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1. Landeskunde des Königreichs Württemberg und der Hohenzollernschen Lande - S. 37

1909 - Breslau : Hirt
§ 9. Die Hauptgestalten der Württembergischen Geschichte. 37 da sei, sondern er berufen, sein Volk glücklich zu machen". Diese Ermah- nungen schienen nicht ohne Wirkung zu bleiben. Als Karl Eugen mit 16 Jahren (i. I. 1744) für volljährig erklärt wurde und die Regierung übernahm, ver- sprach er, „als ein rechtschaffener wahrer Vater des Vaterlandes treuherzig zu handeln und nach den Rechten und Ordnungen des Landes zu herrschen". Die Aussichten waren um so hoffnungsvoller, als einsichtige und rechtschaffene Männer im Geheimen Rat saßen, wie G. B. Bilsinger, einer der hervorragendsten Gelehrten feiner Zeit und ein edler Charakter. Der Herzog überließ denn auch zunächst die Regierung den bewährten Räten, und so.warelt die ersten zehn Jahre glückliche Zeiten für das Land. Dann aber trat eine schlimme Wendung ein. Unter dem Einflüsse schlechter Ratgeber, wie des Obersten Rieger und des Grasen Montmartin, sührte der Herzog eine völlige Willkürherrschast. Glanzliebend und genußsüchtig, über- ließ er sich den Freuden des Lebens. Die Pracht und Üppigkeit seines Hofes, der Aufwand für Feste, Opern und Jagden waren in Württemberg noch nie erlebt worden. Ungeheure Summen verschlangen auch die zahlreichen Bauten, wie das neue Resideuzschloß in Stuttgart, allerlei Gebäude in und um Ludwigsburg, wohin der Herzog seinen Hof verlegte, die Solitude, Hohen- heim nebst Scharnhausen, die Jagdschlösser Grafeneck und Einsiedel u. a. Zu diesem maßlosen Aufwand kamen noch die Kosten des Siebenjährigen Krieges, an dem sich der Herzog mit 14000 Mann gegen Preußen betei- ligte. Mit barbarischer Härte brachte der Oberst Rieger dieses Heer zusammen; man riß die Leute, die keine Lust hatten, an der Seite der Franzosen gegen Preußen zu kämpfen, aus den Werkstätten, vom Pfluge hinweg, aus den Betten und aus den Kirchen. Man kann sich denken, welche Lorbeeren diese gepreßten Soldaten ernteten, die sich dem „Reißausheer", wie man damals das Reichsheer nannte, würdig anreihten. Aber auch nach dem Kriege wurde das Heer nicht entlassen, es diente zu Spielereien, Scheingefechten und Schau- spielen. Landschaft und Volk murrten über die Verschwendung. Allein der Herzog scheute kein Mittel, um sich Geld zu verschaffen. Steuern über Steuern wurden dem Volke auferlegt. Ein neuer Günstling des Herzogs, ein sächsischer Gerbergeselle und Unteroffizier namens Wittleder, wußte insbesondere durch den Dieusthandel, den er auf die schamloseste Weise betrieb, Mittel zu be- schaffen. Jedes Amt kouute man für Geld kaufen. Die Landstände wurden gar nicht einberufen, die Laudfchaftskasse wurde mit Gewalt weggenommen. Wer sich diesem Treiben widersetzte, dem drohte das Los des trefflichen Land- schastskonsnlenten Joh. Jak. Moser, der fünf Jahre lang auf dem Hohen- twiel schmachtete. Dasselbe Schicksal tras übrigens auch den Oberst Rieger, der bei dem Herzog in Ungnade siel. Endlich aber war doch das Maß der Unzufriedenheit voll. Das Land beschwerte sich bei dem Kaiser. Ans dessen Betreiben kam nach langjährigen Verhandlungen i. I. 1770 ein Vergleich zu- stände, nach welchem der Herzog seine Ausgaben und seine Truppen beschränkte und die alten Rechte und Freiheiten des Landes aufs neue bestätigte, wo- gegen das Land einen beträchtlichen Teil der Schulden des Herzogs übernahm. Allmählich wurde der Herzog ruhiger und besonnener. Auch übte seine zweite Gemahlin Franziska einen guten Einfluß auf ihn aus, hielt ihn von manchen Gewalttaten ab, beförderte gute Anstalten und war eine Wohltäterin der Armen. Es kam dem Herzog zum Bewußtsein, daß seiu bisheriges Leben ein recht verkehrtes gewesen war, und so ließ er an seinem fünfzigsten Ge- bnrtstage (1778) von allen Kanzeln eine Erklärung verlesen, worin er seine

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1. Handbuch der Vaterlandskunde - S. 427

1858 - Stuttgart : Schweizerbart
427 Am 28. November 1762 erschien der Herzog auf dem Paradeplatz, wo, wie gewöhnlich, eine große Anzahl von Offizieren nebst einer zahlreichen Truppenschaar versammelt war. Rieger, durch Unpäßlichkeit zu Hause gehalten, wurde durch einen Adjutanten herbeigerufen. Und als nun der Herzog seiner ansichtig wurde, ging er raschen Schrittes auf ihn zu, riß ihm mit dem lauten Rufe: Schändlicher Verräther! den Orden von der Brust und Montmartin nahm ihm den Degen ab, zerbrach denselben und warf ihm die Stücke vor die Füße. Rieger stand wie voni Blitz getroffen und vermochte kaum die Worte zu stammeln: „Euer Durchlaucht sind falsch berichtet!" „„Nur zu gut berichtet!"" erwiederte der Herzog, stieß ihm mit dem Stock auf die Brust und rief zürnend: „„Fort mit dem schlechten Kerl!"" Und unter militärischer Bedeckung wurde er alsbald nach Hohen-Asberg und später nach Hohen-Twiel abgeführt. Ueber vier Jahre hatte er hier in einem unterirdischen Gefängniß die Qualen eines verschärften Gewahrsams zu tragen, ohne ein menschliches Antlitz zu sehen; dann erhielt er seine Freiheit wieder. 9 Jahre später, 1775 ward ihm gestattet, sich dem Herzog wieder zu nähern, der sein Unrecht — denn Jedermann war überzeugt, das; Montmartin durch Fälschung von Papieren, oder sonst einen Betrug, ihn zu Grunde gerichtet hatte — dadurch wieder gut zu machen suchte, daß er ihn zum Befehlshaber der Feste Asberg und zum Generalmajor ernannte, welche Stelle Rieger bis zu seinem Tode bekleidete. — Als mit der Zeit allmählig ein Umschwung der Dinge, namentlich durch Kaiser Josephs Ii. Einfluß in der Weise sich gestaltete, daß das Recht wieder Schutz fand, da bat Mvntmartin, „um kein Hindernis; der Wiederherstellung des vollkommenen Vertrauens zwischen Herr und Land zu sein", um seine Entlassung und erhielt dieselbe unter Entbindung von aller Verantwortlichkeit mit einem Jahrgehalt von 4000 fl. Zu gleicher Zeit entwich auch Wittleder, der keinen Schutz gegen die Rache des Landes zu finden hoffte, nach Heidelberg, wo er — ein von der Angst seines Ge- wissens gescheuchter Missethäter — sein, verächtlicher Knechtschaft und schändlichem Wucher gewidmetes Leben wenige Jahre spater endete. — Doch — auch wackere Männer schmachteten in den Felsengemächern auf Hohentwiel; so namentlich Johann Jakob Moser, geb. 1701, gest. 1798. Er ist unter den ächtpatriotisch gesinnten Biedermännern, welche in der Geschichte Württembergs uns entgegentreten, einer der berühmtesten. Geboren den 18. Januar I70i zu Stuttgart hatte er die dortigen Bildungs- anstalten aufs beste benützt, hierauf die Rechte studirt und war 1720 schon Professor in Tübingen. Später wurde er nach Wien berufen, wo er blieb, bis er 1736 als Geheimerath und Direktor der Universität zu Frankfurt a. d. O. in preußische Dienste trat. Im Jahr m, kehrte er ins Vater- land zurück und leistete demselben als Consulent der Landschaft die wichtigsten

2. Handbuch der Vaterlandskunde - S. 238

1858 - Stuttgart : Schweizerbart
258 schaft, an Festen und auf Reisen eine fürstliche Pracht und in Folge derselben ein Aufwand, dessen Deckung nur durch unwürdige Mittel und zudringliche Forderungen möglich wurde; — das Alles erfüllte die Herzen der Gutgesinnten mit Trauer. Einmal auf der schiefen Bahn des Verderbens angekommen, trieb der Herzog, irre geführt von schlimmen Rathgebern, die seinen Neigungen und Leidenschaften zu schmeicheln wußten, immer rascher vorwärts und untergrub, wie sein eigenes, so auch das Wohl seines Volkes. Als solcher schlimmen Rathgeber und gewissenloser Werkzeuge in Ausführung der ungerechtesten Entwürfe führen wir an den Hauptmann Fr. Rieger, den Grafen Moutmartin und Lorenz Witt- leder. Siehe Hohentwiel! Hatte Rieger namentlich während des siebenjährigen Krieges (1756 — 63) sich dem Herzog unentbehrlich zu machen gewußt durch Stellung großer Truppenmassen, so wurde Montmartin mit jedem folgenden Jahre um so nothwendiger, als er es war, der die Mittel zur Deckung der unerschwinglichen Ausgaben des Herzogs, veranlaßt durch dessen Vorliebe für das Kriegswesens durch seine große Bau- lust^ und den unmäßigen Aufwand am Hofe1 2 3 aufzubringcn hatte. Er lag beständig im Hader mit der Landschaft, welcher er, da sie der fortwährenden Eingriffe in die Rechte des Landes sich widersetzte, end- lich geradezu erklärte, „die Forderungen des Herzogs seien als ab- solute Befehle anzusehen und die Pflicht des Landes sei unbedingte Unterwerfung ohne alle Widerrede". Wittleder endlich warein vor- treffliches Werkzeug, neue Geldquellen aufzufindeu, wobei er aber nicht vergaß, seinen Beutel neben der Kasse des Herzogs zu füllen. Es wäre ein trauriges Geschäft, alle die gesetzwidrigen Schritte des damaligen Regiments hier aufzuzählen; es genügt zu sagen, 1 Das stehende Militär war während des siebenjährigen Krieges auf 17,000 Mann angewachsen. 2 In kurzer Zeit entstanden eine Menge Bauten, die Millionen kosteten, und von denen wir hier nur die Solitude und Hohenheim anführcn. 3 Mehr als zwanzig Fürsten und Reichsgrafen des Auslandes lebten an demselben; im Marstall standen 6vo der schönsten und theuersten aus- ländischen Pferde; ein einziger Tänzer erhielt für sechs Monate 12,000 fl. und eine einzige Oper kostete manchmal 100,000 fl., während ein Geburts- tag auf 3-400,000 fl. kam, und in manchem Feuerwerk 40 — 50,000 fl. in Rauch aufgingen.

