Ähnliche Ergebnisse
1894 -
Bielefeld [u.a.]
: Velhagen & Klasing
- Autor: Schulze, Hermann, Kahnmeyer, Ludwig
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
90
Hans willigte mit tausend Freuden ein; der Bauer schwang sich anfs Pferd und
ritt eilig davon.
Hans trieb seine Kuh ruhig vor sich her und bedachte den glücklichen Handel.
„Hab ich nur ein Stück Brot, und daran wird inir's doch nicht fehlen, so kann
ich, so oft mir's beliebt, Butter und Käse dazil essen; hab' ich Durst, so melk'
ich meine Kuh und trinke Milch. Herz, was verlangst du mehr?" Als er zu
einem Wirtshaus kam, machte er halt, aß in der großen Freude alles, was er
bei sich hatte, sein Mittags- und Abendbrot, rein ans und ließ sich für seine letzten
paar Heller ein halbes Glas Bier einschenken. Dann trieb er seine Kuh weiter,
immer nach dem Dorfe seiner Mutter zu. Die Hitze ward drückender, je näher der
Mittag kam, und Hans befand sich in einer Heide, die wohl noch eine Stunde
dauerte. Da ward es ihm ganz heiß, so daß ihm vor Durst die Zunge am
Gaumen klebte. „Dem Ding ist zu helfen " dachte Hans, „jetzt will ich meine
Kuh melken und mich an der Milch laben." Er band sie an einen dürren Baum,
und da er keinen Eimer hatte, so stellte er seine Ledermütze unter; aber wie er
sich auch bemühte, es kam kein Tropfen Milch zum Vorschein. Und weil er sich
ungeschickt dabei anstellte, so gab ihm das ungeduldige Tier endlich mit einem der
Hinterfüße einen solchen Schlag vor den Kopf, daß er zu Boden tannrelte und
eine Zeitlang sich gar nicht besinnen konnte, wo er war. Glücklicherweise kam
gerade ein Metzger des Weges, der auf einem Schubkarren ein junges Schwein
liegen hatte. „Was sind das für Streiche!" rief er und half dem guten Hans
auf. Hans erzählte, was vorgefallen war. Der Metzger reichte ihm seine Flasche
und sprach: „Da trinkt einmal und erholt Euch. Die Kuh null wohl keine Milch
geben, das ist ein altes Tier, das höchstens noch zum Ziehen taugt oder zum
Schlachten." „Ei, ei," sprach Hans und strich sich die Haare über den Kopf,
„wer hätte das gedacht! Es ist freilich gut, wenn man so ein Tier ins Hans
abschlachten kann, was giebt's für Fleisch! Aber ich mache mir aus dem Kuh-
fleisch nicht viel, es ist mir nicht saftig genug. Ja, wer ein so junges Schwein
hätte! Das schmeckt anders, dabei noch die Würste." „Hort, Hans," sprach da
der Metzger, „Euch zu Liebe will ich tauschen und will Euch das Schwein für
die Kuh lassen." „Gott lohn Euch Eure Freundschaft," sprach Hans, übergab
ihm die Kuh, ließ sich das Schweinchen vom Karren losmachen und den Strick,
woran es gebunden war, in die Hand geben.
Hans zog-weiter und überdachte, wie ihm doch alles nach Wunsch ginge; be-
gegnete ihm ja eine Verdrießlichkeit, so würde sie doch gleich wieder gut gemacht.
Es gesellte sich danach ein Bursche zu ihm, der trug eine schöne weiße Gans unter
dem Arm. Sie boten einander die Zeit, und Hans fing an von seinem Glück zu
erzählen, und wie er immer so vorteilhaft getauscht hätte. Der Bursch sagte ihm,
daß er die Gans zu einem Kindtaufsschmaus brächte. ,,Hebt einmal," fuhr er
fort und packte sie bei den Flügeln, , wie schwer sie ist, die ist aber auch acht
Wochen lang genudelt worden. Wer in den Braten beißt, muß sich das Fett von
beiden Seiten abwischen." „Ja," sprach Hans und wog sie mit der einen Hand,
,,die hat ihr Gewicht, aber mein Schwein ist auch keine San." Indessen sah sich
der Bursch nach allen Seiten ganz bedenklich um, schüttelte auch wohl mit dem
Kopf. „Hört," fing er darauf an, „mit Eurem Schweine mag's nicht ganz richtig
sein. In dem Dorfe, durch das ich gekommen bin, ist eben dem Schulzen eins
aus dem Stalle gestohlen worden; ich fürchte, ich fürchte, Ihr habt's da in der
Hand. Sie haben Leute ausgeschickt, und es wäre ein schlimmer Handel, wenn
sie Euch mit dem Schwein erwischten; das geringste ist, daß Ihr ins finstre Loch
gesteckt werdet." Dem guten Hans ward bang. „Ach Gott," sprach er, „helft
1885 -
Leipzig
: Amelang
- Autor: Fix, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 21
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
34.
30
giebt's für Fleisch! Aber ich mache mir aus dem Kuhfleisch nicht
viel ; es ist mir nicht saftig genug. Ja, wer so ein junges Schwein
hätte! Das schmeckt anders; dabei noch die Würste!" — „Hört,
Hans," sprach da der Metzger; „Euch zuliebe will ich tauschen und
will Euch das Schwein für die Kuh lassen." — „Schönen Dank für
Eure Freundschaft!" sprach Hans, übergab ihm die Kuh, ließ sich
das Schweinchen vom Karren losmachen und den Strick, daran es
gebunden war, in die Hand geben.
4. Hans zog weiter und überdachte, wie ihm doch alles nach
Wunsch ginge ; begegnete ihm ja einmal eine Verdrießlichkeit, so würde
sie auch gleich wieder gut gemacht. Es gesellte sich darnach ein Bursche
zu ihm, der trug eine schöne weiße Gans unter dem Arm. Sie boten
einander die Zeit, und Hans fing an von seinem Glücke zu erzählen,
und wie er immer so vorteilhaft getauscht hätte. Der Bursche er-
zählte ihm, daß er die Gaus zu einem Hochzeitsschmause brächte.
„Hebt einmal," fuhr er fort, und packte sie bei den Flügeln, „wie
schwer sie ist ! Die ist aber auch acht Wochen lang gemästet worden."
— „Ja," sprach Hans, und wog sie mit der einen Hand, „die hat
ihr Gewicht; aber mein Schwein ist auch nichts Geringes!" In-
dessen sah sich der Bursche nach allen Seiten ganz bedenklich um,
schüttelte auch wohl mit dem Kopfe. „Hört," fing er darauf an,
„mit Eurem Schweine mag's nicht ganz richtig sein. In dem
Dorfe, durch das ich gekommen bin, ist eben dem Schulzen eins aus
dem Stall gestohlen worden. Ich fürchte, ich fürchte, Ihr habt's
da in der Hand! Sie haben Leute ausgeschickt, und es wäre ein
schlimmer Handel, wenn sie Euch mit dem «Ähwein erwischten;
das Geringste ist, das Ihr ins finstre Loch gesteckt werdet." Dem
guten Hans ward bange. „Lieber Freund," sprach er, „helft mir
aus der Not! Ihr wißt hier herum besser Bescheid; nehmt mein
Schwein da und laßt mir Eure Gans!" — „Ich muß schon etwas
aufs Spiel setzen," antwortete derbursche; „aber ich will doch nicht
die Schuld haben, daß Ihr ins Unglück geratet." Er nahm also
das Seil in die Hand und trieb das Schwein, schnell aus einem
Seitenwege fort; der gute Hans aber ging, seiner Sorgen entle-
digt, mit der Gans unter dem Arme der Heimat zu. „Wenn
ich's recht überlege," sprach er bei sich selbst, „habe ich noch Vor-
teil bei dem Tausch: erstlich den guten Braten, hernach die Menge
von Fett, die herausträufeln wird, — das giebt Gänsefettbrot auf
ein Vierteljahr; und endlich die schönen weißen Federn. Die laß
ich mir in mein Kopfkissen stopfen, und darauf will ich wohl unge-
wiegt einschlafen. Was wird meine Mutter eine Freude haben!"
