1873 -
Hildburghausen
: Gadow
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 10
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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deren Gewährung gar leicht mißbraucht oder wenigstens
zu einer großen Versuchung werden konnte. Aber bald
überzeugte er sich, mit was für einer aufrichtigen und
redlichen Seele er es zu thun habe. Er fragte unter
andern Dingen nach dem Wenigen, was nach den dama-
ligen Anforderungen der Kirche ein Christ wissen sollte.
Der Knabe sagte seinen Glauben, sein Vaterunser nebst
einigen andern kürzeren Gebeten gut her und beantwor-
tete munter etliche Fragen aus den Evangelien. Nun
sprach der Abt: „Mein Söhnlein, du darfst alle Tage,
wenn unsere Kühe zur Tränke getrieben werden, kommen
und holen, was sie unter dem Barren liegen lassen. Und
wenn der Bruder Küchenmeister etwas übrig hat, so wird
er es dir auch mitgeben für dich und deine Mutter."
Dann segnete er den Knaben und entließ ihn froh und.
getröstet.
In der Hütte der Wittfrau hatte nun die Noth ein
Ende. Bald kam auch der warme und freundliche Früh-
ling; die Wittwe entdeckte wieder eine ergiebige Sandgrube,
und ihr Benedikt trieb als gedungenes Ziegenhirtlein die
Ziegen des Dorfes auf die hohen, luftigen Berge. In die
Kost ging er bei den einzelnen Besitzern der Ziegen der
Reihe nach. Sein Osterlamm aß er im Kloster, seinen
Psingstkuchen buk ihm die Wirthin, seinen Kirchweihschmauß
hielt er in der neuen Mühle und seinen Namenstag feierte
er wieder bei den Benediktinern.
An Unterhaltung fehlte es ihm auch auf den einsamen
Höhen nicht. Da lag der damals noch unbenützte Kalk-
schiefer so am Tage, daß es ihm leicht ward, Platten davon
herauszuheben und aus ihnen mit einem ganz kleinen Ham-
mer, den ihm noch sein verstorbener Vater gemacht hatte,
regelmäßige Vierecke zu fertigen.
Was man so unrichtiger und sündlicher Weise Zufall
nennt, führte den Knaben zu einer wichtigen Erfindung.
Benedikt legte einmal eine Schieferplatte, wie er sie aus
dem Boden gebrochen hatte, auf seinen Schooß, zeichnete
mit einer Kohle von seinem Hirtenfeuer ein Viereck darauf
und sprach dann bei sich: „Wenn ich fünfzig solche
viereckige Tafeln hätte, könnte ich meine ganze Haus-
flur damit belegen, wo jetzt die Hühner scharren, wenn
es draußen regnet." Und während er dieß dachte, klopfte
er mit seinem Hämmerlein auf dem einen schnurgera-
den Kohlenstrich sanft auf und ab. Denn er freute sich
über den hellen Klang der Platte. Aber auf einmal