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1. Theil 4 - S. 218

1880 - Stuttgart : Heitz
218 Neueste Geschichte. 3. Periode. Deutschland. Thor geritten, wurden von Pöbelhaufen erkannt und verfolgt, und suchten Schutz in einem Gärtnerhäuschen; doch zog man sie hervor, um sie mit den ausgesuchtesten Martern zu Tode zu quälen. Die Kunde von dieser Gräuelthat trug in ganz Deutschland nicht wenig dazu bei, die Energie aller Wohldenkenden gegen die Pläne der Revolutionspartei zu stählen. Frankfurt wurde in Belagerungszustand erklärt und die kräftigsten Maßregeln zum Schutz der Versammlung getroffen. Seitdem wurde die Spaltung zwischen den Gemäßigten und den Radicalen in der Versammlung immer größer, und dieselbe zerfiel mehr und mehr in sich selbst. Schon früher hatte die preußische Nationalversammlung einen kläglichen Verlauf genommen. In derselben waren von Anfang an weder so viel Männer von Talent, noch eine so ernste Gesinnung zu finden gewesen, wie in Frankfurt; sie hatte sich von vornherein auf den Standpunkt der Revolution gestellt, indem sie eine Anerkennung derselben beantragte und dadurch das liberale Märzministerium (Camphausen-Hansemann) zum Rücktritt nöthigte. Das nachfolgende Ministerium Auerswald vermochte bei allem guten Willen eben so wenig, den wilden revolutionären Geist der Versammlung zu zügeln, welche vielmehr den Maßregeln, die von der Regierung zur allmähligeu Wiederherstellung der Ordnung getroffen wurden, bei jeder Gelegenheit feindlich entgegentrat. Die Pöbelherrschaft machte in der preußischen Hauptstadt immer weitere Fortschritte, wiederholt waren selbst Abgeordnete beleidigt und gemißhandelt worden und am 14. Juni kam es zu dem schmählichen Zeughaussturm, bei welchem freche Pöbelhaufen nicht blos Waffen, sondern auch vaterländische Siegeserinnerungen stahlen. Nichtsdestoweniger nahm die Nationalversammlung, welche selbst unter dem drohenden Einflüsse dieses „souveränen Straßvolks" stand, dasselbe jeder Zeit gegen die sogenannten Ausschreitungen der Regierung in Schutz. Als bei einem Straßenauflauf in der Festung Schweidnitz Seitens des Militärs kräftig eingeschritten worden war, verlangte die Nationalversammlung von der Regierung, die-Offiziere der ganzen Armee vor reactionärem Verhalten zu warnen. Da trat das Ministerium Auerswald zurück und an seine Stelle kam ein Ministerium Pfuel, welches jedoch dem Fortgang des revolutionären Uebermuths nicht, wie man gehofft hatte, Schranken entgegensetzte. Die Versammlung aber ging bei allen ihren Berathungen immer mehr darauf aus, die Grundpfeiler der bisherigen

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1. Theil 4 - S. 217

1880 - Stuttgart : Heitz
Vorparlament in Frankfurt. 217 Bungert eines andern Theils der Versammlung erwählten die Gemäßigten auch einen Reichsverweser in der Person des volksthüm-lichen Erzherzogs Johann von Oestreich, welcher am 11. Juli seinen Einzug in Frankfurt hielt, aus den Händen des bisherigen Präsidenten des Bundestags die von diesem bis dahin ausgeübte Gewalt übernahm und ein verantwortliches Ministerium ernannte. Die Nationalversammlung, in einem großen Theile ihrer Mitglieder von dem aufrichtigsten Willen für Deutschlands Wohl und von gemäßigten Gesinnungen erfüllt, ging nun an das große Werk der Verfassungsberathung und zwar sollten zuerst die Grundrechte der deutschen Nation festgestellt werden; aber bei der großen Verschiedenheit der Grundansichten und bei der sich immer vergrößernden Zersplitterung in kleine Parteien schritt das Werk nur sehr langsam fort, und nach und nach wurde die Theilnahme des deutschen Volks für die endlosen und unfruchtbaren Erörterungen des Parlaments sehr abgeschwächt. Je mehr später die einzelnen Regierungen, besonders die preußische, wieder an selbständiger Kraft gewannen, desto weniger waren sie geneigt, sich den Beschlüssen der Nationalversammlung unbedingt zu fügen, wodurch dieselbe vollends an innenn Halt und an Bedeutung verlor. Einstweilen ruhte jedoch bei derselben in den Augen des deutschen Volks die höchste Entscheidung über die inneren und selbst über die äußeren Angelegenheiten Deutschlands, und als daher über den Abschluß des Waffenstillstandes zu Malmöe zwischen Preußen und Dänemark überall eine gewaltige Aufregung entstand, blickten die Volksführer auf Frankfurt mit der Hoffnung, daß die Nationalversammlung denselben nicht genehmigen würde. Als dennoch die Mehrheit der Versammlung sich nach einigem Schwanken für die Annahme des Waffenstillstands erklärte, da hielten die Revolutionsmänner den Augenblick für günstig, um die Leidenschaft des erregten Volks zu neuen gewaltsamen Thaten anzufachen. Auf der Pfingstweide bei Frankfurt wurde eine stürmische Versammlung gehalten und beschlossen, die Mehrheit des Parlaments als „Hoch-verräther" zum Austritt .zu zwingen. Als dies durch Militärmacht gehindert worden, brach am 18. September ein Aufstand und Barricadenkarnpf in Frankfurt los, welcher zwar unterdrückt wurde, bei welchem aber zwei muthige preußische Volksvertreter, Fürst Lichnowsky und General von Auerswald, auf die scheußlichste Weise ermordet wurden. Dieselben waren vor das

2. Theil 4 - S. 217

1862 - Breslau : Max
Nationalversammlung in Frankfurt. Neichsverweser. 217 land das Bestreben der Volksaufwiegler auf diese Staatsform gerichtet. Schon war von den bisherigen Häuptern der liberalen und radicalen Partei ein Vorparlament in Frankfurt gehalten worden, welches den Grundsatz der Volkssou Vera ine tät auf- stellte und die Zusammenberufung einer deutschen Nationalver- sammlung durch unbeschränkte Anwählen beschloß, welche den Bun- destag beseitigen und eine neue Reichsverfassung im demokra- tischen Sinne geben sollte; bis dahin ward zur Ueberwachung der Regierungen ein Ausschuß von fünfzig Volksmännern (in Frankfurt) errichtet. Aber mit den hiernach eröffneten Aus- sichten ließen sich die Entschlossensten, besonders Hecker und Struve in Baden, nicht genügen; sie wollten eine gewaltsame Revolution herbeiführen und wußten in vielen Gegenden Mittel- und Süddeutschlands das Volk zu räuberischen Gewaltstreichen und zu revolutionairen Freischaarenzügen aufzuregen. Die Bun- desarmee war genöthigt, diese Schilderhebung mit Nachdruck zu bekämpfen, wobei der General Friedrich von Gagern meuch- lings erschossen wurde. Die deutsche Nationalversammlung in Frankfurt wurde 18. Mai eröffnet; dieselbe zählte eine Menge der ausgezeichnet- sten Männer Deutschlands zu ihren Mitgliedern, und in den ersten Zeiten gelang es dem gemäßigteren Theile derselben, wel- cher an dem ernsten Heinrich von Gagern einen Führer voll Kraft und Autorität hatte, der Wiederherstellung einer sicherern Ordnung der Dinge in Deutschland wichtige Dienste zu leisten. Zu demselben Zweck und im Gegensatz zu den republikanischen Bestrebungen eines andern Theils der Versammlung erwählten die Gemüßigten auch einen Reichsverweser in der Person des volkstümlichen Erzherzogs Johann von Oestreich, welcher am 11. Juli seinen Einzug in Frankfurt hielt, aus den Händen des bisherigen Präsidenten des Bundestags die von diesem bis dahin ausgeübte Gewalt übernahm und ein verantwortliches Mi- nisterium ernannte. Die Nationalversammlung, in einem großen Theile ihrer Mitglieder von dem aufrichtigsten Willen für Deutschlands Wohl und von gemäßigten Gesinnungen erfüllt, ging nun an das große Werk der Versassungsberathung und zwar sollten zuerst die Grundrechte der deutschen Nation festgestellt werden; aber bei der großen Verschiedenheit der Grundansichten und bei der sich immer vergrößernden Zersplitterung in kleine Parteien schritt

3. Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart - S. 74

1905 - Paderborn : Schöningh
74 Maurenbrecher: Deutschland nach 1850. demokratischen Angriffe wider das Heer und das Knigtum auf; er verteidigte mannhaft den Staat gegen den kosmopolitischen Liberalismus, khn, verwegen und rcksichtslos, redegewandt und schlagfertig, und doch trotz aller heftigen Reden von Anfang an ein Mann sehr khler Beobachtung und weit-blickender Berechnung, ein Mann mit klarem Verstnde, offenem Auge und entschlossenem Charakter zugleich Lwe und Fuchs. Schon im Jahre 1848 war sein Name genannt als Ministerkandidat, wenn man einen Ultra-Reaktionr zum Minister zu machen wnschte. Be-sonders in den Kreisen der reaktionren Politiker am preuischen Hose kannte man seine praktischen Eigenschaften, welche die ffentliche Meinung noch nicht kannte, und auch der König persnlich hatte sein Auge auf den jungen Herrn geworfen; er hatte ihn schon mehrmals zu Rate gezogen und bei vertraulichen Verhandlungen verwendet. Intim war Bismarck ferner mit dem General Leopold v. (Merlach,1 der feine schlagfertige Energie sehr hochschtzte. So erklrt es sich denn leicht, da man ihn 1851 an den wiedereingesetzten Bundestag schickte, zuerst als Legationsrat neben dem Gesandten von Rochow, dann seit dem Herbst 1851 als alleinigen Vertreter Preuens. Bismarck kam als prinzipieller Vertreter der Reaktionspolitik nach Frankfurt. Die sterreichische Partei konnte ihn als Gesinnungsgenossen begren; aber sehr bald machte er sich dort unbequem, besonders den sterreichischen Prsidenten des Bundestages, zuerst dem Grafen Thun (1851 bis 1853), dann Herrn von Prokefch-Osten (1853 bis 1855), zuletzt, seit 1855, dem Grafen Rechberg. Mit allen dreien focht er seine Hndel durch, oft mit sehr persnlicher Frbung, oft in sehr drastischen Szenen, doch immer durch und durch preuisch gesinnt und berzeugt von der Staatskraft Preuens. Die Dienerrolle, welche sterreich ihm zudachte, nahm er nicht an; fein Widerspruch bei kleinen Anlssen, in Formfragen, bereitete die prinzipielle Auflehnung gegen sterreich vor. Er durchschaute die innere Hohlheit dieses buntgemischten Reiches und seinen Mangel an nationaler Kraft; zugleich aber lernte er auch in Frankfurt die deutschen Verhltnisse grndlich kennen, die Ohnmacht des Bundes und die Erbrmlichkeit der Kleinstaaterei. Alles dies liegt heute klar vor unseren Augen, nachdem die Berichte, die er aus Frankfurt geschrieben, verffentlicht sind. Sein preuisches Selbstbewut-fein verlangte nach einer krftigen aktiven Politik; er war tatenlustig, und da dies sein Minister und sein König nicht waren, so wurde er ihnen wiederholt lstig; er mahnte und spornte sie an, aber vllig vergeblich. Allerdings wurde deshalb Bismarck in Frankfurt dem Liberalismus, welcher die ffentliche Meinung in Deutschland erfllte, nicht freundlich gesinnt. Fr die inneren Fragen war er gleichgltiger; die preuische Verfassung von 1850 nahm er an, weil sie einmal zu Recht bestand; er glaubte auch, 1 Generaladjutant Friedrich Wilhelms Iv.

4. Theil 4 - S. 218

1862 - Breslau : Max
218 Neueste Geschichte. 5. Periode. Deutschland. das Werk nur sehr langsam fort, und nach und nach wurde die Theilnahme des deutschen Volks für die endlosen und unfrucht- baren Erörterungen des Parlaments sehr abgeschwächt. Je mehr später die einzelnen Regierungen, besonders die preußische, wieder an selbständiger Kraft gewannen, desto weniger waren sie ge- neigt, sich den Beschlüssen der Nationalversammlung unbedingt zu fügen, wodurch dieselbe vollellds an innerm Halt und an Be- deutung verlor. Einstweilen ruhte jedoch bei derselben in den Augen des deutschen Volks die höchste Entscheidung über die inneren und selbst über die äußeren Angelegenheiten Deutschlands, und als daher über den Abschluß des Waffenstillstands zu Malmöe zwi- schen Preußen und Dänemark überall eine gewaltige Aufregung entstand, blickten die Volksführer auf Frankfurt mit der Hoff- nung, daß die Nationalversammlung denselben nicht genehmigen würde. Als dennoch die Mehrheit der Versammlung sich nach einigem Schwanken für die Annahme des Waffenstillstands er- klärte, da hielten die Revolutionsmänner den Augenblick für gün- stig, um die Leidenschaft des erregten Volks zu neuen gewalt- samen Thaten anzufachen. Auf der Pfingstweide bei Frankfurt wurde eine stürmische Versammlung gehalten und beschlossen, die Mehrheit des Parlaments als „Hochverräther" zum Austritt zu zwingen. Als dies durch Militairmacht gehindert worden, brach am 18. September ein Aufstand und Barricadenkampf in Frank- furt los, welcher zwar unterdrückt wurde, bei welchem aber zwei muthige preußische Volksvertreter, Fürst Lichnowsky und Ge- neral von Auerswald, auf die scheußlichste Weise ermordet wurden. Dieselben waren vor das Thor geritten, wurden von Pöbelhaufen erkannt und verfolgt, und suchten Schutz in einem Gärtnerhäuschen; doch zog man sie hervor, um sie mit den aus- gesuchtesten Martern zu Tode zu quälen. Die Kunde von dieser Gräuelthat trug in ganz Deutschland nicht wenig dazu bei, die Energie aller Wohldenkenden gegen die Pläne der Revolutions- partei zu stählen. Frankfurt wurde in Belagerungszustand er- klärt und die kräftigsten Maßregeln zum Schutz der Versamm- lung getroffen. Seitdem wurde die Spaltung zwischen den Ge- mäßigten und den Radicalen in der Versammlung immer größer, und dieselbe zerfiel mehr und mehr in sich selbst. Schon früher hatte die preußische Nationalversamm- lung einen kläglichen Verlauf genommen. In derselben waren ni ff

