Anfrage in Hauptansicht öffnen

Änliche Dokumente zu folgendem Trefferdokument

Basierend auf den Feldern Extrahierte Personennamen Extrahierte Ortsnamen

Sortiert nach: Ähnlichkeit zu Dokument

1. Für Oberklassen - S. 20

1870 - Altenburg : Bonde
20 sollte. Der Hausknecht hatte in dem schlimmen Wetter nicht erst weit nach einem ihm bekannten Meister gehen mögen und rief den armen H. Da dieser in seiner ärmlichen Kleidung und mit seiner von langem Kummer schüchtern gewordenen Miene zu dem Fremden hineintritt, mißt ihn der mit großen Augen, fragt ihn, ob er es sich wohl getraue, das ver- langte Kleidungsstück zu fertigen; er, der Fremde, sei überaus eigensinnig, und ihm habe noch kaum ein berühmter Meister Kleidungsstücke dieser Art zur vollen Zufriedenheit und doch auch mit der nöthigen Bequemlichkeit ge- fertigt. Das dazu bestimmte Tuch sei sehr fein und theuer; es sei deshalb sehr schade, wenn es verdorben würde; er wolle ihm lieber einige Groschen für seinen Gang geben und einen anderen Meister rufen lassen. Der arme, in seinem Handwerke wirklich geschickte H. fühlt sich durch diesen Mangel an Zutrauen tief gekränkt, versichert, er wolle den Fremden wohl zufrieden stellen; und dieser, den etwas in der Miene des H. Liegendes oder sonst ein anderer Grund nachgiebig macht, gibt ihm das Tuch mit der Äußerung, nun, er wolle das Tuch nur einmal an eine sehr wahrscheinlich mißlingende Arbeit wagen. Die Liebe gibt dem armen, vor Hunger sehr müden H. Kraft, die ganze Nacht hindurch zu arbeiten. Er sitzt ja bei dem Bette seiner lieben Frau und seines kranken Kindes, die er morgen beide wird erquicken können. Wenn die Kräfte nicht mehr aushalten, wenn die Augenlider zusammen sinken wollen, sieht er die beiden Schlafenden an. Die matte Hand erhält Kraft, wenn er sie auf die kranke heiße Hand seiner lieben Frau oder aus die heute recht bleich aussehende Wange des Kindes legt. So ist gegen Morgen die Kleidung fertig. Er trägt sie zur bestimmten Stunde dem Fremden hin, und dieser findet sie so vollkommen nach seinem Wunsche, daß er dem armen Schneider mehr gibt, als gewöhnlich, und da er die Freudenthränen sieht auf der bleichen Wange, noch mehr. Der Arme geht und erquickt sich und die Seinen. Aber sein gestriges Abendgebet aus dem geängstigten und zerschlagenen Herzen war auf eine Weise erhört worden, wie er sich es heute, so sehr auch seine Seele voll Freude und Hoffnung, sein Mund voll Dankes war, nicht träumen lassen konnte. Der Fremde blieb jenen Tag noch in Altenburg und fand in einer vornehmen Gesellschaft Gelegenheit, den armen Schneider als einen in seinem Handwerke ganz vorzüglich geschickten Meister zu empfehlen. Einige der Anwesenden merkten sich Wohnung und Namen; und von nun an fand H. so viele Arbeit, daß er sich nie mehr mit den Seinen hungrig schlafen legen durfte und später sein Auskommen sehr gut hatte. Wenn die Noth am größten ist, ist die Hülfe am nächsten. — Je größer die Noth, je näher Gott. — Bete, als wenn kein Arbeiten hülfe; arbeite, als wenn kein Beten hülfe. — Noth lehrt beten; Arbeit lehrt, wie man gegen Noth sich wehrt. — Wer fröhliche Nacht sucht, verliert guten Tag.

Ähnliche Ergebnisse

Ähnliche Dokumente basierend auf den Feldern Extrahierte Personennamen Extrahierte Ortsnamen

1. Deutsches Lesebuch für die oberen Abtheilungen ein- und mehrklassiger Elementarschulen in der Stadt und auf dem Lande - S. 85

1853 - Frankfurt : Trowitzsch
einander, ohne eben hoffen zu können, dass sic sich in dieser Welt jemals wieder- sehen würden Der Schneider wanderte darauf durch Böhmen, Sachsen, Hessen, Lothringen bis nach Frankreich, wo er beinahe zehn Jahre blieb und bald in dieser, bald in jener Stadt arbeitete, ohne irgendwo sein' Gliikk zu finden. Endlich kehrte er nach Deutschland zurükk und geriet!» in Frankfurt an? Main unter die Werber, welche ihn überredeten, kaiserliche Dienste zu nehmen und ihn als Rekruten nach Wien transportirten. Da er aber schwächlich und fast beständig krank war, so liess man ihn nach einigen Jahren wieder laufen, wohin er wollte. Fast nakkt und bloss kam er nach Sachsen, um daselbst wieder Arbeit zu suchen; allein, da ihn in seinem elenden Anzuge Niemand zur Arbeit annehmen wollte, so musste er endlich betteln. Eines Abends spät sprach er in einem Dorfe (cs war gerade an einem Sonnabende) bei einer Schmiede auch um einen Zehrpfennig an. Da dünkte dem Meister, welcher mit vier Gesellen vor der Esse arbeitete, dass die Stimme des Ansprechenden ihm sehr bekannt sei. Er nahm die Hängelampe in die Hand, schaute dem Bettler in’s Gesicht, und — „je Bruder! bist du’s, oder bist du’s nicht!“ riefen Beide fitst zu gleicher Zeit; und in der That waren cs die beiden Kameraden, die seit der Trennung in Warschau Nichts weiter von einander gehört hatten. Der Schmied, welcher unterdessen in dieser Schmiede in Arbeit gestanden und durch die Heirat!» der Wittwe, der sie gehörte, reich geworden, war ganz ausser sich vor Freuden. Er herzte und küsste den Schneider und schämte sich seiner nicht, ob er gleich ein zerlumpter Bettler war. Er führte ihn mit lautem Jubel in seine Stube, drükktc ihn in den Grossvatorstuhl am Ofen nieder, sprang auf einem Beine, wie ein Knabe, und alle seine Hausgenossen sperrten vor Verwunderung die Augen weit auf. „Lene!“ sprach er zu seiner Frau, —- „geschwind springe hinauf und hole ein feines Hemde und meinen Sonntags- staat herunter, dass der gute Freund da sieh anders ankleiden kann!“ Der Schneider wollte allerlei dagegen einwenden; aber der Meister hielt ihm den Mund zu und sagte: „Schweig, und sprich mir kein Wort dagegen! Du hnst’s wohl um mich verdient, «lass ich mein Bischen Hab’ und Gut mit dir theile.“ Es half nichts, der Schneider musste sich putzen und aus einer langen Pfeife rauchen. Der Meister gebot ihm, sich gerade so zu pflegen, als ob er in seinem eigenen Hause wäre, und .nachdem er in möglichster Eile sein Tagewerk vollends geendet hatte, setzte er siel» mit ihm zu Tische und liess alle seine Leute hereinkommen, dass sie den Fremden recht genau besehen mussten. Dabei erzählte er ihnen dann, wer der Fremde eigentlich sei, und was cs mit ihrer beiderseitigen Freundschaft für eine Bewandniss habe. Da hatten Alle eine herzliche Freude über den Ankömmling, und besonders die Frau vom Hause, die ihren Mann sehr liebte und oft dem guten Schnciderburschen, der in Polen eine so treue Stütze für ihren Mann gewesen war, ehe sie ihn persönlich kannte, Gottes Segen gewünscht hatte. Der Meister liess noch am nämlichen Abend zwei fette Gänse schlachten und auf den folgenden Tag alle Freunde und Gevattern des Dorfes zu sieh zu Gaste laden. „Juchhei! das soll mir ein Freudentag werden!“ rief er laut — laut auf und schwang dabei seine Mütze vor Freuden. Der Sonntag kam, und in der Schmiede ging’s so fröhlich her, als wenn es Kindtaufe gewesen wäre. Nachdem die Mahlzeit geendigt war, erzählte der Schmied alle seine Begebenheiten und besonders, was er seinem Kameraden noch für einen Liebesdienst zu danken habe. Der Schneider musste dann seine Begebenheiten auch erzählen, und die Gäste gewannen ihn, dass sie durchaus darauf bestanden, er solle siel» in diesem Dorfe häuslich nieder- lassen und ihr Schneider werden. Der Schmied jauchzte darüber laut und versprach, ihn mit Gelde zu unterstützen, so viel er könne. Er hielt auch Wort; der Schneider fand sein reichliches Brot im Dorfe und verheirathote sich mit einer guten Wirthin und lebte froh und glükklich.

