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1909 -
Berlin [u.a.]
: Oldenbourg
- Autor: Geistbeck, Alois, Fischer, Heinrich, Geistbeck, Michael
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Mädchenschule
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Mädchen
38 Europa.
Bevölkerung. Von den 106 Mill. Einw, Rußlands sind ungefähr 84 Mill.
Russen (und zwar 56 Mill. Großrussen um Moskau, die eigentlichen Moskowiter,
22 Mill. Kleinrussen um das ältere Kiew, und fast 6 Mill. Weißrusseu im
Westen, ehemals unter litauischer Oberhoheit), somit rund 80 °/0 der ganzen
Bevölkerung - nur 20% gehören anderen Nationen an. Das russische Reich ist
hiernach zwar kein national einheitlicher Staat, aber gegenüber der ungeheuren
Masse des russischen Volkes verschwinden die übrigen Bevölkerungselemente fast
gänzlich. Diese umfassen Poleu, Litauer, dann Deutsche (an 2 Mill.), Rumänen
und Griechen, ferner mongolische Stämme (Finnen im Norden), türkische Stämme
(Tataren, Kirgisen, Kalmücken, Baschkiren) im O. und So. — Zwischen den
oberen Klassen und der Masse des Volkes bestehen große Unterschiede in Bezug
auf Besitz und Bildung.
Nach ihrem Bekenntnis sind die Russen fast insgesamt Anhänger der griechi-
schen, nichtuuierten, orthodoxen Kirche.
Rußlands Hilfsquellen. Ihre Hauptstütze findet Rußlands Machtstellung
in dem Reichtum des Landes an natürlichen Hilfsquellen. Obenan steht in
dieser Beziehung der Ackerbau, der in günstigen Jahren 1/3 alles europäischen
Getreides liefert und im Gebiete der schwarzen Erde bei reichlichen Niederschlägen
trotz der schlechten Bewirtschaftung außerordentlich ergiebige Ernten abwirft.
Ein Hauptgetreidelaud sind auch die sechs Ostseeproviuzen. Rußland gilt daher
als der erste Ackerbaustaat Europas. In Westrußland ist auch die Flachs-,
Rüben- und Kartoffelerzeugung sehr bedeutend. Wein liefert Rußland
nur im Süden, besonders auf der Halbinsel Krim. Im Norden des Reiches
erstrecken sich ausgedehnte Wälder, wie denn Rußland neben Schweden das
waldreichste Land Europas ist. Die Bewirtschaftung der Forsten steht freilich
noch auf niederer Stufe. — Die Viehzucht hat ihren Hauptsitz in den
Steppen des Ostens und Südostens. Die Rinderzucht wird besonders in den
Ostseeprovinzen mit Sorgfalt betrieben. Große Erträge wirft auch die Geflügel-
zu cht ab. Die Ausfuhr von Eiern steht unter den Exportartikeln mit in
vorderster Reihe (1906: 120 Mill. Mark). Sehr ertragreich ist ferner die
Fischerei, besonders in der Wolga und im Kaspischen Meer. Endlich liefert
Nordrußland reichliches Pelzwerk.
Auch durch seine Mineralprodukte aus dem Uralgebirge nimmt
Rußland in Europa eine wichtige Stelle ein. Es produziert unter allen Staaten
Europas das meiste Gold und allein in unserem Erdteil Platin. Aber
auch die Haupthebel der modernen Industrie, Eisen und Kohle, fehlen dem
Reiche nicht.
Einzelne Zweige der Industrie, vor allem Baumwoll-, Wollen-, Leder- und
Hüttenindustrie, haben sich schon zu bedeutender Höhe entwickelt. Die Haupt-
industriezeutreu sind infolge der hier auftretenden Kohlenlager Lodz, das polnische
Manchester (350000 Einw., darunter viele Deutsche), der Don-Donezbezirk
(mit Hüttenindustrie), ferner Tula mit bedeutender Eisen- und Stahlindustrie und
Moskau, Hauptsitz der russischen Baumwollindustrie. Auch Warschau, die
alte Hauptstadt Polens und drittgrößte Stadt Rußlands (760000 Einw.), ist Sitz
1914 -
München [u.a.]
: Oldenbourg
- Autor: Fischer, Heinrich, Geistbeck, Alois, Wagner, Paul, Geistbeck, Michael
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Mädchenschule
- Regionen (OPAC): Sachsen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Mädchen
Das osteuropäische Flachland. 39
lich zur Schiffahrt. Nur der Dujepr bildet beim Durchbruch durch den Granitrücken
Schnellen, die die Schiffahrt stören. Über die niedrigen Wasserscheiden hinweg
konnten die Flußgebiete leicht durch Kanäle verbunden werden.
Die Verteilung der Pflanzen- und Tierwelt ist in Rußland ausschließlich
durch das Klima bedingt: durch die Abnahme der Wärme nach N und durch den
zunehmenden kontinentalen Charakter nach 80 (Klimakarte!). So entstehen die
klimatischen Pflanzengürtel: Tundra, Nadelwald, Mischwald, Gerstengebiet,
Roggen-, Weizen-, Maisgebiet, Streifen des Weins und der Südfrüchte, südöstliche
Steppe, Halbwüste.
Bevölkerung. Das Russische Reich ist nahezu ein einheitlicher Nationalstaat.
Neben den Russen (Groß-, Klein- und Weißrussen) verschwinden die übrigen Völker-
schaften (Polen, Litauer, Deutsche [2 Mill.], Rumänen, Griechen, mongolische
Stämme ^Finnen, Tataren, Kirgisen, Kalmücken, Baschkiren^).
Volkswirtschaft. Rußland ist der erste Merbaustaat Europas. In gün-
stigen Iahren liefert es V3 der gesamten europäischen Getreideernte!. Besonders
ertragreich sind die sechs Ostseeprovinzen und das Schwarzerdegebiet'. Leider ist
die Bewirtschaftung der Felder schlecht und der Bauernstand trotz der günstigen
Bodenverhältnisse verarmt. In Westrußland werden viel Flachs, Rüben und
Kartoffeln erzeugt. Wein liefert nur der äußerste Süden, besonders der Halbinsel
Krim. Im N bergen die ausgedehnten Wälder einen ungeheuren Reichtum an
Holz. — Die Viehzucht hat ihren Hauptsitz in den Steppen des 0 und 80. Rinder
werden auch in den Ostseeprovinzen gezüchtet. Große Erträge wirft die Geflügel-
zncht ab. Eier werden in ungeheuren Mengen ausgeführt. Sehr ertragreich ist
ferner die Fischerei, besonders in der Wolga und im Kaspischen Meere. (Kaviar!)
Nordrußland liefert Pelzwerk.
Unter allen Staaten Europas bringt Rußland das meiste Gold, dazu das seltene .
Platin hervor (Uralgebirge).
Einzelne Zweige der Industrie, vor allem Baumwoll-, Woll-, Leder- und
Hüttenindustrie, haben sich schon zu bedeutender Höhe entwickelt. Ihre Mittelpunkte
sind in der Nähe der Kohlen: Lodz, das polnische Manchester (400000 Einw., dar-
unter viele Deutsche und Juden), der Don-Donezb ezirk (mit Hüttenwerken),
ferner Tula mit bedeutender Eisen- und Stahlindustrie und Moskau, der Haupt-
sitz der russischen Baumwollweberei. Auch Warschau, die alte Hauptstadt Polens
und drittgrößte Stadt des Reiches (850000 Einw.), hat lebhafte Woll-, Seiden-,
Zucker- und Maschinenindustrie. Hauptorte für Lederwaren (Juchten und Saffian)
sind Moskau, Kasan und Kiew.
Handel. Rußlands Handel übernimmt die Vermittlerrolle zwischen dem hoch-
kultivierten, dicht bevölkerten Westen und dem niedriger stehenden asiatischen Osten.
Es führt nach dem Westen Getreide, Flachs, Hanf und Erzeugnisse der Viehzucht
aus und von daher feinere Industriewaren, Rohstoffe und Halbfabrikate ein; nach
Asien versendet es die Erzeugnisse der eigenen Industrie und bezieht dafür Roh-
stoffe (Baumwolle) und Tee. Deutschlands Bedarf an russischen Handels-
gütern ist gewaltig; 1912 bezog es u. a. für 317 Mill. M. Gerste, 100 Mill.
M. Holz, 95 Mill. M. Weizen, 87 Mill. M. Kleie/ 69 Am. M. Eier, 62 Mill. M.
Flachs, 54 Mill. M. Butter, 53 Mill. M. Hafer, 42 Mill. M. Erze; im ganzen für
1911 -
Berlin [u.a.]
: Oldenbourg
- Autor: Geistbeck, Alois, Fischer, Heinrich, Geistbeck, Michael
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
42 Europa.
Nach ihrem Bekenntnis sind die Russen fast insgesamt Anhänger der griechi-
schen, sog. orthodoxen Kirche.
Rußlands Hilfsquellen. Ihre Hauptstütze findet Rußlands Machtstellung
in dem Reichtum des Landes an natürlichen Hilfsquellen. Obenan steht in dieser
Beziehung der Ackerbau, der in günstigen Jahren % alles europäischen Getreides
liefert und im Gebiete der schwarzen Erde bei reichlichen Niederschlägen trotz der
schlechten Bewirtschaftung außerordentlich ergiebige Ernten abwirft. Rußland
gilt daher als der erste Ackerbaustaat Europas.
Ungemein groß ist im Norden des Landes der W a l d r e i ch t u m, weit ver-
breitet, namentlich in der südlichen Steppenzone, die Viehzucht, sehr ertragreich
die Fischerei (besonders in der Wolga und im Kaspischeu Meere, Kaviar).
Auch durch seine Mineralprodukte aus dem Uralgebirge nimmt Rußland
in Europa eine wichtige Stelle ein.
