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1850 -
Hannover
: Hahn
- Autor: Beck, Joseph
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Unterrichtsanstalt
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): Jungen
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nach und nach die Grundlage der meisten Landrechte und brachte
die Rechtspflege allmälig ganz in die Hände eines gelehrten
Standes, der Juristen. Nur England behielt seine alte freie und
volksthümliche Gerichtsverfassung.
2) Zur Verbesserung der peinlichen Rechtspflege in
Teutschland ward auf dem Reichstage zu Regensburg (1532)
Kaisers Karl V. und des heil, römischen Reichs pein-
liche Halsgerichts-Ordnung (die Carolina) bekannt ge-
macht, der die bambergische Halsgerichts-Ordnung zu
Grunde liegt.
3) Ein trauriges Zeichen des tiefen Verfalls dieser Zeit und
des Mangels an wahrer Religiosität ist die außerordentliche Zu-
nahme der Herenprocesse, dieser Ausgeburt geistiger Rohheit
und fanatischer Befangenheit. Zauberei und Zauberer, d.i.
der Glaube, daß der Mensch mit Hilfe höherer Wesen, der Dä-
monen, über die Kräfte der Natur nach Willkür gebieten und
Übernatürliches bewirken könne, kommt neben dem Götterdienst
bei allen alten Völkern vor. Bei den Germanen und Kelten
wurde die Zauberkunde vorzugsweise den Frauen, insbe-
sondere alten Weibern, zugeschrieben.
4) Dieser heidnische Glaube an eine höhere Zauberkraft der
Menschen blieb auch nach Einführung des Christenthums;
nur trat jetzt an die Stelle der heidnischen Götter der Teu-
fel, wodurch die Zauberei allmälig in einem ganz andern Lichte,
als etwas höchst Sündhaftes und Verbrecherisches erscheinen mußte.
Gegen Zauberer und Zauberinnen oder sogenannte Heren *)
wurden daher schon früher kirchliche und weltliche Strafen ver-
hängt, zumal da im Mittelalter Ketzerei und Zauberei bald
miteinander vermengt wurden.
5) Doch kamen bis in's 15. Jahrhundert noch selten eigent-
liche Herenprocesse vor. Erst als mit Einführung des römi-
schen Rechts allmälig das ganze Gerichtswesen umgeändert und
durch Anwendung der furchtbaren Folter als Mittel beim Be-
weisverfahren leicht das Geständniß dessen, was man suchte, er-
zwungen werden konnte, mehrten sich die Herenprocesse im 16.
und 17. Jahrhundert, insbesondere in Teutschland, und zwar
bei Katholiken und Protestanten, in wahrhaft betrübender
Weise 2). Tausende von Unglücklichen, die der Unverstand oder
die Bosheit in den Ruf der Hererei brachte, d. i. eines Bun-
des mit dem Teufel, durch dessen Hilfe sie aus bloßer Schaden-
freude Unthaten zum Nachtheil der Menschen und Thiere verüben
sollen, wurden von den Gerichten in Üntersuchung gezogen und
wenn sie durch die grausamsten Martern der Folter zu Geständ-
nissen gezwungen worden waren, zur härtesten Strafe, meist
zum Feuertod verurtheilt.
6) Ein Zeitgenosse dieser Gräuel, der edle Friedrich Spee
1837 -
Oldenburg
: Schulze
- Autor: Fortmann, Heinrich
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
Kaiser Joseph 2.
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durch französischen Einfluß, umstimmeu und die Aufhebung dcs
Ordens aussprechen (I. 1773), wonach sie in Teutschland so-
fort, jedoch mit schonender Rücksicht, zur Ausführung gebracht
wurde. Der König von Preußen willfahrte indeß erst nach
acht Jahren, indem er die Pflichten eines ehrlichen Mannes
nicht verletzen zu wollen sich erklärte. Sonderbar genug fanden
die Jesuiten in Rußland bis in den spateren Zeiten Schutz.
Der Orden zahlte bei seinem Erlöschen 22,589 Mitglieder in
24 Provinzen.
Kaiser Joseph 2. hatte sogar lange mit Ungeduld in feine
Mutter gedrungen, ihrerseits die Aufhebung nachdrücklicher zu
betreiben. Uebrigens beschäftigten ihn andere Dinge eben so
sehr. Im I. 1770 trat durch Mißwachs eine fast allgemeine
Hungersnot!) ein, und die einzelnen Regierungsbezirke crhöhctcn
den Nothstand durch die Grenzsperren, weil damit, was noch
vorräthig war, nicht in den freien Verkehr kam. Der Reichs-
tag traf in dieser Hinsicht nur sehr beschränkte Maßregeln.
Aber Friedrich von Preußen hatte seine Militair-Magazine reich-
lich voll und konnte nicht allein sein Volk daraus versorgen,
sondern auch vielen Tausenden, welche aus den Nachbarländern
cinwanderten, den Nothbedarf reichen. Uebrigens sollen damals
in Böhmen und in dem sächsischen Erzgebirgslande gegen 200,000
Mann dem Elende erlegen seyn, da ansteckende Seuchen hinzu-
kamen und eben so viel Opfer wie der Hunger forderten.
In diesen Jahren siel auch die erste Theilung Polens vor.
Die langjährigen inneren Zerwürfnisse dieses Landes hatten den
angrenzenden Mächten Gelegenheit zur Einmischung verschafft.
Rußland, Oestreich und Preußen waren die guten Freunde,
welche je nach ihren besonderen Interessen an der Ausgabe ar-
beiteten, den innern Zerrüttungen zu steuern, und sich endlich
überzeugten, daß eine Zerstücklung der Kräfte am besten helfen
würde. Sonach kam (I. 1772) unter denselben ein Theilungs-
vertrag zu Stande, wodurch Polen um 4,343 Qm. geschmälert
wurde. Die solche Beute sich ancignetcn, wußten scheinbare
Rechtsgründe Jahrhunderte weit hcrzuhoken, und des unglück-
lichen Volkes Klageruf verscholl wirkungslos, da die anderen
Mächte stillschweigend zusahen.
England namentlich, das vormals in Teutschland nicht das
Mindeste ohne feine Ueberrcchnung hingehen ließ, hatte jetzt
kaum noch Zeit, diesseits in anderer Absicht, als zum Ankäufe
teutschen Blutes, herübcrzublicken. Die nordamcrikanischen Frei-
heitskämpfe machten ungewöhnliche Streikkräfte nöthig, und
die teutschen Fürsten langten mit offnen Händen nach engli-
schen Pfunden, um dafür die Söhue ihres Landes hinzugeben,
daß sie kampfend für eine Sache stürben, die das Vaterland
daheim nicht das Mindeste anging. Gegen 20,000 Mann
1817 -
München
: Königl. Schulbücher-Hauptverl.