5. Als er durch das letzte Dorf gekommen war, stand da ein
1857 -
Jena
: Mauke
- Hrsg.: Lauckhard, Carl F.
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
wollen tauschen: ich gebe dir mein Pferd, und du giebst mir dei-
nen Klumpen." „Bon Herzen gern, sprach Hans, „aber ich sage
euch, ihr müßt euch damit schleppen." Der Reiter stieg ab, nahm
das Gold, und half dem Hans hinaus, gab ihm die Zügel fest
in die Hände und sprach: „Wenns nun recht geschwind gehen
soll, so mußt du mit der Zunge schnalzen, und hopp, hopp,
rufen."
Hans war seelenfroh, als er auf dem Pferde saß, und so
frank und frei dahin ritt. Ueber ein Weilchen fiels ihm ein, es
sollte noch schneller gehen, und er fing an, mit der Zunge zu
schnalzen, und hopp, hopp zu rufen. Das Pferd setzte sich in
starken Trab, und ehe sich Hans versah, war er abgeworfen und
lag in einem Graben, der die Aecker von der Landstraße trennte.
Das Pferd wäre auch durchgegangen, wenn es nicht ein Bauer
aufgehalten hätte, der des Weges kam und eine Kuh vor sich
trieb. Hans suchte seine Glieder zusammen, und machte sich wie-
der auf die Beine. Er war verdrießlich, und sprach zu dem
Bauer: „Es ist ein schlechter Spaß, das Reiten, zumal, wenn
man auf so eine Mähre geräth wie diese, die stößt und einen
herab wirft, daß man den Hals brechen kann, ich setze mich nun
und nimmermehr wieder anst Da lob ich mir eine Kuh, da kann
einer mit Gemüthlichkeit hinterher gehen, und hat obendrein seine
Milch, Butter und Käse jeden Tag gewiß. Was gäbe ich drum,
wenn ich so eine Kuh hätte!" „Nun," sprach der Bauer, „ge.
schieht euch so ein großer Gefallen, so will ich euch wohl die Kuh
für das Pferd vertauschen." Hans willigte mit tausend Freuden
ein; der Bauer schwang sich aufs Pferd und ritt eilig davon.
Hans trieb seine Kuh ruhig vor sich hin, und bedachte den
glücklichen Handel. „Hab' ich nur ein Stück Brod, und daran
wird mirs doch nicht fehlen,' so kann ich, so oft mirs beliebt,
Butter und Käse dazu essen; hab ich Durst, so melk ich meine
Kuh und trinke Milch. Herz, was verlangst du mehr?" Alö er
zu einem Wirthshaus kam, machte er Halt, aß in der großen
Freude Alles, was er bei sich hatte, sein Mittags- und Abend-
brod rein auf, und ließ sich für seine letzten paar Heller ein hal-
des Glas Bier einschenken. Dann trieb er seine Kuh weiter,
immer nach dein Dorfe seiner Mutter ;u. Die Hitze wurde aber
immer drückender, je näher der Mittag kam, und Hans befand
sich in einer Heide, die wohl noch eine Stunde dauerte. Da
ward es ihm ganz heiß, so daß ihm vor Durst die Zunge am
Gaume klebte. Dem Ding ist abzuhelfen, dachte Hans, jetzt will
ich meine Kuh melken, und mich an der Milch laben. Er band
1911 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Heider, Friedrich
- Hrsg.: Nohl, Walter
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
58 —
2. Wie Hans das Gold gegen ein Pferd vertauschte.
Wie er so dahinging und immer ein Bein vor das andre setzte,
kam ihm ein Reiter in die Augen, der frisch und fröhlich auf einem
muntern Pferde vorbeitrabte. „Ach/' sprach Hans ganz laut, „was
ist das Reiten für ein schönes Ding! Da sitzt einer wie auf einem
Stuhl, stößt sich an keinem Stein, spart die Schuhe und kommt
fort, er weiß nicht wie." Der Reiter, der das gehört hatte, hielt
an und rief: ,,Ei, Hans, warum läufst du auch zu Fuß?" — „Ich
muß ja wohl", antwortete er. „Da habe ich einen Klumpen heim-
zutragen; es ist zwar Gold, aber ich kann den Kopf dabei nicht
gerade halten, auch drückt mir’s die Schulter!" — „Weißt du
was," sagte der Reiter, „wir wollen tauschen; ich gebe dir mein
Pferd, und du gibst mir deinen Klumpen!" — „Von Herzen gern,"
sprach Hans, „aber ich sage Euch, Ihr müßt Euch damit schleppen."
Der Reiter stieg ab, nahm das Gold und half dem Hans auf das
Pferd, gab ihm die Zügel fest in die Hände und sprach: „Wenn’s
nun recht geschwind gehen soll, so mußt du mit der Zunge
schnalzen und hopp! hopp! rufen."
3. Wie Hans sein Pferd gegen eine Kuh vertauschte.
Hans war seelenfroh, als er auf dem Pferde saß und so frank
und frei dahinritt. Über ein Weilchen fiel’s ihm ein, es sollte noch
schneller gehen, und er fing an, mit der Zunge zu schnalzen und
hopp! hopp! zu rufen. Das Pferd setzte sich in starken Trab, und
ehe sich’s Hans versah, war er abgeworfen und lag in einem
Graben, der die Äcker von der Landstraße trennte. Das Pferd
wäre auch durchgegangen, wenn es nicht ein Bauer aufgehalten
hätte, der des Weges kam und eine Kuh vor sich her trieb. Hans
suchte seine Glieder zusammen und machte sich wieder auf die
Beine. Er war aber verdrießlich und sprach zu dem Bauern: „Es
ist ein schlechter Spaß, das Reiten, zumal wenn man auf so eine
Mähre gerät wie diese, die einen herabwirft, daß man den Hals
brechen kann; ich setze mich nun und nimmermehr wieder auf.
Da lob’ ich mir Eure Kuh; da kann einer mit Gemächlichkeit
hinterhergehen und hat obendrein Milch, Butter und Käse jeden
Tag gewiß. Was gäb’ ich darum, wenn ich so eine Kuh hätte!" —
„Nun," sprach der Bauer, „geschieht Euch so ein großer Gefallen,
so will ich Euch wohl die Kuh für das Pferd vertauschen." Hans
willigte mit tausend Freuden ein. Der Bauer schwang sich aufs
Pferd und ritt eilig davon.
1886 -
Berlin
: Stubenrauch
- Autor: Wetzel, Friedrich, Richter, Carl, Menzel, J., Menges, Heinrich
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: ABC_Lesen
102
die Schuhe und kommt fort, er weiss nicht wie.“ Der Reiter,
der das gehört hatte, hielt an und rief: „Ei, Hans, warum
läufst du auch zu Fuss!“ — „Ich muss ja wohl,“ antwortete er.
„Da habe ich einen Klumpen heimzutragen; es ist zwar Gold,
aber ich kann den Kopf dabei nicht gerade halten; auch drückt
mir’s die Schulter!“ — „Weifst du was,“ sagte der Reiter, „wir
wollen tauschen; ich gebe dir mein Pferd, und du giebst mir
deinen Klumpen!“ — „Von Herzen gern,“ sprach Hans; „aber
ich sage Euch, Ihr müsst Euch damit schleppen.“ Der Reiter
stieg ah, nahm das Gold und half dem Hans hinauf, gab ihm
die Zügel fest in die Hände und sprach: „Wenn’s nun recht
geschwind gehen soll, so musst du mit der Zunge schnalzen und
hopp! hopp! rufen.“
3. Hans war seelenfroh, als er auf dem Pferde safs und
so frank und frei daherritt. Über ein Weilchen fiel’s ihm ein,
es sollte noch schneller gehen, und er fing an, mit der Zunge zu
schnalzen und hopp! hopp! zu rufen. Das Pferd setzte sich in
starken Trab, und ehe sich's Hans versah, war er abgeworfen
und lag in einem Graben, der die Äcker von der Landstrafse
trennte. Das Pferd wäre auch durchgegangen, wenn es nicht
ein Bauer aufgehalten hätte, der des Weges kam und eine Kuh
vor sich hertrieb. Hans suchte seine Glieder zusammen und
machte sich wieder auf die Beine. Er war aber verdriesslich
und sprach zu dem Bauer: „Es ist ein schlechter Spafs, das
Reiten, zumal wenn man auf so eine Mähre gerät wie diese,
die einen herabwirft, dass man den Hals brechen kann; ich setze
mich nun und nimmermehr wieder auf. Da lob’ ich mir Eure
Kuh; da kann einer mit Gemächlichkeit hinterher gehen und
hat obendrein seine Milch, Butter und Käse jeden Tag gewiss.