2. Teil 2 = Kl. 7 - S. 169

1911 - Bielefeld [u.a.] : Velhagen & Klasing
Blatt." Der Schneider wollte sich darauf nicht verlassen, ging hinab in den Stall und fragte: „Ziege, bist du auch satt?" Die Ziege antwortete: „Wovon sollt' ich satt sein? Ich sprang nur über Grübelein und fand kein einzig Blättelein; weh, meh!" „Der gottlose Bösewicht!" schrie der Schneider, „so ein frommes Tier hungern zu lassen!" lief hinauf und schlug mit der Elle den Jungen zur Haustür hinaus. Die Reihe kam jetzt an den dritten Sohn; der wollte seine Sache gut machen, suchte Buschwerk mit dem schönsten Laube aus und ließ die Ziege daran fressen. Abends, als er heim wollte, fragte er: „Ziege, bist du auch satt?" Die Ziege antwortete: „Ich bin so satt, ich mag kein Blatt; meh, meh!" „So komm nach Haus!" sagte der Junge, führte sie in den Stall und band sie fest. „Nun," sagte der alte Schneider, „hat die Ziege ihr gehöriges Futter?" „O," antwortete der Sohn, „die ist so satt, sie mag kein Blatt." Der Schneider traute nicht, ging hinab und fragte: „Ziege, bist du auch satt?" Das boshafte Tier antwortete: „Wovon sollt' ich satt sein? Ich sprang nur über Gräbelein und fand kein einzig Blättelein; meh, meh!" „O, die Lügenbrut!" ries der Schneider, „einer so gottlos und pflicht- vergessen wie der andere! Ihr sollt mich nicht länger zum Narren haben!" Und vor Zorn ganz außer sich, sprang er hinauf und gerbte dem armen Jungen mit der Elle den Rücken so gewaltig, daß er zum Haus hinaussprang. Der alte Schneider war nun mit seiner Ziege allein. Am andern Morgen ging er hinab in den Stall, liebkoste die Ziege und sprach: „Komm, mein liebes Tierlein, ich will dich selbst zur Weide führen." Er nahm sie am Strick und brachte sie zu grünen Hecken und unter Schafgarbe und was sonst die Ziegen gerne fressen. „Da kannst du dich einmal nach Herzenslust sättigen," sprach er zu ihr und ließ sie weiden bis zum Abend. Da fragte er: „Ziege, bist du satt?" Sie antwortete: „Ich bin so satt, ich mag kein Blatt; meh, meh!" „So komm nach Hause!" sagte der Schneider, führte sie in den Stall und band sie fest. Als er wegging, kehrte er sich noch einmal um und

3. Teil 2 = Kl. 7 - S. 172

1914 - Bielefeld [u.a.] : Velhagen & Klasing
172 „Was muß ich hören!" rief der Schneider, lief hinauf und sprach zu dem Jungen: „Ei, du Lügner sagst, die Ziege wäre satt, und hast sie hungern lassen?" Und in seinem Zorne nahm er die Elle von der Wand und jagte ihn mit Schlügen hinaus. Am andern Tag war die Reihe am zweiten Sohn; der suchte an der Gartenhecke einen Platz aus, wo lauter gute Kräuter standen, und die Ziege fraß sie rein ab. Abends, als er heim wollte, fragte er: „Ziege, bist du satt?" Die Ziege antwortete: „Ich bin so satt, ich mag kein Blatt; meh, meh!" „So komm nach Haus!" sprach der Junge, zog sie heim und band sie am Stalle fest. „Nun," sagte der alte Schneider, „hat die Ziege ihr gehöriges Futter?" „O," antwortete der Sohn, „die ist so satt, sie mag kein Blatt." Der Schneider wollte sich darauf nicht verlassen, ging hinab in den Stall und fragte: „Ziege, bist du auch satt?" Die Ziege antwortete: „Wovon sollt' ich satt sein? Ich sprang nur über Gräbelein und fand kein einzig Blättelein; meh, meh!" „Der gottlose Bösewicht!" schrie der Schneider, „so ein frommes Tier hungern zu lassen!" lief hinauf und schlug mit der Elle den Jungen zur Haustür hinaus. Die Reihe kam jetzt an den dritten Sohn; der wollte seine Sache gut machen, suchte Buschwerk mit dem schönsten Laube aus und ließ die Ziege daran fressen. Abends, als er heim wollte, fragte er: „Ziege, bist du auch satt?" Die Ziege antwortete: „Ich bin so satt, ich mag kein Blatt; meh, meh!" „So komm nach Haus!" sagte der Junge, führte sie in den Stall und band sie fest. „Nun," sagte der alte Schneider, „hat die Ziege ihr gehöriges Futter?" „O," antwortete der Sohn, „die ist so satt, sie mag kein Blatt." Der Schneider traute nicht, ging hinab und fragte: „Ziege, bist du auch satt?" Das boshafte Tier antwortete: „Wovon sollt' ich satt sein? Ich sprang nur über Gräbelein und fand kein einzig Blättelein; meh, meh!" „O, die Lügenbrut!" rief der Schneider, „einer so gottlos und pflicht- vergessen wie der andere! Ihr sollt mich nicht länger zum Narren haben!" Und vor Zorn ganz außer sich, sprang er hinauf und gerbte dem armen Jungen mit der Elle den Rücken so gewaltig, daß er zum Haus hinaussprang.

4. Teil 2 = Kl. 7 - S. 172

1912 - Bielefeld [u.a.] : Velhagen & Klasing
172 „Was muß ich hören!" rief der Schneider, lief hinauf und fprach zu dem Jungen: „Ei, du Lügner sagst, die Ziege wäre satt, und hast sie hungern lassen?" Und in seinem Zorne nahm er die Elle von der Wand und jagte ihn mit Schlägen hinaus. Am andern Tag war die Reihe am Zweiten Sohn; der suchte an der Gartenhecke einen Platz aus, wo lauter gute Kräuter standen, und die Ziege fraß sie rein ab. Abends, als er heim wollte, fragte er: „Ziege, bist du satt?" Die Ziege antwortete: „Ich bin so satt, ich mag kein Blatt; meh, meh!" „So komm nach Haus!" sprach der Junge, zog sie heim und band sie am Stalle fest. „Nun," sagte der alte Schneider, „hat die Ziege ihr gehöriges Futter?" „O," antwortete der Sohn, „die ist so satt, sie mag kein Blatt." Der Schneider wollte sich darauf nicht verlassen, ging hinab in den Stall und fragte: „Ziege, bist du auch satt?" Die Ziege antwortete: „Wovon sollt' ich satt sein? Ich sprang nur über Gräbelein und fand kein einzig Blättelein; meh, meh!" „Der gottlose Bösewicht!" schrie der Schneider, „so ein frommes Tier hungern zu lassen!" lief hinauf und schlug mit der Elle den Jungen zur Haustür hinaus. Die Reihe kam jetzt an den dritten Sohn; der wollte seine Sache gut machen, suchte Buschwerk mit dem schönsten Laube aus und ließ die Ziege daran fressen. Abends, als er heim wollte, fragte er: „Ziege, bist du auch satt?" Die Ziege antwortete: „Ich bin so satt, ich mag kein Blatt; meh, meh!" „-So komm nach Haus!" sagte der Junge, führte sie in den Stall und band sie fest. „Nun," sagte der alte Schneider, „hat die Ziege ihr gehöriges Futter?" „O," antwortete der Sohn, „die ist so satt, sie mag kein Blatt." Der Schneider traute nicht, ging hinab und fragte: „Ziege, bist du auch satt?" Das boshafte Tier antwortete: „Wovon sollt' ich satt sein? Ich sprang nur über Gräbelein und fand kein einzig Blättelein; meh, meh!" „O, die Lügenbrut!" rief der Schneider, „einer so gottlos und pflicht- vergessen wie der andere! Ihr sollt mich nicht länger zum Narren haben!" Und vor Zorn ganz außer sich, sprang er hinauf und gerbte dem armen Jungen mit der Elle den Rücken so gewaltig, daß er zum Haus hinaussprang.