Einzelne Zweige der Industrie, vor allem Baumwoll-, Wollen- lind Leder-
industrie, haben sich schon zu bedeutender Höhe entwickelt. Die Hauptindustrie-
zentreu sind infolge der hier austretenden Kohlenlager Lodz (350000 Einw,,
darunter viele Deutsche), der Don-Donezbezirk (mit Hüttenindustrie), ferner
Tula mit bedeutender Eisen- und Stahlindustrie und Moskau, Hauptsitz der
russischen Baumwollindustrie. Auch Warschau, die alte Hauptstadt Polens und
drittgrößte Stadt Rußlands (760000 Einw.), ist Sitz einer lebhasten Industrie.
Hauptstätten der Lederindustrie (Juchten und Sasian) sind Moskau, Kasan und Kiew.
Verkehr. Das weite, sast ununterbrochene Tiefland begünstigt die Entwick-
lung riesiger und vortrefflicher Wasserstraßen und die Anlage künstlicher Verkehrs-
wege, besonders von Kanälen und Eisenbahnen. Die Wolga wird fast in ihrem
ganzen Laufe mit Dampfschiffen befahren, desgleichen der Dn jepr. Die Strom-
systeme der Newa, Wolga und Dwina sind durch Kanäle miteinander ver-
bnnden, und eben darauf beruht die Bedeutung St. Petersburgs, das ebensowohl
mit der nordrussischen Tiefebene, als mit dem oberen Wolgagebiet, dem Haupt-
Produktionsbezirk Rußlands, in Verbindung steht. Moskau wieder ist der Mittel-
punkt eines weitverzweigten Schienennetzes. Infolge dieses Reichtums an Verkehrs-
Mitteln werden, was von großer Bedeutung ist, die so weit voneinander entfernten
Landesteile sich näher gerückt, und hebt sich auch der Handel Rußlands immer
mehr, namentlich mit den westeuropäischen Staaten und im besonderen mit
Deutschland.
Der Handel Rußlands läßt sich also kennzeichnen: Nach Westeuropa
sührt es Getreide, Flachs, Hans und Erzeugnisse der Viehzucht aus, dagegen führt
es von da feinere Industriewaren, eine Unzahl von Rohstoffen und Halbfabrikaten
sowie von Kolonialwaren ein,' nach Asien versendet es die Erzeugnisse seiner
Industrie und bezieht dafür Rohstoffe (Baumwolle) und einige Gennßartikel wie
namentlich den Tee.
Siedelungen. Eigentliche Städte sind zuerst unter dem Einfluß der
westeuropäischen Kultnr, also besonders in den Ostseeprovinzen, dann auch in
Polen und Klein-Rußland entstanden. Ältere Städte hat also nur das westliche
Rußland; solche sind Grodno, Wilna, (180000 Einw.),Smolensk; dem ganzen
östlichen Rußland gehen sie ab. Hier hat sich städtisches Leben erst in neuerer Zeit
1917 -
Leipzig
: Klinkhardt
- Autor: Jentzsch, Walther, Holdegel, Georg
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
31 ~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Der Sprecher zog tief den Hut und winkte den andern zu: „Unser gnädiger
Herr und die gnädige Herrin und die jungen gnädigen Herren — daß sie
leben hoch!"
„hoch, hoch, hoch!" ,
Dieser Huf hatte mehr Kraft; er schmetterte so laut, daß das .,Niecn zyje
Polska" 1), das plötzlich verstohlen von der hintersten Reihe her erklang, nicht
das Ghr des Herrn erreichte. —' —
Aus: „Das schlafende Heer" von Clara viebig.
Verlag Egon Fleische! & To. Berlin 1908.
14. Lodz, der deutsche Vorort in Polen.
In den nördlichsten Ausläufern der Karpathen, die sich bis in das herz
Polens erstrecken, liegt Lodz, sozusagen auf der Wasserscheide zwischen Gder
und Weichsel. Der Fremde macht sich vom sarmatischen Tiesland ein falsches
Bild, wenn er darunter ein durchweg flaches Gebiet von Tischplattencharakter
versteht. Der Raum zwischen Tschenstochau, Lodz und Sandomir stellt ein
mit der Spitze nach Norden gekehrtes, über 200 m hohes gewelltes Dreieck dar,
das südöstlich in der Lysa (Bora bis zu 612 m ansteigt. In früheren Zeiten
war das Land wald- und sumpfreich, heute erscheint es ziemlich öde, da die
Russen nach den verschiedenen polnischen Erhebungen die alten Forste ver-
nichteten, um den Kufständischen die Zuflucht in die für Truppen schwer zu-
gänglichen Wälder zu nehmen. Der Name „Lodz" deutet auf ein größeres
Gewässer (Lodia) hin, über das hier eine Fähre führte. Gegenwärtig herrscht
aber derartiger Wassermangel, daß die Textilindustrie zu kostspieligen Tief-
bohrungen greifen muß, um das für sie unentbehrliche Naß zu erhalten.
Wundersam ist es überhaupt, wie sich gerade an dieser Stelle einer der
mächtigsten Industrieorte entwickeln konnte, für den doch so gut wie jede vor-
bedingung fehlte, vor allem liegt Lodz abseits der Hauptverkehrswege,- die
Warschau—wienerbahn, die älteste Linie von Bedeutung in Nussisch-Polen, führt
viele Kilometer östlich von der zweiten Stadt des Weichselgouvernements vor-
über. Erst der regen Unternehmungslust deutscher Fabrikanten gelang es, im
Jahre 1866 durch Erbauung der Strecke Lodz—koluschki einen Anschluß an das
Schienennetz Europas herzustellen,- im Jahre 1902 wurde die Warschau—
Kalischer Lahn eröffnet, die die Stadt der deutschen Grenze näher gebracht hat.
Ein Blick auf die Entwicklung von Lodz ist äußerst interessant und lehr-
reich, für uns Deutsche geradezu erhebend, denn unseren Volksgenossen allein
verdankt der Grt seinen Kufschwung, der nur in dem Werdegang Thikagos ein
ähnliches Seitenstück findet. Jahrhundertelang war Lodz eine unansehnliche
Ansiedelung, dann eines der vielen berüchtigten polnischen Kleinstädtchen ge-
wesen,- als es 1793 bei der zweiten Teilung des Königreiches an Preußen fiel,
zählte es 190 Einwohner. Nach dem Wiener Kongresse wurde es russisch. Die
neue Negierung, der die erfolgreiche Tätigkeit deutscher Bürger und Arbeiter
bekannt war, reihte am 18. September 1820 den Grt unter die Fabrikstädte
ein und forderte Fabrikanten und Handwerker in Schlesien, Sachsen und Deutsch-
böhmen auf, sich hier niederzulassen. Da die Bedingungen äußerst günstig
waren — billiger Bodenzins, unentgeltliche Lieferung von Bauholz, mehrjährige
Steuerfreiheit, kein Nulitärdienstzwang, verbot der Iudenzuwanderung —
„(Es lebe Polen!"
1912 -
Berlin
: Oldenbourg
- Autor: Geistbeck, Alois, Fischer, Heinrich, Geistbeck, Michael
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Töchterschule, Lyzeum
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Mädchenschule, Lyzeum
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Mädchen
Rußland. 37
ferner das Schwarzwild, Hirsch, Reh, Wolf, Fuchs usw. Für die Grassteppe
sind die hüpfenden Nagetiere, besonders die Springmäuse und die in Herden
lebenden Huftiere, charakteristisch. In der kaspischen Halbwüste kommt schon das
Kamel vor.
Bevölkerung. Von den Einwohnern Rußlands wurden 1897 ungefähr 84mill.
Russen gezählt (und zwar 56 Mill. Großrussen um Moskau, die eigentlichen Mosko-
witer, 22 Mill. Kleinrussen um das ältere Kiew, und fast 6 Mill. Weißrussen
im Westen, ehemals uuter litauischer Oberhoheit), somit rund 8o°/0 der ganzen
Bevölkerung; nur 20% gehören anderen Nationen an. Das russische Reich ist
hiernach zwar kein national einheitlicher Staat, aber gegenüber der ungeheuren
Masse des russischen Volkes verschwinden die übrigen Bevölkerungselemente fast
gänzlich. Diese umfassen Polen, Litauer, dann Deutsche (an 2 Mill.), Rumänen
und Griechen, ferner mongolische Stämme (Finnen im Norden), türkische Stämme
(Tataren, Kirgisen, Kalmücken, Baschkiren) im O. und So. — Zwischen den
oberen Klassen und der Masse des Volkes bestehen große Unterschiede in Bezug
auf Besitz und Bildnng.
Nach ihrem Bekenntnis sind die Russen fast insgesamt Anhänger der griechi-
schen, nichtunierten, orthodoxen Kirche.
Rußlands Hilfsquellen. Ihre Hauptstütze findet Rußlands Machtstellung
in dem Reichtum des Landes an natürlichen Hilfsquellen. Obenan steht in
dieser Beziehung der Ackerbau, der in günstigen Jahren 1i3 alles europäischen
Getreides liefert und im Gebiete der schwarzen Erde bei reichlichen Niederschlägen
trotz der schlechten Bewirtschaftung außerordentlich ergiebige Ernten abwirft.
Ein Hauptgetreidelaud sind auch die sechs Ostseeprovinzen. Rußland gilt daher
als der erste Ackerbaustaat Europas. In Westrußland ist auch die Flachs-,
Rüben- und Kartoffelerzeugung sehr bedeutend. Wein liefert Rußland
nur im Süden, besonders auf der Halbinsel Krim. Im Norden des Reiches
erstrecken sich ausgedehnte Wälder, wie denn Rußland neben Schweden das
waldreichste Land Europas ist. Die Bewirtschaftung der Forsten steht freilich
noch auf niederer Stufe. — Die Viehzucht hat ihren Hauptsitz in den
Steppen des Ostens und Südostens. Die Rinderzucht wird besonders in den
Ostseeprovinzen mit Sorgfalt betrieben. Große Erträge wirft auch die Geflügel-
zu cht ab. Die Ausfuhr von Eiern steht unter den Exportartikeln mit in
vorderster Reihe (1909: 120 Mill. Mark). Sehr ertragreich ist ferner die
Fischerei, besonders in der Wolga und im Kaspischen Meer. Endlich liefert
Nordrußland reichliches Pelzwerk.