3. Die Geschichte Württembergs - S. 161

1875 - Tübingen : Fues
46. Herzog Karl. Seine Reg. bis zum Erbvergleich Die Wirtbschast Riegers zc. 161 verdienen: Rieger und Montmartin. Zu diesen gehrt noch als Dritter im Bunde" Wittleder. Philipp Friedrich Rieger, der Sohn des Dekans Georg Konrad Rieger in Stuttgart, war imjahr 1756 aus preuischem in den wrttembergischen Kriegsdienst getreten. Er war ein Mann von groen Talenten und vielen Kenntnissen, voll Witz und Gewandtheit im Umgang, aber jedes Rechtsgefhls bar. Stolz, alles Recht und alle Vertrge verachtend, erfahren in den Knsten der Schmeichelei war er vorzglich zu einem Werkzeug der Willkrherrschaft ge-schaffen. Im Jahr 1753 hatte der Herzog mit Frankreich einen Subsidien-vertrag abgeschlossen, nach welchem 6000 Mann wrttembergischer Truppen in franzsischen Sold kamen. Als nun drei Jahre spter der siebenjhrige Krieg (1756 1763) ausbrach und Frankreich mit Oesterreich gegen Preußen kmpfte, sollte Wrttemberg die vertragsmige Truppenzahl stellen. Man hatte aber nur 2000 Mann; zudem fehlte es an Ausrstungen und an Geld. Da trat Rieger auf und erhielt vom Herzog unumschrnkte Vollmacht zur Auf-stellung der Truppen. Das frstliche Versprechen, da jeder Unterthan blo durch ordentliche Werbung und freiwillig zum Kriegsdienst beigezogen werden knne, war damit gebrochen. Rieger nahm alle Jnglinge von 18 Jahren an, vom Pflug, aus der Werksttte, Nachts aus den Betten, Sonntags aus der Kirche; den Witwen wurden die einzigen Shne entrissen. Beamte, die nicht mithalfen, wurden mit den schwersten Strafen bedroht. Bald war die Schar beisammen. Aber was fr Soldaten! Keiner wollte gegen Preußen kmpfen, in dessen Regenten sie den Vertheidiger des evangelischen Glaubens erblichen". Unterwegs emprten sie sich und die Hlfte lief davon. Schnell mute Rieger eine neue Auswahl vornehmen; sie erfolgte mit noch schrecklicheren Mitteln als das erste Mal. Auch unter diesen Truppen entstand ein Ausruht; in Gppingen wurden 16 Rdelsfhrer hingerichtet. Inder Schlacht bei Reuthen (5. Dez. 1757) wurden die Wrttemberger von der preuischen Reiterei umgangen; sie rumten in wilder Flucht das Feld. In den Winterquartieren in Bhmen brach eine Seuche aus, so da nur noch 1900 Mann zurckkamen. Im nchsten Jahre trieb Rieger auf's neue Soldaten zusammen-, sie wurden theilweise in Ketten zu den Regimentern gefhrt. Durch Bestechung und Betrug bernahm der franzsische Kommissar die vorhandenen 4000 Mann fr 6000. In Hessen wurden sie mit den von dem Prinzen Soubise befehligten Franzosen vereinigt. Weil der Subsidienvertrag erloschen war, schlo der Herzog einen neuen, nach welchem er 12000 Mann stellte. In Beschaffung dieser groen Mannschaft wurde Rieger das Lob zutheil, da er sich selbst bertreffen habe". Das Heer stand in Hessen, wo es bei Fulda von dem Erbprinzen von Braunschweig ber-fallen und geschlagen wurde (Nov. 1759). Im nchsten Jahr zog Herzog Karl nach Sachsen; hier nahm sein eigener Bruder Friedrich Eugen, der preuischer General war, 600 wrttembergische Jger bei Kothen gefangen. So theilten die Wrttemberger in jenem Kriege in allem die Schande der deutschen Reichs-(Reiaus-) Armee. Rieger hatte sich durch die gewaltsamen Truppenaushebungen so sehr die Gnade de Herzogs erworben, da er zum Obersten und Geheimen Kriegsrath er-nannt wurde. Unterthnig und kriechend dem Herzog gegenber, war der Allge- taiger, Geschichte Wrttembergs. 11

4. Handbuch der Vaterlandskunde - S. 424

1858 - Stuttgart : Schweizerbart
424 Von dem 6000 Mann starken Heere kehrten im folgenden Frühjahr kaum mehr i!)oo Mann, und diese im elendesten Zustand in ihr Vater- land zurück. Dem erneuten Substdien - Vertrage mit Frankreich zufolge hatte der Herzog jetzt die Stellung eines Heeres von 12,000 Mann übernommen, und Rieger erwarb sich in Beischaffunq dieser Mannschaft das Lob, „sich selbst über troffen zu haben". Aber auch dieser Feldzug brachte den württembergischen Waffen wenig Ehre, und auch im folgenden Jahr 1760, wo dem Herzog an der Spitze von 12,000 Mann der Kriegsschauplatz in Sachsen angewiesen war, kam kein irgend merkwürdiges Ereigniß vor. Auf die angedeutete Weise war es Riegern gelungen, von einer Stufe des Dienstes zur andern, bis zu dem Grade eines Obristen und geheimen Kriegsraths emporzusteigen und sich in der Gunst des Herzogs in einer Weise festzusetzen, daß er — während jede Schmach kriechenden Sklaven- sinnes ihn bedeckte — gegen alle diejenigen, die unter ihm standen, die übermüthigste Tyrannei ausüben konnte. So lud er, der Schrecken der Vornehmen nicht minder als des Volks, den Haß Aller auf sich, und im Gefühl seiner immer mehr sich erweiternden Macht hielt er es nun durch- aus nicht für nöthig, Vorsicht zu üben. Ungefähr um dieselbe Zeit mit Riegern (1758) trat auch der Graf Montmartin in die Dienste des Herzogs. Er hatte sich bei Betreibung der Mündigkeitserklärnng des Herzogs äußerst thätig erwiesen und sich dadurch den Dank desselben erworben. Hatte er auch nicht den tiefen, sichern Blick, die gründliche Kenntniß der Gesetze, der Verwaltung und der Menschen, nicht jene Selbstständigkeit und Gediegenheit, wie eine hohe Stellung sie erfordert, so war er dagegen schlau und ein Meister, wenn es galt, Ränke einzulciten und durch Lüge und Untreue zu täuschen. Obendrein hatte er einen gewissen Schein von Hoheit, viel Selbstgefühl und eine strömende Beredtsamkeit. Mit diesen Eigenschaften verband Montmartin eine unbegrenzte Unterwürfigkeit unter den Willen seines Herrn, so daß er mit gänzlicher Resignation auf Ehre und Pflicht Alles aufs genaueste vollzog, was dieser verlangte, oder was dem persönlichen Interesse und den Neigungen desselben zusagte. So schwang sich Montmartin in kurzer Zeit zum ersten Minister des Herzogs und zum Präsidenten des Geheimenraths empor, und er durfte sich wenigstens so lange für unentbehrlich halten, als die ordentlichen Einnahmsquellen des Herzogs nicht hinreichend waren, die außerordent- lichen Ausgaben desselben zu decken, und so lange er im Stande war, neue Quellen zu eröffnen. Wenn nun aber schon eine einzige Liebhaberei des Herzogs, seine Lust zum Kriege und zu militärischem Prunk, im Stande war. die Finanzen in Unordnung zu bringen, — hatte doch die Unter- haltung der übermäßigen Truppenzahl während des 7jährigen Krieges allein über 8 Millionen Gulden gekostet! — was war zu erwarten, wenn auch nach andern Richtungen hin ein Aufwand gemacht wurde, der in keinem Verhältniß stand zu den Kräften des Landes! Die Schriftsteller