5. Teil 2 = Kl. 7 - S. 172

1915 - Bielefeld [u.a.] : Velhagen & Klasing
172 „Was muß ich hören!" rief der Schneider, lief hinauf und sprach zu dem Jungen: „Ei, du Lügner sagst, die Ziege wäre satt, und hast sie hungern lassen?" Und in seinem Zorne nahm er die Elle von der Wand und jagte ihn mit Schlägen hinaus. Am andern Tag war die Reihe am Zweiten Sohn; der suchte an der Gartenhecke einen Platz aus, wo lauter gute Kräuter standen, und die Ziege fraß sie rein ab. Abends, als er heim wollte, fragte er: „Ziege, bist du satt?" Die Ziege antwortete: „Ich bin so satt, ich mag kein Blatt; meh, meh!" „So komm nach Haus!" sprach der Junge, zog sie heim und band sie am Stalle fest. „Nun," sagte der alte Schneider, „hat die Ziege ihr gehöriges Futter?" „O," antwortete der Sohn, „die ist so satt, sie mag kein Blatt." Der Schneider wollte sich darauf nicht verlassen, ging hinab in den Stall und fragte: „Ziege, bist du auch satt?" Die Ziege antwortete: „Wovon sollt' ich satt sein? Ich sprang nur über Gräbelein und fand kein einzig Blättelein; meh, meh!" „Der gottlose Bösewicht!" schrie der Schneider, „so ein frommes Tier hungern zu lassen!" lief hinauf und schlug mit der Elle den Jungen zur Haustür hinaus. Die Reihe kam jetzt an den dritten Sohn; der wollte seine Sache gut machen, suchte Buschwerk mit dem schönsten Laube aus und ließ die Ziege daran fressen. Abends, als er heim wollte, fragte er: „Ziege, bist du auch satt?" Die Ziege antwortete: „Ich bin so satt, ich mag kein Blatt; meh, meh!" „So komm nach Haus!" sagte der Junge, führte sie in den Stall und band sie fest. „Nun," sagte der alte Schneider, „hat die Ziege ihr gehöriges Futter?" „O," antwortete der Sohn, „die ist so satt, sie mag kein Blatt." Der Schneider traute nicht, ging hinab und fragte: „Ziege, bist du auch satt?" Das boshafte Tier antwortete: „Wovon sollt' ich satt sein? Ich sprang nur über Gräbelein und fand kein einzig Blättelein; meh, meh!" „O, die Lügenbrut!" rief der Schneider, „einer so gottlos und pflicht- vergessen wie der andere! Ihr sollt mich nicht länger zum Narren haben!" Und vor Zorn ganz außer sich, sprang er hinauf und gerbte dem armen Jungen mit der Elle den Rücken so gewaltig, daß er zum Haus hinaussprang.

6. Vaterländisches Lesebuch für die mehrklassige evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 48

1888 - Halle a.S. : Buchh. des Waisenhauses
48 103. Treue Freundschaft. noch miteinander bis nach Warschau, der Hauptstadt in Polen, wo der arme Schmied Arbeit bekam, der Schneider aber nicht. Beide Freunde mussten sich also hier trennen. Als der Schneider wieder aus- wanderte, gab ihm der Schmied eine Stunde weit das Geleite, und unter Yergiessung häufiger Thränen schieden sie, als wenn sie leibliche Brüder gewesen wären, voneinander, ohne eben hoffen zu können, dass sie sich in dieser Welt jemals wiedersehen würden. Der Schneider wanderte darauf durch Böhmen, Sachsen, Hessen, Lothringen bis nach Frankreich, wo er beinahe 10 Jahre blieb und bald in dieser, bald in jener Stadt arbeitete, ohne irgendwo sein Glück zu finden. Endlich kehrte er nach Deutschland zurück und geriet in Frankfurt am Main unter die Werber, welche ihn überredeten, kaiser- liche Dienste zu nehmen, und ihn als Rekruten nach Wien transpor- tierten. Da er aber schwächlich und fast beständig krank war, liess man ihn nach einigen Jahren wieder laufen, wohin er wollte. Fast nackt und bloss kam er nach Sachsen, um daselbst wieder Arbeit zu suchen; allein da ihn in seinem elenden Anzuge niemand zur Arbeit annehmen wollte, so musste er endlich betteln. Eines Abends spät sprach er in einem Dorfe (es war gerade an einem Sonnabend) bei einer Schmiede auch um einen Zehrpfennig an. Da dünkte dem Meister, welcher mit vier Gesellen vor der Esse arbeitete, dass die Stimme des Ansprechenden ihm sehr bekannt sei. Er nahm die Hängelampe in die Hand, schaute dem Bettler ins Gesicht, und — „Je Bruder! bist du’s oder bist du’s nicht?“ riefen beide fast zu gleicher Zeit; und in der That waren es die Kameraden, die seit der Trennung in Warschau nichts weiter voneinander gehört hatten. Der Schmied, welcher unter- dessen in dieser Schmiede in Arbeit gestanden und durch die Heirat der Witwe, welcher sie gehörte, wohlhabend geworden war, war ganz ausser sich vor Freuden. Er herzte und küsste den Schneider und schämte sich seiner nicht, obgleich er ein zerlumpter Bettler war. Er führte ihn mit lautem Jubel in seine Stube, drückte ihn in den Grofs- vaterstuhl am Ofen nieder, sprang auf einem Beine, wie ein Knabe, und alle seine Hausgenossen sperrten vor Verwunderung die Augen weit auf. „Lene“, sprach er zu seiner Frau, „geschwind springe hinauf und hole ein feines Hemd und meinen Sonntagsstaat herunter, dass der gute Freund da sich umkleiden kann!“ Der Schneider wollte allerlei dagegen einwenden, aber der Meister hielt ihm den Mund zu und sagte: „Schweig’ und sprich mir kein Wort dagegen! Du hast’s wohl um mich verdient, dass ich mein bisschen Hab und Gut mit dir teile.“ Es half nichts: der Schneider musste sich putzen und aus einer langen Pfeife rauchen. Der Meister gebot ihm, sich gerade so zu pflegen, als ob er in seinem eigenen Hause wäre, und nachdem er in möglich- ster Eile sein Tagewerk vollends geendet hatte, setzte er sich mit ihm zu Tische und liess alle seine Leute hereinkommen, dass sie den Frem- den nun recht genau besehen mussten. Dabei erzählte er ihnen denn, wer der Fremde eigentlich sei, und was es mit ihrer beiderseitigen

7. Vaterländisches Lesebuch für die mehrklassige evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 48

1883 - Halle a.S. : Buchh. des Waisenhauses
48 103. Treue Freundschaft. in der Fremde müsse keiner den andern verlassen. Sie reisten darauf noch mit einander bis nach Warschau, der Hauptstadt in Polen, wo der arme Schmied Arbeit bekam, der Schneider aber nicht. Beide Freunde mussten sich also hier trennen. Als der Schneider wieder aus- wanderte, gab ihm der Schmied eine Stunde weit das Geleite, und unter Vergiefsung häufiger Thränen schieden sie, als wenn sie leibliche Brüder gewesen wären, von einander, ohne eben hoffen zu können, dass sie sich in dieser Welt jemals wieder sehen würden. Der Schneider wanderte darauf durch Böhmen, Sachsen, Hessen, Lothringen bis nach Frankreich, wo er beinahe 10 Jahre blieb und bald in dieser, bald in jener Stadt arbeitete, ohne irgendwo sein Glück zu finden. Endlich kehrte er nach Deutschland zurück und geriet in Frankfurt am Main unter die Werber, welche ihn überredeten, kaiser- liche Dienste zu nehmen, und ihn als Rekruten nach Wien transpor- tierten. Da er aber schwächlich und fast beständig krank war, liess man ihn nach einigen Jahren wieder laufen, wohin er wollte. Fast nackt und bloss kam er nach Sachsen, um daselbst wieder Arbeit zu suchen; allein da ihn in seinem elenden Anzuge niemand zur Arbeit annehmen wollte, so musste er endlich betteln. Eines Abends spät sprach er in einem Dorfe (es war gerade an einem Sonnabende) bei einer Schmiede auch um einen Zehrpfennig an. Da dünkte dem Meister, welcher mit vier Gesellen vor der Esse arbeitete, dass die Stimme des Ansprechenden ihm sehr bekannt sei. Er nahm die Hängelampe in die Hand, schaute dem Bettler ins Gesicht, und — „Je Bruder! bist du’s oder bist du’s nicht?“ riefen beide fast zu gleicher Zeit; und in der That waren es die Kameraden, die seit der Trennung in Warschau nichts weiter von einander gehört hatten. Der Schmied, welcher unter- dessen in dieser Schmiede in Arbeit gestanden, und durch die Heirat der Witwe, welcher sie gehörte, wohlhabend geworden war, war ganz ausser sich vor Freuden. Er herzte und küsste den Schneider und schämte sich seiner nicht, obgleich er ein zerlumpter Bettler war. Er führte ihn mit lautem Jubel in seine Stube, drückte ihn in den Gross- vaterstuhl am Ofen nieder, sprang auf einem Beine, wie ein Knabe, und alle seine Hausgenossen sperrten vor Verwunderung die Augen weit auf. „Lene“, sprach er zu seiner Frau, „geschwind springe hinauf und hole ein feines Hemd und meinen Sonntagsstaat herunter, dass der gute Freund da sich umkleiden kann!“ Der Schneider wollte allerlei dagegen einwenden, aber der Meister hielt ihm den Mund zu und sagte: „Schweig’ und sprich mir kein Wort dagegen! Du hast’s wohl um mich verdient, dass ich mein bischen Hab und Gut mit dir teile.“ Es half nichts: der Schneider musste sich putzen und aus einer langen Pfeife rauchen. Der Meister gebot ihm, sich gerade so zu pflegen, als ob er in seinem eigenen Hause wäre, und nachdem er in möglich- ster Eile sein Tagewerk vollends geendet hatte, setzte er sich mit ihm zu Tische und liess alle seine Leute hereinkommen, dass sie den Frem- den nun recht genau besehen mussten. Dabei erzählte er ihnen denn, wer der Fremde eigentlich sei, und was es mit ihrer beiderseitigen