- Autor: Breyer, Carl Wilhelm Friedrich von
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Studienanstalt
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Studienanstalt
- Regionen (OPAC): Bayern
Dritter Zeitraum. Von 109h bis 1517. 513
Heinrichs von Thüringen ein Gegenkaiser anfge§
stellt, welcher bald sich einen bedeutenden Anhang verschaffte.
Und als Heinrich im Jahre 1247 gestorben war, er-
hielt die päpstliche Partei in Teutschland an dein Gra-
fen Wilhelm von Holland ein neues Haupt. Murh-
voll, aber ohne bedeutenden Erfolg, suchte Eonrad, der
zweite Sohn des Kaisers, der iin Jahre 1237 zum römi-
schen Könige erwählt worden war, das väterliche Anseben
aufrecht zu erhalten. Auch in der Lombardei traf (1248)
die kaiserlichen Waffen Unglück, den Papst aber vermoch-
ten keine Vorschläge Friedrichs zur Versöhnung zu bewe-
gen. Noch bauerte der große Kampf fort, als der Kai-
ser <1250), sieben und fünfzig Zahre alt, in das Grab
sank, vielleicht vergiftet, oder, welches wahrscheinlicher
ist, verzehrt von dem Grame über den unglücksvollen
-Streit mit der Kirche»
8» Conrad Iv. (1280 - l£54)> Wilhelm ( 1247 -
1256), Richard von Cornwallis (1257- 1271),
Alphons X. von Castilien (1257 - 1284).
Nach dem Tode Friedrichs Ii. ward die Verwirrung
in Teutschland immer größer. Conrad Iv. ging bereits
im Zahre 1251 nach Italien, um Sicilien in Besitz zu
nehmen, starb aber schon ( 1254) nach wenigen Jahren.
Bald hierauf (125ö) kam auch König Wilhelm in ei-
tlem Kriege gegen die Friesen um. Bei der allgemeinen Ge-
setzlosigkeit, die nun herrschte, fand sich kein Fürst ul
Teutschland, welcher sich der Oberherrschaft über das auft
gelösete Reich unterziehen wollte. Man wandte sich da-
her an auswärtige. Aber während die größere Partei
der teutschen Fürsten den Grafen Richard von Corn-
wallis, den Bruder Heinrichs Iii. von England, zum
Könige wählte, beriefen andere Alphons X. den
Weisen von Castilien auf den teutschen Thron. Doch
Richard sowohl als Alphons waren mehr dem Namen,
als der That nach Könige von Teutschland. Alphons kam
nie nach Teutschland, und erließ Verordnungen, welche
Niemand befolgte; Richard aber, den innere Unruhen öfter
tzach England zurückriefen, machte sich hauptsächlich nut
1821 -
Nürnberg
: Campe
- Autor: Jerrer, Georg Ludwig
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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König der Teutschen und römischer Kaiser zu werden.
Er bot den einen Wahlfürsten 8000 Pfund Sterling,
den andern 9000, seinem vornehmsten Gönner aber, dem
Erzbischofs von Cöln, 12,Mo Pfund. Darin versah er
es aber, daß er dem Erzbischoff Arnold von Trier
nicht eben so viel gab, denn dieser konnte nicht einsehen,
warum er weniger erhalten sollte, als sein College. Er
nahm daher in seinem Zorn gar nichts an, zog einige
andere Fürsten auf seine Seite und mit ihnen den dama-
ligen spanischen König Alp ho ns X. Nun hatte also
Leutschland wieder zwei Könige, und niemand wußte,
welcher der rechtmäßige sei. Zum Glück war Alphons
so sehr zu Hause beschäftigt, daß er gar nicht nach
Teutschland kommen konnte. Richard aber erschien un-
ter sehr glücklichen Vorbedeutungen. Er ließ nämlich
zwei und dreißig achtspännige, schwer mit Geld beladene
Wagen vor sich hergehen, die bei dem gemeinen Manne
große Sensation erregten. Er selbst wurde zu Aachen
feierlich eingeholt und mit großem Pomp gekrönt.
Viel früher als Richard es dachte, wurden aber
durch den ungeheuern Aufwand, den er zu machen hatte,
die Geldfässer leer. Er mußte daher zurück reisen und
sie wieder füllen lassen. Die folgenden Jahre erschien
er zwar wieder in Teutschland, aber immer nur auf
wenige Monathe. Es waren Unruhen in England aus-
gebrochen, und da er den Feinden seines Bruders in
die Hände fiel, verfuhren diese so unglimpflich mit dem
Könige der Teutschen und dem künftigen römischen Kai-
ser, daß sie ihn über Jahr und Tag in ein Gefängniß
einsperrten (126-O.
Richard kam gleichwohl noch einmal nach Teutsch-
land, und machte sich durch einige löbliche Verordnung
gen, z. B. die Herstellung der freien Rheinschiffahrt, um
die Teutschen verdient. Er vermählte sich auch mit einem
1850 -
Hannover
: Hahn
- Autor: Beck, Joseph
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Unterrichtsanstalt
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): Jungen
86
6) Durch Chateaubriand erhielt die Poesie wieder einen
höhern Aufschwung. Die romantische Schule: Victor Hugo
(geb. 1802, Lyriker, Dramatiker, Romanschreiber), Alph. de
Lamartine (geb. 1799, ausgezeichnetster Lyriker der Franzosen).
— Klassische Schule: Der große Liederdichter Béranger (geb.
1780), der Lyriker und Dramatiker Cas. Delavigne (geb. 1794).
— Die Romanschreiber: Aler. Dumas, Ch. Nodier, Jules
Ianin, Balzac, Eugen Sue. — Die Dramatiker: Etienne,
Scribe.
8. 65.
Fortsetzung. — England.
1) Auch in England machte sich durch die Stuarts fran-
zösischer Geschmack geltend und blieb nicht ohne Einfluß auf die
manchfaltigen Poesien von Dryden (1631—1701), Pope. (1688
—1744), Addison (4 1719) u. a.
2) Andere verfolgten jedoch bald wieder einen eigenthümlichen
nationalen und sittlich ernsten Gang, wie Thomson (4 1748,
86380n8), Joung (4 1765, night thoughts), Swift (4 1745,
Satiren), Richardson (4 1761), Schöpfer des englischen Fami-
lienromans, der durch Fielding (4 1754), Oliver Goldsmith
(4 1774, Vi63l' ok Wskefïeld), ©terne (4 1768, sentimentsl
journey) seine weitere Ausbildung erhielt.
3) In der neueren Zeit ragen Lord Byron (4 1824), Wal-
ter Scott (4 1832) durch seine historischen Romane, E. Bul-
wer, Thomas Moore u. andere hervor. — Die Nordamerika-
ner Cooper, Wash. Irving.
4) Groß sind die Engländer in der politischen Beredsam-
keit: W. Pitt, Chatham (4 1778), For (4 1806), Edm.
