschaft, der edle Johann Jakob
Moser, der bis ins fünfte Jahr im engen Felsenkerker von Hohen-Twiel
schmachtete. Doch genug der Einzelheiten!
Diese drei Männer: Ricger, Montmartin und Wittleder, einig nur
im Bösen, waren es also, die durch lange Jahre hin dem Vaterlande mit
frecher Hand die tiefsten Wunden schlugen und dabei sich geberdeten, als
wäre kein Rächer im Himmel. Fragen wir nun doch auch noch nach
ihrem Ende!
Daß zwei Männer wie Rieger und Montmartin nicht lange neben
einander würden stehen können, ließ sich ohne viel Scharfsinn voraussehen.
Jeder wollte im ausschließlichen Besitz der fürstlichen Gunst sein, und für
jeden hatte die Gewalt nur in sofern und in soweit einen Werth, als er
allein sie üben konnte; daher ertrug Keiner das Eingreifen des Andern
in seinem Kreise; daher fortwährende Reibungen und Widersprüche und
Ränke und — der Kampf konnte nur mit dem Untergang des Einen
enden. Der Ausgang aber dieses Kampfes konnte kaum zweifelhaft sein:
Rieger, leidenschaftlich im höchsten Grad, war nicht weniger unbesonnen
und unvorsichtig; Montmartin dagegen war kalt, listig und planmäßig in
all' seinem Thun. Doch so plötzlich hätte kaum Jemand die Katastrophe
vexmuthet, als sie nun eintrat.
1858 -
Stuttgart
: Schweizerbart
- Autor: Pleibel, August Ludwig
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
423
getreten, denn die Kaiserin Maria Theresia von Oesterreich hatte in dem
genannten Jahr die Macht von Frankreich, Rußland, Schweden und
Deutschland für sich gegen Friedrich Ii. von Preußen unter die Waffen
zu rufen gewußt, um dem Letzteren, auf dessen (Sette nur England und
einige Fürsten des nördlichen Deutschlands standen, das eroberte Schlesien
wieder abzunehmen. Als nun aber der französische Commissär in Stutt-
gart erschien und auf die schleunigste Erfüllung des Vertrages drang, so
stellte es sich heraus, daß weder Soldaten noch Ausrüstungsgegenständc
vorhanden und - da die Hülfsgelder für die Pracht des Hofes verwendet
worden — auch nicht beizuschaffen waren Und doch — das Heer mußte
gestellt werden. Nun hatte aber der Herzog nicht lange vorher die feierliche
Zusicherung gegeben, daß kein Unterthan anders, als durch ordentliche
Werbung und freiwillig zur Annahme von Kriegsdiensten gebracht
werden solle: was war nun zu tbun?
Zn dieser Verlegenheit trat Rieger mit Entwürfen auf, die den Herzog
so sehr befriedigten, daß er ihm die unumschränkte Vollmacht zu Auf-
stellung der Truppen übertrug, und Rieger brachte nun auch in ganz kurzer
Zeit die geforderte Zahl zusammen. Aber wie er dabei verfuhr!? Alle
taugliche Mannschaft über 18 Jahr wurde mit unmenschlicher Strenge
weggenvmmen; man entriß der Wittwe ihren Sohn, die einzige Stühe
des Alters; aus den Werkstätten, vom Pfluge weg, Nachts aus den
Betten nahm man die Leute, ja Sonntags wurden unversehens die Kirchen
umstellt, und die unglücklichen Opfer von geweihter Stätte weggeholt.
Keine Bitte half, keine Vorstellung fruchtete und Beamte, die nicht thätiq
mithalfen, wurden mit den schwersten Strafen bedroht. — Die so zusammen-
gebrachte Mannschaft ward nun nach Stuttgart geschleppt, hier schnell
eingekleidet und geübt, und so stand zu Anfang des Zahres 1757 die
stattliche Heerschaar zum Ausmarsch bereit.
Daß aber ein so zusammengerafftes Heer nicht mit Begeisterung in
den Krieg ziehen würde, war begreiflich; daß es sich aber empören würde,
hatte man doch nicht vermuthet. Aber gewaltsam dem Schooße ihrer Fa-
milien entrissen, Verbrechern gleich in Ketten zu den Fahnen geschleppt,
erbittert durch die harte Strenge der Offiziere bei den mit Anstrengung
betriebenen Waffenübnngen, vermochten die neuen Soldaten ihren Miß-
muth nicht länger zu unterdrücken, und so erklärten sie ihren Offizieren
trotzig, daß sie durchaus nicht gegen den König von Preußen, den Beschützer
des evangelischen Glaubens, ziehen würden. Mit Mühe war der Aufruhr
gestillt, aber die Hälfte des Heeres, Viele öffentlich und schaarenweise,
entwichen- Eine neue Verlegenheit für den Herzog; ein neuer Jammer
für das Land, weil man mit verschärfter Strenge zu einer neuen Auswahl
schritt. Doch Rieger hatte das Heer bald wieder vollzählig, so daß es den
Marsch antreten konnte. Allein schon im ersten Nachtlager bei Göppingen
brach die Empörung wieder aus und konnte nur durch Hinrichtung von
16 Rädelsführern gedämpft, nicht unterdrückt werden; denn ein zweiter
Aufstand brach bei Linz aus. -
1875 -
Tübingen
: Fues
- Autor: Staiger, G.
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): Jungen
8 46. Herzog Karl. Seine Reg. bis zum Erbvergleich. Die Wirthschaft Rieger ic. 163 '
man Kassen in die Hnde. Was die Beamten vorher um ihre Stellen be-zahlt hatten, suchten sie nachher doppelt und dreifach aus dem Volke heraus-zupressen.
Die Landschaft war. da sich der engere Ausschu immer mehr Gewalt an-gemat hatte, zu einem Schattenbilde herabgesunken. Bei dieser abscheulichen Wirth-schaft machten die Landstande aber doch endlich ihre Rechte geltend, obgleich ihnen Montmartin erklart hatte, sie haben des Herzogs Willensuerungen als ab-solute Befehle" anzusehen und ohne Widerrede zu befolgen. Als sie eine neue Geldforderung des Herzogs abschlugen, lie der Herzog das Stndehaus mit Militr besetzen, die Kasse mit Gewalt erbrechen und das Geld wegnehmen. Der Konsulent der Landschaft, Johann Zakob Moser, wurde beschuldigt, der Urheber des Widerstands gegen die herzoglichen Gewaltttigkeiten zu fein. Der Herzogs hatte ihm noch im Jahr 3756 eigenhndig geschrieben : Wollte Gott, es dchte ein jeder so patriotisch wie Er und ich, es gienge gewi Herrn und Lande wohl!" Moser hatte alle Beschwerden der Landschaft abzufassen und der Regierung vorzulegen; darum fiel Montmartins Ha doppelt schwer auf ihn. Er und der Herzog wandten alle Mittel an, um ihn fr den Hof zu gewinnen; aber der wackere Patriot wankte nicht; er blieb fest auf feinem Posten, unbeirrt durch alle Versprechungen und Drohungen. Im Juli 1759 wurde er nach Ludwigsburg berufen, wo ihm der Herzog seine Gefangennehmung ankndigte. Noch im Vorzimmer hatte er zu einem Sekretr gesagt: Unverzagt und ohne Grauen soll ein Christ, wo er ist, stets sich lassen schauen", lieber fnf Jahre (1759 bis 1764) schmachtete der edle Mann auf Hohentwiel in hartem Gefangm. Alle Schreibmaterialien wurden ihm verweigert, sogar ein Bleistift; nur ein Gesangbuch, ein Predigtbuch und eine Bibel wurden ihm gegeben. Mit den Spieen feiner Schuhschnallen, feiner Schere und Lichtputze kratzte er mehr als 1000 geistliche Lieder auf die Wnde seiner Zelle und die leeren Stellen feiner Sucher. Seine Frau starb aus Kummer während seines Gefngnisses. Die Landschaft verklagte den Herzog wegen dieser Gewalttat in Wien, woraus de? Kaiser die Freilassung Mosers befahl. Der Herzog wollte daraus eingehen, wenn Mo,er Abbitte leistete. Dieser erklrte aber: Ich habe nun in das sechste Jahr Zeit genug gehabt, mich zu prfen, ob ich mich gegen Ew. Durchlaucht eines Verbrechens fchuldig gemacht habe und wenn mich mein Gewissen dessen uberzeugte, wrde ich es nicht haben anstehen lassen, es ernstlich zu bereuen und
c Um nabe su bitten. Ich bin mir aber keines andern bewut, als da ich fowohl gegen E. H. Durchlaucht als dem Lande in meinem landstn-dlfchen Amte alle mgliche Treue bewiefen habe". Als sich hierauf Friedrich der Groe fr Moser verwandte, gab ihn Karl ohne weiteres frei und erklrte--Moser ist ein ganz ehrlicher Mann!"