8. Vaterländisches Lesebuch für die mehrklassige evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 48

1902 - Halle a.S. : Buchh. des Waisenhauses
48 103. Treue Freundschaft. noch miteinander bis nach Warschau, der Hauptstadt in Polen, wo der arme Schmied Arbeit bekam, der Schneider aber nicht. Beide Freunde mussten sich hier also trennen. Als der Schneider wieder auswanderte, gab ihm der Schmied eine Stunde weit das Geleite, und unter Vergiefsung häufiger Tränen schieden sie, als wenn sie leibliche Brüder gewesen wären, voneinander, ohne eben hoffen zu können, dass sie sich in dieser Welt jemals wiedersehen würden. Der Schneider wanderte darauf durch Böhmen, Sachsen, Hessen, Lothringen bis nach Frankreich, wo er beinahe zehn Jahre blieb und bald in dieser, bald in jener Stadt arbeitete, ohne irgenwo sein Glück zu finden. Endlich kehrte er nach Deutschland zurück und geriet in Frankfurt am Main unter die Werber, welche ihn überredeten, kaiser- liche Dienste zu nehmen, und ihn als Rekruten nach Wien trans- portierten. Da er aber schwächlich und fast beständig krank war, liess man ihn nach einigen Jahren wieder laufen, wohin er wollte. Fast nackt und bloss kam er nach Sachsen, um daselbst wieder Arbeit zu suchen; allein da ihn in seinem elenden Anzuge niemand zur Arbeit annehmen wollte, so musste er endlich betteln. Eines Abends spät sprach er in einem Dorfe (es war gerade an einem Sonnabend) bei einer Schmiede auch um einen Zehrpfennig an. Da dünkte dem Meister, welcher mit vier Gesellen vor der Esse arbeitete, dass die Stimme des Ansprechenden ihm sehr bekannt sei. Er nahm die Hängelampe in die Hand, schaute dem Bettler ins Gesicht, und — „Je Bruder, bist du’s oder bist du’s nicht?“ riefen beide fast zu gleicher Zeit; und in der Tat waren es die Kameraden, die seit der Trennung in Warschau nichts weiter voneinander gehört hatten. Der Schmied, welcher unter- dessen in dieser Schmiede in Arbeit gestanden und durch die Heirat der Witwe, welcher sie gehörte, wohlhabend geworden war, war ganz ausser sich vor Freuden. Er herzte und küsste den Schneider und schämte sich seiner nicht, obgleich er ein zerlumpter Bettler war. Er führte ihn mit lautem Jubel in seine Stube, drückte ihn in den Grofs- vaterstuhl am Ofen nieder, sprang auf einem Beine, wie ein Knabe, und alle seine Hausgenossen sperrten vor Verwunderung die Augen weit auf. „Lene“, sprach er zu seiner Frau, „geschwind springe hinauf und hole ein feines Hemd und meinen Sonntagsstaat herunter, dass der gute Freund da sich umkleiden kann!“ Der Schneider wollte allerlei dagegen einwenden, aber der Meister hielt ihm den Mund zu und sagte: „Schweig und sprich mir kein Wort dagegen! Du hast’s wohl um mich verdient, dass ich mein bisschen Hab und Gut mit dir teile.“ Es half nichts: der Schneider musste sich putzen und aus einer langen Pfeife rauchen. Der Meister gebot ihm, sich gerade so zu pflegen, als ob er in seinem eigenen Hause wäre, und nachdem er in möglichster Eile sein Tagewerk vollends geendet hatte, setzte er sich mit ihm zu Tische und liess alle seine Leute hereinkommen, dass sie den fremden nun recht genau besehen mussten. Dabei erzählte er ihnen denn, wer der Fremde eigentlich sei, und was es mit ihrer beiderseitigen

9. Darstellender Anschauungsunterricht - S. 334

1914 - Langensalza : Kortkamp
— 334 — 2. Wie der Vater den Anzug anprobiert. Nach einigen Tagen kommt der Schneider zum Vater und will sehen, ob der Anzug gut sitzt. Der Vater zieht die neue Jacke an. Die ist aber nur ganz lose zusammengeheftet und hat bloß einen Ärmel, es fehlen auch die Knöpfe. Der Schneider schneidet einige Heftfäden durch und steckt mit Nadeln den Stoff besser zusammen. Dann macht er ein paar Kreidestriche über die Schultern und vorn an der Jacke herunter. Daran weiß er, was noch zu ändern ist. Die Anprobe ist fertig, und der Vater zieht die Jacke wieder aus. 3. Wie der Schneider den Anzug bringt. Wenn der Schneider den Anzug fertig gemacht hat, bringt er ihn dem Vater. Er hat ihn in ein schwarzes Tuch eingeschlagen, das ist mit Nadeln zusammengesteckt. Der Vater zieht jetzt den ganzen Anzug an. Der sitzt gut und sieht fein aus. Der Vater ist zufrieden und bezahlt die Rechnung. Er verspricht, bei dem Schneider später wieder arbeiten zu lassen. 4. Wie es in der Schneiderwerkstatt aussieht. Auf einem großen Tische liegen zerschnittene Stoffe. An einer Maschine sitzt ein Geselle und näht, ein anderer bügelt eine Hose. Ein Lehrling sitzt auf dem Tische, er hat die Beine gekreuzt und näht Knöpfe an. An der Wand hängen die neuesten Modebogen. An einem Kleiderständer hängen schon fertige Anzüge und Überzieher. * Der Schneider. I. Trojan, Die zwölf Handwerker. * Beim Schneider. A. Holst. Das tapfere Schneiderlein. Bechstein. Rätsel. Zwei Löcher Hab' ich, zwei Finger brauch' ich, so mach' ich Langes und Großes klein und trenne, was nicht beisammen soll sein. Innen hohl, außen vieler Löcher voll. Welcher Hut hat keinen Rand? Der Maler. Die Kinder kennen den Maler in seinem weißen Kittel. Sie beobachten, wie aus dem Bretter- und Leiterhaufen mit den vielen eisernen Sprossen und Schrauben vor dem Hause in ganz kurzer Zeit ein hohes Gerüst entsteht. Dieses benutzen sie gern zum Klettern, sie