Burke (1797), W. Pitt der Sohn (41806), Sheridan, Can-
ning, Brougham, John Rüssel, Robert Peel u. a.
8. 66.
Fortsetzung. — Teutschland.
1) In Teutschland bereiteten Albrecht von Haller
(41777), Gellert (1769), Hagedorn (1754), Rabener (1771),
Bodmer (1783), Zachariä (1777), Kleist (1759), Uz (1796),
v. Cronegk, Lichtwehr, Weiße, Pfeffel (4 1809), Schu-
bart das klassische Zeitalter der Literatur vor, das mit Fr. Gottl.
Klopstock (1724—1803) und Gotth. Ephraim Lessing (1729—
81) begann und in Wolfg. v. Göthe (24. Aug. 1749 —22. März
1832), Ioh. Gottfr. v. Herder (1744 — 1803), Fr. v. Schil-
ler (10. Nov. 1759 — 9. Mai 1805), Christ. Mart. Wieland
(1733-1812) und J. Paul Fr. Richter (1763—1825) ihre größ-
ten Genien verehrt.
2) Neben diesen die Göttinger: I. H. Voß (1751—1826),
1835 -
Hannover
: Hahn
- Autor: Beck, Joseph
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Unterrichtsanstalt
- Geschlecht (WdK): Jungen
78
Mann, der früher dem Volke gehörte, ward der Hörige des Königs.
Die Wahl des Königs, wie der übrigen Beamten in der Volksver-
sammlung, ward bald nur Schein; bald setzte der König die Grafen
und Herzoge in den Provinzen selbst ein. Zwar wurden die Ge-
setze, Kriegs und Friede in der Volksversammlung noch berathen;
aber hier übte der König durch seine Leute, zu denen bald der
größere Theil der Nation gehörte, überwiegenden Einfluß. —
Durch Alles dieses, und insbesondere, da durch Berührung der
unverdorbenen, aber rohen Kraft der Teutschen mit der verfeinerten
Verdorbenheit der unterjochten Römer ein furchtbarer Grad der Sit-
tenlosigkeit entstand, schien — nach aller menschlichen Berechnung —
nichts als die trostlose Umkehr in eine neue allgemeine Barbarei, zu
der Sklaverei der Massen, und dem Despotismus der Einzelnen —
offen zu stehen. Aber die erziehende Vorsehung hatte um dieselbe
Zeit solcher Entartung bereits entgegengearbeitet, und ihr für immer
einen Damm gesetzt, in der Ausbreitung des Christenthums.
Unsere Vorfahren lernten das Christenthum theils bei den unter-
jochten Römern, theils durch edle Männer kennen, die ihr Vaterland
und Alles verlassend, in die Wälder unserer Heimath zogen, um dort
unter Entbehrungen, Verfolgungen und Martern jeder Art, die be-
seligende Lehre des göttlichen Meisters zu verkünden, sie nicht selten
mit dem eigenen Blute zu besiegeln, und auch dann den Muth nicht
zu verlieren, wo mit der Aussaat des göttlichen Wortes bei der Roh-
heit und Bärbarei der Zeit auch das Unkraut in üppiger Menge auf-
sproßte. Diese Männer kamen großentheils aus England und
Irland. In den Gegenden des Bodensees traten Columban,
Gallus, Fridolin auf; Trudbert im Breisgau. Gallus
gründete St. Gallen, Pirminius das Kloster Reichenau, bei-
des für lange Zeit Wiege und Sitz der Kultur und Wissenschaft im
südlichen Teutschland. Unter den Hessen und Thüringern lehrte
mit besonderm Erfolge Bonifacius (Winfried) auch ein Angel-
sachse, stiftete viele Kirchen und Bisthümer, und ward selbst Erzbi-
schof von Mainz und dadurch Primas von Teutschland. Aber
bald legte er diese Würde nieder, um das Evangelium unter den
heidnischen Friesen zu verkünden. Hier fand er den Tod des Mär-
tyrers, ,1. Juni 755.
Besonders wurden um diese Zeit die Mönche wahre Wohltha-
tep der Menschheit. Schon vor der Erscheinung des Christenthums
hielten Manche fromme Gemüther Entfernung von der Welt für den
sichersten Weg, auch von ihrer Selbstsucht sich zu entfernen und zur
Gemeinschaft mit Gott sich zu wenden. Zumal geschah dieses seit
der Verfolgungen, welche die Christen zu erdulden hatten, in Ägyp-
ten. Man nannte sie Mönche (monachi, d. i. Einsamlebende).
Um 350 vereinigte Pachomius mehre derselben, damit sie nach
einer gemeinschaftlichen Regel- lebten. So entstanden die Klöster
(claustrum, coenobium). Im Abendlande schrieb Benedikt von
1809 -
Weimar
: Verl. des Geograph. Inst.
- Autor: Gaspari, Adam Christian
- Auflagennummer (WdK): 7
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Atlas
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Teutschland. 119
weder a) die hochteutsche in vielen sehr abweichenden
Mundarten, oder b) die plattteutsche, und 2) die
wendische Sprache. Die römisch - katholische
und die evangelische Religi onspartei, wel-
che letztere unter dem Namen der Protestanten Lu-
theraner und Reformirte begreift, hatten bisher in Teutsch-
land, aber nicht in den einzelnen teutschen Staaten,
völlig gleiche Rechte. Andere christliche Sekten, und
auch Juden, werden an vielen Orten geduldet. Bei
keiner Nation in der Welt sind die nützlichen Kenntnisse
mehr unter allen Standen verbreitet, als bei der teut-
schen; auch trifft man nirgends mehr und bessere An-
stalten zum Unterrichte der Jugend, nirgends so viele
Schriftsteller in allen Fachern an, als in Teutschland.
Für die Wissenschaften und bildenden Künste giebt es
noch jetzt nach Aufhebung mehrerer derselben in neuern
Zeiten an 30 Universitäten (worunter 18 protestantische
und r vermischte), mehrere gelehrte und artistische Gesell-
schaften, viele Gymnasien und Specialschulen.
Anmerk. Man rechnet in Teutschland nach Thalern
oder Reichsthalern und Reichsgulden. Beide werden in
Groschen und Pfennige, oder in Batzen, Kreuzer und
Pfennige, auch in Albus, Schillinge, Grote und anders,
getheilt. Die ausgeprägten Münzsorten sind, wiewohl
bisher von gesummten Reichs wegen gar kein Geld ge«
prägt wurde, äußerst mannichfaltig, weil fast jeder
teutsche Staat die Münzgerechtigkeit hat und ausübt.