Whrend Mosers Gefangenschaft hatte der Herzog Gewaltthat auf Ge-^ Gerst. Rieger und Montmartin, beide in gleichem Mae unstlmge Karls, konnten nicht nebeneinander bestehen; einer suchte den andern zu vertreiben. Rieger gierig in feinem Treiben leidenfchaftlich und unvorsichtig, Montmartin dagegen ruhig und fchlau zu Werke. Daher konnte letzterem der reg nicht fehlen. Seine Verleumdungen brachten Rieger in hartes Gefngni, a er wohl am Lande, nicht aber am Herzog verdient hatte. Nach vierjhriger scharfer Haft (1762 -1766) auf Asberg und Hohentwiel erhielt er seine
U *
1875 -
Tübingen
: Fues
- Autor: Staiger, G.
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
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- Geschlecht (WdK): Jungen
-- 164 Hi Wrttemberg a!S Herzogthum.
Freiheit wieder und starb als Generalmajor und Kommandant der Festung Asberg 1).
Moser war gefangen. Rieger war gefangen; nun kannte Montmartin keine Grenzen mehr. Er errichtete mit Wittleders Hilfe ein Lotto zur wahren Wohlfahrt, Flor und Aufnahme des Landes", wie er erklrte, und zwang das Volk, Lose zu kaufen. Der Landschaft schickte er zum Hohn 200 Lose zu und lie die Ziehung im Landhause vornehmen. Nun kam noch eine Einkommen* und Vermgenssteuer, nach welcher der Aermste im Lande wenigstens 15 Kreuzer zahlen sollte. Als Montmartin vom Geheimenrath die Unterschrift der Vorlage verlangte, erklrten sich zwei Mitglieder desselben, Georgii und Renz ssn. dagegen und nahmen ihre Entlassung. Whrend die Stnde den Herzog dieser ungerechten Steuer wegen bei dem Kaiser, sowie bei den Knigen von England, Dnemark und Preußen verklagten, hatte Karl die Erklrung der Oberamtleute der die neue Vorlage verlangt. Oberamtmann Hub er in Tu-hingen hatte den Muth, in Montmartins Gegenwart den Plan zu verwerfen. Eine Deputation von Tbingen wurde vom Herzog angefahren: Was Vaterland? Ich bin das Vaterland!" und fr den Fall ferneren Widerspruchs mit schweren Strafen bebroht. Aber das Ma bes Herzogs war voll. Der Stadt T-Bingen schloen sich Sulz, Stuttgart, Calw an. Sogar die alten Steuern muten mit Militr eingetrieben werben. Einige Brger von Balingen und Pfullingen wrben auf den Hhen-Neuffen gesetzt Am schwersten traf der Zorn Montmartins die Stadt Tbingen. Sie bekam 2 Reiter- und 2 Regimenter Fusoldaten als Einquartierung, und Oberamtmann Huber und drei Brger wurden 6 Monate auf dem Asberg gefangen gefetzt; der Herzog verlegte aus Rache an Stuttgart, welches es mit Tbingen gehalten hatte, seine Residenz nach Ludwigsburg (1764). Die bisherigen Bedrckungen und Steuererpressungen wurden fortgesetzt; um die Kriegskasse zu erleichtern, gab man den Leuten Einquartierungen und nahm ihnen die Pserbe weg.
Enblich that der engere Ausschu, vom letzten Lanbtag hiezu ermchtigt, einen energischen Schritt. Er richtete an den Kaiser ein Schreiben, in welchem er umstnblich die unbegreifliche Noth, das Elend und den Jammer schilderte, worein Lanbstnde und Unterthanen durch das verfassungswidrige Be-' nehmen des Herzogs" gestrzt worden feien. Die Klage wurde von Preußen, Dnemark und England untersttzt, worauf vom Reichshofrath dem Herzog be fohlen wurde, alle berflssigen Geldforderungen und militrischen Erekutionen |u unterlassen und sich mit dem Landtag gtlich zu vergleichen. Der Herzog aber, entschlossen, seine angestammte landesvterliche Huld, Milde und Lang
1) Als der Herzog am 28. November 1762 wie gewhnlich auf dem Paradeplatz erschien, lie er Rieger, der wegen Unplichkeit zu Hanse geblieben war, herbeirufen. Sogleich ri er ihm mit den Worten Schndlicher Verrther!" den Orden von der Brust, Montmartin nahm ihm den Degen ab, zerbrach denselben und warf ihm die Stcke vor die Fe. Nieger stand wie vom Blitz getroffen und konnte kaum die Worte stammeln: Eure Durchlaucht sind falsch berichtet!" Nur zu gut berichtet!" erwiderte der Herzog, stie ihn mit dem Stock auf die Brust und rief zornig: Fort mit dem schlechten Kerl!" Die Leiden während seiner langen Gefangenschaft sowie der Umgang mit dem Garmsonsprediger Dettinger brachten ihn zur Erkenntni seiner frheren <ve altthaten; doch bezwang er nie feine Heftigkeit und Herrschsucht.
1875 -
Tübingen
: Fues
- Autor: Staiger, G.