10. Teil 1 - S. 8

1918 - Essen : Bädeker
8 Treue Freundschaft. das daraus gelöste Geld war bald verzehrt und nach sah man keine Bes- serung. Nun bewies sich der Schneidergeselle recht brüderlich gegen ihn und verließ ihn nicht in seiner Not. „hier in diesem fremden Lande bin ich ihm ja der nächste!" dachte er bei sich selbst, und das war er auch. Er verkaufte daher von seinen Zachen ein Stück nach dem andern, bis ihm nichts mehr übrig blieb,- aber er hatte dafür die Freude, seinen Ka- meraden durch seine Pflege wieder hergestellt zu sehen. Vieser konnte ihm die Treue, die er an ihm bewiesen hatte, nicht genug danken und weinte manchmal an seinem halse aus Bekümmernis, daß er ihm seine verkauften Kleidungsstücke nicht wieder ersetzen konnte; aber der Schneider tröstete ihn darüher und sagte, Gott werde es ihn wohl nicht vermissen lassen,- ein Mensch sei dem andern einen solchen Liebesdienst schuldig: und be- sonders in der Fremde müsse keiner den andern verlassen. Sie reisten darauf noch miteinander bis nach Warschau, der Hauptstadt in Kussisch-Polen, wo der Schmied Hrbeit bekam, der Schneider aber nicht. Beide Freunde mußten sich also hier trennen. Bls der Schneider wieder fortwanderte, gab ihm der Schmied eine Stunde weit das Geleite, und unter Vergießung häufiger Tränen schieden sie, als wenn sie leibliche Brüder gewesen wären, voneinander, ohne eben hoffen zu können, daß sie sich in dieser Welt jemals wieder sehen würden. Der Schneider wanderte darauf durch Böhmen, Sachsen, Hessen, Lothringen bis nach Frankreich, wo er beinahe zehn Jahre blieb und bald in dieser, bald in jener Stadt arbeitete, ohne irgendwo sein Glück zu finden. Endlich kehrte er nach Deutschland zurück und geriet in Frankfurt a. M. unter die Werber, welche ihn überredeten, kaiserliche Dienste zu nehmen, und ihn als Kekruten nach Wien brachten. Da er aber schwächlich und fast beständig krank war, so ließ man ihn nach einigen Jahren wieder laufen, wohin er wollte. Fast nackt und bloß kam er nach Sachsen, um daselbst wieder Brbeit zu suchen,' allein, da ihn in seinem elenden Bnzuge niemand zur Hrbeit nehmen wollte, so mußte er endlich betteln. Eines Bbends spät sprach er in einem Dorfe (es war gerade an einem Sonnabende) bei einer Schmiede auch um einen Zehrpfennig an. Da dünkte dem Meister, welcher mit vier Gesellen vor der Esse arbeitete, daß die Stimme des Ansprechenden ihm sehr bekannt sei. Er nahm die Hängelampe in die Hand, schaute dem Bettler ins Gesicht, und — „je Bruder, bist du's, oder bist du's nicht?" riefen beide fast zu gleicher Zeit,- und in der Tat waren es die beiden Kameraden, die seit der Trennung in Warschau nichts mehr voneinander gehört hatten. Der Schmied, welcher unterdessen in dieser Schmiede in Hrbeit gestanden und durch die heirat mit der Witwe, der sie gehörte, reich geworden war, war ganz außer sich vor Freuden. Er herzte und küßte den Schneider und schämte sich seiner nicht, ob er gleich ein zerlumpter Bettler war. Er führte ihn mit lautem Jubel in seine Stube, drückte ihn in den Großvaterstuhl am Gfen nieder, sprang aus einem Beine wie ein Knabe, und alle seine Hausgenossen sperrten vor Verwunderung die Bugen weit aus. „Lene!" sprach er zu seiner Frau, „geschwind spring hinaus und hole ein feines Hemd und meinen Sonntags- staat herunter, daß der gute Freund da sich anders ankleiden kann!" Der Schneider wollte allerlei dagegen einwenden, aber der Meister hielt ihm den Mund zu und sagte: „Schweig und sprich mir kein Wort dagegen! Du hast's wohl um mich verdient, daß ich mein bißchen hab' und Gut

11. Teil 2 = Kl. 7 - S. 173

1917 - Bielefeld [u.a.] : Velhagen & Klasing
„0, die Lügenbrut!" rief der Schneider, „einer so gottlos und pflicht- vergessen wie der andere! Ihr sollt mich nicht länger zum Narren haben!" Und vor Zorn ganz außer sich, sprang er hinauf und gerbte dem armen Jungen mit der Elle den Rücken so gewaltig, daß er zum Haus hinaussprang. Der alte Schneider war nun mit seiner Ziege allein. Am andern Morgen ging er hinab in den Stall, liebkoste die Ziege und sprach: „Komm, mein liebes Tierlein, ich will dich selbst zur Weide führen." Er nahm sie am Strick und brachte sie zu grünen Hecken und unter Schafgarbe und was sonst die Ziegen gerne fressen. „Da kannst du dich einmal nach Herzenslust sättigen," sprach er zu ihr und ließ sie weiden bis zum Abend. Da fragte er: „Ziege, bist du satt?" Sie antwortete: „Ich bin so satt, ich mag kein Blatt; meh, meh!" „So komm nach Hanse!" sagte der Schneider, führte sie in den Stall und band sie fest. Als er wegging, kehrte er sich noch einmal um und sagte: „Nun bist du doch einmal satt." Aber die Ziege machte es ihm nicht besser und rief: „Wie sollt' ich satt sein? Ich sprang nur über Gräbelein und fand kein einzig Blättelein; meh, meh!" Als der Schneider das hörte, stutzte er und sah wohl, daß er seine drei Söhne ohne Ursache verstoßen hatte. „Wart!" rief er, „du un- dankbares Geschöpf! Dich fortzujagen ist noch zu wenig; ich will dich zeichnen, daß du dich unter ehrbaren Schneidern nicht mehr darfst sehen lassen." In einer Hast sprang er hinauf, holte sein Bartmesser, seifte der Ziege den Kopf ein und schor sie so glatt wie seine flache Hand. Und weil die Elle zu ehrenvoll gewesen wäre, holte er die Peitsche und versetzte ihr solche Hiebe, daß sie in gewaltigen Sprüngen davonlief. 2. Der Schneider, als er so ganz einsam in seinem Hause saß, verfiel in große Traurigkeit und hätte seine Söhne gerne wiedergehabt; aber niemand wußte, wo sie hingeraten waren. Der älteste war zu einem Schreiner in die Lehre gegangen. Da lernte er fleißig und unverdrossen, und als seine Zeit herum war, daß er wandern sollte, schenkte ihm der Meister ein Tischchen, das gar kein besonderes Ansehen hatte und von gewöhnlichem Holz war; aber es hatte eine gute Eigenschaft. Wenn man es hinstellte und sprach: „Tischchen, deck' dich!" so war das gute Tischchen auf einmal mit einem saubern Tüchlein bedeckt, und stand da

12. Theil 1 - S. 486

1876 - Langensalza : Greßler
486 Wer zum Ackerbau brauchbar ist, wird nie Schneider werden; deß- halb sind auch die meisten Schneider lahm oder verwachsen, oder sonst mit einem körperlichen Gebrechen behaftet. Er hat selten einen festen Wohnsitz, sondern führt ein Nomadenleben; heute ist er auf dem Bauerhose, morgen auf einem andern. Verheirathete Schneider gehören zu den großen Seltenheiten; allein überall weiß er sich zum Liebling der jungen Mädchen zu machen. Er besorgt für sie Alles, bringt ihnen die neuesten Neuigkeiten und ist mit einem Wort zu Allem zu gebrauchen. Die Männer verachten ihn wegen des weibischen Handwerks, welches er betreibt; er ißt auch mit ihnen nicht an einem Tische, sondern, wenn diese gegessen haben, mit den Frauen an einem besonderen Tische. In andern Orten ist nicht der Schneider der Freiwerber, son- dern die beiden ältesten Bettler der Umgegend werden hierzu auserwählt. — Der Schneider und die Bettler beobachten bei der Brautwerbung ein ganz verschiedenes Verfahren. Der Schnei- der fängt mit dem jungen Mädchen, die Bettler fangen mit dem Hausherrn an. Wenn der Schneider von einem jungen Manne den Auftrag erhalten hat »für ihn zu sprechen«, so begiebt er sich nach dem Hofe, wo das junge Mädchen wohnt und sucht diese ohne Zeugen zu sprechen. Sieht er auf dem Wege dorthin eine Elster, so kehrt er sofort wieder um, denn dies ist ein Zeichen, daß eine Ehe, die an diesem Tage verabredet, eine unglückliche werden würde. Sein Zusammentreffen mit dem jungen Mädchen muß immer als ein rein zufälliges erscheinen. Er spricht mit ihr zuerst von dem Wetter, dem Vieh, der bevorstehenden Kirmeß u. s. w. und kommt zuletzt auf den jungen Mann zu sprechen. Er lobt seine Häuslichkeit, seine große Körperkraft, seinen Muth, sein hübsches Aeußere u. s. w. t^anz beiläufig rühmt er auch seinen Reichthum und daß er man- chen Kosfer voll Leinwand habe. Das junge Mädchen hört ihn ruhig an, und wenn sie geneigt ist, auf den Antrag einzugehen, so sagt sie: »Sprecht mit meinen Eltern!« und läuft dann schnell fort. Will sie nicht, so sagt sie: »Der Flachs zu meinem Braut- Hemde ist noch nicht gesäet.« Hierauf bleibt sie stehen und der Freiwerber geht fort. Hat das junge Mädchen ihre Zustimmung erklärt, so theilt sie die Bewerbung ihrem Vater mit. Wenn dieser gegen die Verbin- dung nichts einzuwenden hat, so wird dem Schneider davon Nach- richt gegeben. Dieser erscheint dann nach einigen Tagen mit einer Ginsterruthe in der Hand und bekleidet mit einem rothen^ und einem violetten Strumpfe, mit dem Bräutigam und dessen Vater, oder wenn dieser todt ist, mit dessen nächstem Verwandten auf dem Hofe, um »sein Wort anzubringen.«