Auch durch seine Mineralprodukte aus dem Uralgebirge nimmt
Rußland in Europa eine wichtige Stelle ein. Es produziert unter allen Staaten
Europas das meiste Gold und allein in unserem Erdteil Platin. Aber
auch die Haupthebel der modernen Industrie, Eisen und Kohle, fehlen dem
Reiche nicht.
Einzelne Zweige der Industrie, vor allem Baumwoll-, Wollen-, Leder- und
Hüttenindustrie, haben sich schon zu bedeutender Höhe entwickelt. Die Haupt-
industriezentren sind infolge der hier auftretenden Kohlenlager Lodz, das polnische
Manchester (400000 Einw., darunter viele Deutsche), der Don-Donezbezirk
(mit Hüttenindustrie), ferner Tula mit bedeutender Eisen- und Stahlindustrie und
1912 -
Berlin [u.a.]
: Oldenbourg
- Autor: Geistbeck, Michael, Bappert, Hans, Geistbeck, Alois, Fischer, Heinrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Lehrerbildungseinrichtungen
- Schulformen (OPAC): Lehrerbildungsanstalt, Lehrerinnenbildungsanstalt
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
110
Europa.
Bevölkerung. Von den 130 Mill. Einw. Rußlands sind ungefähr 95 Mill. Russen,
zum größten Teil Großrussen oder Moskowiter, in geringerer Zahl Kleinrussen in
der Gegend von Kiew und Weißrussen im W. Das russische Reich ist hiernach zwar
kein national einheitlicher Staat, aber gegenüber der ungeheuren Masse der Russen
verschwinden die übrigen Bevölkerungselemente fast gänzlich. Diese umfassen
Polen, Litauer, dann Deutsche (an 2 Mill.), Rumänen und Griechen, ferner mon-
golische Stämme (Finnen im N.), türkische Stämme (Tataren, Kirgisen, Kalmücken,
Baschkiren) im O. und So. — Zwischen den obern Klassen und der Masse des Volks
bestehn große Unterschiede in Bezug auf Besitz und Bildung. Nach ihrem Bekenntnis
sind die Russen fast insgesamt Anhänger der griechischen, nichtunierten, orthodoxenz
Kirche.
Hilfsquellen. Ihre Hauptstütze findet Rußlands Machtstellung in dem Reichtum
des Landes an natürlichen Hilfsquellen. Obenan steht in dieser Beziehung der A ck er-
bau, der in günstigen Jahren y3 alles europäischen Getreides liefert und im Gebiet
der schwarzen Erde bei reichlichen Niederschlägen trotz der schlechten Bewirtschaftung
außerordentlich ergiebige Ernten abwirft. Ein Hauptgetreideland sind auch die sechs
Ostseeprovinzen. Rußland ist daher der erste Aüerbaustaat Europas. In
Westrußland ist auch die Flachs-, Rüben - und Kartoffelerzeugung
bedeutend. Wein wächst nur im S., besonders auf der Halbinsel Krim, dagegen
liefert Rußland mit Schweden das meiste Holz nach Mittel- und Westeuropa. —
Die V i e h z u ch t hat ihren Hauptsitz in den Steppen des O. und S., dann auch in
den Ostseeprovinzen. Große Erträge wirft die Geflügelzucht ab; die Ausfuhr
von Eiern steht unter den Exportartikeln mit in vorderster Reihe (1909:130 Mill. Mark).
Ertragreich ist ferner die Fischerei, besonders in der Wolga und im Kaspischen
Meer (Kaviar). Endlich liefert Nordrußland reichliches P e l z w e r k.
Auch durch seine Mineralprodukte aus dem Uralgebirge nimmt Ruß-
land eine wichtige Stelle ein. Es liefert unter allen Staaten Europas das mei st e
Gold und allein in unserem Erdteil Platin. Aber auch die Haupthebel der
modernen Industrie, Eisen und Kohle, fehlen dem Reiche nicht. Kohle
findet sich in der Umgebung von Moskau, am Donez und in dem an Oberschlesien
angrenzenden Teil von Polen.
Einzelne Zweige der Industrie, vor allem Baumwoll-, Woll-, Leder- und
Hüttenindustrie, haben sich schon zu bedeutender Höhe entwickelt. Die Hauptindustrie-
zentren sind Lodz, das polnische Manchester (400 000 Einw.), der D o n -
Donezbezirk (mit Hüttenindustrie), ferner Tula mit bedeutender Eisen- und
Stahlindustrie und Moskau (iy2 Mill. Einw.), der Hauptsitz der russischen Baum-
wollindustrie. Auch Warschau, die alte Hauptstadt Polens und drittgrößte Stadt
Rußlands (850 000 Einw.), ist Sitz einer lebhaften Woll-, Seiden-, Zucker- und
Maschinenindustrie. Hauptorte der Lederfabrikation (Juchten und Saffian) sind
Moskau, Kasan und Kiew.
Berkehr. Die Bedeutung St. Petersburgs (fast 2 Mill. Einw.) beruht
vor allem darauf, daß es durch Wasserstraßen ebensowohl mit der Nordrussischen
Tiefebene als mit dem obern Wolgagebiet, dem Hauptproduktionsbezirk Rußlands,
in Verbindung steht. Moskau wieder ist der Mittelpunkt eines weitverzweigten
i) Nichtuniert — nicht vereinigt (mit Rom); orthodox — rechtgläubig.
1910 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Lerche, Otto, Gockisch, Paul
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Mädchenschule
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Europa
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Mädchen
114
T>. Länderkunde Europas.
S und die Küste bedecken fruchtbare Äcker, auf denen vorzugsweise Getreide
und Flachs gebaut wird. Durch sie hindurch strömt die von der waldbedeckten
Waldcn^Höhe abfließende Düna dem Rigaschen Meerbusen zu. Nahe ihrer
Mündung liegt der wichtige Ostseehafen Riga. Eine ebenfalls bedeutende
Handelsstadt und Hauptkreuzung der westrussischen Bahnen ist Wilna, die
einstige Hauptstadt Litauens. Auf deutsches Gebiet treten Memel (Njemen)
und Weichsel über. Tie zu Rußland gehörende mittlere Laufstrecke der
53. Der Kreml in Moskau. Der älteste Teil Moskaus ist die ehemalige Burg der Stadt, der
Kreml, früher der Herrschersitz, heute der Krönungsort der Zaren. Diese „russische Akropolis" ist voll
von glänzenden Palästen und buntfarbigen Kirchen und macht in der asiatischen Mannigfaltigkeit von
Prachtbauten, seltsamen Türmen. Mauern und vergoldeten Kuppeln einen überwältigenden Eindruck,
wie ihn die russische Baukunst sonst nicht hervorbringt.
Weichsel durchfließt den Hauptteil des alten Polenreiches. Hier liegt das stark
befestigte Warschau, die Hauptstadt des früheren Königreiches Polen und die
drittgrößte Stadt des Russischen Reiches. An der schleichen Grenze finden
sich ausgedehnte Kohlenlager, die Lodz [lutsch], den zweitgrößten Mittel-
punkt der russischen Woll- und Baumwollindustrie, versorgen.
d) Das Wolga-Becken. Die Wolga ist Europas größter Strom. Sie
entströmt der Waldm-Höhe und fließt zunächst in östlicher Richtung durch eine
von Roggen-, Hafer- und Flachsfluren unterbrochene, stark bewaldete Gegend.
In ihr liegt Moskau (1 400 000 E.), die alte Hauptstadt Rußlands. Die noch
heute aus vielen Holzhäusem bestehende Stadt fällt durch ihre zahlreichen,
kuppelgekrönten Kirchen und ihre buute asiatische Pracht auf. Inmitten der
Stadt erhebt sich der Kreml mit seinen goldschimmernden Kirchen und vielen
Palästen (Bild 53), seit alters die Stätte für die Krönung der Zaren. Die
1917 -
Leipzig
: Hirt
- Autor: Muhle, Wilhelm, Rohrmann, Adolf, Seydlitz, Ernst von
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Regionen (OPAC): Sachsen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
2. Rußland.
95
lands ist. Es hat meist kurze Platzregen wie die Mittelmeerländer. Im
Winter ist das Land von einer Schneedecke überzogen, die nach 8 immer
dünner wird.
Die Pflanzendecte ist einförmig wie die Oberfläche des Bodens und § 150.
das Klima. Im N herrscht die an Sümpfen reiche Tundra. Südlich von
ihr zieht sich ein breiter W a l d st re i f e n hin, der im N aus Nadelholz und Birken,
nach 8 zunehmend aus Laubholz besteht, von Mooren und Wiesen unterbrochen
wird, aber für Ackerbau etwas mageren Boden hat. Im 8 der Waldzone er-
scheint allmählich die Steppe, deren Schwarzerde der fruchtbarste
Boden Rußlands und daher dichter bevölkert ist. Ihre herdenbelebten
Weiden werden oft durch ausgedehnte Weizenfluren unterbrochen. Die
meist öde Kafpische Salzsteppe ist längs der Flüsse anbaufähig und prangt
da mit Getreide und Obstfluren. In Polen nähern sich die Verhältnisse des
Bodens, des Klimas und der Pflanzenwelt den ostdeutschen. Daher ist dieses
Land am dichtesten von allen russischen Gebieten besiedelt.
Große Unterschiede herrschen in der Tierwelt. Die Tundra weist Polar-
tiere aus, das Waldland die deutschen Wildarten, dazu Wölfe, Elche, Bären
und im W auch den Wisent. Die Steppe ist der Tummelplatz zahlloser
Nagetiere (Springmäuse) und Antilopen. Die Flüsse sind äußerst fischreich.