5. Handbuch der Vaterlandskunde - S. 426

1858 - Stuttgart : Schweizerbart
gute Bezahlung Privilegien, wodurch ganze Bezirke an ihre Mühlen ge- bannt wurden rc. Als Verwalter des Kirchenguts nahm er davon nach und nach auf gesetzwidrige Weise die Summe von 547,000 fl. — Doch genug hievon. — Um die Rechte des Landes, die Vorstellungen und Beschwerden der Landschaft, bekümmerte sich Montmartin gar nicht; vielmehr erklärte er der Letztern unumwunden, sie hätte die Forderungen des Herzogs als „absolute Befehle" anzusehen und ihre Pflicht sei „unbeschrankte Unterwerfung"; was der Souverän verlange, müsse ein für allemal „ohne Widerrede" befolgt werden. Diesen Grundsätzen gemäs; handelte er auch. Als z. B. die Landschaft l?58 sich weigerte, die ihr angesonnene Beihülfe zu den Landesvertheidi- gungsanstalten zu leisten, so erhielten die beiden Landschafts-Einnehmer den Befehl, die Kasse zu stürzen und den Erfund an die Kriegskasse ab- zuliefern, und als sie auf ihrer beschworenen Pflicht beharrten, so büßten sie ihre Treue jeder mit 100 Dukaten Strafe. Einige Monate später erschien der Herzog an der Spitze seiner Garde; Bewaffnete umgaben das Landschaftsgebäude, einige fürstliche Abgeordnete drangen ein und nahmen aus der Kasse 30,000 fl. weg. Statt des auf 36o,ooo fl. festgesetzten Militärbeitrags sollte nunmehr 1763 eine Monatssteucr erhoben werden, welche für das Jahr auf i'6oo,ooo sich belief, und was auch die Landschaft gegen das Unrecht des Ansinnens und die Unmöglichkeit seiner Erfüllung cinwenden mochte: in kurzer Zeit waren doch i'30o,ooo fl. erpreßt. Pflicht- getreue Beamte suchte Montmartin zu bestechen oder durch Drohungen einzuschüchtern und wenn das nicht gelang, so wurden sie zur Haft gebracht. So namentlich der Consulent der Landschaft, der edle Johann Jakob Moser, der bis ins fünfte Jahr im engen Felsenkerker von Hohen-Twiel schmachtete. Doch genug der Einzelheiten! Diese drei Männer: Ricger, Montmartin und Wittleder, einig nur im Bösen, waren es also, die durch lange Jahre hin dem Vaterlande mit frecher Hand die tiefsten Wunden schlugen und dabei sich geberdeten, als wäre kein Rächer im Himmel. Fragen wir nun doch auch noch nach ihrem Ende! Daß zwei Männer wie Rieger und Montmartin nicht lange neben einander würden stehen können, ließ sich ohne viel Scharfsinn voraussehen. Jeder wollte im ausschließlichen Besitz der fürstlichen Gunst sein, und für jeden hatte die Gewalt nur in sofern und in soweit einen Werth, als er allein sie üben konnte; daher ertrug Keiner das Eingreifen des Andern in seinem Kreise; daher fortwährende Reibungen und Widersprüche und Ränke und — der Kampf konnte nur mit dem Untergang des Einen enden. Der Ausgang aber dieses Kampfes konnte kaum zweifelhaft sein: Rieger, leidenschaftlich im höchsten Grad, war nicht weniger unbesonnen und unvorsichtig; Montmartin dagegen war kalt, listig und planmäßig in all' seinem Thun. Doch so plötzlich hätte kaum Jemand die Katastrophe vexmuthet, als sie nun eintrat.

6. Handbuch der Vaterlandskunde - S. 423

1858 - Stuttgart : Schweizerbart
423 getreten, denn die Kaiserin Maria Theresia von Oesterreich hatte in dem genannten Jahr die Macht von Frankreich, Rußland, Schweden und Deutschland für sich gegen Friedrich Ii. von Preußen unter die Waffen zu rufen gewußt, um dem Letzteren, auf dessen (Sette nur England und einige Fürsten des nördlichen Deutschlands standen, das eroberte Schlesien wieder abzunehmen. Als nun aber der französische Commissär in Stutt- gart erschien und auf die schleunigste Erfüllung des Vertrages drang, so stellte es sich heraus, daß weder Soldaten noch Ausrüstungsgegenständc vorhanden und - da die Hülfsgelder für die Pracht des Hofes verwendet worden — auch nicht beizuschaffen waren Und doch — das Heer mußte gestellt werden. Nun hatte aber der Herzog nicht lange vorher die feierliche Zusicherung gegeben, daß kein Unterthan anders, als durch ordentliche Werbung und freiwillig zur Annahme von Kriegsdiensten gebracht werden solle: was war nun zu tbun? Zn dieser Verlegenheit trat Rieger mit Entwürfen auf, die den Herzog so sehr befriedigten, daß er ihm die unumschränkte Vollmacht zu Auf- stellung der Truppen übertrug, und Rieger brachte nun auch in ganz kurzer Zeit die geforderte Zahl zusammen. Aber wie er dabei verfuhr!? Alle taugliche Mannschaft über 18 Jahr wurde mit unmenschlicher Strenge weggenvmmen; man entriß der Wittwe ihren Sohn, die einzige Stühe des Alters; aus den Werkstätten, vom Pfluge weg, Nachts aus den Betten nahm man die Leute, ja Sonntags wurden unversehens die Kirchen umstellt, und die unglücklichen Opfer von geweihter Stätte weggeholt. Keine Bitte half, keine Vorstellung fruchtete und Beamte, die nicht thätiq mithalfen, wurden mit den schwersten Strafen bedroht. — Die so zusammen- gebrachte Mannschaft ward nun nach Stuttgart geschleppt, hier schnell eingekleidet und geübt, und so stand zu Anfang des Zahres 1757 die stattliche Heerschaar zum Ausmarsch bereit. Daß aber ein so zusammengerafftes Heer nicht mit Begeisterung in den Krieg ziehen würde, war begreiflich; daß es sich aber empören würde, hatte man doch nicht vermuthet. Aber gewaltsam dem Schooße ihrer Fa- milien entrissen, Verbrechern gleich in Ketten zu den Fahnen geschleppt, erbittert durch die harte Strenge der Offiziere bei den mit Anstrengung betriebenen Waffenübnngen, vermochten die neuen Soldaten ihren Miß- muth nicht länger zu unterdrücken, und so erklärten sie ihren Offizieren trotzig, daß sie durchaus nicht gegen den König von Preußen, den Beschützer des evangelischen Glaubens, ziehen würden. Mit Mühe war der Aufruhr gestillt, aber die Hälfte des Heeres, Viele öffentlich und schaarenweise, entwichen- Eine neue Verlegenheit für den Herzog; ein neuer Jammer für das Land, weil man mit verschärfter Strenge zu einer neuen Auswahl schritt. Doch Rieger hatte das Heer bald wieder vollzählig, so daß es den Marsch antreten konnte. Allein schon im ersten Nachtlager bei Göppingen brach die Empörung wieder aus und konnte nur durch Hinrichtung von 16 Rädelsführern gedämpft, nicht unterdrückt werden; denn ein zweiter Aufstand brach bei Linz aus. -

7. Die Geschichte Württembergs - S. 163

1875 - Tübingen : Fues
8 46. Herzog Karl. Seine Reg. bis zum Erbvergleich. Die Wirthschaft Rieger ic. 163 ' man Kassen in die Hnde. Was die Beamten vorher um ihre Stellen be-zahlt hatten, suchten sie nachher doppelt und dreifach aus dem Volke heraus-zupressen. Die Landschaft war. da sich der engere Ausschu immer mehr Gewalt an-gemat hatte, zu einem Schattenbilde herabgesunken. Bei dieser abscheulichen Wirth-schaft machten die Landstande aber doch endlich ihre Rechte geltend, obgleich ihnen Montmartin erklart hatte, sie haben des Herzogs Willensuerungen als ab-solute Befehle" anzusehen und ohne Widerrede zu befolgen. Als sie eine neue Geldforderung des Herzogs abschlugen, lie der Herzog das Stndehaus mit Militr besetzen, die Kasse mit Gewalt erbrechen und das Geld wegnehmen. Der Konsulent der Landschaft, Johann Zakob Moser, wurde beschuldigt, der Urheber des Widerstands gegen die herzoglichen Gewaltttigkeiten zu fein. Der Herzogs hatte ihm noch im Jahr 3756 eigenhndig geschrieben : Wollte Gott, es dchte ein jeder so patriotisch wie Er und ich, es gienge gewi Herrn und Lande wohl!" Moser hatte alle Beschwerden der Landschaft abzufassen und der Regierung vorzulegen; darum fiel Montmartins Ha doppelt schwer auf ihn. Er und der Herzog wandten alle Mittel an, um ihn fr den Hof zu gewinnen; aber der wackere Patriot wankte nicht; er blieb fest auf feinem Posten, unbeirrt durch alle Versprechungen und Drohungen. Im Juli 1759 wurde er nach Ludwigsburg berufen, wo ihm der Herzog seine Gefangennehmung ankndigte. Noch im Vorzimmer hatte er zu einem Sekretr gesagt: Unverzagt und ohne Grauen soll ein Christ, wo er ist, stets sich lassen schauen", lieber fnf Jahre (1759 bis 1764) schmachtete der edle Mann auf Hohentwiel in hartem Gefangm. Alle Schreibmaterialien wurden ihm verweigert, sogar ein Bleistift; nur ein Gesangbuch, ein Predigtbuch und eine Bibel wurden ihm gegeben. Mit den Spieen feiner Schuhschnallen, feiner Schere und Lichtputze kratzte er mehr als 1000 geistliche Lieder auf die Wnde seiner Zelle und die leeren Stellen feiner Sucher. Seine Frau starb aus Kummer während seines Gefngnisses. Die Landschaft verklagte den Herzog wegen dieser Gewalttat in Wien, woraus de? Kaiser die Freilassung Mosers befahl. Der Herzog wollte daraus eingehen, wenn Mo,er Abbitte leistete. Dieser erklrte aber: Ich habe nun in das sechste Jahr Zeit genug gehabt, mich zu prfen, ob ich mich gegen Ew. Durchlaucht eines Verbrechens fchuldig gemacht habe und wenn mich mein Gewissen dessen uberzeugte, wrde ich es nicht haben anstehen lassen, es ernstlich zu bereuen und c Um nabe su bitten. Ich bin mir aber keines andern bewut, als da ich fowohl gegen E. H. Durchlaucht als dem Lande in meinem landstn-dlfchen Amte alle mgliche Treue bewiefen habe". Als sich hierauf Friedrich der Groe fr Moser verwandte, gab ihn Karl ohne weiteres frei und erklrte--Moser ist ein ganz ehrlicher Mann!" Whrend Mosers Gefangenschaft hatte der Herzog Gewaltthat auf Ge-^ Gerst. Rieger und Montmartin, beide in gleichem Mae unstlmge Karls, konnten nicht nebeneinander bestehen; einer suchte den andern zu vertreiben. Rieger gierig in feinem Treiben leidenfchaftlich und unvorsichtig, Montmartin dagegen ruhig und fchlau zu Werke. Daher konnte letzterem der reg nicht fehlen. Seine Verleumdungen brachten Rieger in hartes Gefngni, a er wohl am Lande, nicht aber am Herzog verdient hatte. Nach vierjhriger scharfer Haft (1762 -1766) auf Asberg und Hohentwiel erhielt er seine U *