13. Lesebuch für städtische und gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 138

1897 - Wittenberg : Herrosé
Der Herzog wußte, daß fein Generalsnperintendent Storch einen Bruder in London hatte, der Schneider war, und er ließ jenen deshalb fragen, ob er etwas an den Bruder in England mitzugeben habe, er werde es gern besorgen. Der Superintendent benutzte die teilt selige Aufforderung und übersandte einen Brief nebst einem kleinen Päckchen. Einige Tage nach seiner Ankunft in London gedachte der Herzog, der am königlichen Hofe als naher Verwandter sehr in An- spruch genommen war, des mitgenommenen Briefes und schickte ihn samt dem Päckchen mit einem freundlichen Gruße an den Schneider- meister Storch. Der Schneider, hoch erfreut, ließ durch den Kammer diener beim Herzog anfragen, ob er ihm nicht die Aufwartung machen und seinem ehemaligen Landesherrn mündlich für die erwiesene Gnade danken dürfe. Dem Manne eine leere Audienz zu geben, dünkte dem Herzog doch seltsam, und so fiel seine Gutmütigkeit auf den Ausweg, sich bei ihm einen Anzug zu bestellen. Der Schneider ward be schieden. Zur bestimmten Stunde fuhr eine schöne Kutsche vor der Wohnung des Herzogs auf, ein Bedienter öffnete den Schlag, ein sehr seiner Herr stieg ans, und es wurde dem Herzoge, der alles vom osen st er ans gesehen hatte, der zum Maßnehmen entbotene Schneider ge- meldet. Verwundert ließ der Herzog ihn eintreten und sah sich von einem seinen Mann mit ungezwungenem Anstande ehrfurchtsvoll be grüßt, der sich ihm als den Bruder des Generalsnperinteudenten Storch vorstellte. Die ganze Erscheinung gefiel dem Fürsten, er knüpfte ein Gespräch an und erkannte bald, daß er einen geistig gebildeten Mann vor sich habe. Nach längerer Unterhaltung kam der Herzog auf seine Bestellung und wollte Maß nehmen lassen. „Das ist bereits geschehen!" erwiderte der Schneider. Wieso'?" fragte der Herzog betroffen. „Ich habe Ew. Durchlaucht Gestalt mir angesehen," versetzte der Meister, „und mehr bedarf es nicht; ich hafte dafür, daß alles aufs beste passen soll," und hierbei entfernte er sich mit ehr erbietiger Bescheidenheit. Das war dem Herzog noch nicht vorgekommen; aber er erstaunte noch mehr, als am folgenden Morgen der Schneider mit dem fertigen Anzuge vor ihm stand, und alles so paßte, als ob es auf feinen Leib gemacht worden wäre. „Wie ist es möglich," rief der Herzog ans, „daß Sie mit dem Anzüge schon fertig sind?" — „Wenn Ew. Durchlaucht mir die Ehre erweisen wollen, mein Geschäftshaus zu be- sichtigen. so werden Sie sich bald überzeugen, wie es möglich ist. Ich betreibe mein Geschäft fabrikmäßig; jeder meiner Arbeiter hat seine be- stimmte Aufgabe lind so geht das Werk schnell ans einer Hand in die andere. Vielleicht ist es Ew. Durchlaucht nicht unangenehm, eine solche Einrichtung kennen zu lernen." Neugierig nahm der Herzog für den folgcmden Tag die Einladung an und ward fast bis zur Verlegenheit überrascht, als der Meister ihn daneben zum Mittags- mahle einlud, indem er versicherte, daß Seine Durchlaucht eine nicht unwürdige Gesellschaft finden werde. Um die bestimmte Zeit fuhr der Herzog vor der Schneiderwerk-

14. (Für das 4. und 5. Schuljahr) - S. 66

1910 - Leipzig [u.a.] : Klinkhardt
66 Treue Freundschaft. Arbeit bekam, der Schneider aber nicht. Beide Freunde mußten sich also hier trennen. Als der Schneider wieder auswanderte, gab ihm der Schmied eine Stunde weit das Geleite. Dann schieden sie unter Tränen voneinander, als wenn sie leibliche Brüder gewesen wären, ohne eben hoffen zu können, daß sie sich in dieser Welt jemals wiedersehen würden. Der Schneider wanderte darauf durch Böhmen, Sachsen, Hessen, Lothringen bis nach Frankreich, wo er beinahe zehn Jahre blieb und bald in dieser, bald in jener Stadt arbeitete, ohne irgendwo sein Glück zu finden. Endlich kehrte er nach Deutschland zurück und geriet in Frankfurt am Main unter' die Werber, welche ihn überredeten, kaiserliche Dienste zu nehmen, und ihn als Rekruten nach Wien transportierten. Da er aber schwächlich und fast beständig krank war, ließ man ihn nach einigen Jahren wieder laufen, wohin er wollte. Fast nackt und bloß kam er nach Sachsen, um daselbst wieder Arbeit zu suchen. Allein da ihn in seinem elenden Anzuge niemand zur Arbeit annehmen wollte, so mußte er endlich betteln. Eines Abends spät sprach er in einem Dorfe, es war gerade an einem Sonn- abende, bei einer Schmiede um einen Zehrpfennig an. Da dünkte es dem Meister, welcher mit vier Gesellen an der Esse arbeitete, daß die Stimme des Ansprechenden ihm sehr bekannt sei. Er nahm die Hängelampe in die Hand, schaute dem Bettler ins Gesicht, und — „Je Bruder! bist du’s oder bist du’s nicht?“ riefen beide fast zu gleicher Zeit; und in der Tat waren es die Kameraden, die seit der Trennung in Warschau nichts weiter voneinander gehört hatten. Der Schmied, welcher unterdessen in dieser Schmiede in Arbeit gestanden und durch die Heirat der Witwe, welcher sie gehörte, wohlhabend geworden, war ganz außer sich vor Freuden. Er herzte und küßte den Schneider und schämte sich seiner nickt, obgleich er ein zerlumpter Bettler war. Er führte ihn mit lautem Jubel in die Wohnstube, drückte ihn in den Großvater- stuhl am Ofen nieder, sprang auf einem Beine wie ein Knabe, und alle seine Hausgenossen sperrten vor Verwunderung die Augen weit auf. „Lene,“ sprach er zu seiner Frau, „geschwind springe hinauf und hole ein feines Hemd und meinen Sonntags- staat herunter, daß der gute Freund da sich umkleiden kann!“ Der Schneider wollte allerlei dagegen einwenden, aber der Meister hielt ihm den Mund zu und sagte: „Schweig’ und sprich