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): Jungen
z. 46. Herzog Karl. Seine Reg. bis zum Erbvergleich. Die Wirthschaft Rieger ir. 165
muth von seinen lieben und getreuen Unterthanen noch nicht abzuwenden" uerte sich den Stnden gegenber, er allein habe zu bestimmen, wie viele Sol-baten er brauche, die Stnde haben nur das Geld zu bewilligen. Sogleich for-bette er einen jhrlichen Militrbeitrag von 800,000 fl., sowie 230,000 st. zu einer Winteranlage. Die Stnbe aber, ermuthigt durch bas Gutachten bes Reichshofsraths, beriefen sich auf ihr Recht der Steuerverwilligung. Die 33er hanblungen wrben fortgesetzt; kein Theil wollte nachgeben. Montmartin reiste nach Wien, fanb aber Kaiser Joseph Ii. (1765 1790) gar nicht fr den Herzog eingenommen. Dieser mute einsehen, ba es jetzt die hchste Zeit sei, einen andern Weg einzuschlagen. 3m Mai 1766 wurde Montmartin entlassen, damit er, wie der Herzog sich uerte, kein Hinderni der Wieberher stellung des Vertrauens zwischen Herrn und Land sei." Doch blieb er noch bis 1773 der Hauptrathgeber des Herzogs. Wittleber, der nach Montmartin Entlassung keine Sttze mehr fanb, vielmehr den gerechten Zorn bes ganzen Volkes zu frchten hatte, suchte, nachbem ihm der Herzog noch 36,000 fl. abgenommen, das Weite und starb in Heibelberg als kurpflzischer Hofrath. Der Schurke, der das Land und Hunderttausende betrogen, Hunderte von Familien ins Elend ge-bracht und den Veamtenstand ausjegliche Weise erniedrigt hatte, gieng auf diese Art ganz straffrei aus. Inder letzten Zeit seiner schndlichen Wirthschaft hatte er manchen Spott der sich ergehen lassen mssen 1). Zum Beweis, was Montmartin und Wittleder miteinander geleistet hatten, nur Folgendes: Von 17581765 bezog der Herzog auer den verfassungsmigen Steuern, welche allein der 3 Millionen Gulden betrugen, noch mehrere Millionen aus dem Dienst-Handel, den Frohnen und Quartierlasten, zwei und eine halbe Million aus rechtswidrigen Steuern, eine halbe Million durch erzwungene Vor-schsse und der drei Millionen durch Gewalt oder sonst durch Verletzung bestehenber Gesetze diese ungeheuren Summ en in sieben Jahren.
Nachbem die Verhandlungen noch einige Zeit hin- und Herzogen worben waren, kam enblich zwischen dem Herzog und der Lanbschaft am 27. Februar 1770 der sogenannte Erbvergleich zu Stande. Nach demselben soll-ten smmtliche Landesvertrge bis zum Jahr 1753 wieder volle Giltigkeit erlangen. Der Herzog sollte von jetzt an die Verfassung achten, die Staatsdiener sollten auf dieselbe be-eidigt, die Anstellung von Auslndern vermieden, der alte teuer fu hergestellt, das Kirchengut zurckgegeben, das Mi-litr auf 4000 Mann vermindert, die Monopole und die Lot-terie aufgehoben, der Wildschaden eingeschrnkt und dagegen die Wlder, die man furchtbar gelichtet hatte, geschont werden. Alle S ta atsmte r sollten mit Protestanten besetzt und der katholische Gottesdienst auer der Privatandacht des Herzogs
1) So z. B. war ein Gedicht erschienen, in welchem es hie:
Ein dicker Eerberg'sell, sein Name heit Wittleder,
Direktor nennt Aan ihn und ist nicht von der Feder,
So wenn ein Esel kommt und kanns mit Geld bezahlen.
Bekommt er einen Dienst und dies vor 'lehrten allen" u. f. w.
Eine# Morgens hatte man nemlich vor Wittleders Haus einen Esel angebunden gefutt--d", dem am Hals ein Zettel hieng mit den Worten: Ich htte gern einen Dienst."
1877 -
Oldenburg
: Stalling
- Autor: Stacke, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- 225
Beseitigung der octroyirten Verfassung und Einberufung einer, constituirenden Versammlung. Ms das Ministerium sich an schickte, diesem Ansinnen mit Waffengewalt zu widerstehen, rckte am Abend des 15. Mai die akademische Legion vor das Gebude, wo das Ministerium berieth; zugleich erhoben sich Barrikaden, die Stadt ward erleuchtet und Gerchte von einer allgemeinen Volkserhebung durchliefen die Menge. Der Hof gerieth in Bestrzung: um Mitternacht wurde die April-Verfassung fr aufgehoben erklrt und eine aus allgemeinem Wahlrecht zu berufende constituirende Reichsversammlung bewilligt. Der Kaiser aber, durch die hufigen Tumulte erschreckt, verlie mit seiner Familie am 17. Mai Wien und flchtete nach Innsbruck. Die Wiener waren der die Abreise des Hofes betroffen, und zahlreiche Deputationen luden ihn zur Rckkehr ein. Das Centraleomite wurde aufgelst, und eine gewisse Ruhe trat ein. Aber das Ministerium wute die gnstige Stimmung nicht zu benutzen: es erhoben sich neue Barrikaden, und der Minister des Innern, von Pillers-dorf, gestattete die Bildung eines Sicherheitsausschusses, der aus Gemeinderthen, Nationalgarden und Studenten bestand und eine wahre Volksdictatur ausbte.
Der Kaiserstaat schien in seiner Auflsung begriffen. Whrend die italienischen Provinzen abgefallen waren, Ungarn eine drohende Stellung einnahm, regte sich in Bhmen unter den Czechen der Ha gegen die deutsche Bevlkerung. Arn 2. Juni wurde unter Palacky's Vorsitz zu Prag ein Slaven-congre erffnet, bei denen alle Slavenstmme, die Russen durch Michael Bakunin, vertreten waren. Die Czechen woll-ten mit Mhren und dem streichischen Schlesien zu einem Knigreiche unter selbststndiger Verfassung vereinigt werden, und lieen durch Rieger eine Constitution entwerfen, die vom Hofe zu Innsbruck abgelehnt ward. Im Gegensatze zu dem deutsch gesinnten Ministerium in Wien wurde eine provisori-sche Regierung eingesetzt, um czechische Zwecke zu verfolgen, zugleich auch dem Scheine nach die Gesinnung der Treue zu bekunden. Da die Bhmen die Versetzung des Fürsten Windisch-grtz, des Befehlshabers der kaiserlichen Truppen in Prag, durchsetzen wollten, so kam es am 12. Juni zu einem Zu-sammensto zwischen den Truppen und der czechischen Partei,
Stacke, neueste beschichte. 3. Aufl. 15
1883 -
Dresden
: Bleyl & Kaemmerer
- Autor: Bliedner, A.
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): Jungen
247
mutige Rede. ' So sei es denn alles gesagt, was ich auf dem Herzen
habe; vielleicht zündet ein Funke Wahrheit in Ihrer Seele; — ja, in
innere Empörung geriet ich über mein Schicksal und das Schicksal
meines Vaterlandes. Ich fühlte mich gemisshandelt Tag und Nacht bis
in die innerste Seele hinein. Das Ideal eines Volksredners ward mir
spöttisch entrissen; denn in der Karlsschule, hiess es, giebt es kein Volk
und keine Gottesgelehrsamkeit. Willst du aufgenommen sein, so werde
Jurist oder Mediziner. Ich war arm, die Aufnahme galt uns für die
grösste Wohlthat, besonders weil ich nur bürgerlicher Herkunft war.