Was gäb' ich darum, wenn ich so eine Kuh hätte!“ —- „Nun,“
sprach der Bauer, „geschieht Euch so ein grosser Gefallen, so
will ich Euch wohl die Kuh für das Pferd vertauschen.“ Hans
willigte mit tausend Freuden ein; der Bauer schwang sich aufs
Pferd und ritt eilig davon.
4. Hans trieb seine Kuh ruhig vor sich her und bedachte
den glücklichen Handel. „Hab’ ich nur ein Stück Brot, und
daran wird mir’s doch nicht fehlen, so kann ich, so oft mir’s
beliebt, Butter und Käse dazu essen; hab’ ich Durst, so melke
ich meine Kuh und trinke Milch. Herz, was verlangst du mehr?“
Als er zu einem Wirtshause kam, machte er Halt, afs in der
grossen Freude alles, was er bei sich hatte, sein Mittags- und
Abendbrot, rein auf und liess sich für seine letzten paar Heller
ein halbes Glas Bier einschenken. Dann trieb er seine Kuh
1910 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Autor: Breidenstein, Heinrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
stellte, so gab ihm das ungeduldige Tier endlich mit einem der Hinter-
füße einen solchen Schlag vor den Kopf, daß er zu Boden taumelte und
eine Zeitlang sich gar nicht besinnen konnte, wo er war. Glücklicherweise
kam gerade eine Metzger des Weges, der auf einem Schubkarren ein junges
Schwein liegen hatte. ,,Was sind das für Streiche!" rief er und half
dem guten Hans auf. Hans erzählte, was vorgefallen war. Der Metzger
reichte ihm seine Flasche und sprach: „Da trinkt einmal und erholt Euch!
Die Kuh will wohl keine Milch geben; das ist ein altes Tier, das höch-
stens noch zum Ziehen taugt oder zum Schlachten." — „Ei, ei," sprach
Hans, und strich sich die Haare über den Kopf, „wer hätte das gedacht!
Es ist freilich gut, wenn man so ein Tier fürs Haus abschlachten kann.
Was gibt's für Fleisch! Aber ich mache mir aus dem Kuhfleisch nicht
viel, es ist mir nicht saftig genug. Za, wer so ein junges Schwein hätte!
Das schmeckt anders, dabei noch die Würste!" — „Hört, Hans," sprach
da der Metzger, „Euch zuliebe will ich tauschen und Euch das Schwein
für die Kuh lassen." — „Gott lohn' Euch Eure Freundschaft," sprach
Hans, übergab ihm die Kuh, ließ sich das Schweinchen vom Karren los-
machen und den Strick, woran es gebunden war, in die Hand geben.
Hans zog weiter und überdachte, wie ihm doch alles nach Wunsch
ginge. Es gesellte sich danach ein Bursch zu ihm, der trug eine schöne,
weiße Gans unter dem Arm. Sie boten einander die Zeit, und Hans
fing an, von seinem Glück zu erzählen. Der Bursch erzählte ihm, daß
er die Gans zu einem Kindtaufsschmnus brächte. „Hebt einmal," fuhr
er fort und packte sie bei den Flügeln, „wie schwer sie ist! Die ist aber
auch acht Wochen lang genudelt worden. Wer in den Braten beißt,
muß sich das Fett von beiden Seiten abwischen." — „Za," sprach Hans
und wog sie mit der einen Hand, „die hat ihr Gewicht, aber mein
Schwein ist auch nicht zu verachten!" Zndessen sah sich der Bursch
nach allen Seiten ganz bedenklich um, schüttelte auch wohl mit dem Kopf.
„Hört," fing er darauf an, „mit Eurem Schwein mag's nicht ganz richtig
sein. Zn dem Dorfe, durch das ich gekommen bin, ist eben dem Schulzen
eins aus dem Stall gestohlen worden. Zch fürchte, ich fürchte, Zhr
habt's da in der Hand. Sie haben Leute ausgeschickt, und es wäre ein
schlimmer Handel, wenn sie Euch mit dem Schwein erwischten; das Ge-
ringste ist, daß Zhr ins finstere Loch gesteckt werdet." Dem guten Hans
ward bange. „Ach Gott," sprach er, „helft mir aus der Not! Zhr
wißt hier herum besseren Bescheid, nehmt mein Schwein da und laßt mir
Eure Gans!" „Zch muß schon etwas aufs Spiel setzen," antwortete der
1914 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
238
Handel. „Hab' ich nur ein Stück Brot, und daran wird mir's doch nicht
fehlen, so kann ich, so oft mir's beliebt, Butter und Käse dazu essen;
hab' ich Durst, so melk' ich meine Kuh und trinke Milch. Herz, was ver-
langst du noch mehr?" Als er zu einem Wirtshaus kam, machte er Halt.
In seiner großen Freuds aß er alles, was er bei sich hatte, sein Mittag-
und Abendbrot, rein auf und ließ sich für seine letzten paar Heller ein
halbes Glas Vier einschenken. Dann trieb er seine Kuh weiter, immer nach
dem Dorfe seiner Mutter zu. Die Hitze ward drückender, je näher der
Mittag kam, und Hans befand sich in einer Heide, die wohl noch eine
Stunde dauerte. Da ward es ihm ganz heiß, so daß ihm vor Durst
die Zunge am Gaumen klebte. „D?m Ding ist zu helfen," dachte Hans;
„jetzt will ich meine Kuh melken und mich an der Milch laben." Er
band sie an einen dürren Baum und stellte, da er keinen Eimer hatte,
seine Ledermütze unter; aber wie er sich auch bemühte, es kam kein
Tropfen Milch zum Vorschein. Und weil er sich so ungeschickt dabei an-
stellte, so gab ihm das ungeduldige Tier endlich mit einem der Hinter-
füße einen solchen Schlag vor den Kopf, daß er zu Boden taumelte und
eine Zeitlang sich gar nicht besinnen konnte, wo er war. Glücklicherweise
kam gerade eine Metzger des Weges, der auf einem Schubkarren ein junges
Schwein liegen hatte. „Was sind das für Streiche!" rief er und half
dem guten Hans auf. Hans erzählte, was vorgefallen war. Der Metzger
reichte ihm seine Flasche und sprach: „Da trinkt einmal und erholt Euch!
Die Kuh will wohl keine Milch geben; das ist ein altes Tier, das höch-
stens noch zum Ziehen taugt oder zum Schlachten." — „Ei, ei," sprach
Hans und strich sich die Haare über den Kopf, „wer hätte das gedacht!
Es ist freilich gut, wenn man so ein Tier fürs Haus abschlachten kann.
Was gibt's für Fleisch! Aber ich mache mir aus dem Kuhfleisch nicht
viel, es ist mir nicht saftig genug. Ja, wer so ein junges Schwein hätte!
Das schmeckt anders, dabei noch die Würste!" — „Hört, Hans," sprach
da der Metzger, „Euch zuliebe will ich tauschen und Euch das Schwein
für die Kuh lassen." — „Gott lohn' Euch Eure Freundschaft," sprach
Hans, übergab ihm die Kuh, ließ sich das Schweinchen vom Karren los-
machen und den Strick, woran es gebunden war, in die Hand geben.