15. Lesebuch für Volksschulen - S. 126

1894 - Bielefeld [u.a.] : Velhagen & Klasing
120 stuhl am warmen Ofen, rief alle seine Leute zusammen und sagte ihnen, das sei er, das sei der liebe Bruder Schneider, von dem er ihnen so viel erzählt, und dem er es nächst Gott zu danken habe, daß er nicht schon lange in einem polnischen Kirchhofe faule. Die Meisterin, welche dem unbekannten Wohlthäter ihres geliebten Ehegatten schon oft Gottes Segen auf allen seinen Wegen gewünscht hatte, war zur Küche hingesprungen, hatte eiligst ihre Hand auf beiden Seiten abgetrocknet und sie unter den freundlichsten Grüßen dem werten Gaste hingestreckt. Sie eilte aber bald wieder hinaus, um zwei fette Gänse abzuschlachten und ein festliches Mahl zu bereiten, wozu sie ihre ganze Freundschaft laden ließ. Der Schmied aber rief einmal über das andere: „Das soll mir ein Frendentag sein!" und herzte und küßte den treuen Kameraden, der noch immer ganz verstummt drein sah und die Sprache nicht recht finden konnte. Die Gänse wurden fertig, und der hungrige Schneider erinnerte sich nicht, in vielen Jahren so prächtig gespeist zu haben. Dabei erzählte ihm der Schmied seine seitherigen Schicksale, was dem Schneider wie die schönste Tafelmusik klang. Nachdem sich dieser satt gegessen, mußte er auch erzählen, wie es ihm ergangen sei. Alle Anwesenden wurden gerührt und gewannen den Fremdling bei seiner offenherzigen Erzählung so lieb, daß sie verlangten, er solle bei ihnen seinen Wanderstab niederlegen. Wer sehnte sich mehr nach einem Plätzchen der Ruhe als unser Schneider? Es fror ihn noch, wenn er an die Schneegestöber dachte, die er in manchem Winter hatte durchfechten müssen. Mit Freuden ging er daher auf den von seinem Freunde gemachten Vorschlag ein, wurde auf alle Weise unterstützt, wurde Meister im Dorfe, wurde der Mann eines tugendsamen Weibes und erfreute sich des göttlichen Segens in so reichem Maße, daß er ohne allen Mangel leben konnte. So hatten es beide, der Schmied am Schneider und der Schneider am Schmied erfahren, was Sirach im sechsten Kapitel spricht: „Ein treuer Freund ist ein Trost des Lebens; wer Gott fürchtet, der kriegt solchen Freund." Redenbacher. 207. Der beste Freund. 1. Der beste Freund ist in dem Himmel, auf Erden sind nicht Freunde viel, und bei dem falschen Weltgetümmel steht Redlichkeit oft auf dem Spiel. Drum hab’ icli’s immer so gemeint: mein Jesus ist der beste Freund. 2. Die Menschen sind wie eine Wiege, nur Jesus stehet felsenfest, und ob ich gleich darnieder liege, doch seine Treu’ mich nie verlässt. Drum hab’ ich’s immer so gemeint: mein Jesus ist der beste Freund. 3. Der liess sich selber für mich töten, vergoss für mich sein teures Blut, steht mir noch bei in allen Nöten und spricht für meine Sünden gut. Drum hab’ ich’s immer so gemeint: mein Jesus ist der beste Freund. schmoick. 208. Der kleine Friedensbote. Ein Gerber und ein Bäcker waren einmal Nachbarn, und die gelbe und die weiße Schürze vertrugen sich aufs beste. Wenn dem Gerber ein Kind geboren wurde, hob es der Bäcker aus der Taufe, und wenn der Bäcker in seinem großen Obstgarten an die Stelle eines ausgedienten Invaliden eines Rekruten bedurfte, ging der Gerber in seine schöne Baumschule und hob den schönsten Mann aus, den er darin hatte, eine Pflaume oder einen Apfel oder eine Birne oder eine Kirsche, je nachdem er auf diesen oder jenen Posten, aus einen fetten oder magern Platz gestellt werden sollte. An Ostern, an Martini und am heiligen Abende kam

16. Anschauungsunterricht und Heimatkunde für das 1. bis 3. (bezw. 4.) Schuljahr - S. 225

1909 - Leipzig : Klinkhardt
225 Manchmal ist die Uhr aufgezogen und will immer noch nicht gehen. Dann rückt der Vater ein bißchen dran, dann geht sie wieder, wenn sie aber gar keine Lust hat, dann muß sie zum Uhrmacher. Der kann sie wieder in Ordnung bringen, und das ist gut. Zeichnen verschiedener Uhren. Zeichnen des Zifferblattes mit einer gewissen Genauigkeit. Nacke, Der Uhrmacher. Sch 83. \\2. Der Schneider. Manches Rind ist schon mitgegangen, wenn der Vater sich einen Anzug machen lassen wollte. Da wird erst der Anzugstoff ausgesucht, entweder im Stoffgeschäft oder beim Schneider selbst. Dann wird Maß genommen. Da muß der Vater die Zacke ausziehen, daß er in Hemds- ärmeln dasteht. Nun hat der Schneider ein Bandmaß und mißt den Rücken herunter und um die Brust herum und unr die bsüften und wie lang die Beine sind und schreibt sich alles auf. Dann bestellt er den Vater zur Anprobe auf die übernächste Woche. vielleicht dürfen wir auch in seine Werkstatt hineinschauen. Da sehen wir einen großen Tisch. Da wird der Anzugsstoff darauf gelegt und in Stücke zerschnitten. Die müssen gerade so groß sein, wie es der Schneider beim Vater gemessen hat. Lin andermal sehen wir, wie ein Schneidergeselle auf dem Tische sitzt und näht, sonderbar! Alle Leute sitzen auf Stühlen, nur die Schneider sitzen auf dem Tische! Auch zwei Nähmaschinen hat der Schneider in seiner Werkstatt stehen; die kennen die Rinder gleich, denn die Mutter hat zu Lsause auch eine ähnliche. Nun wird der Nock anprobiert. Aber er ist noch lange nicht fertig, er hat bloß einen Ärmel und noch gar keine Rnöpfe. Und der Schneider kommt mit einem Stück Rreide und mit einem Stecknadel- kästchen, und manchmal nimmt er gleich vier Stück Nadeln mit der Ruppe in den Mund. Nun fühlt er hierhin und dahin, ob alles schön paßt, und dann steckt er zusammen und malt mit seiner Rreide Striche auf den Rock. Auch den andern Ärmel zieht er so an, zupft und steckt und malt, bis er zufrieden ist. wenn er ganz fertig ist, dann sagt er „danke", nämlich weil der Vater so still gehalten hat. Und eine Woche darauf hat der Schneiderlehrling den Anzug ge- bracht. Da war er ganz fertig und sah fein aus, und der Vater will ihn in der nächsten Zeit bloß Sonntags anziehen. Zeichnen der gesehenen Werkzeuge. poffmann, Die Heinzelmännchen. 0h ;o8. W 242. 2. Kopisch, Die Heinzelmännchen. (M \q.\. p so. V ^0.) 3. Nacke, Schneider und Schuhmacher. Sch 8;. Iütting-lveber, Anschauungsunterricht und Heimatkunde. s3

17. Haus und Heimat II - S. 21

1911 - Leipzig [u.a.] : Klinkhardt
Vzt< 21 C^Si r U^i< V£ü Czsü Cs^I* v^rii U^i ihr gehöriges Futter?" „O," antwortete der Sohn, „die ist so satt, sie mag kein Blatt." Der Schneider wollte sich darauf nicht verlassen, ging hinab in den Stall und fragte: „Ziege, bist du auch satt?" Die Ziege antwortete: „Wovon sollt' ich satt sein? Ich sprang nur über Gräbelein und fand kein einzig Blättelein: meh! meh!" „Der gottlose Bösewicht!" schrie der Schneider, „so ein frommes Tier hungern zu lassen!" lief hinaus und schlug mit der Elle den Jungen zur Haustüre hinaus. Die Reihe kam jetzt an den dritten Sohn, der wollte seine Sache gut machen, suchte Buschwerk mit dem schönsten Laube aus und ließ die Ziege daran fressen. Abends, als er heim wollte, fragte er: „Ziege, bist du auch satt?" Die Ziege antwortete: „Ich bin so satt, ich mag kein Blatt: meh! meh!" „So komm nach Haus," sagte der Junge, führte sie in den Stall und band sie fest. „Nun," sagte der alte Schneider, „hat die Ziege ihr gehöriges Futter?" „O," antwortete der Sohn, „die ist so satt, sie mag kein Blatt." Der Schneider traute nicht, ging hinab und fragte: „Ziege, bist du auch satt?" Das boshafte Tier antwortete: „Wovon sollt' ich satt sein? Ich sprang nur über Gräbelein und fand kein einzig Blättelein: meh! meh!" „O, die Lügenbrut!" rief der Schneider, „einer so gottlos und pflicht- vergessen wie der andere! Ihr sollt mich nicht länger zum Narren haben!" und vor Zorn ganz außer sich, sprang er hinauf und gerbte dem armen Jungen mit der Elle den Rücken so gewaltig, daß er zum Haus hinaussprang. Der alte Schneider war nun mit seiner Ziege allein. Am andern Morgen ging er hinab in den Stall, liebkoste die Ziege und sprach: „Komm, mein liebes Tierlein, ich will dich selbst zur Weide führen." Er nahm sie am Strick und brachte sie zu grünen Hecken und unter Schafrippe und was sonst die Ziegen gerne fressen. „Da kannst du dich einmal nach Herzenslust sättigen," sprach er zu ihr und ließ sie weiden bis zum Abend. Da sprach er: „Ziege, bist du satt?" Sie antwortete: „Ich bin so satt, ich mag kein Blatt: meh! meh!"