8. Die Geschichte Württembergs - S. 164

1875 - Tübingen : Fues
-- 164 Hi Wrttemberg a!S Herzogthum. Freiheit wieder und starb als Generalmajor und Kommandant der Festung Asberg 1). Moser war gefangen. Rieger war gefangen; nun kannte Montmartin keine Grenzen mehr. Er errichtete mit Wittleders Hilfe ein Lotto zur wahren Wohlfahrt, Flor und Aufnahme des Landes", wie er erklrte, und zwang das Volk, Lose zu kaufen. Der Landschaft schickte er zum Hohn 200 Lose zu und lie die Ziehung im Landhause vornehmen. Nun kam noch eine Einkommen* und Vermgenssteuer, nach welcher der Aermste im Lande wenigstens 15 Kreuzer zahlen sollte. Als Montmartin vom Geheimenrath die Unterschrift der Vorlage verlangte, erklrten sich zwei Mitglieder desselben, Georgii und Renz ssn. dagegen und nahmen ihre Entlassung. Whrend die Stnde den Herzog dieser ungerechten Steuer wegen bei dem Kaiser, sowie bei den Knigen von England, Dnemark und Preußen verklagten, hatte Karl die Erklrung der Oberamtleute der die neue Vorlage verlangt. Oberamtmann Hub er in Tu-hingen hatte den Muth, in Montmartins Gegenwart den Plan zu verwerfen. Eine Deputation von Tbingen wurde vom Herzog angefahren: Was Vaterland? Ich bin das Vaterland!" und fr den Fall ferneren Widerspruchs mit schweren Strafen bebroht. Aber das Ma bes Herzogs war voll. Der Stadt T-Bingen schloen sich Sulz, Stuttgart, Calw an. Sogar die alten Steuern muten mit Militr eingetrieben werben. Einige Brger von Balingen und Pfullingen wrben auf den Hhen-Neuffen gesetzt Am schwersten traf der Zorn Montmartins die Stadt Tbingen. Sie bekam 2 Reiter- und 2 Regimenter Fusoldaten als Einquartierung, und Oberamtmann Huber und drei Brger wurden 6 Monate auf dem Asberg gefangen gefetzt; der Herzog verlegte aus Rache an Stuttgart, welches es mit Tbingen gehalten hatte, seine Residenz nach Ludwigsburg (1764). Die bisherigen Bedrckungen und Steuererpressungen wurden fortgesetzt; um die Kriegskasse zu erleichtern, gab man den Leuten Einquartierungen und nahm ihnen die Pserbe weg. Enblich that der engere Ausschu, vom letzten Lanbtag hiezu ermchtigt, einen energischen Schritt. Er richtete an den Kaiser ein Schreiben, in welchem er umstnblich die unbegreifliche Noth, das Elend und den Jammer schilderte, worein Lanbstnde und Unterthanen durch das verfassungswidrige Be-' nehmen des Herzogs" gestrzt worden feien. Die Klage wurde von Preußen, Dnemark und England untersttzt, worauf vom Reichshofrath dem Herzog be fohlen wurde, alle berflssigen Geldforderungen und militrischen Erekutionen |u unterlassen und sich mit dem Landtag gtlich zu vergleichen. Der Herzog aber, entschlossen, seine angestammte landesvterliche Huld, Milde und Lang 1) Als der Herzog am 28. November 1762 wie gewhnlich auf dem Paradeplatz erschien, lie er Rieger, der wegen Unplichkeit zu Hanse geblieben war, herbeirufen. Sogleich ri er ihm mit den Worten Schndlicher Verrther!" den Orden von der Brust, Montmartin nahm ihm den Degen ab, zerbrach denselben und warf ihm die Stcke vor die Fe. Nieger stand wie vom Blitz getroffen und konnte kaum die Worte stammeln: Eure Durchlaucht sind falsch berichtet!" Nur zu gut berichtet!" erwiderte der Herzog, stie ihn mit dem Stock auf die Brust und rief zornig: Fort mit dem schlechten Kerl!" Die Leiden während seiner langen Gefangenschaft sowie der Umgang mit dem Garmsonsprediger Dettinger brachten ihn zur Erkenntni seiner frheren <ve altthaten; doch bezwang er nie feine Heftigkeit und Herrschsucht.

9. Die Geschichte Württembergs - S. 165

1875 - Tübingen : Fues
z. 46. Herzog Karl. Seine Reg. bis zum Erbvergleich. Die Wirthschaft Rieger ir. 165 muth von seinen lieben und getreuen Unterthanen noch nicht abzuwenden" uerte sich den Stnden gegenber, er allein habe zu bestimmen, wie viele Sol-baten er brauche, die Stnde haben nur das Geld zu bewilligen. Sogleich for-bette er einen jhrlichen Militrbeitrag von 800,000 fl., sowie 230,000 st. zu einer Winteranlage. Die Stnbe aber, ermuthigt durch bas Gutachten bes Reichshofsraths, beriefen sich auf ihr Recht der Steuerverwilligung. Die 33er hanblungen wrben fortgesetzt; kein Theil wollte nachgeben. Montmartin reiste nach Wien, fanb aber Kaiser Joseph Ii. (1765 1790) gar nicht fr den Herzog eingenommen. Dieser mute einsehen, ba es jetzt die hchste Zeit sei, einen andern Weg einzuschlagen. 3m Mai 1766 wurde Montmartin entlassen, damit er, wie der Herzog sich uerte, kein Hinderni der Wieberher stellung des Vertrauens zwischen Herrn und Land sei." Doch blieb er noch bis 1773 der Hauptrathgeber des Herzogs. Wittleber, der nach Montmartin Entlassung keine Sttze mehr fanb, vielmehr den gerechten Zorn bes ganzen Volkes zu frchten hatte, suchte, nachbem ihm der Herzog noch 36,000 fl. abgenommen, das Weite und starb in Heibelberg als kurpflzischer Hofrath. Der Schurke, der das Land und Hunderttausende betrogen, Hunderte von Familien ins Elend ge-bracht und den Veamtenstand ausjegliche Weise erniedrigt hatte, gieng auf diese Art ganz straffrei aus. Inder letzten Zeit seiner schndlichen Wirthschaft hatte er manchen Spott der sich ergehen lassen mssen 1). Zum Beweis, was Montmartin und Wittleder miteinander geleistet hatten, nur Folgendes: Von 17581765 bezog der Herzog auer den verfassungsmigen Steuern, welche allein der 3 Millionen Gulden betrugen, noch mehrere Millionen aus dem Dienst-Handel, den Frohnen und Quartierlasten, zwei und eine halbe Million aus rechtswidrigen Steuern, eine halbe Million durch erzwungene Vor-schsse und der drei Millionen durch Gewalt oder sonst durch Verletzung bestehenber Gesetze diese ungeheuren Summ en in sieben Jahren. Nachbem die Verhandlungen noch einige Zeit hin- und Herzogen worben waren, kam enblich zwischen dem Herzog und der Lanbschaft am 27. Februar 1770 der sogenannte Erbvergleich zu Stande. Nach demselben soll-ten smmtliche Landesvertrge bis zum Jahr 1753 wieder volle Giltigkeit erlangen. Der Herzog sollte von jetzt an die Verfassung achten, die Staatsdiener sollten auf dieselbe be-eidigt, die Anstellung von Auslndern vermieden, der alte teuer fu hergestellt, das Kirchengut zurckgegeben, das Mi-litr auf 4000 Mann vermindert, die Monopole und die Lot-terie aufgehoben, der Wildschaden eingeschrnkt und dagegen die Wlder, die man furchtbar gelichtet hatte, geschont werden. Alle S ta atsmte r sollten mit Protestanten besetzt und der katholische Gottesdienst auer der Privatandacht des Herzogs 1) So z. B. war ein Gedicht erschienen, in welchem es hie: Ein dicker Eerberg'sell, sein Name heit Wittleder, Direktor nennt Aan ihn und ist nicht von der Feder, So wenn ein Esel kommt und kanns mit Geld bezahlen. Bekommt er einen Dienst und dies vor 'lehrten allen" u. f. w. Eine# Morgens hatte man nemlich vor Wittleders Haus einen Esel angebunden gefutt--d", dem am Hals ein Zettel hieng mit den Worten: Ich htte gern einen Dienst."