5. Erzählungen aus der Weltgeschichte - S. 171

1905 - Leipzig : Voigtländer
— 171 — unermüdlicher Reiter und Jäger; zugleich aber zeichnete er sich als tüchtiger Landwirt aus und fand in der Bewirtschaftung seines Gutes die größte Freude. — In dieser Zeit verdiente er sich auch seinen ersten Orden. Später fragte ihn einmal ein feiner Herr etwas spöttisch: „Wofür erhielten Sie die Denkmünze da?" — „Ich habe die Gewohnheit, zuweilen einem Menschen das Leben zu retten," antwortete Bismarck kurz und stolz. Die Denkmünze war die preußische Rettungsmedaille , und Bismarck hatte sie erhalten, weil er mit eigner Lebensgefahr seinen Reitknecht vom Tode des Ertrinkens gerettet hatte. Der in der ganzen Gegend angesehene junge Gutsbesitzer wurde Deichhauptmann, und in dem ersten preußischen Landtage Abgeordneter. Da hielt er seine erste Rede. Ein Abgeordneter hatte behauptet, das preußische Volk habe sich 1813 nur erhoben, um eine Verfassung zu erlangen. Aber Bismarck widersprach: es habe sich erhoben, um die Schmach der Fremdherrschaft abzuschütteln! „Es heißt meines Erachtens," sagte er, „der Nationalehre einen schlechten Dienst erweisen, wenn man annimmt, daß Mißhandlung und Erniedrigung, welche Preußen durch einen fremden Gewalthaber erlitten, nicht hinreichend gewesen seien, ihr Blut in Wallung zu bringen, und durch den Haß gegen die Fremdherrschaft alle andern Gefühle übertäubt werden zu lasten!" Auch weiter trat er in kühnen schlagfertigen Reden allen entgegen, die er für Gegner des preußischen Königs hielt. 3. Der Gesandte Bismarck. Auf einen so mutigen und dabei kenntnisreichen Abgeordneten wurde der König Friedrich Wilhelm Iv. aufmerksam. Er ließ sich gern mit Bismarck in Gespräche ein und fragte ihn oft um Rat. „Er hielt mich," sagte später Bismarck, „für ein Ei, aus dem er einen Minister ausbrüten wollte." Eines Tages fragte ihn der König, ob er den Posten des preußischen Gesandten am Bundestage in Frankfurt übernehmen wolle. Das war ein ganz neuer, fremder Beruf für Bismarck, aber kurz entschlossen sagte er sofort: „Eure Majestät können es ja mit mir versuchen. Geht es nicht, so ist es ja leicht, mich wieder nach Hause zu rufen." So wurde Bismarck Diplomat. Nach Frankfurt ging er in dem Gedanken, daß Preußen mit Österreich immerwährende Freundschaft suchen und mit ihm vereinigt Deutschland leiten müsse. Aber bald erkannte er, daß Österreich in Deutschland allein herrschen und Preußen nicht aufkommen lassen wollte. Auch in Kleinigkeiten zeigte sich das. Einmal besuchte Bismarck den österreichischen Gesandten. Der tat, als wenn der Vertreter Preußens weniger wäre als er, rauchte seine Zigarre weiter und bot

6. Vaterländische Geschichte der neuesten Zeit - S. 106

1910 - Düsseldorf : Bagel
106 friedliche Kaufleute und feindliche Heere sich trafen, sondern auch als Sitz einer Universität das Ziel der Lernbegierigen. Hier war die feine Bildung zu Hause; es war ein „Klein-Paris“, das zeitweilig literarisch und gesellig den guten Ton angab. Auf dem Gebiete des Buchhandels führte es sogar die erste Einigung Deutschlands herbei. Seine Bildungsanstalten waren schon früher die am stärksten besuchten, wie sie es heute noch sind. Für kaufmännische Zwecke aber, namentlich für den Geldhandel übertraf schon früher Frankfurt a. M. die Stadt an der Pleiße. Die seit 1240 eingerichteten Messen begründeten die erste Blüte. Die Goldene Bulle machte sie 1356 zur ideellen Hauptstadt Deutschlands, wo in der Regel auch die Kaiserkrönung stattfand. Im Geldgeschäft behauptete sich Frankfurt auch noch in der Zeit des Bundes an der Spitze, und als der Ausgleich der Taler-und Guldenrechnung hier überflüssig wurde, entwickelte sich doch der einmal gewonnene Wohlstand weiter, so daß sie auch jetzt noch im Geldgeschäft maßgebend ist. Die gefeiertste Stadt aber war wohl Nürnberg. Sie war die erste freie Stadt gewesen, die sich friedlich von der Verwaltung der burggräflichen Beamten befreite. Innere Kämpfe zwischen Patriziern und Handwerkern waren hier kaum vorgekommen. So konnte eine li iedliche und harmonische Entwicklung der Talente sich vollziehen, die nicht bloß dem Handel, sondern auch der Pflege alles Schönen zugewendet war. Das Kunstgewerbe wurde hier im Großen wie im Kleinen betrieben, und zugleich mit den Erzeugnissen des Orients sendete Nürnberg seine eigenen Kurzen Waren*) in alle Welt hinaus. Die Namen von Peter Vischer und Albrecht Dürer, von Adam Krafft und Veit Stoß mögen wenigstens andeuten, wie vielseitig hier die Pflege des Schönen war. Auch das Handwerk wurde durch die Kunst veredelt (Hans Sachs) und der Kaufmann wetteiferte im Wissen mit den gelehrten Humanisten (Martin Behaim, Willibald Pirck-heimer). Daß aber das alte Nürnberg in dem neuen weiterlebt, verrät uns ein Gang durch seine heutigen Straßen und ein Blick in seine durchgeistigte Industrie. So ist die alte Zeit wieder lebendig geworden. Es sind dieselben Plätze, die einst blühten und dieselben Linien, auf *) Für große, umfangreiche fehlten hier die Transportmittel; es waren „Kurze“ Waren, denen ihre geistige Arbeit den Wert verlieh.

7. Bismarcks Reden und Briefe in Auswahl - S. 27

1910 - Leipzig : Ehlermann
— 27 — halten, durch die beiden gleichberechtigten Schutzmächte Deutschlands gemeinschaftlich ausgeführt werde. Wenn ich dem Ministerium gegenüber einen Wunsch aussprechen wollte, so wäre es der, daß wir nicht eher entwaffnen, als bis die freien Konferenzen ein positives Resultat ergeben haben; dann bleibt es noch immer Zeit, einen Krieg zu führen, wenn wir ihn wirklich mit Ehren nicht vermeiden können oder nicht vermeiden wollen (Beifall rechts). Der letzte Satz wurde damals nicht genug beachtet, und daher blieb Bismarck in weiten Kreisen Preußens und Deutschlands als reaktionärer „Junker" um so ärger verschrieen, da er auch auf sozialem Gebiete gegen alle liberalen Forderungen sich entschieden erklärt hatte. Dritter Abschnitt. Der Gesandte als Vorkämpfer für die deutsche Einheit. (1851—1862.) I. In Frankfurt. (1851—1859.) Bismarck ‘antwortete auf die plötzliche Frage des Ministers von Manteuffel, ob er die Stelle eines Bundestagsgesandten annehmen wolle, einfach mit Ja. Darauf ließ der König ihn zu sich bescheiden (8. Mai 1851) und sagte: „Sie haben viel Mut, daß Sie ohne weiteres ein Ihnen fremdes Amt übernehmen." B. erwiderte: ‘. . . . Ich habe den Mut zu gehorchen, wenn Eure Majestät den Mut haben zu befehlen'. Darauf der König: „Dann wollen wir die Sache versuchen"'. Zum Geheimen Legationsrat ernannt, reiste B. am 10. Mai nach Frankfurt und wurde ant 18. August 1851 preußischer Gesandter am Bundestage. „Der junge Riese, plötzlich auf den Boden gestellt, auf den er gehört, ergreift mit unver-