Hans zog weiter und überdachte, wie ihm doch alles nach Wunsch
ginge. Es gesellte sich danach ein Bursch zu ihm, der trug eine schöne,
weiße Gans unter dem Arm. Sie boten einander die Zeit, und Hans
fing an, von seinem Glück zu erzählen. Der Bursch erzählte ihm, daß
er die Gans zu einem Kindtaufsschmaus brächte. „Hebt einmal," fuhr
1911 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Heider, Friedrich, Nohl, Walter
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
— 59 -
4. Wie Hans für seine Kuh ein Schwein erwarb.
Hans trieb seine Kuh ruhig vor sich her und bedachte den
glücklichen Handel. „Hab’ ich nur ein Stück Brot, und daran wird
mir’s doch nicht fehlen, so kann ich, so oft mir’s beliebt, Butter
und Käse dazu essen; hab’ ich Durst, so melk’ ich meine Kuh und
trinke Milch. Herz, was verlangst du mehr?“ Als er zu einem
Wirtshause kam, machte er Halt, aß in der großen Freude alles,
was er bei sich hatte, sein Mittag- und Abendbrot, rein auf und
ließ sich für seine letzten paar Heller ein halbes Glas Bier ein- •
schenken. Dann trieb er seine Kuh weiter, immer dem Dorfe
seiner Mutter zu. Die Hitze ward drückender, je näher der Mittag
kam, und Hans befand sich in einer Einöde, die wohl noch eine
Stunde dauerte. Da ward ihm ganz heiß, so daß ihm vor Durst
die Zunge am Gaumen klebte. Dem Ding ist abzuhelfen, dachte
Hans; jetzt will ich meine Kuh melken und mich an der Milch
laben. Er band die Kuh an einen dürren Baum, und da er keinen
Eimer hatte, so stellte er seine Ledermütze unter. Aber wie er
sich auch abmühte, es kam kein Tropfen Milch zum Vorschein.
Und weil er sich ungeschickt dabei anstellte, so gab ihm das
ungeduldige Tier endlich mit einem der Hinterfüße einen Schlag
an den Kopf, daß er zu Boden taumelte und eine Zeitlang sich
gar nicht besinnen konnte, wo er war. Glücklicherweise kam
gerade ein Metzger des Weges, der auf einem Schiebkarren ein
junges Schwein liegen hatte. „Was sind das für Streiche!“ rief
er und half dem guten Hans auf. Hans erzählte, was vorgefallen
war. Der Metzger sprach: „Die Kuh will wohl keine Milch geben?
Das ist ein altes Tier, das höchstens noch zum Ziehen taugt oder
zum Schlachten.“ — „Ei, ei,“ sprach Plans und strich sich die
Haare über den Kopf, „wer hätte das gedacht! Es ist freilich gut,
wenn man so ein Tier abschlachten kann; was gibt das für
Fleisch! Aber ich mache mir aus dem Kuhfleisch nicht viel;
es ist mir nicht saftig genug. Ja, wer so ein junges Schwein
hätte! Das schmeckt anders; dabei noch die Würste!“ — „Hört,
Hans,“ sprach da der Metzger, „Euch zuliebe will ich tauschen
und will Euch das Schwein für die Kuh lassen.“ — „Schönen
Dank für Eure Freundschaft!“ sprach Hans, übergab ihm die Kuh,
ließ sich das Schweinchen vom Karren losmachen und den Strick,
woran es gebunden war, in die Hand geben,
1911 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Heider, Friedrich, Nohl, Walter
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- 58 —
3. Wie Hans das Gold gegen ein Pferd vertauschte.
Wie er so dahinging und immer ein Bein vor das andre setzte,
kam ihm ein Reiter in die Augen, der frisch und fröhlich auf einem
muntern Pferde vorbeitrabte. „Ach,“ sprach Hans ganz laut, „was
ist das Reiten für ein schönes Ding! Da sitzt einer wie auf einem
Stuhl, stößt sich an keinem Stein, spart die Schuhe und kommt
fort, er weiß nicht wie.“ Der Reiter, der das gehört hatte, hielt
an und rief: „Ei, Hans, warum läufst du auch zu Fuß?“ — „Ich
muß ja wohl“, antwortete er. „Da habe ich einen Klumpen heim-
zutragen; es ist zwar Gold, aber ich kann den Kopf dabei nicht
gerade halten, auch drückt mir’s die Schulter!“ — „Weißt du
was,“ sagte der Reiter, „wir wollen tauschen; ich gebe dir mein
Pferd, und du gibst mir deinen Klumpen!“ — „Von Herzen gern,“
sprach Hans, „aber ich sage Euch, Ihr müßt Euch damit schleppen.“
Der Reiter stieg ab, nahm das Gold und half dem Hans auf das
Pferd, gab ihm die Zügel fest in die Hände und sprach: „Wenn’s
nun recht geschwind gehen soll, so mußt du mit der Zunge
schnalzen und hopp! hopp! rufen.“
3. Wie Hans sein Pferd gegen eine Kuh vertauschte.
Hans war seelenfroh, als er auf dem Pferde saß und so frank
und frei dahinritt. Über ein Weilchen üel’s ihm ein, es sollte noch
schneller gehen, und er fing an, mit der Zunge zu schnalzen und
hopp! hopp! zu rufen. Das Pferd setzte sich in starken Trab, und
ehe sich’s Hans versah, war er abgeworfen und lag in einem
Graben, der die Äcker von der Landstraße trennte. Das Pferd
wäre auch durchgegangen, wenn es nicht ein Bauer aufgehalten
hätte, der des Weges kam und eine Kuh vor sich her trieb. Hans
suchte seine Glieder zusammen und machte sich wieder auf die
Beine. Er war aber verdrießlich und sprach zu dem Bauern: „Es
ist ein schlechter Spaß, das Reiten, zumal wenn man auf so eine
Mähre gerät wie diese, die einen herabwirft, daß man den Hals
brechen kann; ich setze mich nun und nimmermehr wieder auf.
Da lob' ich mir Eure Kuh; da kann einer mit Gemächlichkeit
hinterhergehen und hat obendrein Milch, Butter und Käse jeden
Tag gewiß. Was gab' ich darum, wenn ich so eine Kuh hätte!“ —
„Nun,“ sprach der Bauer, „geschieht Euch so ein großer Gefallen,
so will ich Euch wohl die Kuh für das Pferd vertauschen.“ Hans
willigte mit tausend Freuden ein. Der Bauer schwang sich aufs
Pferd und ritt eilig davon.
1916 -
Halle a.S.
: Schroedel
- Autor: Warncke, K., Steger, August, Wohlrabe, Wilhelm
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
69
ich drum, wenn ich so eine Shif) hätte!" „Nun," sprach der Bauer, „ge-
schieht Euch so ein großer Gefallen, so will ich Euch wohl die Kuh für
das Pferd vertauschen." Hans willigte mit tausend Freuden ein; der
Bauer schwang sich aufs Pferd und ritt eilig davon.
Iii. Ein Schwein für die Kuh.
Hans trieb seine Kuh ruhig vor sich her und bedachte den glücklichen
Handel. Hab' ich nur ein Stück Brot, und daran wird mir's doch nicht
fehlen, so kann ich, so oft mir's beliebt, Butter und Käse dazu essen; hab'
ich Durst, so melk' ich meine Kuh und trinke Milch. Herz, was verlangst
du mehr?" Als er zu einem Wirtshause kam, machte er Halt, atz in der
großen Freude alles, was er bei sich hatte, sein Mittag- und Abend-
brot, rein auf und ließ sich für seine letzten paar Heller ein halbes Glas
Bier einschenken. Dann trieb er seine Kuh weiter, immer nach dem Dorfe
seiner Mutter zu. Die Hitze ward drückender, je näher der Mittag kam,
und Hans befand sich in einer Heide, die wohl noch eine Stunde dauerte.