10. Erzählungen aus der neuesten Geschichte (1815 - 1881) - S. 225

1877 - Oldenburg : Stalling
- 225 Beseitigung der octroyirten Verfassung und Einberufung einer, constituirenden Versammlung. Ms das Ministerium sich an schickte, diesem Ansinnen mit Waffengewalt zu widerstehen, rckte am Abend des 15. Mai die akademische Legion vor das Gebude, wo das Ministerium berieth; zugleich erhoben sich Barrikaden, die Stadt ward erleuchtet und Gerchte von einer allgemeinen Volkserhebung durchliefen die Menge. Der Hof gerieth in Bestrzung: um Mitternacht wurde die April-Verfassung fr aufgehoben erklrt und eine aus allgemeinem Wahlrecht zu berufende constituirende Reichsversammlung bewilligt. Der Kaiser aber, durch die hufigen Tumulte erschreckt, verlie mit seiner Familie am 17. Mai Wien und flchtete nach Innsbruck. Die Wiener waren der die Abreise des Hofes betroffen, und zahlreiche Deputationen luden ihn zur Rckkehr ein. Das Centraleomite wurde aufgelst, und eine gewisse Ruhe trat ein. Aber das Ministerium wute die gnstige Stimmung nicht zu benutzen: es erhoben sich neue Barrikaden, und der Minister des Innern, von Pillers-dorf, gestattete die Bildung eines Sicherheitsausschusses, der aus Gemeinderthen, Nationalgarden und Studenten bestand und eine wahre Volksdictatur ausbte. Der Kaiserstaat schien in seiner Auflsung begriffen. Whrend die italienischen Provinzen abgefallen waren, Ungarn eine drohende Stellung einnahm, regte sich in Bhmen unter den Czechen der Ha gegen die deutsche Bevlkerung. Arn 2. Juni wurde unter Palacky's Vorsitz zu Prag ein Slaven-congre erffnet, bei denen alle Slavenstmme, die Russen durch Michael Bakunin, vertreten waren. Die Czechen woll-ten mit Mhren und dem streichischen Schlesien zu einem Knigreiche unter selbststndiger Verfassung vereinigt werden, und lieen durch Rieger eine Constitution entwerfen, die vom Hofe zu Innsbruck abgelehnt ward. Im Gegensatze zu dem deutsch gesinnten Ministerium in Wien wurde eine provisori-sche Regierung eingesetzt, um czechische Zwecke zu verfolgen, zugleich auch dem Scheine nach die Gesinnung der Treue zu bekunden. Da die Bhmen die Versetzung des Fürsten Windisch-grtz, des Befehlshabers der kaiserlichen Truppen in Prag, durchsetzen wollten, so kam es am 12. Juni zu einem Zu-sammensto zwischen den Truppen und der czechischen Partei, Stacke, neueste beschichte. 3. Aufl. 15

11. Schiller-Lesebuch - S. 247

1883 - Dresden : Bleyl & Kaemmerer
247 mutige Rede. ' So sei es denn alles gesagt, was ich auf dem Herzen habe; vielleicht zündet ein Funke Wahrheit in Ihrer Seele; — ja, in innere Empörung geriet ich über mein Schicksal und das Schicksal meines Vaterlandes. Ich fühlte mich gemisshandelt Tag und Nacht bis in die innerste Seele hinein. Das Ideal eines Volksredners ward mir spöttisch entrissen; denn in der Karlsschule, hiess es, giebt es kein Volk und keine Gottesgelehrsamkeit. Willst du aufgenommen sein, so werde Jurist oder Mediziner. Ich war arm, die Aufnahme galt uns für die grösste Wohlthat, besonders weil ich nur bürgerlicher Herkunft war. Ich musste die Hand küssen, welche mir die ersehnte Zukunft entzog; ich ward Jurist und verwand mit Schmerzen diesen ersten Ruck, der meinen tiefsten Wünschen angethan wurde. Aber ich war nicht nur arm, ich war auch ein ungewandter und nun vollends eingeschüchterter Knabe, der wegen seines linkischen Wesens fortwährend gescholten und gestraft wurde. War das meine Schuld? Warum gab die Natur gerade mir ein ungestüm inneres und ein so trag nachhinkendes äusseres Wesen? So ward meine Jugend ein fortdauerndes Leiden, und als ich mich endlich mühsam in die aufgedrungene Bahn gefunden, da hiess es wiederum: ,Halt! Kein Jurist! Mediziner soll der Bursche werden, das passt besser für den armen Teufel/ Und zum zweitenmale gewaltsam wurde der Ruck meines Inneren erzwungen, oh auch alle Fugen in mir krachten und schmerzten. ,Was da!4 hiess es, ,der Mensch ist eine Ma- schine, man dreht sie und stellt sie und zwingt sie in Gang/ ,Der Mensch ist keine Maschine!4 schrie es auf in meiner Brust, und schrie es so lange, bis wir alle wussten, solche Erziehung sei Misshand- lung, bis wir alle fest entschlossen waren, uns aufzulehnen. War’s nun ein Wunder, dass die verschrobene Seele krampfhaft hineingerissen wurde in wilde Phantasien; war’s nun ein Wunder, dass wir Ideale ausbrüteten von ungetümer Natur?! Die Seele braucht Speise und Trank wie der Leib; das Ideal ist ihr Speise und Trank. Konnte unser Ideal dem Herrn der Karlsschule wohlgefällig werden? Vor unseren Augen war Kampf und Gewalt gegen die Vertreter des Landes, vor unseren Augen war Verhöhnung des Freiheitsgedankens, welcher jenseits des Meeres schmetternde Siege erfocht, vor unseren Augen Verhöhnung deutschen Dranges nach eigener Litteratur und Kunst, vor unseren Augen allüberall Druck auf Hirn und Herz; musste da nicht jener entsetzliche Zustand in uns entstehen, welcher die Augen schliesst und blind mit dem Haupt gegen die Schranke rennt, mussten da nicht die Räuber entstehen, welche man nun so entsetzlich findet?! Sie mussten entstehen, und die deutsche Karlsschule ist die Mutter des Stücks, der Herzog von Würtemberg ist der Vater desselben! [Pause. — Es donnert.] Herzog. Wenn du horchst, Franziska, so erfährst du, dass ich recht gehabt, und dass er reif ist, wie ich mir gedacht. (Er geht hinten nach dem Ausgange, als wolle er nach dem Wetter sehen, geht dann rasch auf die zweite Thür links zu, als wolle er Rieger rufen, bleibt aber plötzlich

12. Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit - S. 464

1889 - München : Franz
464 Unterdrckung der Aufstnde in sterreich. wurde sie (Dezember 1848) aufgelst, und der König erlie nun aus eigener Machtvollkommenheit eine Verfassung, die nach Verhandlungen Preuische mit neu einberufenen Volksvertretungen (Januar) 1850 angenommen 1850 9 un^ om König beschworen wurde. Darnach teilt sich die Landesver-tretung nach dem Zweikammersystem in das Herrenhaus^) und das der Hohenzollern Abgeordneten. In demselben Jahre, in dem Preußen in die Reihe der zu Preußen, konstitutionellen Staaten eintrat, erfuhr es eine Gebietserweiterung, in-dem das Frstentum Hohenzollern in Schwaben ihm einverleibt wurde. Die dort regierende Seitenlinie des preuischen Knigshauses hatte im Jahre 1849 zu Gunsten des Hohenzoller'schen Gesamtstaates abgedankt. Unterdrckung der Ausstnde in Osterreich. Einen anderen Ausgang hatte die Revolution im sterreichischen Staat. Hier hatte sich in das Verlangen nach konstitutionellen Staats-formen auch die Forderung nationaler Selbstndigkeit von Seite der bhmischen Tschechen, der ungarischen Mayaren und der Italiener des lombardisch-venezianischen Knigreichs gemischt. Nachdem sich im Mrz 1848 die Wiener Bevlkerung erhoben hatte, um Metternich wie sein System zu strzen und die Einfhrung des Konstitutionalismns zu be-Prager Auf- treiben, emprte sich im Juni 1848 auch die tschechische Bevlkerung von stand. P^g. Hieher hatte nmlich (auf den 2. Juni) der tschechische Geschichtschreiber Palacki (fpr. Palazki) einen Kongre aller Slaven des fter-reichischen Kaiserstaates berufen, um die Losreiung derselben von der deutschen Herrschaft zu betreiben. Aber die Sprachen der hier vertretenen slavischen Völker wichen so sehr untereinander ab, da eine Verstndigung durch sie unmglich war, weshalb die panslavistische^) Versammlung sich zur Beratung ihrer antideutschen Beschlsse schlielich der deutschen Sprache bediente. Die tschechische Nationalpartei (unter Palacki und seinem Schwiegersohne Rieger) hatte nicht nur die auch fr Bhmen ausgeschriebenen Wahlen zum Frankfurter Parlament zu verhindern gewut, sondern erregte nun auch die tschechische Bevlkerung in Prag so sehr, da sie sich (11. Juni 1848) emprte. Allein der Statthalter und Feldmarschall Wiudischgrtz (dessen Gemahlin bei dem Aufstande in ihrem Zimmer erschossen und dessen Sohn tdlich verwundet worden) warf den Aufstand durch eine zweitgige Beschieung der Stadt nieder Wiener Paria-(17. Juni 1848). Unterdessen dauerten die Unruhen in Wien fort. Es ment- war zwar eine konstituierende Versammlung daselbst aus den deutschen und slavischen Lndern des Staates zusammengetreten, auf deren Bitten der Kaiser Ferdinand wieder von Innsbruck nach Wien zurckkehrte,^) aber da sie sich von Anfang an in nationale Parteien gliederte, kam Dieser Titel wurde brigens erst 1855 verliehen; er ist dem englischen Aus-druck house of lords" nachgebildet. 2) Panslavismus das Bestreben, alle Slaven unter eine Herrschaft (und zwar die Rulands) zu bringen, besonders im Mai 1867 auf einer ethnographischen Ausstellung in Moskau zum Ausdrucke gebracht, wohin sich auch die Tschechenfhrer Palacki und Rieger begaben. 3) Nach dem lauen Empfang, den ihm die Bevlkerung Wiens entgegenbrachte, siedelte er brigens bald nach Schnbrunn der.