8. Bd. 2 - S. 401

1911 - Leipzig : Wiegandt
— 401 — Beim Beginn der Nachmittagssitzung um 1 Uhr faßte die Versammlung einstimmig den Beschluß: sie sei der Ansicht, daß in möglichst kurzer Frist eine konstituirende deutsche Nationalversammlung vom Volke zu wählen und einzuberufen sei, damit dieselbe, als allein competent, definitive Beschlüsse über die Neugestaltung Deutschlands fasse ... Die Versammlung sprach sich unter allgemeinem Jubel dahin aus, daß auch Schleswig in den deutschen Bund aufzunehmen sei und an den Wahlen zur Nationalversammlung Theil zu nehmen habe . . (Leipziger Zeitung 1848, Nr. 94.) 3. Die Entwickelung einzelner größerer Parteien. a) „Das Parteileben in der Nationalversammlung zu Frankfurt hat mannigfache Phasen durchlaufen . . . Beim Vorparlamente konnte es zu ausgeprägten Parteibildungen bei der Kürze der Zeit, welche das Vorparlament andauerte, und dem hastigen Drange der Begebenheiten nicht kommen. Einige Führer vereinigten wohl eine Schaar Gleichgesinnter um sich, mit denen sie die Taktik des nächsten Tages oder der nächsten Stunden beriethen — so Hecker und Struve die extremste republikanische Partei, so Vater Jtzstein und Blum die etwas gemäßigtere oder doch vorsichtigere Linke, so H. v. Gagern, Welcker, Bassermann die con-servativen Elemente der anderen Seite. Daneben florirte das eigentliche Club- und Versammlungswesen nach dem Muster der ersten französischen Revolution in jenen redeentflammten, tatendurstigen Zusammenkünften des Weidenbusches, des holländischen Hofes, des Wolfsecks, in denen ein Hecker, ein Kapp u. A. einer begeisterungglühenden, meist aus jugendlichen Feuerköpfen bestehenden Zuhörerschaft das Hohelied von der einen und untheilbaren deutschen Republik predigten . . ., nur zuweilen in ihren Illusionen von der Unfehlbarkeit und allgemeinen Ueberzeugungskraft ihrer Lehren gestört durch das kühne Wort eines Raveaux oder Jahn, die unerschrocken mitten in die hoffnungstrunkenen Träume der republikanischen Schwärmer besonnene Worte der Warnung und der Hindeutung auf die nüchterne Wirklichkeit hineinwarfen." (Karl Biedermann, Erinnerungen aus der Paulskirche, S. 1 u. 2.) b) „Sogleich am ersten Tage *) platzten die Geister tüchtig aufeinander. Auch hier war es der Gegensatz von Monarchie und Republik, der sich wie ein rother Faden durch alle Verhandlungen zog. Der vorbereitende Ausschuß hatte ein Programm vorgelegt, welches sich offen und entschieden zum monarchisch-constitutionellen Bundesstaate bekannte. Dem stellte G. v. Struve ein anderes, sehr umfängliches entgegen, welches nicht blos ultrademokratisch und republikanisch, sondern auch etwas socialistisch war. Für und gegen beide Programme ward heftig hin und her gestritten . . . An diesem ersten Tage kam es zu keiner Entscheidung zwischen den Parteien, sondern nur zu einem Waffenstillstände. Die Frage über die künftige Verfassung Deutschlands ward von der Tagesordnung des Vorparlamentes abgesetzt und dem Parlamente vorbehalten . . . $m Allgemeinen war der Verlauf des Vorparlaments ein ungleich besserer, als ich gefürchtet hatte. Trotz der starken numerischen Ueberlegenheit des süddeutschen Elements hatte doch die monarchische und gemäßigt liberale Richtung entschieden über die republikanische gesiegt, hatte die wiederholten Anläufe dieser letzteren jedesmal mit großen Majoritäten abgeschlagen. Die Stadt Frankfurt x) der Verhandlungen im Vorparlament. 26 4

9. Geschichtliches Lesebuch - S. 179

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
Xii. Maurenbrecher, Deutschland von 1850 bis 1856. 179 die preußische Verfassung von 1850 uahm er an, weil sie einmal zu Recht bestaub, er glaubte auch, für die auswärtige Politik Preußens aus der Volksvertretung großen Nutzen ziehen zu können; aber freilich war Manteuffel dazu nicht der Mann. Als reaktionärer Politiker war Bismarck nach Frankfurt gekommen. Dort wurde er der Feind Österreichs. Ihm galt jetzt als Aufgabe und Ziel der preußischen Politik, Österreich aus Deutschland auszu-stoßen und dann eine Unterordnung der anderen deutschen Länder unter Preußen herbeizuführen. Darauf richteten sich von Anfang an in Frankfurt seine Gedanken. Bismarck hielt mehrmals in jener Periode eine Aktion Preußens für möglich, sowohl während der Verwicklungen in der Orientfrage, als aus Anlaß des italienischen Krieges; aber seine Ratschläge wurden in Berlin nicht beachtet und in der Öffentlichkeit nicht bekannt; sie wichen immer erheblich von den Forderungen der öffentlichen Meinung Deutschlands ab und ebenso von der Politik seiner vorgesetzten Minister. Bismarcks leitender Gedanke war, daß der Feind Preußens nicht Rußland, nicht Italien, sondern Österreich wäre — „Ceteruin censeo Austriam esse impugnandam“ hätte er wohl sagen können; auf diesen Ton stimmte er seine Berichte; er machte nicht im geringsten ein Geheimnis aus seiner Kriegslust gegen Österreich. Ein durchreisender österreichischer Erzherzog befragte ihn einmal boshaft wegen der vielen Orden, die er auf der Brust trug, ob er diese alle im Kriege verdient hätte: „Alle verdient vor dem Feinde, alle hier in Frankfurt," lautete seine schlagfertige Antwort. Seiner politischen Vergangenheit und seinen politischen Überzeugungen nach diente der preußische Gesandte in Frankfurt gern der allgemeinen Tendenz der Reaktion. Dem Bundestag war von den leitenden Machthabern 1851 sofort die Aufgabe gestellt, allenthalben in deutschen Ländern eine gesunde Reaktion wider den Radikalismus der letzten Jahre ins Leben zu rufen und fordernd zu unterstützen. Der Bundestag setzte sofort 1851 einen Ausschuß ein, um über die allgemeinen Maßregeln und Mittel einer Herstellung der alten Zustände zu beraten. Am 16. August erstattete derselbe seinen Bericht; mit ungewohnter Schnelligkeit billigte der Bundestag schon am 23. August die Vorschläge: es sollten die vorn Frankfurter Parlamente erlassenen Grundrechte, wo sie durch die Gesetzgebung verkündigt waren, von Bnndeswegen aufgehoben werden; man riet überall Revision der Landesverfassung an. Weiterhin erwog man allgemeine Gegenmaßregeln gegen den 12*

10. Geschichtliches Lesebuch - S. 179

1903 - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht
Xii. Maurenbrecher, Deutschland von 1850 bis 1856. 179 die preußische Verfassung von 1850 nahm er an, weil sie einmal zu Recht bestand, er glaubte auch, für die auswärtige Politik Preußens aus der Volksvertretung großen Nutzen ziehen zu können; aber freilich war Manteuffel dazu nicht der Mann. Als reaktionärer Politiker war Bismarck nach Frankfurt gekommen. Dort wurde er der Feind Österreichs. Ihm galt jetzt als Aufgabe und Ziel der preußischen Politik, Österreich aus Deutschland auszustoßen und dann eine Unterordnung der anderen deutschen Länder unter Preußen herbeizuführen. Darauf richteten sich von Anfang an in Frankfurt seine Gedanken. Bismarck hielt mehrmals in jener Periode eine Aktion Preußens für möglich, sowohl während der Verwicklungen in der Orientfrage, als aus Anlaß des italienischen Krieges; aber seine Ratschläge wurden in Berlin nicht beachtet und in der Öffentlichkeit nicht bekannt; sie wichen immer erheblich von den Forderungen der öffentlichen Meinung Deutschlands ab und ebenso von der Politik seiner vorgesetzten Minister. Bismarcks leitender Gedanke war, daß der Feind Preußens nicht Rußland, nicht Italien, sondern Österreich wäre —- „Ceterum censeo Austriam esse impugnandam“ hätte er wohl sagen können; auf diesen Ton stimmte er seine Berichte; er machte nicht im geringsten ein Geheimnis aus seiner Kriegslust gegen Österreich. Ein durchreisender österreichischer Erzherzog befragte ihn einmal boshaft wegen der vielen Orden, die er auf der Brust trug, ob er diese alle im Kriege verdient hätte: „Alle verdient vor dem Feinde, alle hier in Frankfurt," lautete feine schlagfertige Antwort. Seiner politischen Vergangenheit und seinen politischen Überzeugungen nach diente der preußische Gesandte in Frankfurt gern der allgemeinen Tendenz der Reaktion. Dem Bundestag war von den leitenden Machthabern 1851 sofort die Aufgabe gestellt, allenthalben in deutschen Ländern eine gesunde Reaktion wider den Radikalismus der letzten Jahre ins Leben zu rufen und fordernd zu unterstützen. Der Bundestag setzte sofort 1851 einen Ausschuß ein, um über die allgemeinen Maßregeln und Mittel einer Herstellung der alten Zustände zu beraten. Am 16. August erstattete derselbe seinen Bericht; mit ungewohnter Schnelligkeit billigte der Bundestag schon am 23. August die Vorschläge: es sollten die vom Frankfurter Parlamente erlassenen Grundrechte, wo sie durch die Gesetzgebung verkündigt waren, von Bundeswegen aufgehoben werden; man riet überall Revision der Landesverfassung an. Weiterhin erwog man allgemeine Gegenmaßregeln gegen den 12*