Ich musste die Hand küssen, welche mir die ersehnte Zukunft entzog;
ich ward Jurist und verwand mit Schmerzen diesen ersten Ruck, der
meinen tiefsten Wünschen angethan wurde. Aber ich war nicht nur
arm, ich war auch ein ungewandter und nun vollends eingeschüchterter
Knabe, der wegen seines linkischen Wesens fortwährend gescholten und
gestraft wurde. War das meine Schuld? Warum gab die Natur gerade
mir ein ungestüm inneres und ein so trag nachhinkendes äusseres
Wesen? So ward meine Jugend ein fortdauerndes Leiden, und als ich
mich endlich mühsam in die aufgedrungene Bahn gefunden, da hiess es
wiederum: ,Halt! Kein Jurist! Mediziner soll der Bursche werden, das
passt besser für den armen Teufel/ Und zum zweitenmale gewaltsam
wurde der Ruck meines Inneren erzwungen, oh auch alle Fugen in mir
krachten und schmerzten. ,Was da!4 hiess es, ,der Mensch ist eine Ma-
schine, man dreht sie und stellt sie und zwingt sie in Gang/ ,Der
Mensch ist keine Maschine!4 schrie es auf in meiner Brust, und
schrie es so lange, bis wir alle wussten, solche Erziehung sei Misshand-
lung, bis wir alle fest entschlossen waren, uns aufzulehnen. War’s nun
ein Wunder, dass die verschrobene Seele krampfhaft hineingerissen wurde
in wilde Phantasien; war’s nun ein Wunder, dass wir Ideale ausbrüteten
von ungetümer Natur?! Die Seele braucht Speise und Trank wie der
Leib; das Ideal ist ihr Speise und Trank. Konnte unser Ideal dem
Herrn der Karlsschule wohlgefällig werden? Vor unseren Augen war
Kampf und Gewalt gegen die Vertreter des Landes, vor unseren
Augen war Verhöhnung des Freiheitsgedankens, welcher jenseits des
Meeres schmetternde Siege erfocht, vor unseren Augen Verhöhnung
deutschen Dranges nach eigener Litteratur und Kunst, vor unseren Augen
allüberall Druck auf Hirn und Herz; musste da nicht jener entsetzliche
Zustand in uns entstehen, welcher die Augen schliesst und blind mit
dem Haupt gegen die Schranke rennt, mussten da nicht die Räuber
entstehen, welche man nun so entsetzlich findet?! Sie mussten entstehen,
und die deutsche Karlsschule ist die Mutter des Stücks, der Herzog von
Würtemberg ist der Vater desselben!
[Pause. — Es donnert.]
Herzog. Wenn du horchst, Franziska, so erfährst du, dass ich
recht gehabt, und dass er reif ist, wie ich mir gedacht. (Er geht hinten
nach dem Ausgange, als wolle er nach dem Wetter sehen, geht dann rasch
auf die zweite Thür links zu, als wolle er Rieger rufen, bleibt aber plötzlich
1889 -
München
: Franz
- Autor: Stöckel, Hermann
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Unterrichtsanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt: Zeit: Mittelalter, Neuzeit
- Geschlecht (WdK): Jungen
464 Unterdrckung der Aufstnde in sterreich.
wurde sie (Dezember 1848) aufgelst, und der König erlie nun aus eigener Machtvollkommenheit eine Verfassung, die nach Verhandlungen Preuische mit neu einberufenen Volksvertretungen (Januar) 1850 angenommen 1850 9 un^ om König beschworen wurde. Darnach teilt sich die Landesver-tretung nach dem Zweikammersystem in das Herrenhaus^) und das der Hohenzollern Abgeordneten. In demselben Jahre, in dem Preußen in die Reihe der zu Preußen, konstitutionellen Staaten eintrat, erfuhr es eine Gebietserweiterung, in-dem das Frstentum Hohenzollern in Schwaben ihm einverleibt wurde. Die dort regierende Seitenlinie des preuischen Knigshauses hatte im Jahre 1849 zu Gunsten des Hohenzoller'schen Gesamtstaates abgedankt.
Unterdrckung der Ausstnde in Osterreich.
Einen anderen Ausgang hatte die Revolution im sterreichischen Staat. Hier hatte sich in das Verlangen nach konstitutionellen Staats-formen auch die Forderung nationaler Selbstndigkeit von Seite der bhmischen Tschechen, der ungarischen Mayaren und der Italiener des lombardisch-venezianischen Knigreichs gemischt. Nachdem sich im Mrz 1848 die Wiener Bevlkerung erhoben hatte, um Metternich wie sein System zu strzen und die Einfhrung des Konstitutionalismns zu be-Prager Auf- treiben, emprte sich im Juni 1848 auch die tschechische Bevlkerung von stand. P^g. Hieher hatte nmlich (auf den 2. Juni) der tschechische Geschichtschreiber Palacki (fpr. Palazki) einen Kongre aller Slaven des fter-reichischen Kaiserstaates berufen, um die Losreiung derselben von der deutschen Herrschaft zu betreiben. Aber die Sprachen der hier vertretenen slavischen Völker wichen so sehr untereinander ab, da eine Verstndigung durch sie unmglich war, weshalb die panslavistische^) Versammlung sich zur Beratung ihrer antideutschen Beschlsse schlielich der deutschen Sprache bediente. Die tschechische Nationalpartei (unter Palacki und seinem Schwiegersohne Rieger) hatte nicht nur die auch fr Bhmen ausgeschriebenen Wahlen zum Frankfurter Parlament zu verhindern gewut, sondern erregte nun auch die tschechische Bevlkerung in Prag so sehr, da sie sich (11. Juni 1848) emprte. Allein der Statthalter und Feldmarschall Wiudischgrtz (dessen Gemahlin bei dem Aufstande in ihrem Zimmer erschossen und dessen Sohn tdlich verwundet worden) warf den Aufstand durch eine zweitgige Beschieung der Stadt nieder Wiener Paria-(17. Juni 1848). Unterdessen dauerten die Unruhen in Wien fort. Es ment- war zwar eine konstituierende Versammlung daselbst aus den deutschen und slavischen Lndern des Staates zusammengetreten, auf deren Bitten der Kaiser Ferdinand wieder von Innsbruck nach Wien zurckkehrte,^) aber da sie sich von Anfang an in nationale Parteien gliederte, kam
Dieser Titel wurde brigens erst 1855 verliehen; er ist dem englischen Aus-druck house of lords" nachgebildet.
2) Panslavismus das Bestreben, alle Slaven unter eine Herrschaft (und zwar die Rulands) zu bringen, besonders im Mai 1867 auf einer ethnographischen Ausstellung in Moskau zum Ausdrucke gebracht, wohin sich auch die Tschechenfhrer Palacki und Rieger begaben.
3) Nach dem lauen Empfang, den ihm die Bevlkerung Wiens entgegenbrachte, siedelte er brigens bald nach Schnbrunn der.
1912 -
Stuttgart
: Bonz
- Autor: Frohnmeyer, Immanuel
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt: Zeit: Neuzeit
- Geschlecht (WdK): Jungen
1
215
des groen Friedrich zu, der ihn mit der Mahnung nach Hause entlie, da das Land nicht fr den Fürsten, sondern dieser fr das Land da sei. Als Herzog Karl schon im Jahr 1744 fr volljhrig erklrt wurde, nderte sich noch der zehn Jahre in der Regierung des Landes nichts Wesentliches, da der Herzog die Regierung bewhrten Rten berlie.