Wirtschastskundliches. Die Erwerbstätigkeit beruht hauptsächlich auf § 151.
der Landwirtschaft, daneben auf der Ausnutzung des zwei Fünftel des
Areals bedeckenden Waldes und der Bodenschätze, die indes im Ver-
hältnis zur Größe des Landes nicht reichlich sind. Rußland baut im best-
kultivierten baltischen Gebiet Roggen, Hafer, Kartoffeln, Flachs und Zucker-
rüben und auf der Schwarzerde besonders Weizen, Mais, Melonen und
Sonnenblumen zur Speiseölgewinnung. Das Land der Bauern ist meist
noch Gemeinbesitz und wird daher nur lässig bewirtschaftet. Ein Ackerbau-
betrieb wie in Deutschland würde weit ergiebigere Ernten liefern. Trotz-
dem ist die Getreideausfuhr außerordentlich groß. Rußland erzeugt etwa
die Hälfte der Roggenernte und ein Sechstel der Weizenernte der Erde.
Die Viehzucht sschafe, Rinder, Pferde, Geflügel, Bienen) wird in
ausgedehntem Maße betrieben, ebenfalls am besten in den Ostsee-
Provinzen, in nomadischer Weise im 80. Die Wälder spenden wertvolle
Pelztiere. Der Fischfang ist bedeutend in den Flüssen und Seen, in
der Ostsee und im Weißen Meere. Der Kaspische See liefert allen Ländern
Kaviar und Hausenblase.
Bodenschätze werden in der Mitte und im 8 in reichem Maße
ausgebeutet: zwischen dem unteren Dnjepr und Don Steinkohlen nud
Eisen, in Südwestpolen und südlich von Moskau Kohlen, im Ural Gold
(das meiste von den Ländern Europas), Platin, Kupfer und Asbest. Das
Großgewerbe Web-, Leder-, Metallwaren) deckt den Bedarf noch nicht,
obgleich in Polen eine riefige Webindustrie in und um Lodz [fobfdj] und
in Warschau erwachfen ist und der Moskauer Bezirk vielseitige Fabri-
katiou in großem Maße betreibt. Der Großhandel ist bedeutend, aber
der Warenvertrieb im Binnenlande überwiegt den Außenhandel.
Sein Mittelpunkt ist Moskau.
1906 -
Berlin
: Nicolai
- Hrsg.: Hausen, Friedrich, Thiel, Oswald, Dahms, Gustav, Werner, Anton von, Zissel, Adolf, Brücke, Th., Ruthe, Paul
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
173
regenreichen Jahren wächst dort Sommergetreide in solcher Menge, daß Ruß-
land als die Kornkammer Europas bezeichnet werden dars. Außerdem gedeihen
Flachs in Polen und Kurland, Zuckerrüben und viel Tabak um Kiew.
Aus Odessa, dem Haupthasen am Schwarzen Meere, und ans dem von vielen
Deutschen bewohnten Rffga an der Ostsee werden diese Erzeugnisse, besonders
Getreide, ausgesührt. Vielfach hat man auch die Wälder des angrenzenden
Waldgebietes niedergeschlagen und in Ackerland umgewandelt. Dadurch ist
aber diesen Gegenden der Wasserreichtum entzogen worden. Tritt nun ein
trockner Sommer ein, so verdorren die Pflanzen, und Hungersnot sucht
diese Gebiete heim. In dieses Gebiet sind auch bei Moskau. Lodz
Tula und Perm große Kohlen- und Erzschichten eingelagert. Aus Asien
beziehen die Russen Rohseide und Baumwolle, aus den Steppen Leder
(Juchten und Saffian). Daher blühen in den Städten Maschinenbau, Webe-
und Lederindustrie. Die zweite, aber ältere Hauptstadt Moskau an der
Moskwa hat sich zur ersten Fabrifftadt Rußlands (Leder-, Papier- und
Metallwaren, Porzellan) und als Mittelpunkt des russischen Eisenbahnnetzes
zu einem bedeutenden Handelsplätze entwickelt. In ihrer Mitte liegt der
Kreml (Zarenpalast). Allerdings wird das Bedürfnis des Landes an Maschinen
und Webwaren, die in Rußland selbst hergestellt werden, dadurch noch nicht
befriedigt; vielmehr müssen solche in großem Umfange vom Auslande ein-
geführt werden. — ä) An das Ackerbaugebiet schließen sich bis zum
Kaspischen und Schwarzen Meer öde Sand- und Salzsteppen an.
Ihre Bewohner sind Tataren, Kirgisen und Kalmücken. Sie sind Nomaden,
welche viel Pferde- und Schafzucht (Leder), aber wenig Ackerbau treiben.
Diese Steppen waren das Durchzugsgebiet für die Völkerwanderung (375), -
aber auch ein Hindernis für die Verbreitung südeuropäischer Kultur nach N.
— e) Am Schwarzen Meer, auf der Halbinsel Krim, gedeihen Wein und
Südfrüchte. Diese Küste mit ihren Badeorten, Klöstern und Lustschlössern
wird die „russische Riviera" genannt.
4. Das Klima. Rußland hat ein ausgeprägtes Landklima. Lange, kalte
Winter, die den beständigen Gebrauch des Schlittens gestatten, wechseln mit
kurzen, heißen Sommern. Die Regenmenge nimmt von W. nach O. ab, so
daß im So. Steppen entstanden.
5. Die Bewohner Rußlands sind meist Waldarbeiter, Bauern oder Vieh-
züchter. Der Russe besitzt aber natürliche Anlage zum Handel; Gewinn und Lebens-
genuß sind das Hauptziel seines Strebens. Der Bauer lebt in schwerer Abhängig-
keit; große Massen des Volkes sind ohne Schulbildung. „Der Himmel ist hoch,
und der Zar ist weit", denken die bestechlichen Beamten. Die Einförmigkeit
des Bodens ist die Ursache für die Entstehung eines großen Reiches und für
die Gleichförmigkeit der Russen in der Lebensweise, Kleidung, Sprache und
Religion. Die Russen gehören zur griechisch-katholischen Kirche, deren Ober-
haupt der Kaiser ist. Nur in den Ostseeprovinzen findet man Deutsche, in
Polen polnische und in Finnland schwedische und finnische Bevölkerung mit
anderen Sitten und Gebräuchen. Die Deutschen, Schweden und Finnen sind
Protestanten, die Polen römisch-katholisch.
1918 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Kerp, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
56
Geographie.
Ii
Die mittleren Gebiete Rußlands. Der Nordrussische Landrücken setzt
sich nach Sw. fort. Er bildet die Hauptwasserscheide Rußlands. Be-
sonders das umfangreiche Gebiet der niedrigen Waldai-Höhe entsendet nach
allen Seiten große Ströme, so die Düna, die Wolga und den Dnjepr. Auf
dem breiten Mittelrussischen Landrücken, der sich von der Waldai-Höhe
nach S. zieht und später nach O. verzweigt, entspringt der Don.
Das mittlere Rußland hat, da es mehr nachs.gerückt ist, ein wärmeres
Klima als Nordrußland. Heiße Sommer und kalte Winter kennzeichnen
sein Klima. Die Niederschläge sind geringer als in Deutschland. Sie
nehmen nach O. und S. mit der Entfernung vom Meere immer mehr ab.
Ebenso nimmt mit Trockenheit und Hitze der Waldreichtum ab. Für den
Ackerbau liegen aber die Verhältnisse günstig. Der Boden ist fruchtbar.
Bis zu einer Linie, die über Tnla nach No. läuft, besteht er aus Gletscher-
ablagerungen. Dann folgt nach S. fruchtbarer Löß. Vorwiegend
wird Getreidebau betrieben. In den russischen Ostseeprovinzen baut man
viel Flachs, in Polen viel Zuckerrüben. Bei Tnla (110000 E.) werden
Steinkohlen gewonnen. Tnla und Moskau (1200000 E.), die alte
Hauptstadt Rußlands, konnten daher bedeutende Industriestädte werden.
Auch die vorwiegend deutsche Hafenstadt Riga (300000 E.) sowie Warschau
(780000 E.) und Lodz (spr. lndsch, 330000 E.) sind sehr gewerbtätig. In
Lodz gibt es große Baumwollfabriken. An der großen Schiffahrt-
straße der Wolga erblühten ebenfalls Handelsplätze, wie Kasan
(140000 E.) und Nischnij-Nowgorod (100000 E.), wo alljährlich eine
große Handelsmesse stattfindet.
Der Süden Rußlands. Die Ströme Dnjepr und Don zeigen bei ihrem
Laufe nach S. eine große Ähnlichkeit in der Richtung. Beide weichen in
einem spitzwinkligen Knie nach O. aus. Der Dnjepr mündet bei Cherson
(spr. kherßön) in den nordwestlichen Teil des Schwarzen Meeres, der
Don in das seichte Asowsche Meer. Durch die Halbinsel Krim wird
dieses Meeresbecken abgetrennt. Die Südküste der Krim wird von dem
Jaila-Gebirge begleitet, das als eine Fortsetzung des mächtigen Kaukasus
zu betrachten ist. Der Kaukasus ist ein höheres und längeres Gebirge als
die Alpen. Er erhebt sich im Elbrus zu 5630 m und reicht vom Schwarzen
bis zum Kaspischen Meere. In dieses münden der Ural Fluß, der vom
Ural-Gebirge kommt, und die Wolga, der größte von allen Strömen
Europas. An der Mündung bildet sie ein großes Delta.
Der Boden Südrußlands besteht großenteils ans fruchtbarem Löß.
Ein hoher Gehalt an verwesten Pflanzenstoffen gibt ihm eine dunkle Färbung.
Besonders das Schwarzerdegebiet zwischen Charkow (spr. kharköff) und
Saratow (spr. ßarätoff) ist sehr fruchtbar. Trotzdem geht hier der Ackerbau
zurück, weil der russische Bauer wenig zur Verbesserung der Äcker tut. Oft
leiden die Saaten auch unter Kälte oder Trockenheit.
Der größte Teil Südrußlands bildet eine baumlose Steppe. Ein
großer Teil davon wird jetzt als Ackerland benutzt. Die wichtigsten An-
baugewächse sind Weizen und Mais. In Bessarabien wird viel Wein
1911 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Krausbauer, Theodor, Waeber, Robert, Priewe, Robert, Schmidt, Hermann, Kerp, Heinrich, Schiel, Adelbert, Tromnau, Friedrich, Kohlmeyer, Otto, Werner, Richard, Priewe, Hermann
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Konfessionell gemischt
56
Geographie.