11. Lehrbuch der Weltgeschichte für höhere Schulen - S. 380

1906 - Freiburg im Breisgau [u.a.] : Herder
— 380 — kam zwischen den Jahren 1833 und 1836 durch deiubniritt sämtlicher ^iüüten -bis südlichen ujxti-jnittleren Deutschlands, mit Ausnahme Österreichs. der allgemeine deutsche Zollverein zu stände, durch welchen der innere Handelsverkehr von allen lästigen Zollbeschränkungen befreit wurde. Damit war ein wichtiger Schritt zur Einigung Deutschlands getan. Ein später Versuch Metternichs, einen., Anschluß Gesamtösterreichs an den Zollverein zu erreichen, wurde durch Preußens Widerstand vereitelt. 3. Tie Stürme des Jahres 1848. Das Frankfurter Parlament. Nachhaltiger als die französische Julirevolution drohte die Februarrevolution auf Deutschland zurückwirken zu wollen. In sämtlichen deutschen Staaten erhob sich die Bevölkerung zur Erlangung größerer Freiheiten, und während einerseits die weitverzweigte Umsturzpartei republikanische Staatsformen herbeizuführen suchte, fand anderseits die Idee der Wiederherstellung des Deutschen Reiches vielfachen Anklang. Nachdem die Gewährung der Forderungen des Volkes: Preßfreiheit, allgemeine Volksbewaffnung, Vertretung des Volkes bei dem Bunde und einheitliche Leitung der äußeren und inneren Handelspolitik wie des Heerwesens, von den meisten Regierungen zugesagt worden, beschloß ein aus früheren und wirklichen Mitgliedern der verschiedenen deutschen Ständekammern bestehendes Vorparlament, das am 31. März 1848 zu Frankfurt a. M. zusammengetreten war, die Einberufung einer von dem gesamten deutschen Volke frei zu wählenden konstituierenden Nationalversammlung. Ehe diese zusammentrat, brach in Baden unter der Führung zweier badischer Abgeordneten, der Advokaten Hecker und ©trübe, und des Dichters Herwegh ein Ausstand aus, der durch Zuzug von Flüchtlingen und fremden Republikanern unterstützt, durch die deutschen Bundestruppen jedoch rasch bewältigt wurde. Am 18. Mai 1848 wurde das deutsche Parlament in der Paulskirche zu Frankfurt eröffnet und der hessendarmstädtische Staatsmann Heinrich von Gagern zum Präsidenten desselben erwählt. Das Parlament sprach die Aushebung des Bundestages aus und ernannte den allgemein beliebten Erzherzog Johann von Österreich, den Oheim des regierenden Kaisers Ferdinand I., zum Reichsverweser. Dieser hielt am 11. Juli seinen Einzug in Frankfurt und umgab sich mit einem Reichsministerium. Die in dem Parlamente nur schwach vertretene republikanische Partei suchte durch stürmische Volksversammlungen in der Unigegenb für ihre Zwecke zu agitieren und erregte, um das Parlament einzuschüchtern, am 18. September in Frankfurt selbst einen Aufstanb, bei welchem zwei Abgeorbnete, der General Auerswalb und der Fürst Lichnowsky, in fchaubererregenber Weise ermorbet würden. Durch die aus Mainz beorberten Truppen würde die Ruhe rvieberhergeftellt. Nun war Muße zur Lösung der deutschen Ein-' heitsfrage vorhanben. Die Hauptschwierigkeit lag in dem scharfen Gegen-

12. Geschichtliches Lesebuch - S. 127

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
Ix. Duden, Die Trennung von Österreich und der preußische Erbkaiser. 127 hat gesagt: „Österreich hat nur das gethan, was zu thun es in seinem Interesse für gut befunden hat: Wissen Sie, was das heißt? Das ist der Partikularismus im Superlativ! (Lebhafter Beifall auf der Linken und dem Centrum; auf der Rechten: Hört! Hört!) Es giebt keinen größeren Partikularismus, als wenn ich sage: „Ich thue bloß das für Deutschland, was für mich zuthun ich für gut finde." Meine Herren! Ich begreife jetzt sehr gut, wie Herr Professor Welcker Recht hatte, als er gestern sagte: „Machen wir doch keine leeren Phrasen"; es sind nur leere Phrasen, was ihr gemacht habt. — Man muß glauben, daß es nur eine Intrigue war, die von den ersten Tagen des Parlaments bis heute durchgesponnen worden ist, man muß glauben nach dem, was dieser Ehrenmann hier klar und offen ausgesprochen hat, daß man nur deswegen uns einen österreichischen Prinzen an die Spitze stellte, um das österreichische Interesse zu wahren." (Stürmisches Beifallklatschen auf der Linken und dem Centrum.) Auf die Frage, welche Raveaux und seine Freunde an die Mitglieder aus Österreich richteten: Weshalb kamt ihr eigentlich hierher? — hätten diese ruhig antworten können: Weil ihr uns gerufen habt! Denn so war es in der That. Dieser Ruf war dadurch erfolgt, daß das Vorparlament sechs Vertreter der deutschen Brüder ans Österreich in den Fünfzigerausschuß zu wählen beschloß und durch diesen Ausschuß dann in Verbindung mit dem Bundestag die Reichstagswahlen in Österreich angeordnet wurden, ohne jede Rücksicht auf die gänzliche Dunkelheit der Frage, in welchem Verhältnisse das damals in wilder Gärung durch einander brodelnde Österreich staatsrechtlich zu Deutschland stand und dereinst stehen würde. Wer infolge dieser von Frankfurt selber ergangenen Einladung in den deutschen Landen Österreichs zur Nationalversammlung wählte und sich wählen ließ, machte sich weder einer Aufdringlichkeit noch einer Unredlichkeit schuldig, und wer nachher in der Versammlung, wo immer die Interessen Deutschlands und Österreichs auseinander gingen, als Österreicher den Interessen Österreichs den Vorzug gab, durste dieserhalb auch nicht getadelt werden, denn das Reich, in dem sie gewählt waren, war eine Thatsache, das Reich aber, an dem sie in Frankfurt mit bauten, war einstweilen nur eine Dichtung, und das, was vorhanden ist, kann doch nicht „aufgehen" in dem, was nicht vorhanden ist. Selbst die Regierung Österreichs traf kein Vorwurf; sie hatte ja, als sie ihrer „Bundes-pflicht" gemäß zur Nationalversammlung wählen ließ, ihren Vorbehalt gegen die bindende Kraft der Beschlüsse derselben öffentlich ausgesprochen