Da ward es ihm ganz heiß, so daß ihm vor Durst die Zunge am Gaumen
klebte. „Dem Ding ist zu helfen," dachte Hans; „jetzt will ich meine Kuh
melken und mich an der Milch laben." Er band sie an einen dürren Baum,
und da er keinen Eimer hatte, so stellte er seine Ledermütze unter; aber
wie er sich auch bemühte, es kam kein Tropfen Milch zum Vorschein.
Weil er sich aber ungeschickt dabei anstellte, so gab ihm das ungeduldige
Tier endlich mit einem der Hinterfüße einen solchen Schlag auf den Kopf,
daß er zu Boden taumelte und eine Zeitlang sich gar nicht besinnen konnte,
wo er war.
Glücklicherweise kam gerade ein Metzger des Weges, der auf einem
Schubkarren ein junges Schwein liegen hatte. „Was sind das für Streiche!"
rief dieser und half dem guten Hans auf. Hans erzählte, was vorge-
fallen war. Der Metzger reichte ihm seine Flasche und sprach: „Da trinkt
einmal, und erholt Euch! Die Kuh will wohl keine Milch geben; das ist
ein altes Tier, das höchstens noch zum Ziehen taugt oder zum Schlachten."
„Ei, ei," sprach Hans und strich sich die Haare über den Kopf, „wer hätte
das gedacht! Es ist freilich gut, wenn man so ein Tier ins Haus schlachteu
kann, was gibt's für Fleisch! Aber ich mache mir aus dem Kuhfleisch
nicht viel; es ist mir nicht saftig genug. Ja, wer so ein junges Schwein
hätte! Das schmeckt anders, und dazu noch die Würste!" „Hört, Hans,"
sprach da der Metzger, „Euch zuliebe will ich tauschen und will Euch das
Schwein für die Kuh lassen." „Gott lohn' Euch Eine Freundschaft!"
sprach Hans, übergab ihm die Kuh, ließ sich das Schweinchen vom
Karren losmachen imb den Strick, woran es gebunden war, in die Hand
geben.
1916 -
Halle a.S.
: Schroedel
- Autor: Warncke, K., Steger, August, Wohlrabe, Wilhelm
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
G8 —
63. Hans im Glück.
l. Ein Pferd für den Goldklumpen.
Hans hatte sieben Jahre bei seinem Herrn gedient; da sprach er
zu ihm: „Herr, meine Zeit ist herum, nun wollte ich gerne wieder heim
zu meiner Mutter; gebt mir meinen Lohn!" Der Herr antwortete: „Du
hast mir treu und ehrlich gedient; wie der Dienst war, so soll der Lohn
sein," und gab ihm ein Stück Gold, das so grotz wie Hansens Kopf war.
Hans zog sein Tüchlein aus der Tasche, wickelte den Klumpen hinein,
setzte ihn auf die Schulter und machte sich auf den Weg nach Hause. Wie
er so dahinging und immer ein Bein vor das andre setzte, kam ihm ein
Reiter in die Augen, der frisch und fröhlich auf einem muntern Pferde
vorbeitrabte. „Ach," sprach Hans ganz laut, „was ist das Reiten ein
schönes Ding! Da sitzt einer wie auf einem Stuhle, stützt sich an keinen
Stein, spart die Schuhe und kommt fort, er weitz nicht wie." Der Reiter,
der das gehört hatte, hielt an und rief: „Ei, Hans, warum läufst du auch
zu Futz?" „Ich mutz ja wohl," antwortete er; „da habe ich einen Klumpen
heimzutragen; es ist zwar Gold, aber ich kann den Kopf dabei nicht ge-
rade halten; auch drückt mir's auf die Schulter." „Weitzt du was?" sagte
der Reiter, „wir wollen tauschen; ich gebe dir mein Pferd, und du gibst
mir deinen Klumpen." „Von Herzen gern," sprach Hans; „aber ich sage
Euch, Ihr mützt Euch damit schleppen." Der Reiter stieg ab, nahm das
Gold und half dem Hans hinauf, gab ihm die Zügel fest in die Hände
und sprach: „Wenn's nun recht geschwind soll gehen, so mutzt du mit
der Znnge schnalzen und hopp! hopp! rufen."
Ii. Eine Kuh für das Pferd.
Hans war seelenfroh, als er auf dem Pferde satz und so frank und
frei dahinritt. Aber ein Weilchen fiel's ihm ein, es sollte noch schneller
gehen, und er fing an, mit der Zunge zu schnalzen und hopp! hopp!
zu rufen. Das Pferd setzte sich in starken Trab, und ehe sich's Hans
versah, war er abgeworfen und lag in einem Graben, der die Acker von
der Landstratze trennte. Das Pferd wäre auch durchgegangen, wenn
es nicht ein Bauer aufgehalten hätte, der des Weges kam und eine Kuh
vor sich hertrieb. Hans suchte seine Glieder zusammen und machte sich
wieder auf die Beine. Er war aber verdrietzlich und sprach zu dem Bauer:
„Es ist ein schlechter Spatz, das Reiten, zumal, wenn man auf so eine
Mähre gerät wie diese, die stützt und einen herabwirft, datz man den Hals
brechen kann; ich setze mich nun und nimmermehr wieder auf. Da lob'
ich mir Eure Kuh; da kann einer mit Gemächlichkeit hinterhergehen und
hat obendrein seine Milch, Butter und Käse jeden Tag gewitz. Was gäb'
1913 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Autor: Breidenstein, Heinrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
102
hatte ein Paar blauer Augen, so hell wie Falkenaugen, ein Paar roter
Backen, welche wie die schönsten Weihnachtsäpfel leuchteten, ein
Paar Beine, so schnell wie Hasenbeine, und ein Paar gesunder Arme.
Wo auch die Veilchen noch so heimlich und verborgen blühten,
der Hans fand sie. Wo die Hühner die Eier im Stroh versteckten,
das wußte er. Da war kein Vogelnest im Garten, in das er nicht
geguckt hätte. Die Birnen und die Stachelbeeren waren noch lange
nicht reif, dann kostete er sie schon. Er kannte genau die Zeit, in
der es Erbsschoten gab. Wo die meisten Maikäfer zu finden waren,
das kundschaftete er aus. Er sah in alle Mauselöcher und unter-
suchte die Ameisenwohnungen am Gartenzaune. Kurzum: er wußte
alles und noch mehr.
Einmal erging es ihm aber bei seinen Forschungen recht übel,
und das kam so:
Seine Eltern hatten zwei Kühe, die im Sommer auf die Weide
getrieben wurden. Als Hans nun groß genug geworden war, mußte
er nachmittags die Kühe hinaustreiben und hüten. Das war keine
schwere Arbeit. Denn die große, braune Liese war ein altes, ver-
nünftiges Tier, das sich durch Güte leiten ließ. Und die jüngere
Schwarze tat nur, was sie ihre ältere Schwester tun sah. Dem Hans
war darum das Amt eines Kuhhirten ganz recht. Draußen im Felde
gab es viel zu untersuchen und zu sehen: Schmetterlinge, Vogelnester,
Käfer und anderes Getier. Und es gab mancherlei zu hören: Lerchen-
sang und Wachtelschlag, Kuckucksruf und Bienengesumme, Grillen-
gezirp und Froschgequake. Das war ein Leben, so heiter — so frei!
Ein heißer Sommertag neigte sich dem Abend zu. Die Kühe
waren satt und hatten sich behaglich käuend ins Gras gestreckt.
Der Hans war des Forschens müde geworden, blickte träumerisch
der sinkenden Sonne nach und kraute der alten Liese das Fell.
Da erklang vom nahen Walde der Ruf des Kuckucks. Hans
horchte. Einen Kuckuck hätte er gern einmal gesehen und noch
lieber eines Kuckucks Nest. Der kleine Naturforscher wußte noch
nicht, daß der Kuckuck nichts vom Nestbauen hält. „Wo man des
Kuckucks Stimme hört," dachte er, „da muß ein Kuckuck sein; und
wo ein Kuckuck ist, kann nicht weit von ihm sein Nest sein." Der
Kuckuck rief wieder und wieder, und Hans hörte ihn auch spöttisch
lachen. Ihm war’s, als wollte der naseweise Vogel damit sagen:
„Dummer Junge, du findest mich doch nicht!" Hans den Kuckuck
1913 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Autor: Breidenstein, Heinrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
104 <
Hans erzählte nun unter Tränen: der Kuckuck habe ihn zum
Narren halten wollen. Da sei er ihm nachgelaufen, um ihn zu fangen.