b. Miregierung. Seit 1755 aber begann eine schlimme Zeit, in der der verschwenderische und ausschweifende Herzog, beraten von schlechten Ratgebern wie dem Obersten Rieger und dem Grafen Montmartin, eine vllige Willkrherrschaft fhrte. Die Teilnahme am Siebenjhrigen Krieg, fr welche Rieger die Mannschaft mit barbarischer Hrte zusammen-brachte, trug weder dem Herzog noch seinem Heere viel Ehre ein und kostete das Land 8 Millionen Gulden. Die Soldaten, die nur gezwungen in den verhaten Krieg gegen die preuischen Glaubensgenossen zogen, zeichneten sich nirgends aus. Auch nach dem Krieg verschlang eine zwecklose Kriegs-spielerei, sowie eine beraus glnzende Hofhaltung, die den wrttember-gischen Hos zu einem der prchtigsten in Europa machte, Summen, welche das Land kaum aufbringen konnte. Neben andern Finanzknsten lebte der von Wittleder schwunghaft betriebene mterhandel wieder auf. Wer sich dem verfassungswidrigen Treiben widersetzte, dem drohte das Los des trefflichen Landschaftskonsulenten Johann Jakob Moser, der von 17591764 in harter Kerkerhaft auf dem Hohentwiel schmachtete, während Gattin und Tochter fern von ihm starben, der aber ohne Groll von seinem Kerker schied, den er als seine Universitt" schtzen gelernt hatte (t 1785). Auch den Obersten Rieger traf, als ihn Montmartin mittels eines ge-flschten Briefes des Verrates beschuldigte, ohne Urteil und Recht dasselbe Geschick (17621766). Die Landstnde wurden gar nicht ein-berufen, der engere Ausschu derselben, eine freilich oft mehr um das eigene Interesse als um das Wohl des Landes bekmmerte Krperschaft, beiseite geschoben. Als man sich dem Herzog gegenber auf die Rechte des Vater-landes berief, fuhr er die Abgeordneten an: Was Vaterland? Ich bin das Vaterland!" Endlich wendete sich der Ausschu an die Könige von England, Preußen und Dnemark sowie an den Kaiser um Abstellung der unertrg-lichen Mistnde, und der Reichshofrat forderte den Herzog auf, sich mit dem Landtag zu vergleichen. Nach langjhrigen Verhandlungen kam 1770 der Erbvergleich zustande, in dem die lteren Rechte der Landschaft feierlich besttigt wurden. Auch nachher wurde es nicht gleich entschieden anders. Erneuerte Klagen beim Kaiser, das reifere Alter und der Einflu der zweiten Gemahlin Franziska, Grfin von Hohenheim, fhrten endlich zur Er-fllung der dem Herzog abgentigten Versprechungen. An seinem 50. Geburtstag (1778) lie er von allen Kanzeln ein Reskript verlesen, in dem er erklrte, die Zukunft solle einzig dem Wohl der Untertanen gewidmet sein.
c. Die letzte Zeit. Auch in dieser letzten Zeit fehlte es an Spuren der alten, willkrlichen Regierungsweise nicht. Der mterhandel dauerte fort; immer noch wurden beraus kostspielige Feste veranstaltet; noch jahrelang litt das Volk unter dem Wildschaden. Doch warf sich die Ge-schftigkeit des Herzogs jetzt auf edlere Liebhabereien. Namentlich fr Er-ziehung und Bildung jeder Art interessierte er sich. Die 1770 auf der Soli-tude gegrndete, bald darauf in eine Militrakademie verwandelte Bildnngs-anstatt wurde nach Stuttgart verlegt und (1781) als Hohe Karlsschule
vom Kaiser zur Universitt erhoben. Ihr wandte der Herzog seine besondere
.
1883 -
Dresden
: Bleyl & Kaemmerer
- Autor: Bliedner, A.
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): Jungen
250
Herzog. Sein Vaterland und Seine Nation bin ich!
Schiller. Das sind Sie nicht! — Verzeihung! Aber ich muss
sagen, was ich weiss! Der Grösste und Gewaltigste ist nur ein Teil des
Ganzen, und nur der Tyrann überhebt sich dessen und tastet an das
verschleierte Bild des Weltgeistes, des Vaterlandes und der Zukunft —
Herzog. Und reisst den Schleier herunter vom Götzenbilde und
stürzt es samt den Baalspriestern in den Abgrund! Solch ein Tyrann
will ich sein, so wahr der Himmel über mir donnert!
Schiller. Und wenn dies Götzenbild „Weltgeist, Vaterland und
Zukunft“ eine Gottheit ist und den Tyrannen mit einem Wetterstrahle
in Staub und Tod darniederwirft bei der Berührung?!
[Kurze Pause.]
Dies Bild ist eine Gottheit, Fürst! Vergreifen Sie Sich nicht an
der Zukunft, Sie sind auch nur ein sterblicher Mensch!
Herzog (mit grösster Kraft). Verwegner —! —
[Kurze Pause].
(Nahe zu ihm tretend und ihn mit den Blicken messend, anfangs leise:)
Dreister Schüler! Ich bin als Herr ’was Besseres, denn Ihr. Das willst
Du verleugnen, und daher der tödliche Zwiespalt. Bringt Ihr die Welt
einmal zu Eurem Unglauben, dann sehet zu, wie’s Euch bekommt. Ich
will und werd’s nicht erleben und will dafür sorgen, dass ich’s nicht
erlebe — (ausbrechend) wenn ich Ihm jetzt den Kopf vor die Füsse
legen lasse, so kräht kein Hahn darnach, ich kann’s; Gott gab Seine
Zukunft in meine Hand, ich mach’ Ihn, zu was ich will, wenn ich will,
zur Leiche, ich bin Sein Herr!
Schiller (erschrocken, halblaut). Ebenso wäre der Mörder auf der
Landstrasse mein Herr, weil er mich töten kann. (Gefasst:) Herzog von
Würtemberg, Sterben ist kein Kinderspiel, und Sie haben dem höheren
Richter Rechenschaft zu geben.
Herzog. Die werd’ ich geben!
Schiller. Sie werden nicht einer zornigen Wallung gehorchen!
Sie werden mein Herr sein in einem grösseren Sinne! Mit Wahrschein-
lichkeit stehe ich einst an Ihrem Sarge! Was werd' ich sagen können
an der sterblichen Hülle dessen, der mein Fürst und väterlicher Er-
zieher gewesen —?
Herzog (sieht ihn einen Augenblick an). Sag' Er, die Hülle dieses
Fürsten hatte ein starkes Herz, welches mir nicht gefiel, aber der Mann
that nach seiner Einsicht seine verdammte Schuldigkeit. Das sag’ Er
mit gutem Gewissen, wenn Er mich überlebt. General Rieger! (Rieger
erscheint an der Schwelle.) Es bleibt beim Alten! (Zu Schiller, nachdem
er bis über die Mitte des Theaters hinausgekommen ist:) Und somit Gott
befohlen, Poet der Zukunft! Er hat das letztemal zu Seinem Herzoge
gesprochen! (Wendet sich zum Abgehen.)
Schiller. So werd’ ich sterben, und die Zukunft wird uns richten.
(Der Herzog ist wie betroffen stehen geblieben und winkt nun mit einer Hand-
bewegung Schiller, sich zu entfernen.)
1906 -
München
: Oldenbourg
- Autor: Kronseder, Otto
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Bayern
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Bayern
135. Die feierliche Verkündigung des deutschen Kaiserreichs. 619
Groß, unsterblich ist das, was Sie für die deutsche Nation getan haben, und ohne zu schmeicheln darf ich sagen, daß Sie in der Reihe der großen Männer unseres Jahrhunderts den hervorragendsten Platz einnehmen. Möge Gott Ihnen noch viele, viele Jahre verleihen, damit Sie fortfahren können zu wirken für das Wohl und Gedeihen unseres gemeinsamen Vaterlandes. Meine besten Grüße Ihnen sendend bleibe ich, mein lieber Graf, stets
Ihr aufrichtiger Freund Ludwig.
* *
*
c) Versailles, 24. Dezember 1870.
Allerdurchlauchtigster König,
Allergnädigster Herr!
Das huldreiche Schreiben Eurer Majestät, welches Graf Holustein mir überbracht hat, ermutigt mich mit meinem Danke für den gnädigen Inhalt desselben Eurer Majestät meine untertänigsten Glückwünsche zu dem bevorstehenden Jahreswechsel darzubringen. Wohl selten hat Deutschland von einem neuen Jahre mit gleicher Zuversicht wie von dem bevorstehenden die Erfüllung nationaler Wünsche erwartet. Wenn diese Hoffnungen sich verwirklichen, wenn das geeinte Deutschland dahin gelangt, daß es seinen äußeren Frieden in gesicherten Grenzen durch eigene Kraft verbürgen kann, gleichzeitig ohne die freie Entwicklung der einzelnen Bundesglieder zu beeinträchtigen, so wird die entscheidende Stellung, die Eure Majestät zu der Neugestaltung des gemeinsamen Vaterlandes gewonnen haben, in der Geschichte und in der Dankbarkeit der Deutschen jederzeit unvergessen bleiben.