13. Geschichtliches Lesebuch - S. 127

1903 - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht
Ix. Oncken, Die Trennung von Österreich und der preußische Erbkaiser. 127 hat gesagt: „Österreich hat nur das gethan, was zuthun es in seinem Interesse für gut befunden hat: Wissen Sie, was das heißt? Das ist der Partikularismus im Superlativ! (Lebhafter Beifall auf der Linken und dem Centrum; auf der Rechten: Hört! Hört!) Es giebt keinen größeren Partikularismus, als wenn ich sage: „Ich thue bloß das für Deutschland, was für mich zu thun ich für gut finde." Meine Herren! Ich begreife jetzt sehr gut, wie Herr Profeffor Welcker Recht hatte, als er gestern sagte: „Machen wir doch keine leeren Phrasen"; es sind nur leere Phrasen, was ihr gemacht habt. — Man muß glauben, daß es nur eine Intrigue war, die von den ersten Tagen des Parlaments bis heute durchgesponnen worden ist, man muß glauben nach dem, was dieser Ehrenmann hier klar und offen ausgesprochen hat, daß man nur deswegen uns einen österreichischen Prinzen an die Spitze stellte, um das österreichische Interesse zu wahren." (Stürmisches Beifallklatschen auf der Linken und dem Centrum.) Auf die Frage, welche Raveaux und seine Freunde an die Mit--glieder aus Österreich richteten: Weshalb kamt ihr eigentlich hierher? — hätten diese ruhig antworten können: Weil ihr uns gerufen habt! Denn so war es in der That. Dieser Ruf war dadurch erfolgt, daß das Vorparlament sechs Vertreter der deutschen Brüder aus Österreich in den Fünfzigerausschuß zu wählen beschloß und durch diesen Ausschuß dann in Verbindung mit dem Bundestag die Reichstagswahlen in Österreich angeordnet wurden, ohne jede Rücksicht auf die gänzliche Dunkelheit der Frage, in welchem Verhältnisse das damals in wilder Gärung durch einander brodelnde Österreich staatsrechtlich zu Deutschland stand und dereinst stehen würde. Wer infolge dieser von Frankfurt selber ergangenen Einladung in den deutschen Landen Österreichs zur Nationalversammlung wählte und sich wählen ließ, machte sich weder einer Aufdringlichkeit noch einer Unredlichkeit schuldig, und wer nachher in der Versammlung, wo immer die Interessen Deutschlands und Österreichs auseinander gingen, als Österreicher den Interessen Österreichs den Vorzug gab, durfte dieferhalb auch nicht getadelt werden, denn das Reich, in dem sie gewählt waren, war eine Thatsache, das Reich aber, an dem sie in Frankfurt mit bauten, war einstweilen nur eine Dichtung, und das, was vorhanden ist, kann doch nicht „aufgehen" in dem, was nicht vorhanden ist. Selbst die Regierung Österreichs traf kein Vorwurf; sie hatte ja, als sie ihrer „Bundespflicht" gemäß zur Nationalversammlung wählen ließ, ihren Vorbehalt gegen die bindende Kraft der Beschlüsse derselben öffentlich ausgesprochen

14. Hülfsbuch für den ersten Unterricht in der deutschen Geschichte - S. 209

1877 - Mainz : Kunze
209 gilt. Die gesetzgebende Gewalt wird gemeinschaftlich durch den König und zwei Kammern, spter als Herrenhaus und Haus der Abgeordneten bezeichnet, ausgebt. Alle Einnahmen und Ausgaben des Staates mssen fr jedes Jahr im voraus veranschlagt und auf den Staatshaushaltsetat gebracht werden, welcher jhrlich durch ein Gesetz, also unter Mitwirkung der Kammer festgestellt wird ic. Auch die deutsche Bewegung kannte keine Schranken mehr. Das Volk verlangte vor allem eine einheitliche Gestaltung Deutschlands und ein deutsches Parlament; Fahnen mit den deutschen Farben schwarz-roth-gold wurden berall aufgepflanzt. Im Mai 1848 wurde eine deutsche Nationalversammlung zu Frankfurt erffnet; auf den Vorschlag des Prsidenten Heinrich von Gagern wurde am 27. Juni eine Prodisorische Central-gewalt gebildet. Der Erzherzog Johann von Oesterreich wurde gleichzeitig zum Reichsverweser erwhlt und hielt am 12. Juli seinen Einzug in Frankfurt. Der alte Bundestag lste sich in Folge dessen auf und trat an die neue Reichsregierung seine bisherigen Rechte und Pflichten ab. Das Parlament brauchte ungemein viele Zeit, um die deutschen Grundrechte aufzustellen. Inzwischen fand bei den im Stillen gekrftigten Regierungen ein bedeutender Umschwung der Gesinnung statt. In verschiedenen Staaten versagten die Truppen dem Reichsver-weser die Huldigung, in andern wurde der Einfhrung der Grundrechte Widerstand entgegengesetzt, und die preuische und sterreichische Regierung waren mit den deutschen Einheitsbe-strebungen nicht einverstanden. Im Mrz 1849 war eine Verfassung des deutschen Reiches zu Stande gekommen. Ein erblicher deutscher Kaiser steht an der Spitze Deutschlands; derselbe ist Oberkriegs-Herr, hat die Vertretung Deutschlands nach auen, entscheidet der Krieg und Frieden, erhebt die Reichszlle und Steuern; er hat gegen die Beschlsse des aus einem Staaten- und Volks-Hause bestehenden Reichstages nur ein aufschiebendes Veto. Zu-gleich wurde Friedrich Wilhelm Iv. zum erblichen deutschen Eckertz, Hlssbuch fr den ersten Unterricht in verdeutschen Geschichte. 7. Aufl. 14

15. Die Alpen und Süddeutschland - S. 184

1905 - Dresden : Bleyl & Kaemmerer
— 184 — feierliche Handlung wurde in einer schmucklosen Kapelle des Domes vorgenommen. Dann zog der Gewählte nach Aachen, um sich hier krönen zu lassen. Später wurde auch die Krönung hier im Dome vollzogen." Der Krönung folgte das Kaisermahl, das im „Römer" abgehalten wurde, einem großen Gebäude mit drei Giebeln, das jetzt eine Hauptsehens. Würdigkeit Frankfurts bildet. (Fig. 49.) Die Wände des Kaisersaales hat man in neuerer Zeit mit den lebensgroßen Bildnissen sämtlicher deutschen Kaiser bis auf Wilhelm I. be- malt. Vor dem Römer liegt eiu freier Platz, der „Römerberg". Hier wurde am Krönnngs- tage ein ganzer Ochse fürs Volk gebraten, und ein doppelköpfiger Adler sprudelte roten und weißen Wein, an dem sich jeder gütlich tun konnte. Nachdem das Deutsche Reich sich aufgelöst hatte und dann 1815 in einen Bundesstaat verwandelt worden war, wurde Frankfurt der Sitz des Buudestages, der Versammlung der Vertreter der deutschen Fig. 40. Der Römer in Frankfurt. Staaten. Durch den Krieg von 1866 verlor die bisher freie Stadt ihre Selbständigkeit und ging in preußischen Besitz über. Am 19. Mai 1871 endlich wurde hier der Friede zwischen Deutschland und Frankreich abgeschlossen. Frankfurt ist der Geburtsort Goethes. Das Haus am großen Hirschgraben, in dem er am 28. August 1749 das Licht der Welt erblickte, wird sorgfältig im ursprünglichen Zustande erhalten und enthält viele Erinnerungen an den großen Dichter. Frankfurt ist eine der schönsten Städte Deutschlands. Es liegt auf dem rechten Mainufer in einer äußerst fruchtbaren Gegend. Ein herrlicher Kranz von Gärten, An- lagen und Landhäusern umgibt die Stadt. Ter Taunus, dessen blaue Berge den n. Horizont begrenzen, schützt vor den rauhen Nordwinden. Das Klima ist infolgedessen außerordentlich mild und angenehm. Die neuern Stadtteile haben breite Straßen mit hohen, schönen Häusern und öffentlichen Gebäuden. Alte, ehrwürdige Kirchen, darunter