Der gewöhnlichste Münzfuß ist der Conventionsfuß,
nach welchem d-ie Mark Silbers zu so Gulden ausgebracht
wird. Es ist aber der Zahlwerth dieses Conventionsgel-
des in einem großen Theile Teutschlands um £ erhöht,
und daraus der Unterschied zwischen dem 20 und dem 24
Gulden - Fuß entstanden. Die gröberen Sllbersorten
find: Specieslhaler, zu 2 Gulden oder rz Thaler; Gul-
den; halbe Gulden rc. An Goldmünzen, deren Werth
i» Teutschland unbeständig ist, find vorhanden: Severi*
1829 -
Leipzig
: Hinrichs
- Autor: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
geistlichen Hierarchie mächtig erschüttert und innerhalb aller
zum Protestantismus übergehenden Reiche und Staaten, durch
die Sicherstellung der religiösen und kirchlichen Freiheit, völlig
gestürzt ward; so ward der U m st u rz d c s L c h n ssy st c m s
in Frankreich, wo dasselbe von den Franken seine feste Ausbil-
dung (seit 486) erhalten hatte, die erste Ursache der großen
politischen Umbildung der europäischen Reiche zur bürger-
lichen und politischen Freiheit durch Einführung,ste l l-
vcrtrercnder Verfassungen, welche, beim Anfänge der
französischen Revolution, blos in England und in Nordame-
rika galten. Unter den Stürmen des Re'volutionskriegcs be-
gann die politische Wiedergeburt Europa's, wie einst un-
ter den Stürmen der Religionskriege die kirchliche Wieder-
geburt unscrs Erdtheils; denn die wichtigsten Grundsätze des
Natur- und Staatsrcchts: daß der Staat auf Vertrag
zwischen Regenten und Völkern beruhe; daß vor dem Gesetze
alle Bürger des Staates gleich scyen; daß ohne Preßfreiheit
keine bürgerliche Freiheit gcdcnkbar scy; daß alle öffentliche
Lasten, ohne Ausnahme, unter alle Staatsbürger gleichmä-
ßig vcrtheilt, und die höchsten Staatsbehörden für ihre Ver-
waltung verantwortlich scyn müßten, — wurden die Grund-
lagen der neuen Verfassungen, welche beinahe der
Hälfte der ganzen europäischen Bevölkerung seit den letzten
30 Jahren eine Verjüngung des inncrn politischen Lebens
gaben. Die Macht der öffentlichen Meinung sprach für diese
Verjüngung; die große Finanznoth der meisten Reiche und
Staaten führte unverkennbar zu einer dringend nöthigen
Umbildung der innern Verhältnisse; der rechtliche Geist der
Völker, welche das französische Joch abschütteltcn, verlangte
und bedurfte einer öffentlichen Anerkennung, und edle Für-
sten verstanden die Stimme des fortgeschrittenen Zeitgeistes
und ihrer mündig gewordenen Völker, und gaben, in Ver-
bindung und im Einverständnisse mit den Stellvertretern die-
ser Völker, ihren Reichen und Staaten neue zeitgemäße Ver-
fassungen, oder sicherten wenigstens durch heilige Zulagen
und, wie in Teutschland, durch den dreizehnten Artikel der
tcutschen Bundrsacte, die Einführung einer neuen Ordnung
der Dinge, welche die bürgerliche und politische Freiheit auf
9. Bd. 2
- S. 300
1824 -
Frankfurt a. M. Leipzig
: Hinrichs
- Autor: Karl Heinrich Ludwig, Pölitz
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 5 – Tertiärbereich
<300 \ Sechster Zeitraum.
den Kanzeln verlesen. Seit dieser Zeit hob sich der dritte
Stand, besonders durch die Freiheit des Handels nach dem
Auslande. Eben so gewann die Gerichtsverfassung
durch die Einfü hrung der Geschw ornen, durch die
völlige Aufhebung der Ordalien, besonders aber dadurch,
daß das d e n übrigen g e r m a n i s ch e n R e i ch e n a u f-
gedrungene römische Recht nie auf dem freien
Boden Englands feste Wurzel schlagen konnte.
— Auf Johann folgte sein Sohn Heinrich 3 (1216 —
1273), dessen Bruder Richard von C o r n w a l l i s (1257),
nach dem Abgänge der Hohenstaufen in Teutschland, teut-
scher König ward, ohne diesem Reiche neue Haltung geben
zu können. Heinrichs Verschwendung bewirkte einen innern
Krieg, in welchem er mit seinem Bruder und dem Kron-
prinzen Eduard gefangen genommen ward. Der Anführer
der Gegenparthei, der Graf von Le ice st er, berief ein
Parlament (1265) zusammen, an welchem zum ersten-
male städtische Abgeordnete Antheil nahmen, eine Ein-
richtung, die nach achtzehn Jahren der König Eduard nach-
ahmte. Dieser Eduard entfloh, als Kronprinz, aus der
Gefangenschaft der Aristokraten, und befreite auch seinen
Vater aus derselben durch die Schlacht bei Evesham (1265),
in welcher Leicester siel.
365.
Fortsetzung.
Eduard 1 folgte seinem Vater im Jahre 1272; ein
Fürst von unternehmendem, kriegerischem Charakter, welchem
aber Züge von Harte und Grausamkeit nicht fremd waren.
Ihm gelang (1284) die völlige Besiegung des bis dahin in
beständigen Empörungen aufwogenden Wales; die gericht-
liche Verfassung des Reiches ward verbessert, und die Wis-
senschaften erhielten durch Roger Bacon (doctor mira-
bilis), der wahrend dieser Regierung lebte, einen neuen
und höher» Umschwung. — Eine willkührliche und traurige
Regierung unter Eduard 2 (1307—1317) trat zwischen
die kraftvolle Leitung Eduards 1 und Eduards 3, bis
1817 -
Elberfeld
: Büschler
- Autor: Kohlrausch, Friedrich
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
Adolf von Nassau. 285
aegen Philipp den Schönen von Frankreich, für eine
beträchtliche Geldsumme. Zu der Hülfe kam es nicht,
weil der Streit für den Augenblick beigelegt wurde,
das Geld aber wandte Adolf an sich ein Land zu
kaufen. Es herrschte damals ein böser Markgraf in
Thüringen, Albrecht der Unartige, der verstieß
seine treffliche Gemahlin Margaretha, Tochter ^Kaiser
Friedrich ll., und heirathete die Kunigunde von Isen-
berg. Die arme Mutter, als sie ihre Kinder verlas-
sen mußte, biß im Schmerz des Abschiedes ihren ei-
nen Sohn Friedrich in die Wange, weshalb er in der
Geschichte den Namen: „Friedrich mit der gebissenen
Wange" erhalten hat. Der unnatürliche Vater aber
verkaufte die Erblander der beiden Söhne erster Ehe
dem Kaiser Adolf, um das Geld dem Sohne der Ku-
nigunde, Albrecht, zuzuwenden. Die beiden Söh-
ne, Friedrich und Diezmann kämpften, als sie
herangewachsen waren, ritterlich für ihr Erbe, weil
das Land ihnen treu war, und der Kaiser sah sich
genöthigt, einen ungerechten Krieg gegen sie zu füh-
ren, er, dessen erste Pflicht es war. Recht und Ge-
rechtigkeit zu üben. Sie eroberten einen Theil ihrer
Lander wieder.