Eure Majestät setzeu mit Recht voraus, daß auch ich von der Zentralisation kein Heil erwarte, sondern gerade in der Erhaltung der Rechte, welche die Bundesverfassung den einzelnen Gliedern des Bundes sichert, die dem deutschen Geiste entsprechende Form der Entwicklung und zugleich die sicherste Bürgschaft gegen die Gefahren erblicke, welchen Recht und Ordnung in der freien Bewegung des heutigen politischen Lebens ausgesetzt sein können.
Eure Majestät wollen sich in Gnaden versichert halten, daß ich mich glücklich schätzen werde, wenn es mir gelingt mir Allerhöchstdero gnädige Gesinnung zu erhalten. v. Bismarck.
135. Die feierliche Verkündigung des deutschen Kaiserreichs
am 18. Januar 1871 zu Versailles.
Don Georg Bleysteiner.')
Die deutschen Fürsten hatten den Ruf der Geschichte und den Wunsch der Nation verstanden, sie hatten nach dem Vorautritt des wahrhaft dentsch-
J) „Aus großer Zeit", S. 611 ff. Augsburg 1897, M. Rieger.
1906 -
Paderborn
: Schöningh
- Autor: Atzler, Alois
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Lehrerbildungseinrichtungen
- Schulformen (OPAC): Lehrerseminar
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
- Geschlecht (WdK): Jungen
Die zwlf Artikel der Bauern vom Mrz 1525.
261
Frevel Kloster und Schlosser, die nicht ihr sind, damit sie, als die offent-lichen Straenruber und Morder, alleine wohl zwiefltig den Tod an Leib und Seele verschulden; auch ein aufruhrischer Mensch, den man de bezeugen kann, schon in Gotts und kaiserlicher Acht ist, da, wer am ersten kann und mag denselben erwrgen, recht und wohl thut. Denn der einen ffentlichen Aufruhrischeu ist ein jglicher Mensch beide Oberrichter und Scharfrichter. Gleich als wenn ein Feur angehet, wer am ersten kann lschen, der ist der best. Denn Aufruhr ist nicht ein schlechter Mord, sondern wie ein groß Feur, das ein Land anzndet und verwstet; also bringt Aufruhr mit sich ein Land voll Mords, Blutvergieen, und macht Wittwen und Waisen und verstoret alles, wie das allergroest Unglck. Drumb soll hie zuschmeien, wrgen und stechen, heimlich oder ffentlich, wer da kann, und gedenken, da nichts Giftigers, Schdlichers, Teufelischers sein kann, denn ein aufruhrischer Mensch. Gleich als wenn man einen tollen Hund todtschlahen mu; schlgstu nicht, so schlgt er dich und ein ganz Land mit dir.
Zum dritten, da sie solche schreckliche, greuliche Sunde mit dem Evan-gelio decken, nennen sich christliche Bruder, nehmen Eid und Hlde^und zwingen die Leute, zu solchen Greueln mit ihnen zu halten. Damit sie die allergrten Gottslsterer und Schnder seines heiligen Namens werden, und ehren und dienen also dem Teufel unter dem Schein des Eoangelii, daran sie wohl zehenmal den Tod ^erbienen an Leib und Seele, da ich hlicher Sunde nie gehret habe. Und achte auch, da der Teufel den jngsten Tag fhle, da er solch unerhrte Stuck surnimpt. Als sollt er sagen: Es ist das letzte, drumb soll es das rgste sein und will die Grund-suppe rhren und den Boden gar ausstoen. Gott wolle ihm wehren! Da siehe, wilch ein mchtiger Fürst der Teufel ist, wie er die Welt in Hnden hat, und in einander mengen kann, der so bald so viel tausend Baurn fangen, verfhren, verblenden, verstocken und empren kann, und mit ihn' machen, was sein allerwthigester Grimm surnimpt.
70. Die zwlf Artikel der Bauern vom Mrz 1525.
Wilhelm Zimmermann, Geschichte des groen Bauernkriegs. Nach den Urkunden und Augenzeugen. Stuttgart, Rieger. 1856. 1. Bd. S. 407. (Mit einigen unwesentlichen Krzungen.)
Die grndlichen und rechten Hauptartikel aller Bauernschaft und Hintersassen der geistlichen und weltlichen Obrigkeit, von welchen sie sich beschwert vermeinen.
Es sind viele Widerchristen, die jetzt wegen der versammelten Bauernschaft das Evangelium zu schmhen Ursache nehmen, indem sie sagen: Das sind die Frchte des neuen Evangeliums, niemand gehorsam sein, an allen Orten sich emporheben und auf-bumen, mit groer Gewalt zu Huf laufen und sich rotten, geistliche und weltliche Obrigkeit zu reformieren, auszurotten, ja vielleicht gar zu erschlagen!" Allen diesen gottlosen freventlichen Urteilen antworten diese hier geschriebenen Artikel, sowohl damit sie diese Schmach des Wortes Gottes aufheben, als auch den Ungehorsam, ja die Emprung
1916 -
Stuttgart
: Bonz
- Autor: Frohnmeyer, Immanuel
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 7
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Geschlecht (WdK): Jungen
345
dem Herzog noch seinem Heere viel Ehre ein und kostete das Land 8 Mill. Gulden. Die Soldaten, die nur gezwungen in den ver-haten Krieg gegen die preuischen Glaubensgenossen zogen, zeichneten sich nirgends aus. Auch nach dem Krieg verschlang eine zwecklose Kriegsspielerei sowie eine beraus glnzende Hofhaltung, die den wrttembergischen Hof zu einem der prchtigsten in Europa machte, Summen, welche das Land kaum aufbringen konnte. Fr Schau-spiel, Oper und Konzert wurden die teuersten Krfte gewonnen. In Ludwigsburg und Stuttgart, selbst bei einigen Schlssern im Land wurden Gebude dafr aufgefhrt. Neue Schlsser wie die Solitude, spter Hohenheim wurden erbaut. Die frstlichen Geburts-tage wurden mit wochenlangen Festen gefeiert, zu den Jagden wurden die Bauern zwlf Stunden weit zusammengetrieben, um auf hohen Bergflchen Seen zu graben und mit Wasser aus den Tlern zu fllen. Die Mittel dazu wurden auf jede Weise erpret. Neben andern Finanzknsten lebte der mterhandel wieder auf. Jedes Staats- und Gemeindeamt war zu kaufen, vom hchsten bis zu den Hirten- und Nachtwchterstellen. Wer ein Amt be-zahlt hatte, war nicht einmal sicher, ob nicht sofort ein anderer das Amt um einen hheren Preis erhielt und Amt und Kauf-preis verloren ging. Wer sich dem verfassungswidrigen Treiben widersetzte, dem drohte das Los des trefflichen Landschaftskonsn-lenten * Johann Jakob Moser, der von 1759-1764 in harter Kerkerhaft auf dem Hohentwiel schmachtete. Dem frommen, fleiigen und gelehrten Mann, der in seinem Leben 500 Bnde geschrieben hat, wurden während seiner harten Hast alle Schreib-Materialien versagt; da schrieb er mit den Spitzen seiner Schuhschnallen, mit Schere und Lichtputze auf die weien Stellen der Bibel und des Predigtbuches und auf die Wnde seines Kerkers der tausend geistliche Lieder. Gattin und Tochter starben fern von ihm. Aber ohne Groll schied der fromme Mann von seinem Kerker den er als seine Universitt" schtzen gelernt hatte (f 1785). Auch den Obersten Rieger traf, als ihn Montmartin mittels eines ge-salschten Briefs des Verrates beschuldigte, ohne Urteil und Recht, dasselbe Geschick (17621766). Die Landstnde wurden gar nicht einberufen, der engere Ausschu derselben, eine freilich oft mehr um das eigene Interesse als um das Wohl des Landes bekmmerte Krperschaft, beiseite geschoben. Als man sich dem Herzog qeqeu-nber auf die Rechte des Vaterlandes berief, fuhr er die Abgeordneten an: Was Vaterland? Ich bin das Vaterland!" Endlich wendete sich der Ausschu an die Könige von England, Preußen und Dnemark sowie an den Kaiser um Abstellung der unertrg-