16. Theil 4 - S. 216

1880 - Stuttgart : Heitz
216 Neueste Geschichte. 3. Periode. Deutschland. Waffenstillstandes von Malmöe veranlaßt, in welchem die erreichten Vortheile nicht nach dem Wunsche des deutschen Volks benutzt wurden. Wie in Preußen waren auch in den anderen Einzelstaaten Deutschlands die alten Regierungen durchweg liberalen Ministerien gewichen; Preßfreiheit, demokratische Wahlgesetze, Bürgerwehr mit freier Wahl der Führer, Vereidigung des Heeres auf die Verfassung, Vereinsrecht u. s. w. waren überall zur Geltung gekommen. Der gleiche Drang der Volksbewegung wendete sich dem großen deutschen Vaterlande zu. Das seit der Befreiung Deutschlands von dem Joche Napoleons auferstandene und nicht mehr zu unterdrückende deutsche Nationalgefühl trat jetzt mit Macht hervor, und überall sprach sich das Verlangen nach einer starken Vereinigung der deutschen Stämme aus. Auch leidenschaftliche Stimmen ertönten, welche die Beseitigung der erblichen Monarchie und republikanische Staatsformen begehrten. Es wurde von Vertrauensmännern des Volkes und von Ständemitgliedern ein Vorparlament in Frankfurt gehalten, welches den Grundsatz der Volks-souveränetät aufstellte und die Zusammenberufung einer deutschen Nationalversammlung durch unbeschränkte Urwahlen beschloß, welche den Bundestag beseitigen und eine neue Reichsverfassung geben sollte; bis dahin ward zur Vertretung der Nation beim Bundestage ein Ausschuß von fünfzig Volksmännern (in Frankfurt) errichtet. Aber mit den hiernach eröffneten Aussichten ließen sich die Häupter der radicalen Partei, besonders Hecker und Strnve in Baden, nicht genügen;- sie wollten eine gewaltsame Revolution und durch sie die Republik herbeiführen und riefen im badischen Oberlande das aufgeregte Volk zu revolutionären Freischaarenzügen auf. Die Bundesarmee war genöthigt, diese Schilderhebung mit Nachdruck zu bekämpfen, wobei der General Friedrich von Gagern im Gefecht von Kandern das Leben verlor. Die deutsche Nationalversammlung in Frankfurt wurde am 18. Mai eröffnet; dieselbe zählte eine Menge der ausgezeichnetsten Männer Deutschlands zu ihren Mitgliedern, und in den ersten Zeiten gelang es dem gemäßigteren Theile derselben, welcher an dem ernsten Heinrich von Gagern einen Führer voll Kraft und Autorität hatte, der Wiederherstellung einer sicheren Ordnung der Dinge in Deutschland wichtige Dienste zu leisten. Zu demselben Zweck und im Gegensatz zu den republikanischen Bestre-

17. Vom Regierungsantritt Friedrichs des Großen bis zum Wiedererstehen des Deutschen Reiches - S. 77

1896 - Leipzig : Voigtländer
Friedrich Wilhelm Iv.; — die Revolutionsjahre 1848 und 1849. 77 würde, wenn man ihn zum Kaiser machte. Es blieben also nur zwei Auswege: entweder mit Ausnahme Österreichs das ganze übrige Deutschland unter einem preußischen Kaiser zu vereinigen, oder aber zur alten Bundesverfassung zurückzukehren. — Gagerns Programm vom 18. Dezember proklamierte den Gedanken eines engeren deutschen Bundesstaates — versteht sich unter Preußen — in Union mit Österreich. Von diesem Augenblick an veränderte sich die Front aller bisherigen Parteien in der Paulskirche, und man sah nur noch zwei Lager einander gegenüber: das preußische oder kleindeutsche, und das österreichische oder großdeutsche. Kleindeutsch nannte man nämlich den engern Bund unter Preußen, weil Deutsch-Österreich von ihm abgerissen werden sollte. — Am 19. Januar machte die Paulskirche insofern ein fait accompli, als die Mehrheit mit 258 gegen 211 Stimmen in der Oberhauptfrage sich für einen regierenden Fürsten entschied. Am 25. Januar beschloß die Mehrheit in der Paulskirche, dem regierenden Fürsten, welcher das'oberhaupt des neuen Reichs werden sollte, den erblichen Kaisertitel zu erteilen. Am 28. März wurde die Kaiserwahl in der Paulskirche vorgenommen, und Friedrich Wilhelm Iv. von 290 gegen 248 Stimmen zum Erbkaiserderdeutschen ausgerufen. — In Berlin waren gemäß der neuen oktroyierten preußischen Verfassung vom 26. Februar beide Kammern zusammengetreten. Die Kaisersrage in Frankfurt beschäftigte auch die zweite Kammer in Berlin aufs lebhafteste, und am 2. April ging sie in einer Adresse den König dringend an, die Kaiserwürde anzunehmen. Eine große Deputation war eben von Frankfurt angelangt, um dem König die deutsche Krone anzutragen. Sie wurde aufs ehrenvollste empfangen, am 3. April, aber die Antwort des Königs war ablehnend. Er dankte zwar für das in ihn gesetzte Vertrauen und erklärte sich bereit, dem gemeinsamen deutschen Vaterlande seine Hingebung und Treue zu beweisen, glaubte aber, es sei unmöglich, Deutschlands Einheit auszurichten mit Verletzung der Rechte anderer, ohne die freie Zustimmung der Fürsten und freien Städte. Ihnen komme es zu, erst die Reichsverfassung zu prüfen, und von dem Ergebnis dieser Prüfung allein werde es abhängen, ob ihm Rechte zuerkannt werden würden, die ihn instand setzten, mit starker Hand die Geschicke des Vaterlandes zu leiten. Die Frankfurter Deputation konnte aber die vom König verlangte Vereinbarung, welche die Endgültigkeit der Reichsverfassung noch in Frage stellte, nicht anerkennen, gab in diesem Sinne sogleich eine Erklärung ab und reiste unverrichteter Dinge nach Frankfurt zurück. — (G. Freytag:) Durch die Arbeit dieses Jahres sind drei große Ideen in das Bewußtsein der Nation gebracht worden:

18. Vom deutschen Befreiungskrieg bis zum Tode Kaiser Wilhelm I. - S. 29

1909 - Leipzig : Voigtländer
Die Revolutionsjahre 1848 und 1849. 29 preußischen Verfassung vom 26. Februar beide Kammern zusammengetreten. Die Kaisersrage in Frankfurt beschäftigte auch die zweite Kammer in Berlin aufs lebhafteste, und am 2. April ging sie in einer Adresse den König dringend an, die Kaiserwürde anzunehmen. Eine große Deputation war eben von Frankfurt angelangt, uin dem König die deutsche Krone anzutragen. Sie wurde aufs ehrenvollste empfangen, am 3. April, aber die Antwort des Königs war ablehnend. Er dankte zwar für das in ihn gesetzte Vertrauen und erklärte sich bereit, dem gemeinsamen deutschen Vaterlande seine Hingebung und Treue zu beweisen, glaubte aber, es sei unmöglich, Deutschlands Einheit aufzurichten mit Verletzung der Rechte anderer, ohne die freie Zustimmung der Fürsten und freien Städte. Ihnen komme es zu, erst die Reichsverfassung zu prüfen, und von dem Ergebnis dieser Prüfung allein werde es abhängen, ob ihm Rechte zuerkannt werden würden, die ihn instand setzten, mit starker Hand die Geschicke des Vaterlandes zu leiten. Die Frankfurter Deputation konnte aber die vom König verlangte Vereinbarung, welche die Endgültigkeit der Reichsverfassung noch in Frage stellte, nicht anerkennen, gab in diesem Sinne sogleich eine Erklärung ab und reiste unverrichteter Dinge nach Frankfurt zurück. — (M. Freytag:) Durch die Arbeit dieses Jahres sind drei große Ideen in das Bewußtsein der Nation gebracht worden: Deutschland einheitlicher Bundesstaat mit kräftiger Zentralgewalt, der König von Preußen Oberherr der Zentralregierung, die Ländermasse des österreichischen Staates ausgeschieden aus der neuen Einheit. Die Verfassung gewann nicht sofort und nicht ohne große Veränderungen gesetzliches Leben. Der Egoismus der Regierungen und der Egoismus.einzelner Volksstämme begann dagegen zu reagieren. Doch so entscheidend war die Bedeutung der gewonnenen Lehren, daß Preußen auf Grundlage derselben neue Versuche begann, die deutschen Regierungen zu gewinnen; sie schlugen fehl, der Bundestag ward restauriert, aber die großen Grundsätze der Reichsverfassung blieben den Regierungen und den Völkern als das Ideal deutscher Zukunst in Sorge und Hoffnung. Vollends für Preußen war seit dem Jahre 1849 eine neue große Pflicht der Ehre und Selbsterhaltung übernommen, und in diesem Staate fühlten alle Parteien Druck, Demütigung und Mißbehagen mit den eigenen Verhältnissen, dem Manne gleich, der eine übernommene Arbeit zu leisten nicht vermocht hat, — bis der Tag kam, wo Preußen gegen Österreich denselben großen Satz, der in der Paulskirche durchgekämpft war, mit den Waffen ausfocht.