Als er wieder aus dem Walde gekommen sei, wären die Kühe ver-
schwunden gewesen. Nur der Kuckuck sei schuld daran.
„Nicht der Kuckuck, sondern du!" versetzte der Vater ernst.
„Wenn wir die Kühe nicht wiederbekommen, so sind wir arm, und
es wird dir dann nicht mehr so gut gehen wie früher."
Indem er das sagte, kam die Mutter herein. Schweigend setzte
sie einen Teller mit Mehlsuppe vor Hans auf den Tisch und legte eine
Brotschnitte dabei. Schweigend ging sie' wieder hinaus.
„Du wirst", fuhr der Vater fort, „zur Strafe heute deine Mehl-
suppe ohne Milch essen, und an Stelle des fettgestrichenen Butter-
brotes gibt’s trockenes Brot."
Mehlsuppe! Mehlsuppe, die noch nie sein Leibgericht gewesen
war! Und ohne Milch sollte er die Suppe essen? Das war eine
harte, harte Aufgabe!
„Iß!" befahl der Vater bestimmt. Hans merkte, daß heute mit
dem Vater nicht zu spaßen war. Er tat sich Gewalt an und begann
zu löffeln. So lange wie diesen Abend hatte er noch nie zu einer
Mahlzeit gebraucht. Endlich zeigte sich der Boden des Tellers, und
Hans wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Nun
habe er keinen Hunger mehr, sagte er, das Brot wolle er morgen
essen. Aber der Vater meinte, morgen sei es trocken, Hans müsse
es sogleich essen. Was wollte er machen? Er mußte auch noch
das Brot verzehren.
„Nun, marsch ins Bett!" befahl der Vater, und Hans verschwand
schnell hinter der Kammertür.
Ach, diese lange, traurige Nacht! Hans schlief endlich ein.
Aber ein banger Traum ängstigte ihn. Im Traume irrte er die ganze
Nacht auf dem Felde umher, die Kühe suchend. Er streifte auch
durch den Wald und spähte hinter jeden Busch. Und der Kuckuck,
der sich wieder über ihn lustig machte, ließ nicht ab, ihn zu äffen.
Vielleicht waren die Kühe in den Graben gefallen. Er kam dahin
und fiel selber hinein. Nachdem er sich herausgerappelt hatte, suchte
er weiter. Endlich war’s ihm, als hörte er die Kühe brüllen. Da
erwachte er und sah, daß es schon Morgen war.
Ach, es war nur ein Traum gewesen! — Nein, er wachte ja,
und wieder hörte er das Brüllen! Das war doch die Stimme der
1914 -
Metz
: Even
- Auflagennummer (WdK): 10
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
124
anstellte, so gab ihm das ungeduldige Tier endlich mit einem der
Hinterfüße einen solchen Schlag vor den Kopf, daß er zu Boden
taumelte und eine Zeitlang sich gar nicht besinnen konnte, wo er
war. Glücklicherweise kam gerade ein Metzger des Weges, der auf
einem Schubkarren ein junges Schwein liegen hatte. „Was für
Streiche sind denn das!" rief er und half dem guten Hans auf.
Hans erzählte ihm, was vorgefallen war. Der Metzger reichte
ihm eine Flasche und sprach: „Da trink einmal und erhole dich!
Die Kuh will wohl keine Milch geben; das ist ein altes Tier,
das höchstens noch zum Ziehen taugt oder zum Schlachten." —
„Ei, ei," sprach Hans und strich sich die Haare über den Kopf,
„wer hätte das gedacht! Es ist freilich gut, wenn man so ein Tier
im Hause abschlachten kann; was gibt's für Fleisch! Aber ich
mache mir aus dem Kuhfleisch nicht viel; es ist mir nicht saftig
genug. Ja, wer so ein junges Schwein hätte! Das schmeckt
anders; dabei noch die Würste!" — „Höre, Hans," sprach da der
Metzger, „dir zulieb will ich tauschen und will dir das Schwein
für die Kuh lassen." —- „Gott lohne Ihnen Ihre Freundschaft,"
sprach Hans, übergab ihm die Kuh und ließ sich das Schweinchen
vom Karren losmachen und den Strick, woran es gebunden war,
in die Hand geben.
Hans zog weiter und überdachte, wie ihm doch alles nach
Wunsch ginge; begegnete ihm je eine Verdrießlichkeit, so würde sie
doch gleich wieder gut gemacht. Es gesellte sich danach ein Bursche
zu ihm, der eine schöne, weiße Gans unter dem Arme trug. Sie
boten einander die Zeit, und Hans fing an, ihm von seinem Glücke
zu erzählen und wie er immer so vorteilhaft getauscht habe. Der
Bursche erzählte ihm, daß er die Gans zu einem Kindtaufschmause
bringe. „Hebe einmal," fuhr er fort und packte sie bei den Flügeln,
„wie schwer sie ist; sie ist aber auch acht Wochen lang genudelt
worden. Wer in den Braten beißt, muß sich das Fett von beiden
Seiten des Mundes abwischen." — „Ja," sprach Hans und wog
sie mit der einen Hand, „die hat ihr Gewicht; aber mein Schwein
ist auch keine Sau." Indessen sah sich der Bursche nach allen
Seiten ganz bedenklich um, schüttelte auch mit dem Kopfe. „Höre,"
fing er darauf an, „mit deinem Schweine mag's nicht ganz richtig
sein. In dem Dorfe, durch das ich gekommen bin, ist eben dem
Schulzen eins aus dem Stalle gestohlen worden. Ich fürchte,
ich fürchte, du hast es da an der Hand; es wäre ein schlimmer
Handel, wenn sie dich damit fingen. Das geringste ist, daß du ins
finstere Loch gesteckt wirst." Dem guten Hans ward bange. „Ach
1905 -
Halle a.S.
: Buchh. des Waisenhauses
- Autor: Johansen, Christian, Alberti, Christian, Sach, August, Keck, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 17
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
47. Hans im Glücke.
47
Bald kam ein Bursche desselben Wegs und holte den Hans ein, der trug
eine fette, schwere, weiße Gans im Arm, grüßte Hans, und da sie miteinander
ins Gespräch kamen, erzählte er ihm, daß die Gans zu einem Kindtaufsbraten
bestimmt sei. Das müßte ein Braten werden, der seinesgleichen suche. Dabei
ließ er die Gans den Hans in der Hand wiegen und unter den Flügeln die
Fettklumpen befühlen.
„Die Gans ist gut, mein Schweinchen da ist aber auch kein Hund!" sagte
Hans. „Wo hast du denn das Schwein her?" fragte der Bursche, und Hans
erzählte, daß er es vor kurzem erst erhandelt. Da sah sich jener bedenklich um
und sprach: „Höre, ein Wort im Vertrauen! Da hinten im letzten Dorfe ist
dem Schulzen alleweil ein junges Schwein gestohlen worden. Der Dieb hat's
an dich verpascht, und wenn jetzt der Flurschütz uns nachkommt, — mich deucht,
ich sehe seinen Spieß schon dort über den Kornähren blinken, — so faßt er dich
für den Dieb, und du kommst, statt mit dem Schwein in die Küche deiner
Mutter, in des Teufel Küche!"
„Ach du mein lieber Herrgott! Was bin ich für ein Unglücksvogel!"
schrie Hans. „Hilf mir doch um Gotteswillcn, guter, liebster Freund!"
„Weißt du was?" sprach der Bursche; „geschwind gib mir das Schwein
und nimm du meine Gans! Ich weiß hier herum die Schleichwege, und ich
will mich schon unsichtbar machen!"