* f# rmsverstndige Beirat der Landstnde, der meist
1879 -
Stuttgart
: Hallberger
- Autor: ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
358
leicht jemand einzukehren pflegt. Mit solchen Personen machte sich Beat«
bekannt, für diese sorgte sie nach eigenem Vermögen und durch Fürsprache
bei anderen, diese besuchte und tröstete sie, diesen brachte sie Essen, Trinken
und was ihre Hand fand, diesen suchte sie durch ihre Handreichung an das
Herz zu kommen und ihre Seelen durch die leiblichen Wohlthaten aufwärts
zu den geistlichen Gütern und zu Gott zu ziehen. Als sie einst einem
armen Weibe etwas zu essen gebracht hatte und das Weib nebst der Dank-
sagung für diese Sättigung sagte, wenn jetzt nur sonst auch noch jemand
wäre, der ihr ein altes Kleid zukommen ließe, so zog Beata Sturm aus
der Stelle ihren Rock aus und gieng in ihrem langen Schlafrock heim und
erfüllte also auch dem Buchstaben nach, was Johannes fordert: „Wer zween
Röcke hat, der gebe dem, der keinen hat." Luk. 3, 11. Ihrem Essen
und Trinken brach sie ab, damit sie desto besser ausreichen könnte, die
Hungrigen zu speisen und die Durstigen zu tränken. Einmal erfuhr man
zufälligerweise hinterher, daß sie zwei ganze Tage keinen Bissen zu essen
gehabt habe und froh gewesen wäre, wenn ihr jemand ein Stücklein Brot
gegeben hätte; sie bekannte dabei, daß es doch etwas Entsetzliches sei um
das Hungerleiden. Um so mehr war sie aber deßhalb darauf bedacht, es
anderen zu ersparen.
5. Mit diesen Werken der Liebe gieng das Gebet immer Hand in Hand.
Sie hat entweder, sagt Rieger von ihr, gebetet oder ein gutes Werk aus-
gerichtet. Ja sie hat nichts gethan als gebetet; denn indem sie auch etwas
anderes that, betete sie doch ohne Unterlaß. Wer sie gekannt hat, der hat
eine lebendige Auslegung über die Worte Christi gehabt, daß man allezeit
beten und nicht laß werden solle (Luk. 18, 1.). Auch beim Bibellesen
verband sie Lesen, Nachdenken und Beten beständig mit einander. Ans
Beten gieng sie mit Beten, d. i. wenn sie in eine öffentliche Betstunde
oder sonst in eine Gebetsversammlung gieng, bereitete sie sich vorher darauf
mit Beten und Fürbitten für sich und die Mitversammelten. Hörte sie in
ihrem Hause in die Rathsversammlung läuten, so beugte sie ihre Kniee
für die zu Rath gehenden Landstände mit Bitten und Flehen für sie und
das gesamte Vaterland. Unter dem Gehen auf der Straße betete sie. Wenn
sie in ein Haus eintrat, so sprach sie still: Friede sei mit diesem Hause
(nach Luk. 10, 5.). In ihrem Gebet hielt sie sich besonders gern an das
Vaterunser. Wenn gute Freunde von einander scheiden müssen, sagte sie
öfters, so kommen sie doch bald wieder im Vaterunser zusammen.
6. Obwohl sie bei ihrer großen Gebetsgabe und Gebetsübung sich zu
Hause für sich wohl zu erbauen verstand, so versäumte sie doch ohne
dringende Noth keinen Gottesdienst weder an Sonntagen noch in der Woche.
1869 -
Leipzig
: Teubner
- Autor: Dietsch, Rudolf
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Gymnasium, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Griechische Antike
- Inhalt: Zeit: Antike
- Geschlecht (WdK): Jungen
148 Die lykurgische Verfaßung.
und daß auf den von ihm gegebnen Grundlagen erst eine kräftige und confe-
quente Handhabung und Ausbildung die bürgerliche und militärische Zucht
vollendete1)- Mit welcher Weisheit in dieser Verfaßung der Endzweck, dem
Interesse des Staats den Willen aller Bürger völlig unterzuordueu, dem Bürger
das Gefühl der wahren Freiheit (8 53, 2) zu erhalteu und doch deu Staat den
Schwankungen des Volkswillens zu entheben^ kurz demselben die vollste innerste
Selbstgenügsamkeit zu geben') erstrebt war, das haben nicht blos die alten
Schriftsteller anerkannt, welche wie verständig die Vorzüge aller drei Haupt-
verfaßuugsformen gemischt seien rühmen3): darüber hat die Geschichte selbst ein
eben so gültiges Urteil gesprochen, wie sie die Schwächen und die in ihr selbst
enthaltnen Grüude zum Verfall aufgezeigt hat.
2. Daß der Staat auf dem Recht der Erobrung gegründet war, beweist
die Scheidung der Bevölkerung in drei Klassen:
1) Die Spartiateu, die Nachkommen der dorischen Sieger, die alleini-
gen Bürger,
2) die Periöken ('tcsqloikoi), die außerhalb Spartaks wohnenden unter-
worfnen frühern Einwohner, daher zuweilen Aa-Kedcn^oinol genannt4), persön-
lich frei, zur Zahluug von Zins und zu Kriegsdienst verpflichtet, aber ohne jede
Teilnahme am activen Bürgerrecht 5),
3) die Heloten (el'lmeg oder fiacorcu) °), wahrscheinlich mit den
Waffen in der Hand unterworfne Einwohner, Leibeigne des Staats, nicht der
einzelnen Bürger, auf deu Äckern der Spartiaten angesiedelt und diese gegen
Abgaben voin Ertrag bebauend, außerdem im Krieg als Diener und Leichtbe-
wafsnete verwendet, vor harter und unmenschlicher Behandlung wenig geschützt.
3. Die Spartiaten waren unter sich alle gleichberechtigt (ofioioi) und es
scheint gerade die Aufhebung der Vorrechte, deren Adelsgeschlechter genoßen, eine
der wesentlichen von Lyknrgos eingeführten Verändrnngen zu feiu^). Neben
der Gleichheit bildete die Abstammuug das Baud, welches sämtliche Bürger
aneinander kettete, und in keinem griechischen Staat werden seltner Fremde,
die in das Bürgerrecht aufgenommen worden, erwähnt, als in Sparta"). Die
dnrch Freilaßung aus dem Leibeignenstand gebildete Klasse der v£oda[uad£igd~)
genoß nur eiues sehr beschränkten Bürgerrechts, wie auch die Heloteukinder,
welche mit Spartanern die ganze Erziehung geteilt hatten (/xöd-aveg oder
(A-odaneg) und in Folge davon wol regelmäßig freigelaßeu wurden, nicht das
1) Siehe E. Müller N. Jahrb. f. Phil. u. Päd. Lxxv 551. Um so mehr ist dies
anzunehmen, wenn, was allerdings von Einigen bezweifelt wird, Lyknrgos geradezu
durch eine 9 77x90: die schriftliche Aufzeichnung der Gesetze verboten hatte, Ptnt. Lyk. 13.