11
Die mittleren Gebiete Rußlands. Der Nordrussische Landrücken setzt
sich nach Sw. fort. Er bildet die Hauptwasserscheide Rußlands. Be-
sonders das umfangreiche Gebiet der niedrigen Waldai-Höhe entsendet nach
allen Seiten große Ströme, so die Diina, die Wolga und den Dnjcpr. Auf
dem breiten Mittelrussischen Landrücken, der sich von der Waldai-Höhe
nach S. zieht und später nach O. verzweigt, entspringt der Don.
Das mittlere Rußland hat, da es mehr nach S.gerückt ist, ein wärmeres
Klima als Nordrußland. Heiße Sommer und kalte Winter kennzeichnen
sein Klima. Die Niederschlüge sind geringer als in Deutschland. Sie
nehmen nach O. und S. mit der Entfernung vom Meere immer mehr ab.
Ebenso nimmt mit Trockenheit und Hitze der Waldreichtum ab. Für den
Ackerbau liegen aber die Verhältnisse günstig. Der Boden ist fruchtbar.
Bis zu einer Linie, die über Tula nach No. läuft, besteht er aus Gletscher-
ablagerungen. Dann folgt nach S. fruchtbarer Löß. Vorwiegend
wird Getreidebau betrieben. In den russischen Ostseeprovinzen baut man
viel Flachs, in Polen viel Zuckerrüben. Bei Tula (110000 E.) werden
Steinkohlen gewonnen. Tula und Moskau (1200000 E.), die alte
Hauptstadt Rußlands, konnten daher bedeutende Industriestädte werden.
Auch die vorwiegend deutsche Hafenstadt Riga (300000 E.) sowie Warschau
(780000 E.) und Lodz (spr. ludsch, 330000 E.) sind sehr gewerbtätig. In
Lodz gibt es große Baumwollfabriken. An der großen Schiffahrt-
straße der Wolga erblühten ebenfalls Handelsplätze, wie Kasan
(140000 E.) und Nischnij-Nowg orod (100000 E.), wo alljährlich eine,
große Handelsmesse stattfindet.
Der Süden Rußlands. Die Ströme Dnjepr und Don zeigen bei ihrem
Laufe nach S. eine große Ähnlichkeit in der Richtung. Beide weichen in
einem spitzwinkligen Knie nach O. aus. Der Dnjepr mündet bei Cherson
(spr. kherßön) in den nordwestlichen Teil des Schwarzen Meeres, der
Don in das seichte Asowsche Meer. Durch die Halbinsel Krim wird
dieses Meeresbecken abgetrennt. Die Siidküste der Krim wird von dem
Jäila-Gebirge begleitet, das als eine Fortsetzung des mächtigen Kaukasus
zu betrachten ist. Der Kaukasus ist ein höheres und längeres Gebirge als
die Alpen. Er erhebt sich im Elbrus zu 5630 m und reicht vom Schwarzen
bis zum Kaspischen Meere. In dieses münden der Ural-Fluß, der vom
Ural-Gebirge kommt, und die Wolga, der größte von allen Strömen
Europas. An der Mündung bildet sie ein großes Delta.
Der Boden Südrußlands besteht großenteils aus fruchtbarem Löß.
Ein hoher Gehalt an verwesten Pflanzenstoffeu gibt ihm eine dunkle Färbung.
Besonders das Schwarzerdegebiet zwischen Charkow (spr. kharköff) und
Saratow (spr. ßarütoff) ist sehr fruchtbar. Trotzdem geht hier der Ackerbau
zurück, weil der russische Bauer wenig zur Verbesserung der Äcker tut. Oft
leiden die Saaten auch unter Kälte oder Trockenheit.
Der größte Teil Südrußlands bildet eine baumlose Steppe. Ein
großer Teil davon wird jetzt als Ackerland benutzt. Die wichtigsten An-
baugewächse sind Weizen und Mais. In Bessarabien wird viel Wein
1912 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Seydlitz, Ernst von, Hering, Wilhelm
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Lehrerbildungseinrichtungen
- Schulformen (OPAC): Präparandenanstalt, Lehrerbildungsanstalt
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
I. Europa. — 3. Die außerdeutschen Länder Europas.
181
Die wichtigsten Erzeugnisse sind Holz und Getreide (im N Roggen,
im S Weizen), die in Massen ausgeführt werden. Rußland ist eine Korn-
kämm er Europas. Auch Schlachtvieh, Fluß- und Seefische, Wolle, Leder
usw. werden ausgeführt. — An Bodenschätzen findet man das meiste
Gold Europas am Südural, ebendort das seltene Platin, in Polen, am
unteren Don und südlich von Moskau Kupfer, Kohlen und Eisen. Die In-
dnstrie (Weberei, Metallwaren) deckt den Bedarf noch nicht.
100. Kaspische Steppe.
Die mit Steinblöcken überstreute Steppe ist im Europäischen Rußland ähnlich wie im Asiatischen. Im
Frühling bilden blühende Zwiebelgewächse für kurze Zeit einen bunten Teppich zwischen Büscheln von
harten Gräsern und Stauden. Im Herbst unterbrechen nur noch vereinzelte staubfarbene Stauden die
einförmige graue Fläche. Der Wind weht mächtige Sanddünen zusammen, die sichelförmig vorrücken.
Berge durchziehen in niedrigen Reihen die Steppe besonders an den Rändern.
§ 284. Die Bevölkerung Rußlands besteht zu drei Vierteln aus
Russen im engeren Sinne. Sie sind Slawen und gehören der griechisch-
orthodoxen Kirche an, deren Oberhaupt der Kaiser (Zar) ist. Slawen
sind auch die römisch-katholischen Polen. An der Ostsee wohnen südlich
des Finnischen Meerbusens Litauer und Letten (Verwandte der Slawen),
Esten (Verwandte der Mongolen) und Deutsche (diese außerdem besonders
in Südrußland, im ganzen 11/2 Millionen), nördlich Finnen (mongolische
Verwandte der Magyaren); bis auf die Litauer sind sie evangelisch.
Den Nordrand bevölkern reine Mongolen (Lappen und heidnische
Samojeden), ebenso den 80 lz. B. Kirgisen, Kalmücken; meist Mo-
hammedaner). Juden leben in großer Zahl überall verstreut, namentlich
in Polen.
1917 -
Leipzig
: Klinkhardt
- Autor: Jentzsch, Walther, Holdegel, Georg
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
~~~~~~~~~~~~~~~~~~ 33 ~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Viesen Eindruck verstärken die zahlreichen deutschen vereine — unter denen
die Gesangvereine die bedeutendsten sind —, das vorzügliche deutsche Theater,
drei deutsche Zeitungen und nicht zuletzt die deutschen Siedlungen, die sich um
Lodz in weiter Runde breiten.
Neuerdings kam aus Lodz die Nachricht, daß dort das deutsche Lehrer-
seminar mit 70 Zöglingen neu eröffnet werden konnte, nachdem der verein für
das Deutschtum im Kusland die für den Knfang notwendigen Mittel hergegeben
hat. Damit wird dem deutschen Leben in Polen eine der wichtigsten Kraft-
quellen für seine kulturelle Entwicklung neu erschlossen, was um so notwendiger
war, als die hunderttausende deutscher Lauern in kleinen Siedlungen weit
über das Land hin zerstreut sind und der geistigen Führung fast völlig er-
mangeln. Daß Lodz auch fernerhin die deutscheste Stadt des Ostens bleibt,
verbürgen außerdem die Gründungen eines deutschen Knabengymnasiums 1915
und eines deutschen Mädchenlyzeums 1916. Huch das letztere war dringend
notwendig, denn die Tochter der deutschen Eltern waren bisher gezwungen,
polnische Schulen zu besuchen, verlernten ihre deutsche Muttersprache und trugen
dann, wenn sie selbst Gattinnen und Mütter wurden, das polnische in die
deutschen Familien hinein.
Wohl keine Stadt der alten Welt darf so mit Fug und Recht „die Stadt
der Gegensätze" genannt werden wie Lodz. Denn in seinen Verkehrsadern
— eigentlich kommt allein die zwei Stunden lange petrikauer Straße in Le-
tracht, neben der sich zu beiden Seiten einige etwas kürzere, von (Quergassen
unterbrochene Straßen hinziehen — entwickelt sich ein Bild von geradezu
schreiendem Durcheinander. Neben dem palaste des Großindustriellen duckt sich
die Hütte des Kleinhandelsjuden, neben einer weitläufigen, mit allen Erfindungen
der Technik ausgestatteten Fabrikanlage steht die licht-, lust- und freudelose
Mietkoserne des Proletariats. In die wohlbeleuchtete, holzgepflasterte Haupt-
straße, deren Pflaster bei starken Regengüssen zwar häufig die Verbindung mit
der mangelhaften Unterlage löst und zur Freude der armen Levölkerungs-
schichten davonschwimmt, münden vorsintflutlich anmutende, des Nachts stock-
finstere Sandwege, vornehme Kutsch- und Kraftwagen der Fabrikanten sausen
an hochbeladenen Lastfuhren, an gebrechlichen Droschken, an elenden Lauern-
karren vorüber- aus den Gehsteigen eilen der deutsche Luchhalter und der
polnische Arbeiter hastig dahin, indes der geckenhafte Schlachzize sorgsam jeder
Berührung mit den schmierigen Kaftanen der peikesgeschmückten Hausierer aus-
weicht. Inmitten der Stadt umbraust die Menge die ausgebrannten Mauern
eines vor Jahren durch Feuer zerstörten Industriewerkes, und neben den
Schienen der elektrischen Lahn glucksen im breiten Straßengraben die bunt-
schillernden, übelriechenden Abwässer einer Färberei. — —
Nach Wilhelm Marks, Berlin, aus: „Heimat und Welt." 5. Jahrg.
2. Heft. 1915 und nach 3. Vierteljahrsheft 1916 des v. D. 5l.
15. Deutsche, die sich in kußland verloren.
Kriegspressequartier (vst, 8. Dezember 1916.