13. Neuzeit - S. 215

1912 - Stuttgart : Bonz
1 215 des groen Friedrich zu, der ihn mit der Mahnung nach Hause entlie, da das Land nicht fr den Fürsten, sondern dieser fr das Land da sei. Als Herzog Karl schon im Jahr 1744 fr volljhrig erklrt wurde, nderte sich noch der zehn Jahre in der Regierung des Landes nichts Wesentliches, da der Herzog die Regierung bewhrten Rten berlie. b. Miregierung. Seit 1755 aber begann eine schlimme Zeit, in der der verschwenderische und ausschweifende Herzog, beraten von schlechten Ratgebern wie dem Obersten Rieger und dem Grafen Montmartin, eine vllige Willkrherrschaft fhrte. Die Teilnahme am Siebenjhrigen Krieg, fr welche Rieger die Mannschaft mit barbarischer Hrte zusammen-brachte, trug weder dem Herzog noch seinem Heere viel Ehre ein und kostete das Land 8 Millionen Gulden. Die Soldaten, die nur gezwungen in den verhaten Krieg gegen die preuischen Glaubensgenossen zogen, zeichneten sich nirgends aus. Auch nach dem Krieg verschlang eine zwecklose Kriegs-spielerei, sowie eine beraus glnzende Hofhaltung, die den wrttember-gischen Hos zu einem der prchtigsten in Europa machte, Summen, welche das Land kaum aufbringen konnte. Neben andern Finanzknsten lebte der von Wittleder schwunghaft betriebene mterhandel wieder auf. Wer sich dem verfassungswidrigen Treiben widersetzte, dem drohte das Los des trefflichen Landschaftskonsulenten Johann Jakob Moser, der von 17591764 in harter Kerkerhaft auf dem Hohentwiel schmachtete, während Gattin und Tochter fern von ihm starben, der aber ohne Groll von seinem Kerker schied, den er als seine Universitt" schtzen gelernt hatte (t 1785). Auch den Obersten Rieger traf, als ihn Montmartin mittels eines ge-flschten Briefes des Verrates beschuldigte, ohne Urteil und Recht dasselbe Geschick (17621766). Die Landstnde wurden gar nicht ein-berufen, der engere Ausschu derselben, eine freilich oft mehr um das eigene Interesse als um das Wohl des Landes bekmmerte Krperschaft, beiseite geschoben. Als man sich dem Herzog gegenber auf die Rechte des Vater-landes berief, fuhr er die Abgeordneten an: Was Vaterland? Ich bin das Vaterland!" Endlich wendete sich der Ausschu an die Könige von England, Preußen und Dnemark sowie an den Kaiser um Abstellung der unertrg-lichen Mistnde, und der Reichshofrat forderte den Herzog auf, sich mit dem Landtag zu vergleichen. Nach langjhrigen Verhandlungen kam 1770 der Erbvergleich zustande, in dem die lteren Rechte der Landschaft feierlich besttigt wurden. Auch nachher wurde es nicht gleich entschieden anders. Erneuerte Klagen beim Kaiser, das reifere Alter und der Einflu der zweiten Gemahlin Franziska, Grfin von Hohenheim, fhrten endlich zur Er-fllung der dem Herzog abgentigten Versprechungen. An seinem 50. Geburtstag (1778) lie er von allen Kanzeln ein Reskript verlesen, in dem er erklrte, die Zukunft solle einzig dem Wohl der Untertanen gewidmet sein. c. Die letzte Zeit. Auch in dieser letzten Zeit fehlte es an Spuren der alten, willkrlichen Regierungsweise nicht. Der mterhandel dauerte fort; immer noch wurden beraus kostspielige Feste veranstaltet; noch jahrelang litt das Volk unter dem Wildschaden. Doch warf sich die Ge-schftigkeit des Herzogs jetzt auf edlere Liebhabereien. Namentlich fr Er-ziehung und Bildung jeder Art interessierte er sich. Die 1770 auf der Soli-tude gegrndete, bald darauf in eine Militrakademie verwandelte Bildnngs-anstatt wurde nach Stuttgart verlegt und (1781) als Hohe Karlsschule vom Kaiser zur Universitt erhoben. Ihr wandte der Herzog seine besondere .

14. Schiller-Lesebuch - S. 250

1883 - Dresden : Bleyl & Kaemmerer
250 Herzog. Sein Vaterland und Seine Nation bin ich! Schiller. Das sind Sie nicht! — Verzeihung! Aber ich muss sagen, was ich weiss! Der Grösste und Gewaltigste ist nur ein Teil des Ganzen, und nur der Tyrann überhebt sich dessen und tastet an das verschleierte Bild des Weltgeistes, des Vaterlandes und der Zukunft — Herzog. Und reisst den Schleier herunter vom Götzenbilde und stürzt es samt den Baalspriestern in den Abgrund! Solch ein Tyrann will ich sein, so wahr der Himmel über mir donnert! Schiller. Und wenn dies Götzenbild „Weltgeist, Vaterland und Zukunft“ eine Gottheit ist und den Tyrannen mit einem Wetterstrahle in Staub und Tod darniederwirft bei der Berührung?! [Kurze Pause.] Dies Bild ist eine Gottheit, Fürst! Vergreifen Sie Sich nicht an der Zukunft, Sie sind auch nur ein sterblicher Mensch! Herzog (mit grösster Kraft). Verwegner —! — [Kurze Pause]. (Nahe zu ihm tretend und ihn mit den Blicken messend, anfangs leise:) Dreister Schüler! Ich bin als Herr ’was Besseres, denn Ihr. Das willst Du verleugnen, und daher der tödliche Zwiespalt. Bringt Ihr die Welt einmal zu Eurem Unglauben, dann sehet zu, wie’s Euch bekommt. Ich will und werd’s nicht erleben und will dafür sorgen, dass ich’s nicht erlebe — (ausbrechend) wenn ich Ihm jetzt den Kopf vor die Füsse legen lasse, so kräht kein Hahn darnach, ich kann’s; Gott gab Seine Zukunft in meine Hand, ich mach’ Ihn, zu was ich will, wenn ich will, zur Leiche, ich bin Sein Herr! Schiller (erschrocken, halblaut). Ebenso wäre der Mörder auf der Landstrasse mein Herr, weil er mich töten kann. (Gefasst:) Herzog von Würtemberg, Sterben ist kein Kinderspiel, und Sie haben dem höheren Richter Rechenschaft zu geben. Herzog. Die werd’ ich geben! Schiller. Sie werden nicht einer zornigen Wallung gehorchen! Sie werden mein Herr sein in einem grösseren Sinne! Mit Wahrschein- lichkeit stehe ich einst an Ihrem Sarge! Was werd' ich sagen können an der sterblichen Hülle dessen, der mein Fürst und väterlicher Er- zieher gewesen —? Herzog (sieht ihn einen Augenblick an). Sag' Er, die Hülle dieses Fürsten hatte ein starkes Herz, welches mir nicht gefiel, aber der Mann that nach seiner Einsicht seine verdammte Schuldigkeit. Das sag’ Er mit gutem Gewissen, wenn Er mich überlebt. General Rieger! (Rieger erscheint an der Schwelle.) Es bleibt beim Alten! (Zu Schiller, nachdem er bis über die Mitte des Theaters hinausgekommen ist:) Und somit Gott befohlen, Poet der Zukunft! Er hat das letztemal zu Seinem Herzoge gesprochen! (Wendet sich zum Abgehen.) Schiller. So werd’ ich sterben, und die Zukunft wird uns richten. (Der Herzog ist wie betroffen stehen geblieben und winkt nun mit einer Hand- bewegung Schiller, sich zu entfernen.)

15. Lesebuch zur Geschichte Bayerns - S. 619

1906 - München : Oldenbourg
135. Die feierliche Verkündigung des deutschen Kaiserreichs. 619 Groß, unsterblich ist das, was Sie für die deutsche Nation getan haben, und ohne zu schmeicheln darf ich sagen, daß Sie in der Reihe der großen Männer unseres Jahrhunderts den hervorragendsten Platz einnehmen. Möge Gott Ihnen noch viele, viele Jahre verleihen, damit Sie fortfahren können zu wirken für das Wohl und Gedeihen unseres gemeinsamen Vaterlandes. Meine besten Grüße Ihnen sendend bleibe ich, mein lieber Graf, stets Ihr aufrichtiger Freund Ludwig. * * * c) Versailles, 24. Dezember 1870. Allerdurchlauchtigster König, Allergnädigster Herr! Das huldreiche Schreiben Eurer Majestät, welches Graf Holustein mir überbracht hat, ermutigt mich mit meinem Danke für den gnädigen Inhalt desselben Eurer Majestät meine untertänigsten Glückwünsche zu dem bevorstehenden Jahreswechsel darzubringen. Wohl selten hat Deutschland von einem neuen Jahre mit gleicher Zuversicht wie von dem bevorstehenden die Erfüllung nationaler Wünsche erwartet. Wenn diese Hoffnungen sich verwirklichen, wenn das geeinte Deutschland dahin gelangt, daß es seinen äußeren Frieden in gesicherten Grenzen durch eigene Kraft verbürgen kann, gleichzeitig ohne die freie Entwicklung der einzelnen Bundesglieder zu beeinträchtigen, so wird die entscheidende Stellung, die Eure Majestät zu der Neugestaltung des gemeinsamen Vaterlandes gewonnen haben, in der Geschichte und in der Dankbarkeit der Deutschen jederzeit unvergessen bleiben. Eure Majestät setzeu mit Recht voraus, daß auch ich von der Zentralisation kein Heil erwarte, sondern gerade in der Erhaltung der Rechte, welche die Bundesverfassung den einzelnen Gliedern des Bundes sichert, die dem deutschen Geiste entsprechende Form der Entwicklung und zugleich die sicherste Bürgschaft gegen die Gefahren erblicke, welchen Recht und Ordnung in der freien Bewegung des heutigen politischen Lebens ausgesetzt sein können. Eure Majestät wollen sich in Gnaden versichert halten, daß ich mich glücklich schätzen werde, wenn es mir gelingt mir Allerhöchstdero gnädige Gesinnung zu erhalten. v. Bismarck. 135. Die feierliche Verkündigung des deutschen Kaiserreichs am 18. Januar 1871 zu Versailles. Don Georg Bleysteiner.') Die deutschen Fürsten hatten den Ruf der Geschichte und den Wunsch der Nation verstanden, sie hatten nach dem Vorautritt des wahrhaft dentsch- J) „Aus großer Zeit", S. 611 ff. Augsburg 1897, M. Rieger.