Solch unwürdiges Verfahren hatte den Kon g
Adolf in Teutschland verhaßt gemacht; dazu kam, daß
der wankelmüthige Erzbischof Gerhard von Maynz
gleichfalls mit ihm unzufrieden war, weil er sich in
seiner Hoffnung betrogen sah, ihn nach Gefallen zu
leuken. Auf seinen Antrieb wurde also eine Fursten-
versammlung, gehalten und Adolf abgesetzt: „Weil er
Kirchen verwüstet, von einem Geringeren, (dem Kö-
nig von England), Sold genommen, das Reich nicht
gemehrt, sondern gemindert, und den Landfrieden nicht
gehandhabt habe;" und Albrecht von Oe st-
reich wurde gewählt.
Dies ist das erste Beifpiel, daß die Churfürsten,
ohne Antrieb des Papstes, allein einen Kaiser abge-
setzt haben.
Tie beiden Gegner zogen gegen einander; bei
Worms kämpften sie die entscheidende Schlacht, 1298.
Adolf wurde geschlagen und fiel selbst im Gefechte.
1817 -
Elberfeld
: Büschler
- Autor: Kohlrausch, Friedrich
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
3io V.ztr.rud. v.habsb. bis Karl V. 1278 — 1620.
genwartig war, sollte zuerst die Abdankungsurkunde
unterschreiben; er suchte Auswege,^ endlich aber gab
er nach und las seine Abdankung öffentlich vor. Kai-
ser Sigmund und alle Anwesende waren voller Freu-
de; der Kaiser erhob sich sogar, küßte dem Papst die
Füße, und dankte ihm im Namen der christlichen Welt,
daß er ein so herrliches Beispiel der Selbstüberwin-
dung gegeben. Allein Johann hatte nur zum Schein
nachgegebcn, schon hatte er seine Abrede mit seinem
Freunde, dem Herzog Friedrich von Ocstreich, genom-
men; dieser veranstaltete gleich darauf am 20. Marz
1415, ein großes Turnier, und als die Aufmerksam-
keit Aller auf das Fest gerichtet war, entfloh der
Papst verkleidet nach Schafhausen, welches damahls
noch eine östreichische Stadt war. Der Herzog folgte
ihm, und in der flacht entwichen gleichfalls alle ita-
lienischen und östrcichischen Prälaten. Der Papst ge-
dachte, auch wider den Willen des Conciliums, seine
Gewalt fortzusetzen. Allein die versammelten Kirchen-
vater aus Teutschland, England und Frankreich,
sammt dem Kaiser Sigismund, nahmen die Sache zu
ernsthaft. Das Concilium erklärte, „da seine Gewalt
unmittelbar von Christus und über dem Papste
sey, so sollten seine Beschlüsse auch ohne päpstliche
Bestätigung die Kirche vereinigen und reformiren."
Gegen die Entwichenen wurde mit dem größten Flach-
druck verfahren. Herzog Friedrich ward von dem Con-
ti lium in den Bann und von dem Kaise/ in die Acht
aethan, und auf des Letzteren Befehl griffen die schwä-
bischen Reichsstädte und die Schweizer des Herzogs
Erbländer an, und nahmen sie größtentheils weg.
(Erst zehn Jahre nach dieser Zeit nahm der Kaiser
den Herzog wieder zu Gnaden an, und gab ihm die
Länder, die im Reiche gelegen waren, zurück; die
Schweizer aber wollten ihre Eroberungen nicht wieder
herausgeben, und behielten das Aargau und andere
Stücke).
Der Papst, da er des herzoglichen Schutzes be-,
raubt war, mußte sich wohl den Beschlüssen des Cou-
ciliums fügen; er wurde gefangen in die Nähe von
Kostnitz zurückgeführt, um hier sein Eudurtheil zu ver-
1837 -
Oldenburg
: Schulze
- Autor: Fortmann, Heinrich
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
221
Vierter Zeitraum.
schers nicht, und so Vieles sich in der Folge auch zu feinem
Vortheile ereignen mochte, so ärntete er dennoch die Früchte
nicht. Sein Ansehen verminderte sich mit jedem Tage und
selbst seine Person war -zu wiederholten Malen nicht vor ge»
meiner Beschimpfung sicher. Für das Reich geschah fast gar
nichts. Glücklicher Weise lag die Gewährleistung des Landfrie-
dens für' den Augenblick in den Verhältnissen des rheinischen
Bundes, dem auch viele Bischöfe, Grafen und Edle bcigetreten
waren. Alle diese erkannten Wilhelm als König an; allein
in ihren Versammlungen faßten sie Beschlüsse und trafen Vor-
kehrungen, wie wenn er gar nicht vorhanden wäre. Die Be-
stätigung des Bundes auf einer Versammlung zu Oppenheim
war Alles, was ihm in dieser Hinsicht anheim gestellt wurde
(I. 1253). Nebenher war Wilhelm in einem Kriege mit der
Flanderischen Gräfin Margarethe verwickelt, . ohne daß er eini-
germaßen seine Forderungen geltend machen konnte. Er dauerte
mehre Jahre. Sodann traf er mit den Friesen hart zusammen
und zwang diese einstweilen zum Tribute. Sie aber standen
abermals auf und Wilhelm fand dabei seinen Tod; denn als
er wahrend des Feldzuges im Winter über einen gefrornen
Sumpf reiten wollte, blieb er mit dem Pferde darin stecken
und wurde von den Friesen ohne Weiteres erschlagen (1.1256).
Der rheinische Bund traf neue Vorkehrungen zur Erhaltung
des Landfriedens und beschloß, im Falle einer abermaligen zwie-
spältigen Königswahl keinem der Gewählten zu huldigen.