19. Skandinavisches Reich, Deutschland, Oesterreich, Italien, Griechenland, Russisches Reich - S. 249

1869 - Braunschweig : Schwetschke
Vii. Deutschland. A. Staaten des Norddeutschen Bundes. 249 des 14. Jahrhunderts die Vorstadt Sachsenhausen mit in die Befestigungen der Stadt gezogen wurde. Seit 1356 war sie die gewöhnliche Wahl- und Krönuugsstadt der deutschen Kaiser. Im Jahre 1806 ward sie dem Für- sten Primas des Rheinbundes, Großherzog von Frankfurt, übergeben und erhielt erst 1814 ihre Freiheit wieder. Seitdem war sie bis zur Auflö- sung des deutschen Bundes 1866 beständiger Sitz der deutschen Bundes- versammlung. Die Verfassung war eine demokratische; es existirte ein ge- setzgebender Körper und ein Bürgerausschuß, die vollziehende Gewalt war einem Senate übertragen. Seit dem ersten October 1867 ist die preußische Verfassung eingeführt. Frankfurt liegt am rechten Mainufer und ist durch eine schöne stei- nerne Brücke, geschmückt mit Karls des Großen Standbild, mit dem am linken Ufer gelegenen Stadttheile Sachsenhausen verbunden. Die ehe- maligen Wälle sind abgetragen und theils in Straßen, theils in schöne Lustanlagen verwandelt. Sie zählte 1864 78,245 Einw., worunter 5000 Juden, die sonst nur eine besondere, verschlossene Straße bewohnen dursten. Die Mehrzahl der Einwohner ist lutherisch; doch haben auch die Katho- liken 3, und die Reformirten 2 Kirchen in der Stadt. Im Ganzen ist Frankfurt eng und winkelig gebaut; aber die Menge großer und schöner Häuser zeigt den alten Wohlstand der Stadt, und es ist in neuerer Zeit viel zu ihrer Verschönerung geschehen. Die schönsten Gegenden sind: die zwar krumme, aber sehr breite Straße, die Zeit; die neue Mainzer Straße, der Unter-Main-Quai, die Schöne Aussicht, letztere am Mainufer; der große Platz am Schauspielhause und der Hauptwache, der Roßmarkt u. a. Unter den Gebäuden zeichnen sich ans: der Römer (das Rathhans), ein großes, im Innern höchst verworrenes, tut Aeußern durch viele von allen Seiten angebaute Häuser unansehnliches Gebäude. Man zeigt darin den mit den Bildnissen der Kaiser geschmückten Saal, worin sie nach ihrer Krönung zu speisen pflegten (ein anschauliches Bild einer Kaiserkrönung giebt Goethe im 1. Bde. „Ans meinem Leben"), und das Original des von Karl I V. 1355 gegebenen Reichsgesetzes der goldenen Bulle. Der Thurn- und Tapissche Palast, worin früher die Bundesver- sammlung ihre Sitzungen hielt. Der Dom oder die Bartholomäuskirche, worin mehrere schöne Denkmäler und eine kleine Kapelle, in welcher das Conclave (die Versammlung) der Kurfürsten zur Kaiserwahl gehalten wurde, ist durch ein großes Feuer 1867 zum großen Theil zerstört, doch wird er wieder hergestellt werden. Die neue Paulskirche, wo 1848 die Nationalversammlung ihren Sitz hatte, das Hans zum Braunfels, die neue Börse, das große Waisen- und Armenhaus, das neue Hospital zum heiligen Geist, das von den Gebrüdern Rothschild erbaute israelitische Krankenhaus mit einer prachtvollen Synagoge; das dentscke Ordenshaus in Sachsen- hausen dicht an der Brücke. Die Schulen gehören zu den vorzüglichsten Deutschlands. Zu den zahlreichen Anstalten für Wissenschaften und Wohl- thätigkeit gehören: die Stadtbibliothek von 100,000 Bänden; die Senken bergische Stiftung für Naturgeschichte, seit 1763, mit zoologischen Samm- lungen (z. B. Rüppels), einem botanischen Garten und einem trefflichen Hospiiale; die neuerlich von dem Bürger Städel gestiftete und mit seinem ganzen Vermögen ausgestattete, wichtige Kunstsammlung und Schule; Beth-

20. Geschichte des deutschen Volkes und Landes - S. 230

1869 - Hannover : Hahn
230 sammlu n g, welche mit dem großen und schwierigen Werke einer- zeitgemäßen N e u g e st n l t u n g des deutschen G es a m m t v a t e r - landes betraut werden sollte. 3) Während bei solcher Lage der Dinge die Autorität der Regierungen in den meisten deutschen Staaten in Folge der allge- meinen Gährung der Gemüther unsicher und schwankend geworden war, trat eine größere Anzahl Männer aus allen Gauen'deutsch- lands am 31. März 1848 zu Frankfurt zu einer vorberathenden Versammlung, dem sogen. Vorparlamente, zusammen, und beschloß, daß cine constituir en de Nationalversammlung, zusam- mengesetzt aus Vertretern des gesummten deutschen Volkes, auf nächsten Mai nach Frankfurt berufen werden solle, um den öffent- lichen Rechtszustand und die Gesammtverfassung Deutschlands fest- zustellen. Auf je 50,000 Einwohner sollte ein Vertreter kommen, und die Wahlen in den einzelnen Ländern durch die Bundesregie- rungen ungeordnet werden. Der Bundestag und damit die deutschen Negierungen hatten diesen Beschlüssen ihre Zustim- mung ertheilt. 4) Die constituirende Nationalversammlung, die erste all- gemeine Vertretung des gesummten deutschen Volkes,'wurde am 18. Mai 1848 zu Frankfurt eröffnet. Ihre wichtigsten Be- schlüsse waren: die Einsetzung einer provisorischen Central- oder Neichsgewalt durch Wahl des Erzherzogs Johann von Oe streich zum deutschen Neichsverw eser (29. Juni 1848), wobei dann der alte Bundestag vom Schauplatze abtrat; die Be- rathung und Feststellung der sogen. Grundrechte des deutschen Volkes "und endlich auch einer Gesammtverfassung Deutsch- lands. Nach dieser sollte Deutschland einen Bundesstaat bilden und das deutsche Parlament aus einem S ta a ten - Hause, in welchem die einzelnen Staaten, und aus einem Volks- hause, in welchem die Gesammtheit des Volkes vertreten werden sollte, bestehen. An der Spitze des wiederhergestellten deutschen Reichs sollte ein erbliches Oberhaupt unter dem Titel „Kaiser der Deutschen" stehen. Am 28. März 1849 faßte die Mehrheit der Versammlung den Beschluß, daß diese Würde an die Krone von Preußen übertragen werden solle. 5) Leider hatte die Nationalversammlung mit der Berathung dieser Gegenstände, namentlich aber der sogen. Grundrechte, die beste Zeit hingehen lassen und dadurch den rechten Augenblick ver- säumt, eine mit wirksamer Macht ausgerüstete Centralgewalt zu schaffen. Als daher eine feierliche Abordnung der Nationalver- sammlung am 3. April zu Berlin dem König Friedrich Wil- helm iv. die erbliche Würde eines Kaisers der Deut- schen antrug, erklärte sich dieser zur Annahme nur dann bereit, wenn die deutschen Fürsten ihre freie Zustimmung geben würden.