16. Deutsche Geschichte bis zum Ausgange des Dreißigjährigen Krieges - S. 261

1906 - Paderborn : Schöningh
Die zwlf Artikel der Bauern vom Mrz 1525. 261 Frevel Kloster und Schlosser, die nicht ihr sind, damit sie, als die offent-lichen Straenruber und Morder, alleine wohl zwiefltig den Tod an Leib und Seele verschulden; auch ein aufruhrischer Mensch, den man de bezeugen kann, schon in Gotts und kaiserlicher Acht ist, da, wer am ersten kann und mag denselben erwrgen, recht und wohl thut. Denn der einen ffentlichen Aufruhrischeu ist ein jglicher Mensch beide Oberrichter und Scharfrichter. Gleich als wenn ein Feur angehet, wer am ersten kann lschen, der ist der best. Denn Aufruhr ist nicht ein schlechter Mord, sondern wie ein groß Feur, das ein Land anzndet und verwstet; also bringt Aufruhr mit sich ein Land voll Mords, Blutvergieen, und macht Wittwen und Waisen und verstoret alles, wie das allergroest Unglck. Drumb soll hie zuschmeien, wrgen und stechen, heimlich oder ffentlich, wer da kann, und gedenken, da nichts Giftigers, Schdlichers, Teufelischers sein kann, denn ein aufruhrischer Mensch. Gleich als wenn man einen tollen Hund todtschlahen mu; schlgstu nicht, so schlgt er dich und ein ganz Land mit dir. Zum dritten, da sie solche schreckliche, greuliche Sunde mit dem Evan-gelio decken, nennen sich christliche Bruder, nehmen Eid und Hlde^und zwingen die Leute, zu solchen Greueln mit ihnen zu halten. Damit sie die allergrten Gottslsterer und Schnder seines heiligen Namens werden, und ehren und dienen also dem Teufel unter dem Schein des Eoangelii, daran sie wohl zehenmal den Tod ^erbienen an Leib und Seele, da ich hlicher Sunde nie gehret habe. Und achte auch, da der Teufel den jngsten Tag fhle, da er solch unerhrte Stuck surnimpt. Als sollt er sagen: Es ist das letzte, drumb soll es das rgste sein und will die Grund-suppe rhren und den Boden gar ausstoen. Gott wolle ihm wehren! Da siehe, wilch ein mchtiger Fürst der Teufel ist, wie er die Welt in Hnden hat, und in einander mengen kann, der so bald so viel tausend Baurn fangen, verfhren, verblenden, verstocken und empren kann, und mit ihn' machen, was sein allerwthigester Grimm surnimpt. 70. Die zwlf Artikel der Bauern vom Mrz 1525. Wilhelm Zimmermann, Geschichte des groen Bauernkriegs. Nach den Urkunden und Augenzeugen. Stuttgart, Rieger. 1856. 1. Bd. S. 407. (Mit einigen unwesentlichen Krzungen.) Die grndlichen und rechten Hauptartikel aller Bauernschaft und Hintersassen der geistlichen und weltlichen Obrigkeit, von welchen sie sich beschwert vermeinen. Es sind viele Widerchristen, die jetzt wegen der versammelten Bauernschaft das Evangelium zu schmhen Ursache nehmen, indem sie sagen: Das sind die Frchte des neuen Evangeliums, niemand gehorsam sein, an allen Orten sich emporheben und auf-bumen, mit groer Gewalt zu Huf laufen und sich rotten, geistliche und weltliche Obrigkeit zu reformieren, auszurotten, ja vielleicht gar zu erschlagen!" Allen diesen gottlosen freventlichen Urteilen antworten diese hier geschriebenen Artikel, sowohl damit sie diese Schmach des Wortes Gottes aufheben, als auch den Ungehorsam, ja die Emprung

17. Leitfaden der Geschichte für die unteren und mittleren Klassen höherer Lehranstalten - S. 345

1916 - Stuttgart : Bonz
345 dem Herzog noch seinem Heere viel Ehre ein und kostete das Land 8 Mill. Gulden. Die Soldaten, die nur gezwungen in den ver-haten Krieg gegen die preuischen Glaubensgenossen zogen, zeichneten sich nirgends aus. Auch nach dem Krieg verschlang eine zwecklose Kriegsspielerei sowie eine beraus glnzende Hofhaltung, die den wrttembergischen Hof zu einem der prchtigsten in Europa machte, Summen, welche das Land kaum aufbringen konnte. Fr Schau-spiel, Oper und Konzert wurden die teuersten Krfte gewonnen. In Ludwigsburg und Stuttgart, selbst bei einigen Schlssern im Land wurden Gebude dafr aufgefhrt. Neue Schlsser wie die Solitude, spter Hohenheim wurden erbaut. Die frstlichen Geburts-tage wurden mit wochenlangen Festen gefeiert, zu den Jagden wurden die Bauern zwlf Stunden weit zusammengetrieben, um auf hohen Bergflchen Seen zu graben und mit Wasser aus den Tlern zu fllen. Die Mittel dazu wurden auf jede Weise erpret. Neben andern Finanzknsten lebte der mterhandel wieder auf. Jedes Staats- und Gemeindeamt war zu kaufen, vom hchsten bis zu den Hirten- und Nachtwchterstellen. Wer ein Amt be-zahlt hatte, war nicht einmal sicher, ob nicht sofort ein anderer das Amt um einen hheren Preis erhielt und Amt und Kauf-preis verloren ging. Wer sich dem verfassungswidrigen Treiben widersetzte, dem drohte das Los des trefflichen Landschaftskonsn-lenten * Johann Jakob Moser, der von 1759-1764 in harter Kerkerhaft auf dem Hohentwiel schmachtete. Dem frommen, fleiigen und gelehrten Mann, der in seinem Leben 500 Bnde geschrieben hat, wurden während seiner harten Hast alle Schreib-Materialien versagt; da schrieb er mit den Spitzen seiner Schuhschnallen, mit Schere und Lichtputze auf die weien Stellen der Bibel und des Predigtbuches und auf die Wnde seines Kerkers der tausend geistliche Lieder. Gattin und Tochter starben fern von ihm. Aber ohne Groll schied der fromme Mann von seinem Kerker den er als seine Universitt" schtzen gelernt hatte (f 1785). Auch den Obersten Rieger traf, als ihn Montmartin mittels eines ge-salschten Briefs des Verrates beschuldigte, ohne Urteil und Recht, dasselbe Geschick (17621766). Die Landstnde wurden gar nicht einberufen, der engere Ausschu derselben, eine freilich oft mehr um das eigene Interesse als um das Wohl des Landes bekmmerte Krperschaft, beiseite geschoben. Als man sich dem Herzog qeqeu-nber auf die Rechte des Vaterlandes berief, fuhr er die Abgeordneten an: Was Vaterland? Ich bin das Vaterland!" Endlich wendete sich der Ausschu an die Könige von England, Preußen und Dnemark sowie an den Kaiser um Abstellung der unertrg- * f# rmsverstndige Beirat der Landstnde, der meist

18. Für die Oberstufe - S. 358

1879 - Stuttgart : Hallberger
358 leicht jemand einzukehren pflegt. Mit solchen Personen machte sich Beat« bekannt, für diese sorgte sie nach eigenem Vermögen und durch Fürsprache bei anderen, diese besuchte und tröstete sie, diesen brachte sie Essen, Trinken und was ihre Hand fand, diesen suchte sie durch ihre Handreichung an das Herz zu kommen und ihre Seelen durch die leiblichen Wohlthaten aufwärts zu den geistlichen Gütern und zu Gott zu ziehen. Als sie einst einem armen Weibe etwas zu essen gebracht hatte und das Weib nebst der Dank- sagung für diese Sättigung sagte, wenn jetzt nur sonst auch noch jemand wäre, der ihr ein altes Kleid zukommen ließe, so zog Beata Sturm aus der Stelle ihren Rock aus und gieng in ihrem langen Schlafrock heim und erfüllte also auch dem Buchstaben nach, was Johannes fordert: „Wer zween Röcke hat, der gebe dem, der keinen hat." Luk. 3, 11. Ihrem Essen und Trinken brach sie ab, damit sie desto besser ausreichen könnte, die Hungrigen zu speisen und die Durstigen zu tränken. Einmal erfuhr man zufälligerweise hinterher, daß sie zwei ganze Tage keinen Bissen zu essen gehabt habe und froh gewesen wäre, wenn ihr jemand ein Stücklein Brot gegeben hätte; sie bekannte dabei, daß es doch etwas Entsetzliches sei um das Hungerleiden. Um so mehr war sie aber deßhalb darauf bedacht, es anderen zu ersparen. 5. Mit diesen Werken der Liebe gieng das Gebet immer Hand in Hand. Sie hat entweder, sagt Rieger von ihr, gebetet oder ein gutes Werk aus- gerichtet. Ja sie hat nichts gethan als gebetet; denn indem sie auch etwas anderes that, betete sie doch ohne Unterlaß. Wer sie gekannt hat, der hat eine lebendige Auslegung über die Worte Christi gehabt, daß man allezeit beten und nicht laß werden solle (Luk. 18, 1.). Auch beim Bibellesen verband sie Lesen, Nachdenken und Beten beständig mit einander. Ans Beten gieng sie mit Beten, d. i. wenn sie in eine öffentliche Betstunde oder sonst in eine Gebetsversammlung gieng, bereitete sie sich vorher darauf mit Beten und Fürbitten für sich und die Mitversammelten. Hörte sie in ihrem Hause in die Rathsversammlung läuten, so beugte sie ihre Kniee für die zu Rath gehenden Landstände mit Bitten und Flehen für sie und das gesamte Vaterland. Unter dem Gehen auf der Straße betete sie. Wenn sie in ein Haus eintrat, so sprach sie still: Friede sei mit diesem Hause (nach Luk. 10, 5.). In ihrem Gebet hielt sie sich besonders gern an das Vaterunser. Wenn gute Freunde von einander scheiden müssen, sagte sie öfters, so kommen sie doch bald wieder im Vaterunser zusammen. 6. Obwohl sie bei ihrer großen Gebetsgabe und Gebetsübung sich zu Hause für sich wohl zu erbauen verstand, so versäumte sie doch ohne dringende Noth keinen Gottesdienst weder an Sonntagen noch in der Woche.