In Teutschland war es nunmehr so weit gekommen, daß
kein einheimischer Fürst noch Verlangen nachdem Besitze der Krone
trug, da die Bedeutung derselben jämmerlich herabgewürdigt
war, ihr Inhaber entweder ohne Willen und Macht dastehen,
oder ein Feind der Fürsten seyn mußte und somit keinen Au-
genblick des Lebens froh werden konnte. Ja die weltlichen
Fürsten kümmerten sich nicht einmal viel darum, ob sie gar ei-
nen König wieder bekamen. Anders aber dachten die geistlichen
^>errn, auf welche indeß das Meiste ankam. Konrad, Erzbischof
von Köln, betrieb das Wahlgefchaft, da Gerhard von Mainz,
dem Solches nach den Gesetzen sonst zustanv, in der Gefangen-
schaft des Herzogs Albrccht von Braunschweig war. Durch
diesen Umstand glaubte der Erzbischof Arnold von Trier, daß
ihm das Recht gebühre und traf deshalb gleichfalls Anstalt zur
Königswahl. Aerger als jetzt war es bei derselben noch nicht
zugegangen. Es war ein eigentlicher Handel; denn um Geld
wurde die Krone von beiden Seiten hingegeben. Dazu waren
es zwei Ausländer, welche den Kauf eingingen. Alfons von
Kastilien, ein Enkel Philipps von Hohenstaufen, war es bei
Arnold; bei Konrad von Köln war es der Bruder des Königs
von England, Richard von Cornwall, ein Anverwandter des
1813 -
Leipzig
: Hinrichs
- Autor: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 5 – Tertiärbereich
A2 Achte Periode.
so sehr sich auch der Papst dagegen setzte. Es gab also seit
dieser Zeit vereidete und unvereidete Priester. Die letz.
tern gesellten sich den Emigranten bei, die sich hauptsäch.
lieh nach Teutschland und England wandten.
618.
Fortsetzung.
Doch je kühner die Nationalversammlung bei einem über
alle Erwartung günstigen Erfolge in ihren Decreten wurde;
desto mehr bedrohten einige neu entstandene Clubbs ihre
innere Harmonie. Die Entstehung derselben, bereits zu
Versailles, war zufällig, indem sich mehrere Deputirte
schon im Voraus zu einem übereinstimmenden Betragen und
zu bestimmten Maasregeln in. Betreff der in der National-
versammlung vorkommenden Verhandlungen vereinten. So
waren es besonders die Deputirten von Bretagne, die
sich durch ihre vorgefaßten Entschlüsse und durch die Kraft
ihrer Beredsamkeit ein Uebergewicht in der Versammlung zu
verschaffen wußten. Bald schlossen sich mehrere Deputirte an
sie an, worauf sie (1790) ihre Zusammenkünfte in die Kirche
des aufgehobenen Iacobinerklosters in der Straße St. Honore'
verlegten. Daher ihr Name Iacobiner, der aber im
Anfange noch nicht die verworfenen Menschen bezeichnete,
welche späterhin die Seele dieser Gesellschaft wurden, als
Orleanisten zu ihnen traten, und seit dieser Zeit die hefti- -
gere Parthei derselben, die sich von den übrigen Mitgliedern
isolirte, den Namen Co r d eliers erhielt, welche sich nun in der
ehemaligen Barfüßerkirche versammelten und hauptsächlich gegen
die königlichefamilie erbittert waren. Danton und Murat
standen an ihrer Spitze. — Je stürmischer der Charakter
dieser Partheien aufwogte; desto mehr suchten einige sogleich in
dem Anfange der Revolution ausgezeichnete Männer einzu-
lenken, und dem Könige mehr Ansehen und Einfluß wieder
zu verschaffen. Dies war besonders Lafayettes und
Mirabeaus Absicht. Die allgemeine Stimme war aber
dagegen, so daß der König nicht einmal (1791) seine Ostern
zu St. Cloud halten konnte, weil man die Flucht desselben
befürchtete. Diese zu verhüten, hatte die Nationalversamm-
lung
1785 -
Leipzig
: Weidmann und Reich
- Autor: Kosche, Christian Traugott, Hammerdörfer, Karl
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Teutschland. 6;
schrecklichen Drangsale, welche die bisherigen Kaiser
von den Päbsten erduldet hatten — nun war kein
teutscher Fürst da, der Neigung geäußert hätte einen
so wankenden Thron zu besteigen. So wurden denn
Nrchard, Herzog von Kornwallis, und Alfons,
König r on Kastilien, von verschiednen Partheyen ge-
wählt, oder die Wahlfürsten hatten vielmehr ihre
Stimmen dem verkauft, der ihnen das meiste dafür
geboren hatte. Zween auswärtige mit dem wahrer!
Wohl und Weh der Nation unbekannte Fürsten, dei-
nen es nur um den äußern Glanz des Kaisertitels zu
thun war, und welche man blos nach der Stärke ih-
rer Vergabungen achtete, konnten die Wunden de§
Reiches unmöglich heilen. Alfons kam gar nicht nach
Teutschland, und Richard kümmerte sich, bis zu sei-
nem 1272 in England erfolgten Tode, beynahe eben
so wenig darum, als wenn er nie in dasselbe gekom-
men wäre. Dadurch erhob sich denn das Faustrecht
zu der fürchterlichsten Größe, die Reichsfürsten erwei-
terten ihre Macht immer mehr, und gelangten zum
Befitz der Landeshoheit, ja selbst viele Edelleute fien-
gen nun an, dadurch, daß sie sich der Botmäßigkeit
aller Fürsten entzogen, den Grund zu der unmittel-
baren Reichsritterfchaft zu legen. Ueberhaupt hatte
die Verfassung von Teutschland unter der Regierung
der schwäbischen Kaiser sehr beträchtliche Veränderun-
gen erlitten. Die wirkliche Macht derselben war
durch ihre italienischen Vergrößerungsplane immer
tiefer gesunken, und sie besaßen weit weniger Ansehen
im Reiche, als ihre oft so prächtigen Deklamationen
anzuzeigen schienen. Bey allen Greueln der Befeh-
dungen wurde doch die teutsche Rechtsgelahrtheit um-
ständlicher als vorhero, und Schwaben ¿ und
Sachsenspiegel, jene ehrwürdigen Sammlungen
teutscher Gesetze, find ein Produkt dieses Zeitraums.
Indessen, so verworren es auch in vielen Stücken
-aussah,
15. Bd. 3
- S. 53
1824 -
Frankfurt a. M. Leipzig
: Hinrichs
- Autor: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 5 – Tertiärbereich
Teutschland.
53
Privilegien, Lehnsgüter und anderer Ansprüche, im ganzen
Reiche und auf ewig verboten wurden, so wie auch die-
jenigen, welche einen Landfriedensbrecher be-
herbergen oder unterstützen würden, in gleiche
Strafe verfallen sollten. Dagegen sollte jeder seine an den
Andern zu machenden Ansprüche vor dem zu stiftenden Reichs-
gerichte anbringen, und die rechtliche Entscheidung erwarten.
Das Faust recht, das bis dahin seit Jahrhunderten in
Teutschland gewüthet hatte, ward durch dieses Grundge-
setz auf immer aufgehoben. —
Sollte aber der Landfriede allgemeine Gültigkeit erhalten
und der Selbsthülfe gesteuert werden; so mußte ein Gericht
damit in Verbindung stehen, welches über die Befolgung
des Landfriedens wachte, die Verletzungen desselben bestrafte,
und die Streitigkeiten der Stande entschied. Deshalb ward
an demselben Tage mit dem ewigen Landfrieden eine K a m-
mergerichtsordnung bekannt gemacht; denn das Kam-
mergericht sollte, als höchstes Reichsgericht, die neue
Form des Rechts in Teutschland einführen und aufrecht
halten. — Zugleich ward auf diesem Reichstage die Graf-
schaft Wirtem b erg, unter ihrem ausgezeichneten Regen-
ten Eberhard, zum Herzogthume (21 In ly 1495)
erhoben.