18. Teil 2 = Kl. 7 - S. 172

1917 - Bielefeld [u.a.] : Velhagen & Klasing
172 07070707070707070707070? 0707070707 070?&/1&1 „Wovon sollt' ich satt sein? Ich sprang nur über Gräbelein und fand kein einzig Blüttelein; meh, meh!" „Was muß ich hören!" rief der Schneider, lief hinauf und sprach zu dem Jungen: „Ei, du Lügner sagst, die Ziege wäre satt, und hast sie hungern lassen?" Und in seinem Zorne nahm er die Elle von der Wand und jagte ihn mit Schlägen hinaus. Am andern Tag war die Reihe am zweiten Sohn; der suchte an der Gartenhecke einen Platz aus, wo lauter gute Kräuter standen, und die Ziege fraß sie rein ab. Abends, als er heim wollte, fragte er: „Ziege, bist du satt?" Die Ziege antwortete: „Ich bin so satt, ich mag kein Blatt; meh, meh!" „So komm nach Haus!" sprach der Junge, zog sie heim und band sie am Stalle fest. „Nun," sagte der alte Schneider, „hat die Ziege ihr gehöriges Futter?" „O," antwortete der Sohn, „die ist so satt, sie mag kein Blatt." Der Schneider wollte sich darauf nicht verlassen, ging hinab in den Stall und fragte: „Ziege, bist du auch satt?" Die Ziege antwortete: „Wovon sollt' ich satt sein? Ich sprang nur über Gräbelein und fand kein einzig Blüttelein; meh, meh!" „Der gottlose Bösewicht!" schrie der Schneider, „so ein frommes Tier hungern zu lassen!" lief hinauf und schlug mit der Elle den Jungen zur Haustür hinaus. Die Reihe kam jetzt an den dritten Sohn; der wollte seine Sache gut machen, suchte Buschwerk mit dem schönsten Laube aus und ließ die Ziege daran fressen. Abends, als er heim wollte, fragte er: „Ziege, bist du auch satt?" Die Ziege antwortete: „Ich bin so satt, ich mag kein Blatt; meh, meh!" „So komm nach Haus!" sagte der Junge, führte sie in den Stall und band sie fest. „Nun," sagte der alte Schneider, „hat die Ziege ihr gehöriges Futter?" „O," antwortete der Sohn, „die ist so satt, sie mag kein Blatt." Der Schneider traute nicht, ging hinab und fragte: „Ziege, bist du auch satt?" Das boshafte Tier antwortete: „Wovon sollt' ich satt sein? Ich sprang nur über Gräbelein und fand kein einzig Blüttelein; meh, meh!"

19. Bergische Sagen - S. 21

1911 - Elberfeld : Bacmeister
- 21 — lieh man jedesmal den großen Kochtopf, wenn in der Familie Reisbrei gekocht werden sollte. So verkehrten die Schleifers- leute und die Heinzelmännchen lange Zeit wie gute Freunde mit einander. Einige Schleifer in Solingen hatten von diesen Dingen ge- hört. „Ei," dachten sie, „da wollen wir uns auch einmal einen Topf leihen." Sie gingen hin, und wirklich, die liebenswürdigen kleinen Leute liehen den Topf. Aber, o weh! Die Solinger Schleifer ließen keinen Brei im Topfe zurück, sondern brachten diesen schmutzig wieder. Da waren die Heinzelmännchen erbittert und riesen im Zorn: „Zur Strafe für euren Geiz und eure Nichtsnutzigkeit sollt ihr von nun an mit krummen Beinen herumlaufen." ' . Was die Heinzelmännchen gewünscht, ging in Erfüllung. Diefe undankbaren Solinger Schleifer sowie ihre Kinder und ^ Kindeskinder hatten sortan krumme Beine. 1 15. Wie ein listiger Schneider seine Seele rettete. In dem Orte Wald bei Solingen wohnte einst ein Schneider. Es war ein lustiger, fideler Mann. Schade nur, daß er nicht gerne arbeitete. Viel lieber streifte er durch Feld und Wald oder ließ sich im Wirtshause allerlei Neuigkeiten erzählen. Da er auf diese Weise wenig verdiente, litten Weib und Kind daheim oft bittere Not. Das tat dem Schneiderlein wohl leid, aber er besserte sich nicht. Eines Tages kehrte er wieder im Wirtshause ein. Da traf er einen guten Bekannten, einen Jager. Dieser erzählte allerlei wunderbare Geschichten und ließ dabei dem Schneider ein Glas nach dem andern einschenken, als wenn sein Geld nie alle werden könnte. Neugierig fragte ihn der Schneider: „Wie kommst du zu all dem Reichtum?" „Ei, nichts ist einfacher als das," erwiderte der Jäger, „ich habe mit dem Teufel einen Vertrag abgeschlossen. Sieben Jahre muß mir der Teufel dienen und alle meine Wünsche erfüllen, dann aber gehört ihm meine Seele. Kann er jedoch einen Wunsch nicht erfüllen, oder schaffe ich ihm statt meiner eine andere Seele, dann bin ich frei." Der Schneider, der sehr gespannt zugehört hatte, sagte zu dem Jäger: „Der Vertrag gefällt mir. Mach' mich mit dem Teufel bekannt." Freudig brachte ihn der Jäger zum Teufel; denn nun war er frei.

20. Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 339

1912 - Essen Berlin : Bachmann Baedeker
Die Berufswahl. 333 eines Abends über mich in der Stube des Waldbauern abgehalten wurde. Meine Mutter ging zu dem Geistlichen, Hülfe heischend, daß ich in die Studie (zum Studieren) kommen könnte. Der Herr Dechant sagte ihr aber: „Laß die Waldbäuerin das bleiben I Wenn der Bub' sonst keine Anzeichen für den Priester hat, als daß er schwach ist, so soll er was anderes werden." Nun, so ging denn meine Mutter vom Herrn Dechanten zum Schneidermeister: sie hätte einen Buben, der möcht' Schneider werden. — Was ihn auf diesen Gedanken brächte? — Weil er halt so schwächlich wäre. Stand der Meister auf und sprach: „Ich will der Waldbäuerin nur sagen, daß der richtige Schneider ein kerngesunder Mensch sein muß. Einmal das viele Sitzen, nachher zur Feierabendzeit das weite Gehen über Berg und Tal und das ganze Zeug mitschleppen wie der Soldat seine Rüstung. Dann die ver- schiedene Kost: bei einem Bauer mager, beim andern feist, in einem Hause lauter Mehlspeisen, im andern wieder alles von Fleisch, heut' nichts als Erdäpfel und Grünzeug, morgen wieder alles Suppen und Brei. Und red' ich erst von den unterschiedlichen Leuten, mit denen man sich abgeben mußl Da eine brummige Bäuerin, der kein ordentlicher Zwirn feil ist, dort ein Bauer, der mit seinen närrischen Späßen den Handwerker erheitern und satt machen will. All' die Leut' soll der Schneider mit einem Maß messen. Und was die Hauptsache ist: Kopf muß einer haben! Was an einem krummen, buckeligen, einseitigen Menschenkinde verdorben ist, das soll der Schneider wieder gut machen. Der Schneider muß aber nicht allein den Körper seines Kunden, er muß auch, so zu sagen, sein ganzes Wesen erfassen, um ihm ein Kleid zu geben, welches paßt. Und ebenso muß er den Stoff kennen, von dem er den Anzug zu verfertigen hat. Manches Tuch dehnt sich, manches kriecht zusammen; dieses hält Farbe, das andere schießt ab. Wer das vorher nicht weiß, der macht ein Unding zusammen. Kurz, der Kleidermacher muß Menschen- und Weltkenner sein (s. Nr. 171). Na, werd' ihn 'mal anschauen; soll nächster Tage zum Alpelhofer kommen, dort wird er mich finden!" 2. So bin ich denn an einem Hellen Morgen hingegangen. Lange stand ich auf dem Antrittstein der Haustür und dachte: „Wie wird es sein, wenn ich wieder heraustrete?" Da ich in die Stube trat, saß der Meister am Tische und nähte. Ich blieb an der Tür stehen. Er zog die Nadel auf und nieder; nur die Wanduhr und mein Herz pochten. „Was willst du denn?" fragte mich nach einer Weile der Meister. „Schneider werden möcht' ich halt gern," antwortete ich zagend. — „So setz dichter, nimm Nadel und Zwirn und nähe mir diesen Ärmling zusammen!" So tat ich; aber es ist leichter gesagt als getan. Da staken im Kissen an die dreißig Nadeln aller Größen, da lagen Zwirnknäuel verschiedener Feine und Farbe. Und die beiden Teile des Ärmlings, wie werden sie zusammeugetan? Ich warf fragende Blicke auf den Meister; aber der tat nicht, als wisse er mehr als ich. So hub ich denn an, legte den Lodenstoff aufs Knie und machte einen Stich. Der Faden schlüpfte durch; der erste Stich war mißlungen. Tief erglühend forschte ich der Ursache nach und kam endlich darauf, daß von mir vergessen worden war, an den Faden einen Knoten zu machen. Ich schlang also mit großer Mühe ein Knötlein und nähte hierauf mit Erfolg, aber auch mit Hinder- nissen. Es verwand und verdrehte sich der Zwirn; es staute sich die Nadel am Finger; es verschob sich das Zeug und ließ sich mit jedem Zuge hoch in die Lüfte ziehen; es riß sogar der Faden. Als ich ein paar Stunden so herumgenäht hatte, ohne daß mein Meister