Denn dann bedurfte es läugrerzeit, um die umfänglichen Bestimmungen zu völligen!
Herkonunen zu erheben. — 2) Polyb. Vi 48. — 3) Aristot. Pol. Ii 310. Darstellungen
der Verfaßung haben gegeben ^enophou de rep. Lac. und Plut. vit. Lyc., aber der
erstre ist nicht vollständig, der letztre nnr mit Vorsicht zu gebrauchen. — 4) Herod.
Vi 58. — 5) S. gegenteilige Ansichten bei Herin. St. 23, 18. — 6) Ephoros Strabo
518 leitete den Namen von der Stadt Helos ab, deren Bewohner zuerst in das staat-
liche Verhältnis versetzt worden feien; da aber daun derselbe 'Eislol obei'exsärai
lauten würde, so ist die Ableitung O. Müllers von elstv vorznziehn. Daß Helos
zuerst das Schicksals erlitten habe, kann man Curtins zngeben. — 7) Wärend Herm.
St. 48 d. Begriff ö^olol auf die Teilnahme au der Erziehung bezieht, ist von Schöm.
reevanitiv äe Lparlanis Iiomoeil. Greifsvv. 1855 it. Rieger de homoeorum et Jiypo-
meionum — oiigine 1853 die im Tert gegebue Erklärung mit Recht festgehalten
worden. In spätrer Zeit werden allerdings Bürger als xcdol Kuycc&ol oder yvm-
qi[iol (Arist. Pol. Ii 6, 15 it. V 6, 2) wie eine höhte Klasse hervorgehoben, wodmch
sich aber im Recht von dieser eine niedre unterschied, woraus sie hervorgegangen und
ob der nur bei ^en. Hellen. Iii 3, (3 vorkommende Name vuo^^lovss ofsicielle Gel-
tung gehabt', ist noch unentschieden. — 8) Beispiel Herod. Ix 33. — 9) Thue. "V 34.
20. Bd. 2
- S. 836
1883 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 19
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
2. Dec. 1848.
836 Die Revolutionsbewegungen 1848 und 1849. tz. 1108.
begründen, die persönliche Freiheit auf dem Gebiete der Religion, der Rechtspflege, der Politik, des Verkehrs u. s. w. durch neue Gesetze zu ordnen und zu schützen, und das Steuerwesen und die bäuerlichen und grundherrlichen Verhältnisse im Geiste der Neuzeit umzugestalten. Diese Ansichten legte jenes merkwürdige Programm dar, womit das neue Ministerium Schwarzenberg-Stadion vor den am 22. Nov. 1848 zu Kremsier neu eröffneten Reichstag getreten war. Die Regierung versicherte darin, daß sie „die constitutionelle Monarchie aufrichtig und ohne Rückhalt wolle", daß sie alle den Völkern Oesterreichs zugesicherten Rechte und Freiheiten in nationaler, staatsbürgerlicher und persönlicher Beziehung erhalten und durch entsprechende Gesetze sichern und ordnen werde, und daß erst dem „verjüngten Oesterreich" seine künftige Stellung zu Deutschland angewiesen werden sollte. Der Reichstag nahm, ungeachtet einige Mitglieder noch den trotzigen Geist der Wiener Zeit in sich trugen und gegen die Verlegung protestirt hatten, dieses Programm mit großem Beifall aus; allein die bald nachher eingetroffene Botschaft, daß Kaiser Ferdinand die Krone niedergelegt, sein Bruder Erzherzog Franzkarl der Thronfolge entsagt und des Letztem Sohn Franz Joseph die Herrschaft über den österreichischen Kaiserstaat übernommen habe, „da die Durchführung der begonnenen Reformen jüngere Kräfte erheische", machte die Mitglieder besorgt, die neue Regierung möchte sich nicht an die Zusagen der vorhergehenden gebunden erachten. Diese Besorg-niß wurde zwar durch das Manifest des jungen Kaisers, worin die „Gleichberechtigung aller Völker des Reichs", die „Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz", so wie die „Theilnahme der Volksvertreter an der Gesetzgebung" als Grundlage „der heilbringenden Umgestaltung und Verjüngung der Gesammtmonarchie" verheißen war, einigermaßen gemindert; aber beim Fortgang der Berathungen trat die Unvereinbarkeit einer aus den Revolutionsstürmen hervorgegangenen Versammlung und einer auf neue Stärkung und Befestigung der- ausübenden Macht bedachten Regierung immer mehr zu Tage. Die kritische Finanzlage des Kaiserstaats, die von dem Reichstag immer neue Opfer und Zugeständnisse zu heischen zwang, stärkte die Opposition der demokratisch gesinnten Mitglieder, und bei Berathung der „Grundrechte" kam die Verschiedenheit des Standpunktes, auf dem die constituirende Versammlung und das Ministerium fußten, klar zum Vorschein. Das Prinzip der „Volkssouveränetät", von dem der Reichstag von Kremsier wie der in Frankfurt ausging, fand in dem an der Herrschermacht „von Gottes Gnaden" festhaltenden Ministerium entschiedenen Widerspruch; und als der Reichstag nicht nur bei diesem Grundsätze beharrte, sondern Freiheiten in Anspruch nahm, die für das polititsch noch so unreife und in religiöser und kirchlicher Beziehung noch so sehr am Gewohnten hängende österreichische Volk viel zu ausgedehnt waren und bei der Einführung auf endlose Schwierigkeiten und Hindernisse gestoßen sein würden, als Rieger, Schuselka und andere Volksvertreter die Politik des Ministeriums und die immer kühner hervortretende Reaction mit heftigen Reden angriffen, da reifte in Olmütz der Entschluß einer Auslösung, ehe das Verfassungswerk zu Ende geführt würde. Am 7. März 1849 wurde der erzbischöfliche Palast in Kremsier, wo der Reichstag seine Sitzungen hielt, vor Tagesanbruch von Militär besetzt und die Abgeordneten zur Abreise genöthigt. Am Abend des 7. März war das Städtchen wieder so leer und öde wie vor dem November 1848. Eine Reihe ministerieller Erlasse (wovon der erste als Beweggründe der Auslösung der Nationalversammlung angab, „daß dieselbe eine Stellung eingenommen, die mit der dem kaiserlichen Hanse gebührenden Treue wenig vereinbar gewesen" und daß durch die inzwischen erfolgten Siege der Heere in Ungarn und Italien eine „Gesammtversasiung" nothwendig geworden, „die über die Grenzen des Berufs des Reichstages hinausgetreten") ertheilten dann eine „octroyirte" Verfassung, ein „Gesetz über die Grundrechte" und ein „Robotentschädigungspatent". Die darin gewährten Rechte blieben zwar hinter den Forderungen der Volksvertreter zurück, allein sie verliehen doch, besonders im Vergleich mit früheren Zuständen, ein hohes Maß von Freiheit und verhießen Reformen in allen Gebieten des kirchlichen, staatlichen und bürgerlichen Lebens, die den Anbruch einer neuen Zeit verkündeten.