Gesagt, getan, Handel geschlossen, und in zwei Augenblicken waren Bursch
und Schwein dem Hans aus den Augen. „Bin ich doch ein Glücksvogel!"
lachte Hans innerlich und trug die Gans eine gute Strecke. Vom Flurschütz
oder sonst einem Nachsetzenden war nichts zu sehen. Hans berechnete den guten
Braten, das Fett, die Federn, die Freude seiner Mutter; und so kam er in das
letzte Dorf vor dem seinigen. Da stand ein Scherenschleifer an seinem Karren,
der sah ganz fröhlich aus, schliff und pfiff und pfiff und schliff, daß es nur so
schnurrte; dann sang er einen lustigen Gassenhauer:
„Ls kam ein junger Schleifer her,
schliff die Messer und die Scher'!
Hat's gern getan,
tut's noch eimnal,
was geht's dich an?
was hast du denn davon?"
Hans blieb ganz verwundert stehen mit seiner Gans und hatte seine Ver-
wunderung über des Schleifers Lustigkeit; dann bot er ihm guten Tag und
fragte: „Euch geht's gewiß recht gut, daß Ihr so lustig und fröhlich seid?
Wer's doch auch so hätte!"
16. Bd. 1
- S. 97
1911 -
Straßburg
: Straßburger Dr. und Verl.-Anst.
- Hrsg.: Gottesleben, N.
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Ii. Alls dem Menschenleben.
97
lohn' Euch Eure Freundschaft!" sprach Hans, übergab ihm die Kuh,
ließ sich das Schweinchen von dem Karren losmachen und den Strick,
woran es gebunden war, in die Hand geben.
4. Wie Hans das Schwein gegen eine Gans umtauscht.
Hans zog weiter und überdachte, wie ihm doch alles nach Wunsch
ginge; begegnete ihm ja eine Verdrießlichkeit, so würde sie doch gleich
wieder gut gemacht. Es gesellte sich danach ein Bursche zu ihm, der
trug eine schöne, weiße Gans unter dem Arm. Sie boten einander die
Zeit, und Hans sing an, von seinem Glück zu erzählen, und wie er
immer so vorteilhaft getauscht hätte. Der Bursch erzählte ihm, daß er die
Gans zu einem Kindtaufschmaus brächte. „Hebt einmal," fuhr er fort
und packte sie bei den Flügeln, „wie schwer die ist! Die ist aber auch
acht Wochen lang genudelt worden. Wer in den Braten beißt, muß sich
das Fett von beiden Seiten abwischen." — „Ja," sprach Hans und
wog sie mit der einen Hand, „die hat ihr Gewicht; aber mein Schwein
ist auch nicht zu verachten." Indessen sah sich der Bursch nach allen
Seiten ganz bedenklich um, schüttelte auch wohl mit dem Kopfe. „Hört,"
fing er darauf an, „mit Eurem Schweine mag's nicht ganz richtig
sein. In dem Dorfe, durch das ich gekommen bin, ist eben dem Schulzen
eins aus dem Stalle gestohlen worden; ich fürchte, ich fürchte, Ihr
habt's da in der Hand. Sie haben Leute ausgeschickt, und es wäre ein
schlimmer Handel, wenn sie Euch mit dem Schwein erwischten; das
geringste ist, daß Ihr ins finstere Loch gesteckt werdet." Dem guten
Hans wurde bang. „Ach Gott," sprach er, „helft mir aus der Not!
Ihr wißt hier herum besser Bescheid; nehmt mein Schwein da und laßt
mir Eure Gans!" — „Ich muß schon etwas aufs Spiel setzen," ant-
wortete der Bursche, „aber ich will doch nicht schuld sein, daß Ihr ins
Unglück geratet." Er nahm also das Seil in die Hand und trieb das
Schwein schnell aus einen Seitenweg fort; der gute Hans aber ging,
seiner Sorgen entledigt, mit der Gans unter dem Arme der Heimat zu.
„Wenn ich's recht überlege," sprach er mit sich selbst, „hab' ich noch
Vorteil bei dem Tausche: erstlich den guten Braten, hernach die Menge
von Fett, die herausträufeln wird, das gibt Günsefettbrot auf ein Vier-
teljahr, und endlich die schönen, weißen Federn, die laß' ich mir in mein
Kopfkissen stopfen, und daraus will ich wohl ungewiegt einschlafen. Was
wird meine Mutter eine Freude haben!"
5. Wie Hans die Gans gegen zwei Steine umtauscht.
Als er durch das letzte Dorf gekommen war, stand da ein Scheren-
schleifer mit seinem Karren; sein Rad schnurrte, und er sang dazu:
»Ich schleife die Schere und drehe geschwind
Und hänge mein Mäntelchen nach dem Wind."
N. Sottesteben, Deutsches Lesebuch. L
7
1911 -
Bielefeld [u.a.]
: Velhagen & Klasing
- Autor: Porger, Gustav, Wolff, Karl
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Knabenmittelschule
- Inhalt Raum/Thema: ABC_Lesen
- Geschlecht (WdK): Jungen
220
4. Doch einmal in jedem Jahrhundert entlassen
Die Kiemen gewaltige Wassermassen.
Dann holt das Untier ties Atem ein
Und peitscht die Wellen und schläft wieder ein.
Viel tausend Menschen im Nordland ertrinken.
Viel reiche Länder und Städte versinken.
Trutz, Blanke Hans.
5. Rnngholt ist reich und wird immer reicher,
Kein Korn mehr faßt selbst der größeste Speicher.
Wie zur Blütezeit im alten Rom
Staut hier täglich der Menschenstrom.
Die Sänften tragen Syrer und Mohren,
Mit Goldblech und Flitter in Nasen und Ohren.
Trutz, Blanke Hans.
6. Auf allen Märkten, auf allen Gassen
Lärmende Leute, betrunkene Massen.
Sie ziehen am Abend hinaus auf den Deich:
„Wir trotzen dir. Blanker Hans, Nordseeteich!"
Und wie sie drohend die Fäuste ballen.
Zieht leis aus dem Schlamm der Krake die Krallen.
Trutz, Blanke Hans.
7. Die Wasser ebben, die Vögel ruhen,
Der liebe Gott geht auf leisesten Schuhen.
Der Mond zieht am Himmel gelassen die Bahn,
Belächelt der protzigen Rungholter Wahn.
Von Brasilien glänzt bis zu Norwegs Riffen
Das Meer wie schlafender Stahl, der geschliffen.
Trutz, Blanke Hans.
8. Und überall Friede, im Meer, in den Landen —
Plötzlich wie Ruf eines Raubtiers in Banden:
Das Scheusal wälzte sich, atmete tief
Und schloß die Augen wieder und schlief.
Und rauschende, schwarze, langmähnige Wogen
Kommen wie rasende Rosse geflogen.
Trutz, Blanke Hans.
9. Ein einziger Schrei — die Stadt ist versunken,
llnd Hunderttausende sind ertrunken.
Wo gestern noch Lärm und lustiger Tisch,
Schwamm andern Tags der stumme Fisch. —
Heut bin ich über Rungholt gefahren,
Die Stadt ging unter vor sechshundert Jahren.
Trutz, Blanke Hans?
1910 -
Leipzig [u.a.]
: Klinkhardt
- Autor: Tromnau, Friedrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Hans im Glücke.
133
hätte! Das schmeckt anders; dabei noch die Würste!“ —
„Hört, Hans,“ sprach da der Metzger, „Euch zu Liebe will ich
tauschen und will Euch das Schwein für die Kuh lassen.“ —
„Gott lohne Euch Eure Freundschaft,“ sprach Hans, übergab
ihm freudig die Kuh und ließ sich das Schweinchen vom
Karren losmachen und den Strick, woran es gebunden war,
in die Hand geben.