Da mag's manche Verblüffung gegeben haben, als die ersten deutschen
Truppen, die nach Lialystok kamen, in ihren Quartieren mit rasch erlernten
polnischen und russischen Lrocken nach Lagerstatt, Essen und Trinken fragten
und zur Antwort erhielten: Wir können nicht polnisch. Wir verstehen kein
Russisch. Wir sprechen nur Deutsch.
1917 -
Leipzig
: Klinkhardt
- Autor: Jentzsch, Walther, Holdegel, Georg
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
folgten alsbald viele Deutsche dem Rufe Kaifer Alexanders I. (Es entstand eine
Weberansiedlung, dann eine Spinnerkolonie. Oer erste Großindustrielle war
L.geyer, dessen Unternehmen noch heute blüht. Schon nach neun Jahren zählte
Lodz über 4000 Köpfe. 1835 hielt die erste Dampfmaschine, die den Weg nach
Polen unter unsäglichen Schwierigkeiten zurückgelegt hatte, ihren Einzug in
das werdende ,,Manchester". Wohl erlebte die Stadt in den vierziger Jahren
einen Rückgang, sie erhob sich indessen schnell wieder und fand 1854 in dem
Fabrikanten Karl Scheibler den Mann, dem sie ihren eigentlichen Kufschwung
verdankt. Nach 10 Jahren zählte sie über 40 000 Einwohner. Sie erhielt
damals eine Telegraphenstation und bald daraus den ersten Bahnhof- auch
eine deutsche Zeitung kam dem Wissensdrang und der — Neugier des lieben
Publikums entgegen. Die Rede, die der Statthalter von Warschau, Graf Berg,
anläßlich der Eröffnung der Lodzer Fabrikbahn hielt, verdient, im Auszuge
wiedergegeben zu werden als eine ehrliche, restlose Anerkennung deutscher
Arbeit von feiten der russischen Regierung, die heute alle „Njemzy" mit Stumpf
und Stiel ausrotten möchte. Oer Vertreter des Zaren sagte:
„Die Stadt Lodz bildet eine interessante Erscheinung im polnischen Lande.
Sie verdankt ihren Wohl st and der deutschen Industrie, dem
Unternehmungsgeist der Deutschen und dem deutschen gleiße.
Nächst Warschau ist Lodz die bevölkertste Stadt des Königreiches Polen. Sie
zählt über 40 000 Einwohner, darunter zwei Drittel Deutsche. Lodz ist
die Metropole von 100 000 deutschen industriellen Bewohnern, die sich in zahl-
reichen Städten angesiedelt haben. Ich glaube diesen Bewohnern einen guten
Rat zu geben, wenn ich sie zur treuen Nachahmung der Tugenden ihrer Väter
und zum beständigen Festhalten am deutschen Charakter auf-
muntere, der sie unterscheiden soll von den anderen und der stets wohltätig auf
ihre Lage rückwirken wird."
Im Jahre 1869 wandelten die guten Lodzer zum ersten Male im Scheine
von Gaslaternen, auch erhielten die Straßen richtige Gehsteige- dagegen hat
man sich bis heute ohne Kanalisation und Wasserleitung durchschlagen müssen,
gewiß ein unglaublicher Rückstand auf dem Gebiete der großstädtischen Gesund-
heitssürsorge, an dem aber einzig die Regierung die Schuld trägt. Es ist überhaupt
bezeichnend, daß alle Wohlfahrtseinrichtungen, wie Feuerwehr, Krankenhäuser,
Unterstützungswesen, Bildungsanstalten ausschließlich privatem, d. h. deutschem
Kntriebe ihre Entstehung und Entwicklung verdanken, mit welchen Schwierig-
keiten die Menschenfreunde dabei zu kämpfen hatten, das kann allein ermessen,
wer den russischen Tschin (Beamtenschaft) kennt. Seine Blütezeit erlebte Lodz trotz
mehrfacher Rückschläge in den 70 er, 80 er und 90 er Jahren. Im neuen Jahr-
hundert litt die Stadt unter wirtschaftlichen Krisen und dem Treiben revolu-
tionärer Gruppen. Nichtsdestoweniger nahm die Einwohnerzahl zu, insbesondere
durch Zuwanderung. Diese erfolgte jetzt aber nur zum kleinsten Teile aus
deutschen Gegenden her, meist waren es polnische Arbeiter und jüdische Händler.
So kam das deutsche Element zahlenmäßig ins Hintertreffen- heute finden sich
unter der halben Million Bewohner rund 120 000 Deutsche, d. i. ein viertel
gegen zwei Drittel vor 50 Jahren. Da jedoch die Deutschen in den maß-
gebenden Schichten der Fabrikanten, Großkaufleute, Privatbeamten und Fabrik-
meister noch immer die erdrückende Mehrheit bilden und da die 160 000 Juden
sämtlich deutsch verstehen und auch sprechen — allerdings, fragt nur nicht wie —,
so erscheint Lodz wie eine große Vase unseres Volkstums im slawischen Meere.
1882 -
Leipzig
: Krüger
- Autor: Wagner, Friedrich
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schulbuchtyp (WdK): Hilfsbuch
— 148 —
Charakter.
Angriff auf Karl Xii. Dänemark gedcinütigt. Schlacht bei Narwa.
Karl in Polen.
übernahm selbst die oberste Stelle in der russischen Kirche; erzwang vornehme Jünglinge ins Ausland zu gehen und dort Studien zu machen; er gründete Schulen, Universitäten, eine Akademie der Wissenschaften; er schuf eine Armee und eine Flotte nach europäischem Muster, kurz er griff in alle Gebiete des menschlichen Lebens mit eiserner Hand und rastloser Thätigkeit ein. — Aber er blieb im Grunde seines Wesens selbst ein Barbar: das zeigte sein Blutdurst bei den Aufständen der Strelzy, seine Grausamkeit gegen Widerstrebende, die unwürdige Behandlung seiner ersten Gemahlin, seine Hartherzigkeit gegen seinen ältesten Sohn Alexei,*) das bewiesen seine ausschweifenden Vergnügungen. Es war ein seltsames Gemisch von Genialität und Wildheit in ihm.
c. Der nordische Krieg (1700—21).
§. 147. Bei dem eifrigen Bestreben Peters, eine leichte und nahe Seeverbindung mit den Kulturstaaten Europas zu gewinnen,¥Y) mußte er mit dem schwedischen Könige Karl Xii., dem Besitzer der Ostseeprovinzen, in Streit geraten. Die Umstände waren dazu einladend genug. Denn auch Dänemark und Polen waren eifersüchtig auf die nordische Großmacht und hätten ihre früheren Besitzungen gern zurückerobert. Leicht verständigte sich Rußland mit ihnen zu einem Angriffe aus den jugendlichen Schwedenkönig.***) Indessen hatte man den Gegner unterschätzt. Blitzschnell warf sich Karl auf Dänemark und nötigte diesen Staat zu einem unrühmlichen Frieden (in Travendal). Ebenso schnell und unerwartet stürzte er sich auf die Russen, welche Narwa belagerten. Mit 8000 Mann wagte er es einen fünfmal stärkeren Feind hinter starken Verschanzungen anzugreifen; seine eigene Tollkühnheit, die Hingebung der Schweden trugen einen glänzenden Sieg über die Unfähigkeit der russischen Offiziere und die Ungeübtheit ihrer Truppen davon. Peter selbst hatte sich noch vor der Schlacht in Sicherheit gebracht. Nach diesen vielversprechenden Anfängen, welche Karl Xii. als den ersten Feldherrn seiner Zeit erscheinen ließen, begann aber die Reihe politischer und militärischer Fehler, welche seinen Untergang herbeigeführt haben. Statt den gefährlichsten Gegner, Peter, vollständig niederzuwerfen,-^) wendete sich der Schwedenkönig mit einer Art persönlichen Hasses gegen den ungefährlichen
*) Platcn: Alexis. (Vor der Strenge seines Vaters, vor dem allgewaltigen Czar — Floh von Moskau weg Alexis u. s. w.)
**) „Ein Fenster nach Europa hin durchzubrechen" nannte es Algarotti, der Freund Friedrichs des Großen.
***) Das Bild, das Voltaire im Charles Xii entworfen hat, ist allzu romantisch ausgeschmückt. Allerdings war Karl glühend ehrgeizig, mäßig und enthaltsam, in seiner Art fromm, heldenhaft tapfer, aber auch knabenhaft eitel und selbstvertrauend, kalt und gefühllos; ein großer Feldherr war er nicht; zum Staatsmann fehlten ihm alle Eigenschaften. Nicht den Ruhm seines Volkes, sondern dessen Ohnmacht führte er herbei.
t) Dies schlugen einsichtige Männer dem König vergebens vor.
1900 -
Trier
: Lintz
- Autor: Kerp, Heinrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Gewerbthätigkeit, Handel.
347
Metallreichtum, auch an Edelmetallen besitzt, das Donez-
gebiet, wo sich das grösste Steinkohlenlager Russlands be-
findet, der Bezirk Tula südlich von Moskau, der Steinkohlen
und Eisen liefert, der Kaukasus, der mancherlei Erze und vor
allem einen grossen Reichtum an Erdöl besitzt, das obere Weichsel-
gebiet, das mit dem oberschlesischen Bergbaugebiete zusammenhängt,
und Finnland, wo zahlreiche Eisenerz grub en in Betrieb sind.
6. Die Veredlung der Rohstoffe: Gewerbthätigkeit.
Die bedeutendste Industriethätigkeit entwickelte sich
in den Bezirken des Steinkohlenbergbaues, so im Donezgebiet, wo
sich Charkow zu einem Industriemittelpunkte entwickelte,
im Bezirk von Moskau, wo diese Stadt selbst und das etwas
südlicher gelegene Tula eine bedeutende Gewerbthätigkeit ent-
faltet, und Polen, wo Lodz in kurzer Zeit zu einer bedeutenden
Industriestadt aufblühte. Auch in den übrigen grossen Städten
der Landschaft, wie in Riga, Petersburg, Kiew und in den
Wolgastädten, giebt es mancherlei Fabriken. Endlich ist
unter der ländlichen Bevölkerung das Hausgewerbe noch stark
verbreitet.