19. Geschichte des Orients und Griechenlands - S. 148

1869 - Leipzig : Teubner
148 Die lykurgische Verfaßung. und daß auf den von ihm gegebnen Grundlagen erst eine kräftige und confe- quente Handhabung und Ausbildung die bürgerliche und militärische Zucht vollendete1)- Mit welcher Weisheit in dieser Verfaßung der Endzweck, dem Interesse des Staats den Willen aller Bürger völlig unterzuordueu, dem Bürger das Gefühl der wahren Freiheit (8 53, 2) zu erhalteu und doch deu Staat den Schwankungen des Volkswillens zu entheben^ kurz demselben die vollste innerste Selbstgenügsamkeit zu geben') erstrebt war, das haben nicht blos die alten Schriftsteller anerkannt, welche wie verständig die Vorzüge aller drei Haupt- verfaßuugsformen gemischt seien rühmen3): darüber hat die Geschichte selbst ein eben so gültiges Urteil gesprochen, wie sie die Schwächen und die in ihr selbst enthaltnen Grüude zum Verfall aufgezeigt hat. 2. Daß der Staat auf dem Recht der Erobrung gegründet war, beweist die Scheidung der Bevölkerung in drei Klassen: 1) Die Spartiateu, die Nachkommen der dorischen Sieger, die alleini- gen Bürger, 2) die Periöken ('tcsqloikoi), die außerhalb Spartaks wohnenden unter- worfnen frühern Einwohner, daher zuweilen Aa-Kedcn^oinol genannt4), persön- lich frei, zur Zahluug von Zins und zu Kriegsdienst verpflichtet, aber ohne jede Teilnahme am activen Bürgerrecht 5), 3) die Heloten (el'lmeg oder fiacorcu) °), wahrscheinlich mit den Waffen in der Hand unterworfne Einwohner, Leibeigne des Staats, nicht der einzelnen Bürger, auf deu Äckern der Spartiaten angesiedelt und diese gegen Abgaben voin Ertrag bebauend, außerdem im Krieg als Diener und Leichtbe- wafsnete verwendet, vor harter und unmenschlicher Behandlung wenig geschützt. 3. Die Spartiaten waren unter sich alle gleichberechtigt (ofioioi) und es scheint gerade die Aufhebung der Vorrechte, deren Adelsgeschlechter genoßen, eine der wesentlichen von Lyknrgos eingeführten Verändrnngen zu feiu^). Neben der Gleichheit bildete die Abstammuug das Baud, welches sämtliche Bürger aneinander kettete, und in keinem griechischen Staat werden seltner Fremde, die in das Bürgerrecht aufgenommen worden, erwähnt, als in Sparta"). Die dnrch Freilaßung aus dem Leibeignenstand gebildete Klasse der v£oda[uad£igd~) genoß nur eiues sehr beschränkten Bürgerrechts, wie auch die Heloteukinder, welche mit Spartanern die ganze Erziehung geteilt hatten (/xöd-aveg oder (A-odaneg) und in Folge davon wol regelmäßig freigelaßeu wurden, nicht das 1) Siehe E. Müller N. Jahrb. f. Phil. u. Päd. Lxxv 551. Um so mehr ist dies anzunehmen, wenn, was allerdings von Einigen bezweifelt wird, Lyknrgos geradezu durch eine 9 77x90: die schriftliche Aufzeichnung der Gesetze verboten hatte, Ptnt. Lyk. 13. Denn dann bedurfte es läugrerzeit, um die umfänglichen Bestimmungen zu völligen! Herkonunen zu erheben. — 2) Polyb. Vi 48. — 3) Aristot. Pol. Ii 310. Darstellungen der Verfaßung haben gegeben ^enophou de rep. Lac. und Plut. vit. Lyc., aber der erstre ist nicht vollständig, der letztre nnr mit Vorsicht zu gebrauchen. — 4) Herod. Vi 58. — 5) S. gegenteilige Ansichten bei Herin. St. 23, 18. — 6) Ephoros Strabo 518 leitete den Namen von der Stadt Helos ab, deren Bewohner zuerst in das staat- liche Verhältnis versetzt worden feien; da aber daun derselbe 'Eislol obei'exsärai lauten würde, so ist die Ableitung O. Müllers von elstv vorznziehn. Daß Helos zuerst das Schicksals erlitten habe, kann man Curtins zngeben. — 7) Wärend Herm. St. 48 d. Begriff ö^olol auf die Teilnahme au der Erziehung bezieht, ist von Schöm. reevanitiv äe Lparlanis Iiomoeil. Greifsvv. 1855 it. Rieger de homoeorum et Jiypo- meionum — oiigine 1853 die im Tert gegebue Erklärung mit Recht festgehalten worden. In spätrer Zeit werden allerdings Bürger als xcdol Kuycc&ol oder yvm- qi[iol (Arist. Pol. Ii 6, 15 it. V 6, 2) wie eine höhte Klasse hervorgehoben, wodmch sich aber im Recht von dieser eine niedre unterschied, woraus sie hervorgegangen und ob der nur bei ^en. Hellen. Iii 3, (3 vorkommende Name vuo^^lovss ofsicielle Gel- tung gehabt', ist noch unentschieden. — 8) Beispiel Herod. Ix 33. — 9) Thue. "V 34.

20. Bd. 2 - S. 836

1883 - Leipzig : Engelmann
2. Dec. 1848. 836 Die Revolutionsbewegungen 1848 und 1849. tz. 1108. begründen, die persönliche Freiheit auf dem Gebiete der Religion, der Rechtspflege, der Politik, des Verkehrs u. s. w. durch neue Gesetze zu ordnen und zu schützen, und das Steuerwesen und die bäuerlichen und grundherrlichen Verhältnisse im Geiste der Neuzeit umzugestalten. Diese Ansichten legte jenes merkwürdige Programm dar, womit das neue Ministerium Schwarzenberg-Stadion vor den am 22. Nov. 1848 zu Kremsier neu eröffneten Reichstag getreten war. Die Regierung versicherte darin, daß sie „die constitutionelle Monarchie aufrichtig und ohne Rückhalt wolle", daß sie alle den Völkern Oesterreichs zugesicherten Rechte und Freiheiten in nationaler, staatsbürgerlicher und persönlicher Beziehung erhalten und durch entsprechende Gesetze sichern und ordnen werde, und daß erst dem „verjüngten Oesterreich" seine künftige Stellung zu Deutschland angewiesen werden sollte. Der Reichstag nahm, ungeachtet einige Mitglieder noch den trotzigen Geist der Wiener Zeit in sich trugen und gegen die Verlegung protestirt hatten, dieses Programm mit großem Beifall aus; allein die bald nachher eingetroffene Botschaft, daß Kaiser Ferdinand die Krone niedergelegt, sein Bruder Erzherzog Franzkarl der Thronfolge entsagt und des Letztem Sohn Franz Joseph die Herrschaft über den österreichischen Kaiserstaat übernommen habe, „da die Durchführung der begonnenen Reformen jüngere Kräfte erheische", machte die Mitglieder besorgt, die neue Regierung möchte sich nicht an die Zusagen der vorhergehenden gebunden erachten. Diese Besorg-niß wurde zwar durch das Manifest des jungen Kaisers, worin die „Gleichberechtigung aller Völker des Reichs", die „Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz", so wie die „Theilnahme der Volksvertreter an der Gesetzgebung" als Grundlage „der heilbringenden Umgestaltung und Verjüngung der Gesammtmonarchie" verheißen war, einigermaßen gemindert; aber beim Fortgang der Berathungen trat die Unvereinbarkeit einer aus den Revolutionsstürmen hervorgegangenen Versammlung und einer auf neue Stärkung und Befestigung der- ausübenden Macht bedachten Regierung immer mehr zu Tage. Die kritische Finanzlage des Kaiserstaats, die von dem Reichstag immer neue Opfer und Zugeständnisse zu heischen zwang, stärkte die Opposition der demokratisch gesinnten Mitglieder, und bei Berathung der „Grundrechte" kam die Verschiedenheit des Standpunktes, auf dem die constituirende Versammlung und das Ministerium fußten, klar zum Vorschein. Das Prinzip der „Volkssouveränetät", von dem der Reichstag von Kremsier wie der in Frankfurt ausging, fand in dem an der Herrschermacht „von Gottes Gnaden" festhaltenden Ministerium entschiedenen Widerspruch; und als der Reichstag nicht nur bei diesem Grundsätze beharrte, sondern Freiheiten in Anspruch nahm, die für das polititsch noch so unreife und in religiöser und kirchlicher Beziehung noch so sehr am Gewohnten hängende österreichische Volk viel zu ausgedehnt waren und bei der Einführung auf endlose Schwierigkeiten und Hindernisse gestoßen sein würden, als Rieger, Schuselka und andere Volksvertreter die Politik des Ministeriums und die immer kühner hervortretende Reaction mit heftigen Reden angriffen, da reifte in Olmütz der Entschluß einer Auslösung, ehe das Verfassungswerk zu Ende geführt würde. Am 7. März 1849 wurde der erzbischöfliche Palast in Kremsier, wo der Reichstag seine Sitzungen hielt, vor Tagesanbruch von Militär besetzt und die Abgeordneten zur Abreise genöthigt. Am Abend des 7. März war das Städtchen wieder so leer und öde wie vor dem November 1848. Eine Reihe ministerieller Erlasse (wovon der erste als Beweggründe der Auslösung der Nationalversammlung angab, „daß dieselbe eine Stellung eingenommen, die mit der dem kaiserlichen Hanse gebührenden Treue wenig vereinbar gewesen" und daß durch die inzwischen erfolgten Siege der Heere in Ungarn und Italien eine „Gesammtversasiung" nothwendig geworden, „die über die Grenzen des Berufs des Reichstages hinausgetreten") ertheilten dann eine „octroyirte" Verfassung, ein „Gesetz über die Grundrechte" und ein „Robotentschädigungspatent". Die darin gewährten Rechte blieben zwar hinter den Forderungen der Volksvertreter zurück, allein sie verliehen doch, besonders im Vergleich mit früheren Zuständen, ein hohes Maß von Freiheit und verhießen Reformen in allen Gebieten des kirchlichen, staatlichen und bürgerlichen Lebens, die den Anbruch einer neuen Zeit verkündeten.