4. Hans zog weiter und überdachte, wie ihm doch alles
nach Wunsch ginge; begegnete ihm ja eine Verdrießlichkeit,
so würde sie doch gleich wieder gut gemacht. Es gesellte sich
danach ein Bursche zu ihm, der trug eine schöne, weiße Gans
unter dem Arme. Sie boten einander die Zeit, und Hans fing
an, ihm von seinem Glück zu erzählen, und wie er immer so
vorteilhaft getauscht hätte. Der Bursche erzählte ihm, daß er
die Gans zu einem Kindtaufschmause brächte. „Hebt einmal,“
fuhr er fort und packte sie bei den Flügeln, „wie schwer sie
ist; sie ist aber auch acht Wochen genudelt worden. Wer in
den Braten beißt, muß sich das Fett von beiden Seiten ab-
wischen.“ — „Ja,“ sprach Hans und wog mit der einen Hand,
„die hat ihr Gewicht; aber mein Schwein ist auch nichts Geringes.“
Indessen sah sich der Bursche nach allen Seiten bedenklich
um, schüttelte auch wohl mit dem Kopfe. „Hört,“ fing er
darauf an, „mit Eurem Schweine mag’s nicht ganz richtig sein.
In dem Dorfe, durch das ich gekommen bin, ist eben dem
Schulzen eins aus dem Stalle gestohlen worden. Ich fürchte,
ich fürchte, Ihr habt’s da in der Hand! Es wäre ein schlimmer
Handel, wenn sie Euch damit fingen; das geringste ist, daß
Ihr ins finstere Loch gesteckt werdet.“ Dem guten Hans ward
bange. „Ach Gott,“ sprach er, „helft mir aus der Not! Ihr
wißt hier herum besser Bescheid; nehmt mein Schwein da
und laßt mir Eure Gans!“ — „Ich muß schon etwas aufs Spiel
setzen,“ antwortete der Bursche, „aber ich will doch nicht
schuld sein, daß Ihr ins Unglück geratet.“ Er nahm also das
Seil in die Hand und trieb das Schwein schnell auf einem
Seitenwege fort. Der gute Hans aber ging, seiner Sorgen
1911 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Heider, Friedrich
- Hrsg.: Nohl, Walter
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
— 211 —
gefragt, wo du hin willst?“ — „Sei nur nicht so grob!“ sagte der
Riese; aber Hans rief: „Was willst du denn; du kannst mir nichts
tun!“ Da sagte der Riese: „Kannst du einen Stein so hoch werfen,
daß er eine ganze Stunde fortbleibt?“ — „Ja,“ sagte Hans, „ich
kann ihn so hoch werfen, daß er gar nicht wieder herunterkommt.“
Dabei grabbelte er so herum, als wenn er einen Stein suchte, und
holte dabei seinen Sperling aus der Tasche. Den warf er in die
Höhe, und der Sperling flog fort.
Nun sagte Hans zu dem Riesen: „Kannst du Wasser aus einem
Steine drücken?“ — „Das weiß ich nicht“, sagte der Riese, suchte
sich einen Stein und fing an zu drücken; es kam aber kein Wasser
heraus. Nun grabbelte Hans wieder herum, als ob er einen Stein
suchte. Dabei nahm er seinen Kümmelkäse aus der Tasche und
drückte, daß das Wasser nur so herauslief. Da sagte der Riese:
„Du bist mir über; willst du bei mir als Knecht dienen?“ Hans
sagte zu; sie einigten sich über den Lohn, und Hans wurde Knecht
bei dem Riesen.
4. Als sie nach Hause kamen, sollte Hans eine Tracht Wasser
aus dem Brunnen holen und kriegte dazu ein Paar so große Eimer,
daß er sie leer kaum tragen konnte, geschweige denn gefüllt. Als
er die Eimer zum Brunnen geschleppt und gefüllt hatte, ließ er sie
stehen und fing an, mit einer Stange in dem Wasser zu stochern.
Dem Riesen wurde die Zeit lang; er ging ihm nach und fragte,
warum er nicht wiederkäme. — „Ja,“ sagte Hans, „hier ist ein großer
Eisch in dem Brunnen, den möcht’ ich erst zu fassen kriegen.“ —
„Na, dann sieh nur zu, daß du ihn kriegst“, sagte der Riese und
trug die Tracht Wasser selbst nach Hause.
Am andern Tage wollten sie in den Wald, Holz zu holen. Hans
aber ging schon am Abend zuvor dorthin und sägte seinen Baum so
weit an, daß er beinahe umfiel. Am andern Morgen haute er nur
noch ein paarmal zu, und der Baum lag am Boden; der Riese hatte
aber mit seinem Baume kaum erst angefangen. Als sie nun die
Bäume nach Hause tragen wollten, sagte Hans zu dem Riesen: „Du
mußt unter das Stammende und ich unter die Krone; denn die ist
schwerer, weil alle Aste dran sind.“ Da nahm der Riese das Stamm-
ende auf den Nacken; Hans aber ging nach hinten zur Krone, setzte
14*
1886 -
Berlin
: Stubenrauch
- Autor: Wetzel, Friedrich, Richter, Carl, Menzel, J., Menges, Heinrich
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: ABC_Lesen
103
weiter, immer nach dem Dorfe seiner Mutter zu. Die Hitze
ward drückender, je näher der Mittag kam, und Hans befand
sich in einer Einöde, die wohl noch eine Stunde dauerte. Da
ward ihm ganz heiss, so dass ihm vor Durst die Zunge am Gau-
men klebte. „Dem Ding ist zu helfen,“ dachte Hans, „jetzt
will ich meine Kuh melken und mich an der Milch Iahen! “ Er
band sie an einen dürren Baum, und da er keinen Eimer hatte,
so stellte er seine Ledermütze unter; aber wie er sich auch
bemühte, es kam kein Tropfen Milch zum Vorschein. Und weil
er sich ungeschickt dabei anstellte, so gab ihm das ungeduldige
Tier endlich mit einem der Hinterfüfse einen Schlag vor den
Kopf, dass er zu Boden taumelte und eine Zeitlang sich gar
nicht besinnen konnte, wo er war. Glücklicherweise kam gerade
ein Metzger des Weges, der auf einem Schiebkarren ein junges
Schwein liegen hatte. „Was sind das für Streiche!“ rief er
und half dem guten Hans auf. Hans erzählte, was vorgefallen
war. Der Metzger sprach: „Die Kuh will wohl keine Milch
geben? Das ist ein altes Tier, das höchstens noch zum Ziehen
taugt oder zum Schlachten.“ — „Ei, ei,“ sprach Hans und strich
sich die Haare über den Kopf, „wer hätte das gedacht! Es ist
freilich gut, wenn man so ein Tier abschlachten kann; was
giebt’s für Fleisch! Aber ich mache mir aus dem Kuhfleisch
nicht viel; es ist mir nicht saftig genug. Ja, wer so ein
junges Schwein hätte! Das schmeckt anders; dabei noch die
Würste!“ — „Hört, Hans,“ sprach da der Metzger, „Euch zu
Liebe will ich tauschen und will Euch das Schwein für die Kuh
lassen.“ — „Schönen Dank für Eure Freundschaft!“ sprach
Hans, übergab ihm die Kuh, liess sich das Schweinchen vom
Karren losmachen und den Strick, daran es gebunden war, in
die Hand geben.
5. Hans zog weiter und überdachte, wie ihm doch alles
nach Wunsch ginge; begegnete ihm ja einmal eine Verdriesslichkeit,
so wurde sie auch gleich wieder gut gemacht. Es gesellte sich
darnach ein Bursche zu ihm, der trug eine schöne, weifse Gans
unter dem Arm. Sie boten einander die Zeit, und Hans fing
an von seinem Glücke zu erzählen, und wie er immer so vor-
teilhaft getauscht hätte. Der Bursche erzählte ihm, dass er die
Gans zu einem Hochzeitsschmause brächte. „Hebt einmal,“ fuhr
er fort und packte sie bei den Flügeln, „wie schwer sie ist!
Die ist aber auch acht Wochen lang gemästet worden.“ — „Ja,“
sprach Hans und wog sie mit der einen Hand, „die hat ihr
Gewicht; aber mein Schwein ist auch nichts Geringes!“ Indessen
sah sich der Bursche nach allen Seiten ganz bedenklich um,