Zur Entwickelung gelangten besonders solche Industriezweige,
welchen das Land selbst die Rohstoffe zu liefern vermag, wie die
Eisenindustrie, die ihre Hauptsitze im Donezgebiet, in Jekate-
rinoslaw am Dnjepr, im Bezirk von Tula und im Ural nahm, das
Tabakgewerbe, das vornehmlich in Moskau und Kischinew
blüht, das L ed erg e werbe, das in vielen Städten betrieben wird,
die Spinnerei und Weberei, deren grössten Betriebe, beson-
ders grosse Baumwollfabriken, sich in Lodz befinden, die
ferner, soweit es sich um Verarbeitung von Flachs und
Hanf handelt, noch viel als Hausindustrie betrieben werden,
endlich die Zuckerindustrie, für die Polen und die Gegend
von Charkow die wichtigsten Gebiete sind.
7. Der Austausch der Erzeugnisse: Binnenhandel,
Ein- und Ausfuhr.
Weil fast überall die Landwirtschaft, für die umfangreiche
Ländereien zur Verfügung stehen, die erste Grundlage des Erwerbs-
lebens bildet, braucht ein Austausch der Erzeugnisse zwi-
schen den einzelnen Gebieten nur in geringem Umfange statt-
zufinden. Die Bedürfnisse der grossen Städte und der früher
genannten Industriebezirke an Nahrungsmitteln können durch die
Nachbargebiete gedeckt werden. Gegenstände, die fast durch das
1908 -
Berlin [u.a.]
: Oldenbourg
- Autor: Geistbeck, Alois, Fischer, Heinrich, Geistbeck, Michael
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
Das Kaisertum Rußland. 35
Die Tierwelt. Ten Unterschieden in Klima und Pflanzenwelt eut-
sprechen auch die Verschiedenheiten der Tierwelt. Die Tundra ist das Reich der
Polartiere: der Lemminge, der Schneehasen, des Polarfuchses und anderer. Viel-
fraß, Renntier und Elentier reichen von hier bis in das Waldland. In diesem
stellen sich der Bär und andere Pelztiere ein, namentlich das Eichhörnchen, ferner
das Schwarzwild, Hirsch, Reh, Wolf, Fnchs usw. Für die Grassteppe sind die
hüpfenden Nagetiere, besonders die Springmäuse und die in Horden lebenden
Huftiere, charakteristisch. In der kaspischen Halbwüste kommt schon das Kamel vor.
Bevölkerung. Von den 106 Mill. Einw. Rußlands sind ungefähr 84 Mill.
Russen (und zwar 56 Mill. Großrnssen um Moskau, die eigentlichen Moskowiter,
22 Mill. Kleinrussen um das ältere Kiew, und sast 6 Mill. Weißrussen im
Westen ehemals unter litauischer Oberhoheit), somit rund 80 °/0 der ganzen Bevölke-
rung ; nur 20 °/0 gehören anderen Nationen an. Das russische Reich ist hiernach
zwar kein national einheitlicher Staat, aber gegenüber der ungeheuren Masse des
russischen Volkes verschwinden die übrigen Bevölkerungselemente fast gänzlich. Diele
umsassen Polen, Litauer, dann Deutsche (an 2 Mill.), Rumänen und Griechen,
ferner mongolische Stämme (Finnen im Norden), türkische Stämme (Tataren, Kir-
gisen, Kalmücken, Baschkiren) im O. und So. — Zwischen den oberen Klassen und
der Masse des Volkes bestehen große Unterschiede in Bezug auf Besitz und Bildung.
Nach ihrem Bekenntnis sind die Russen fast insgesamt Anhänger der griechi-
schen, nichtnnierten Kirche.
Rußlands Hilfsquellen. Ihre Hauptstütze findet Rußlands Machtstellung
in dem Reichtum des Landes an natürlichen Hilfsquellen. Obenan steht in dieser
Beziehung der Ackerbau, der in günstigen Jahren J/3 alles europäischen Getreides
liefert und im Gebiete der schwarzen Erde bei reichlichen Niederschlägen trotz der
schlechten Bewirtschaftung außerordentlich ergiebige Ernten abwirft. Rußland
qilt daher als der erste Ackerbaustaat Europas.
Ungemein groß ist im Norden des Landes der Waldreichtum, weit ver-
breitet, namentlich in der südlichen Steppenzone, die Viehzucht, sehr ertragreich
die Fischerei (besonders in der Wolga und im Kaspischen Meere).
Auch durch seine Mineralprodukte aus dem Uralgebirge nimmt Rnßland
in Europa eine wichtige Stelle eiu.
^ Einzelne Zweige der Industrie, vor allem Baumwoll-, Wollen- und Leder-
indnstrie, haben sich schon zu bedeutender Höhe entwickelt. Die Hauptindustrie-
zentren sind infolge der hier auftretenden Kohlenlager Lodz, das polnische
Manchester (315000 Einw., darunter viele Deutsche), der Don-Donezbezirk,
serner Tula^und Moskau. Auch Warschau, die alte Hauptstadt Polens und
drittgrößte ^tadt Rußlands (680000 Einw.), ist Sitz einer lebhaften Industrie.
Perkehr. Das weite, fast ununterbrochene Tiefland begünstigt die Entwick-
lung riesiger und vortrefflicher Wasserstraßen und die Anlage künstlicher Verkehrs-
wege, besonders von Kanälen und Eisenbahnen. Die Wolga wird sast in ihrem
ganzen Lause mit Dampfschiffen befahren, desgleichen der Dnjepr. Die Strom-
systeme der Newa, Wolga und Dwina sind durch Kanäle miteinander ver-
bunden, und eben daraus beruht die Bedeutung St. Petersburgs, das ebensowohl
mit der nordrnssischen Tiesebene, als mit dem oberen Wolgagebiet, dem Haupt-
Produktionsbezirk Rußlands, in Verbindung steht. Moskau'wieder ist der Mittel-
1910 -
Leipzig
: Warting
- Autor: Langenbeck, Rudolf
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Gymnasium, Realschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gymnasium, Realschule, Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Welt
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
§ ^6. Die einzelnen Tandschaften des Osteuropäischen Tieflandes. Der Ural. 243
um schließlich in zwei scharfen Biegungen wieder nach Sw. umzuwenden.
Nebenflüsse von rechts: Beresina und Pripet, letzterer mit dem Njemen
durch einen Schiffahrtskanal verbunden. Zu beiden Seiten des Pripet
bis über die Beresina hinaus breiten sich die Rokitno-Sümpfe aus, das
ausgedehnteste Sumpf- und Urwald-Gebiet Europas, im Frühling einem
großen Binnensee gleichend.
Hier allein hat sich noch der gewaltige Wisent oder Auerochse gehalten, dem
amerikanischen Bison und dem asiatischen Bäk am nächsten verwandt.
Das südliche Wolynien und das Gebiet des mittleren Dnjepr, welches die
größere westliche Hälfte von Kleinrußland einnimmt, gehört schon zu den reichen Acker-
baulandschaften Rußlands. Smolensk, am oberen Dnjepr, alte Handelsstadt, jetzt
Kreuzungspunkt der Eisenbahnlinien Moskau-Warschau und Riga-Sarepta.
Kiew, 500 000 Einw., am mittleren Dnjepr, eine der ältesten Städte Rußlands, an
der uralten Handelsstraße vom Schwarzen Meer zur Ostsee, Hptst. des alten russischen
Reichs, Ausgangspunkt des Christentums in Ost-Europa; die Höhlenklöster Kiews,
einst Sitz des russischen Metropoliten, National-Heiligtum der Russen. Als Handels-
Mittelpunkt, Universität und starke Festung ist die Stadt noch jetzt von großer Bedeutung.
3. Polen ist ein Hügelland, das von dem breiten Tal der Weichsel
durchschnitten wird. Diese nimmt von rechts den Bug auf. Das Land
ist fruchtbar, die Südwestecke reich an Steinkohlen und Eisenerzen.
In Russisch-Polen neben Ackerbau und Viehzucht auch erhebliche Industrie;
daher hier die dichteste Bevölkerung innerhalb des russischen Reichs (60—70 auf 1 qkm).
Warschau, an der Weichsel, ehemalige Hptst. des Königreichs Polen. 850 000 Einw.,
mit der Vorstadt Praga, auf dem rechten Weichselufer, starke Festung, welche den
Hauptübergang über die Weichsel beherrscht; wichtiger Verkehrsmittelpunkt, polnische
Universität. Die Bevölkerung aus Polen, Deutschen und Juden gemischt, Lodz,
390 000 Einw., nächst Moskau die bedeutendste Industriestadt Rußlands (Woll- und
Baumwollwebereien).
4. Das Zentralrussische Plateau nimmt von den Waldai-Höhen,
350 m, nach S. zu beständig an Breite wachsend, das gesamte zentrale Ruß-
land ein. Zahlreiche Flüsse nehmen auf ihm ihren Ursprung. An den Waldai-
Höhen entspringen Wolga und Düna, weiter südlich Dnjepr, Moskwa,
Oka und Don. Die beiden letzteren haben tiefe, aber schmale Täler. Es
finden sich daher wenig große Orte an ihren Ufern, obgleich die Flüsse weit
hinauf schiffbar sind. Der Don, welcher in seinem Lauf einen auffallenden
Parallelismus mit dem Dnjepr zeigt, verläßt das Plateau erst kurz vor
seinem großen Knie, wo er aus der südöstlichen in die südwestliche Richtung
übergeht.
Die Waldai-Höhen sind dicht bewaldet; auch die zunächst im 8. angrenzenden
Landschaften bieten noch wenig guten Ackerboden. Hanfbau wiegt vor. Die größere
südliche Hälfte des Landrückens dagegen gehört dem Tschernosem-Gebiet an und ist
daher einer der fruchtbarsten und am besten bebauten Teile Rußlands. Das zentrale
Plateau birgt ferner die bedeutendsten Steinkohlenlager Rußlands.