Maximilian hatte sich allerdings durch diese neuen
Einrichtungen Verdienste um Teutschland erworben; noch
immer blieb aber vieles in Rücksicht auf dieselben unbe-
stimmt, oder unausgeführt. Es lag überhaupt Mangel an
Festigkeit in der Verfolgung seiner Plane, und eine den
Regenten höchst nachtheilige V e r a n d e r l i ch k e i t und Plan-
losigkeit in allen seinen Entwürfen. Leicht ließ sich sein
wenig sicherer politischer Blick tauschen, weil überhaupt die
Politik nach außen in jenem Zeitalter noch in der Wiege
lag, und höchstens die Schlauheit verweltlichen italieni-
schen Fürsten, so wie die strenge Festigkeit des römischen
Stuhls damals als die ersten bedeutenden Versuche in der
Politik gelten können. Doch versäumte Maximilian die
einzelnen günstigen Gelegenheiten nicht, wo er das Privat-
1824 -
Marburg
: Krieger
- Autor: Nöding, Kaspar
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Bürgerschule, Volksschule, Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Bürgerschule, Landschule, Volksschule
- Regionen (OPAC): Hessen, Hessen-Homburg
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Hessen
122
dem Namen, Lige, entgegen, deren Haupt der
tapfere Herzoge Maximilian von Bayern
war.
Einige Jahre nachher (1617) wurde die von
den Protestanten geschlossene Verbindung (Union)
zu Heilbronn noch mehr befestigt; und Mo,
ritz traf darauf bei den in Teutschland zu furch,
lenden nahen Kriegsunruhen alle Anstalten, sei,
ne Staaten gegen Ueberfalle zu schützen.
Im Jahre 1618 schickte er 4 Geistliche zu ei,
ner Kirchenversammkung nach Dortrecht; und
obgleich diese alle daselbst gefaßten Beschlüsse ge,
- nehmigten und unter-eichneten: so war doch Mo,
ritz weise genug, dem Gewissen der Geistlichen
seiner Länder keinen Zwang dadurch aufzulegen.
Noch in diesem Jahre (161z) brachen end,
lich die so lange gefürchteten Kriegsunruhen in
Böhmen aus, und verbreiteten sich schnell über
Teutschland.
Die nächste Veranlassung zu dem völligen
Ausbruche dieses schrecklichen, Teutschland 3o Iah,
re lang verwüstenden, Krieges war die Verletzung
des sogenannten Maj estatsb r ie fes, eines
Kaiserlichen Schreibens, in welchem den böhmi,
scheu Brüdern (Anhängern der Lehre Huß'ens)
gleiche Rechte mit den Katholiken, so wie die Er,
laubniß, Kirchen zu bauen, eingeräumt worden
waren. Einige kleine Städte machten auch von
dieser Erlaubniß Gebrauch; sahen aber ihre ans,
gebauten Kirchen , auf Befehl des Kaisers, wie,
der zerstören. Da man sich nun wegen dieser
\
1784 -
Leipzig
: Weidmann und Reich
- Autor: Kosche, Christian Traugott, Hammerdörfer, Karl
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
England. 249
land und Inland, weil man auch in England wenig
Flachs bauet, außer in den nördlichen Grafschaften,
und ist auch sehr erklärbar, da England nicht so viele
wüste Ländereyen in sich schließt, und der Boden,
welcher ihm zu andern Absichten so vortheilhaft ist,
nicht auf viele Jahre durch Flachsbau zu einer andern
Kultur untauglich gemacht werden kann. Nur erst
gegen das Ende des verstoßenen Jahrhunderts ist in
England die Leineweberey aufgemunrert worden, hat
aber wegen der Menge anderer Manufakturen keinen
großen Grad der Vollkommenheit erreichen können.
Indessen befchasstigen sich doch nur in den vier Graf-
schaften Sommerset/ Dörfer, Mütsund^amp
alleilt auf 316 Familen damit, welche 5490 Weber-
stühle halten, und noch über 27002 Tagelöhner dazu
brauchen. Die englische Leinewand wird auch mei-
stens aus fremdem Garn gemacht, welches theils aus
Teutschland, und von den Küsten des baltischen Mee-
res , oder aus Jrrland kommt;' nur Manchester al-
lein verbraucht eine erstaunliche Menge leinen Garn,
welches mit Seide, Wolle, Baumwolle, angori-
schem Ziegenhaar u. s. w. verarbeitet wird. Kam-
mertuch und Batist werden seit 1764 zwar in der
Grafschaft Sussex gemacht, auch nicht minder schön,
alö in Frankreich, aber nicht so wohlfeil. Auch ver-
steht man hier die Kunst, der Leinwand durch gute
Bleichen Schönheit 311 ertheilen, und die Grafschaft
Pork hat deren auszuweisen. Seit der Regierung
Wilhelms Ui hat sich daö Parlament äußerst angele-
gen seyn lassen, die Verfertigung deö groben Se-
geltuches einzuführen, und durch äußerst hohe Abga-
den mehr der Einführung deö ausländischen vorzu-
beugen gesucht. Alle in Großbritannien neugebaute
Schiffe sind gezwungen bey 50 Pfund Sterling Strafe
mit brittischen Segeln ausgerüstet zu seyn , allein e6
hat doch noch nicht dahin kommen können, daß es
Q 5 mcht
1785 -
Leipzig
: Weidmann und Reich
- Autor: Kosche, Christian Traugott, Hammerdörfer, Karl
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Schweden.
57
dem Bericht der Generalzolldirektion hak alsoschwe.
den, wenn man das Mittel von «4 Jahren (1754-
1/68) nimmt, jährlich 331869 Schiffpf. Stan-
geneisen rc. aus'geführet, welche derkronezu i^Dal.