Moskau, 1,6 Mill. Einw., an der Moskwa, bis zur Gründung von St. Peters-
bürg die Hptst. des Russischen Reichs und der wahre Mittelpunkt desselben, an dem
die wichtigsten Verkehrsstraßen sich kreuzen. Daher hat die Stadt auch nach Verlegung
der Residenz an Bedeutung nicht verloren und ist stets eine der ersten Handelsstädte
geblieben, obgleich sie an keinem für größere Schiffe fahrbaren Strome liegt. Sechs
Elsenbahnlinien strahlen jetzt von hier nach allen Richtungen aus. Moskau ist ferner
die erste Industriestadt Rußlands (Woll- und Baumwollwebereieu, Lederwaren) und
die besuchteste Universität. Eine Stadt für sich bildet der von hohen Mauern um-
schlössen? Kreml mit seinen zahlreichen Palästen und Kirchen mit vergoldeten Kuppeln.
Nördlich der Waldai-Höhen Nowgorod, im Mittelalter ein Freistaat und die erste
Handelsstadt Rußlands, wo die Kaufleute der Hansastädte russische Rohprodukte gegen
deutsche Fabrikate eintauschen, jetzt von geringer Bedeutung. Charkow, 225 000 Einw.,
16*
1911 -
Leipzig [u.a.]
: Teubner
- Hrsg.: Steinhauff, A., Schmidt, Max Georg
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Höhere Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mädchenschule
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Mädchen
Rußland: Iii. Völkerleben und Siedelungen.
4l
wir kaufen von Rußland waren im werte von über einer Milliarde: Rußland deckt
60o/o unserer Getreidezufuhr, 33% unserer Buttereinfuhr und ist unser bedeutendster Eier-
lieferant (für 65 Millionen Mark). Dazu erhalten wir holz, Flachs, Hanf, Gänse, Fische,
Raviar und Gold aus dem Ural.
Für unsere Ausfuhr steht Rußland erst an fünfter Stelle, da es nur waren im werte
von % Milliarde von uns erhält: Eisenwaren und Maschinen, Webereien und Wollgarne,
Farben, chemische Produkte und zahlreiche Artikel der Runstindustrie.
Ih. Line riesenhafte Kontinentalmacht mit zahlreichen ungelösten Ausgaben.
Die einförmige Tieflandsnatur Osteuropas bestimmt dieses zu einem Einheitsstaat,
vorübergehend (1238—1480) schien den Mongolen die Vorherrschaft zuzufallen; dann
gelang es aber den slawischen Russen, die von Byzanz aus der griechischen Rirche ge-
wonnen worden waren, von dem zentralen Großfürstentum Moskau aus, den Strömen
zum Meer folgend, das weite Gebiet in 300jährigem Rampf gegen Schweden (Ostsee-
küste), Polen, Türken und Mongolen zu vereinigen. Die versuche, sich einen günstigeren
Zugang zum Meer zu eröffnen, sind zumeist mißglückt (Ronstantinopel), und auch in
Asien, wo die Russen ein dreimal so großes Gebiet innehaben, besitzen sie nur ungünstige
Rüsten, da sie von den Japanern wieder vom eisfreien Ozean verdrängt worden sind.
So erscheint Rußland als ein gefesselter Riese. Ruch in mancher anderen Beziehung steht
Rußland noch vor ungelösten Rufgaben. Obgleich es 125 Millionen zählt und damit
die größte Volksmasse Europas in sich birgt, ist das Sand bei einer Dichte von 23 schwach
besiedelt, ein großes Hindernis für die Erschließung der reichen Hilfsquellen, hinzu kommt
die niedrige Volksbildung und die ungleiche Verteilung des Besitzes, Rußland ist seiner
Rulturstufe nach ein „Halbasien". 80% der Bewohner sind Russen, die in geschlossener
Masse das Binnenland bewohnen und von hier aus sich die übrigen nach Abstammung
und Religion verschiedenartigen Bestandteile angegliedert haben. Indem die Russen den
tieserstehenden Völkern ihre Volksart und Religion schon zum großen Teil aufgezwungen,
sie „russifiziert" haben, lösten sie hier wirkliche Rulturaufgaben. Im vertrauen auf ihre
große Masse und in dem Bestreben nach Ausgestaltung eines einheitlichen Volkstums
mit russischer Eigenart haben sie sich auch kulturell höher stehenden Nationen gegenüber
zur Unterdrückung verführen lassen. Nicht nur die feindlichen polen, sondern auch die
treubewährten Deutschen und die Finnländer in verfassungsmäßig geschützter Sonderstellung
haben die russische Gewaltherrschaft verspürt. Rn den Übelständen waren zum großen
Teil die unglücklichen Verfassungsverhältnisse des Zarenreiches schuld, die noch durchaus
in der Entwicklung zu Ordnung und Gesetzmäßigkeit begriffen sind. Ruch hat sich der
russische Volkscharakter, dem es an Ausdauer und Zuverlässigkeit fehlt, noch erst an seinen
großen Ausgaben heranzubilden.
Dar Ostseegebiet. Die slawischen polen und Litauer, die größte Masse von Fremden,
sind römisch-katholisch. In Polen wie in ganz Westrußland zahlreiche Juden (5 Millionen)
in den Städten. Lodz (350 000), Webeindustrie. Warschau (750 000), Brückenstadt an der
Weichsel, frühere Hauptstadt Polens. In den Gstseeprovinzen einige hunderttausend Deutsche
als Großgrundbesitzer und Städter neben anderen Völkern als niederer Massen sämtlich
evangelisch. Liebau (65 000), meist eisfreier Hafen. Riga (300 000), Mittelpunkt des
baltischen Deutschtums, zweitwichtigste Handelsstadt der Ostsee. Dorpat (40 000), bis vor
kurzem blühende deutsche Universität, jetzt russifiziert. Reval (70 000), deutsche Handels-
stadt am Finnischen Meerbusen. Rn dessen innerster Stelle St. Petersburg, 1% Million,
auf Sumpfboden erbaut, erste Hauptstadt mit westeuropäischem Gepräge, Sitz der Regie-
1913 -
Leipzig [u.a.]
: Teubner
- Autor: Günther, Hermann
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Rußland
109
der Bobenbau Hülsenfrüchte, verschiedene Arten Samen, Tabak im 8 und Wein auf
der Halbinsel Krim.
vieviehzucht vermag ebenfalls namhafte Mengen ihrer Erzeugnisse ans Ausland
abzugeben; denn sie verfügt über sechsmal soviel Pferde, doppelt soviel Rinder, viermal
soviel Schafe und Ziegen, als Deutschland besitzt? aber auf hoher Stufe steht die Zucht
nur im W. Die Geflügelzucht liefert jährlich für 150 Utill. Ttt. (Eier ans ausländ, fluch
die Bienenzucht ist bemerkenswert und die Pelztierjagd im N bedeutend. 3n den Grenz-
rneeren, den Binnenseen und Flüssen wird ein sehr ertragreicher Fischfang betrieben,
auf der Wolga und dem Uralflusse insbesondere der Fang von Stör und Hausen (Kaviar-
versand von Astrachan).
Die riesigen Wälder Nordrußlands und Finnlands, des waldreichsten Landes
Europas, bergen gewaltige Vorräte an holz, das in großen Massen ins Ausland
(Deutschland) geht; doch fehlt es an verständiger Forstpflege.
2. Bergbau und Industrie. Rußland ist reich an Mineralschätzen. Der Ural
liefert die größten platinmengen auf der Erde, das meiste Gold in Europa (50 000 kg);
er birgt Kupfer- und Eisenerze neben Steinkohlen. Mittelrußland hat große Kohlen-
lager bei Eula, dort und östlich Moskau reiche Eisenerzlager. Eisen, Kupfer und hoch-
wertige Kohle werden im Donezbecken und westlich des unteren Dnjepr gefördert.
Süd polen hat Anteil an den oberschlesischen Lagerstätten (Kohle, Eisen-, Zink- und Blei-
erze). Diesem Reichtume entspricht vorläufig die Ausbeute nicht. Deutschlands produk-
tion übertrifft die russische um ein vielfaches (Gründe?).
Das durch die langen Winter begünstigte Hausgewerbe (namentlich Spinnen
und Weben) ist weit verbreitet und deckt einen Teil des Inlandbedarfes, Die Fabrik-
induftrie wird vom Staate durch Verkehrsbegünstigungen, Unterstützungen und hohe
Zollschranken gefördert; dennoch ist die Großindustrie auf wenige Gebiete und Städte
beschränkt.
Die Baumwollverarbeitung ist ansässig: l.in Mittelrußland (Moskau mit
weiter Umgebung); 2.in Polen (Warschau und Lodz); 3.in Petersburg (hier das größte
Spinnereiunternehmen des Festlandes). Nach der Spindelzahl steht Rußland unter den
europäischen Ländern an dritter Stelle. — hausgewerbliche Wollindustrie tritt im
8 hervor (Schafzucht), Leinenindustrie im X (Flachsbau).
Die Großeisenindustrie knüpft an den Bergbau an und ist daher bedeutsam
I. im Donezbecken und dem benachbarten Odessa; 2. in Mittelrußland (Moskau und
Tula, hier auch Feinmetallindustrie); 3. im Ural. Zudem gewinnt sie in den westruf-
fischen Großstädten Warschau, Lodz, Riga und Petersburg immer mehr an Umfang.
Unter den anderen Industrien sind die wichtigsten: die Lederindustrie, die
Herstellung von Gummischuhen, die Spiritusbrennerei, die Mühlenindustrie (Nischni
Nowgorod).
3.Handel und Verkehr. Rußland verfügt über verhältnismäßig wenig Eisen-
bahnen; denn die Gesamtlänge der deutschen Bahnen übertrifft die der russischen. Weite
Landgebiete sind ohne Schienenwege, namentlich der ärmliche Nordosten. Um so mehr
tritt die Bedeutung der Flußwege und Landstraßen hervor; da auch letztere einfachen
Anforderungen kaum genügen, ist der Winter die Hauptreisezeit. An den Kreuzungs-