Smz. vom Schiffpf. jährlich 414832 Dal. Smz.
eingetragen haben. Das Bergkollegium, das Ei-
sencomtoir und die Bergdeputation der Reichsstan-
de gestehen aber einhellig, daß feit 1768 die Aus-
fuhre des Eisens sehr abgenommen habe, und die
Zollregister bestätigen diesen Verlust, welchen das
russische Eisen, theils wegen der ziemlichen Gleich-
heit der Güte, theils wegen seines Preises, zugesüget
hat. Die verschiedenen Sorten von Eisen, welche
aus Schweden in fremde Lander verführet werden,
sind i) das gestreckte weiße Blech, welches nach
Portugal und England geschickt wird, 2) das ge-
schmiedete weiße Blech, ebendahin 3) eiserne
platten gehen nach Teuschland, Spanien, Eng-
land und Portugal, 4) platte und lange Stan-
gen, 5) kleine viereckte Stangen, diese zwey
Sorten werden vornehmlich nach England verkauft,
6i allerlei) Gerathe und Werkzeuge zur Feld-
arbeit, 7) Nägel von allerlei) Art und Größe, be-
sonders nach Frankreich und Spanien, 8) wann-
faktureisen, so mehr oder weniger bearbeitet wor^
den, 9) kleine und platte Schienen, nach
Teutschland und Spanien, 10) Gtangeneisen,
vorzüglich nach England, Holland und Teutschland,
11) der Ehampelon wird in Frankreich, Teutsch-
land und vornehmlich in England verkauft, 12) Rei-
fen - oder platte gekrümmte Stangen, nach
Spanien und Teutschland, iz) Stahl, cemen-
tirter, 14) Garfvadt Stahl. Seit dem Reichs-
tage 1769 hak das Eisenkomtoir sreye Macht und
Gewalt, alle Maaßregeln zu ergreifen, die cs für
nützlich erachtet; und da der Unterschied der Zeiten
D 5 oft-
19. Bd. 1
- S. 417
1911 -
Leipzig
: Wiegandt
- Autor: Beier, Karl, Lamprecht, Karl
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Leipzig, Leipzig (Kreis)
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
— 417 —
7. Zur Geschichte des geistigen bez. religiösen Lebens.
1. Christian Thomasius ladet zum ersten Male seine Studenten durch eine deutsche Ankündigung ein. 1687, 24. Oktober.
a) „Christian Thomas Eröffnet Der
Studierenden Jugend zu Leipzig in einem Discours,
Welcher Gestalt man denen Frantzosen in gemeinem Leben und Wandel nachahmen solle?
Ein Collegium über des Gratians Grnnd-Reguln /
Vernünfftig / klug und artig zu leben.
Meine Herren!
@8 ist kein Zweiffel / und schon von vielen angemercfet worden / daß wenn unsere Vorfahren die alten Teutschen anitzo auferstehen und in Teutschland fommen sollen / ihnen im geringsten nicht düncken würde / daß sie in ihrem Vaterlande und bey ihren Landsleuten wären / sondern sie würden sich vielmehr einbilden / daß sie in einem frembden Lande bey unbefanten und gantz andern Menschen sich aufhielten; so grosse Enderungen sind / ich will nicht sagen / in tausend / sondern nur in etlichen hundert Jahren darinnen fürgegangen / unter welchen nicht die geringste ist / daß / dafür diesem die Frantzosen bey denen Teutschen in feine sonderliche Hochachtung fommen / heut zu Tage alles bey uns Frantzösisch seyn muß. Frantzösische Kleider / Frantzösische Speisen / Frantzösischer Haußrath / Frantzösische Sprachen / Frantzösische Sitten / Frantzösische Sünden / ja gar Frantzösische Kranck-hetten sind durchgehend im Schwange. Sollen wir uns nun nicht billig schämen (so wir ja nichts anders bebenden wollen) daß wenn unsere Vorfahren einen Blick in die itzige Welt thun sollen / sie an statt ihres gleichen in Teutschland anzutreffen dasselbe mit Teutschen Frantz-Mannern besetzet finden würden / welche von denen uhralten Gebräuchen so gar abgewichen sind / daß von selbigen säst nicht das geringste mehr / welches uns von den vorigen eine Anzeigung geben fönte / übrig blieben; ich meine ja / sie würden uns als unechte Kinder und Bastardte anspeyen / und uns eher mit unsern Frantzösischen Bärtgen für feige und weibische Memmen als ansehnliche wackere Männer achten; ich meine / sie würden uns entweder einen derben und nachdrücklichen Verweiß geben; oder aber uns nicht einmal ihres Zorns würdig achtende mit einem bittern Gelächter von sich stoffen.
Auff diese Weise pflegt man öffters von unserer heutigen Lebens-Art und Wandel zu urtheilen; aber meines Bedünckens / wenn man feine andere Ursachen wieder dieselbige fürbringen sän / möchte man wohl mit diesen in Ruhe stehen / und die guten alten Teutschen in ihren Gräbern ebensals ruhen lassen . . . Die alten Teutschen waren wegen eines und andern billig zu loben; aber wer wolle leugnen / daß wir nicht auch in vielen Stucken einen mercklichen Vortheil für ihnen anstzuweisen hätten? . . . So halte ich auch gäntzlich bafür, daß die Nachahmung
27
1785 -
Leipzig
: Weidmann und Reich
- Autor: Kosche, Christian Traugott, Hammerdörfer, Karl
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Laudwrrth-
schaft und
Bergbau.
io Teutschland.
platten lande, wo verhältnißmaßig weit mehr ein-
fache Sitten herrschen, rekrutirt würden. Dies sind
einige der allgemeinen Ursachen, welche bey allen Be-
mühungen, die Volksmenge zu vermehren, einen gros-
sen Theil derselben ohne den gewünschten Erfolg las-
sen: noch nähere aber liegen in der besondern Staats-
und Kirchenverfassung verschiedener teutschen Pro-
vinzen. Es giebt Gegenden in Teutschland, wo dem
Untcrthan von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang
Eine Stimme zuruft: Sieb/ Sieb! wo der Herr-
scher mehr verthut, als alle feine Provinzen einbrin-
gen, wo, statt dem Ackerbau, den Manufakturen ein-
heinufcher Produkte, der Volkserziehung unter die
Arme zu greifen, ungeheure Summen durch Jagden,
Opern und Favoriten verschwendet werden, wo die
Gesetze einem labirinthe gleichen, dessen Ausgang
Verderben ist, wo man aus keiner, oder aus gar zu
unerheblichen Ursachen das Band der Ehe zerreißet,
und durch die kränkendsten Beschimpfungen Kinder-
nwrderinnen schafft, wo die Regierung ihre Bürger
unter den nichtigsten Vorwänden init tyrannischer
Härte behandelt, und der Geist der Intoleranz die
unglücklichen Einwohner nöthigt, die schönen Gestlde
ihres Vaterlandes selbst mit andern Welttheilen zu
vertauschen. Es giebt, so unglaublich es ist, solche
Gegenden in eben dem lande, das so viele gute men-
schenfreundliche Fürsten zählet, und da, wo eins oder
mehrere dieser Gebrechen obwalten, da muß die Be-
völkerung auch nothwendig weit schwächer seyn, als
es den Kräften des landes gemäß ist, oder als sie
-dann ferm würde, wenn blos jene allgemeine Ursachen,
die Teutschland so wie jeden andern polizirten Staat
in unserm Zeitalter betreffen, darauf wirkten.
Da Terrtschland meist festes zum Ackerbau dienli-
ches land hat, so besindet sich derselbe auch, vor-
nehmlich