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1. Dichtung der Neuzeit - S. 461

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
§ 54. Die moderne Literatur. Konrad Ferdinand Meyer. 461 Konrad Aerdinand Weyer (1825—1898). Konrad Ferdinand Meyer wurde am 12. Oktober 1825 als Sohn eines wohlhabenden Staatsbeamten zu Zürich geboren. In Lausanne widmete er sich vorzugsweise der französischen Literatur und schwankte dann lange Zeit, ob er sich der Rechtswissenschaft, der Malerei oder der Dichtung widmen solle, bis ihn erst die Ereignisse von 1870 der deutschen Literatur zuwandten. Seine Bedeutung zeigt sich daher erst im hohen Mannesalter. Die Dichtung in Versen „Huttens letzte Tage" erschien 1871, der Roman „Jörg Jenatsch, eine Bündnergeschichte", deren Schauplatz das Engadin in Graubünden ist, 1874, seine historischen, farbenprächtigen Novellen zwischen 1872 und 1891; wir nennen aus diesen als die vollendetsten „Der Heilige" (die der Geschichte freilich nicht voll gerecht werdende Dar- stellung des Kanzlers Thomas Bellet), „Die Hochzeit des Mönchs", „Die Versuchung des Pescara", romanartig gehalten, und „Die Richterin". Sie zeigen durchweg einen großen Wurf, feine Charakterentwicklung und Meisterschaft im Stil, der jedoch in seiner Kürze vom Leser volle Auf- merksamkeit verlangt. Seine lyrischen Gedichte und Balladen zeigen ernste und strenge, oft herbe Weisen, aber durchweg reife Künstler- schaft. Sein Landsmann Gottfried Keller rühmt an ihnen „den un- gewohnt schönen und kernigen Ton". Der Dichter starb am 28. November 1898 auf seiner Besitzung Kilchberg bei Zürich. 1 1. Zn Harmesnachten. Die Rechte streckt ich schmerzlich oft In Harmesnächten Und fühlt' gedrückt sie nnverhofft Von einer Rechten. — Was Gott ist, wird in Ewigkeit Kein Mensch ergründen, Doch will er treu sich allezeit Mit uns verbünden. 2. Lenzfahrt. Am Himmel wächst der Sonne Glut, Aufquillt der See, das Eis zersprang, Das erste Segel teilt die Flut, Mir schwillt das Herz wie Segeldrang. Zu wandern ist das Herz verdammt, Das seinen Jugendtag versäumt. Sobald die Lenzessonne flammt, Sobald die Welle wieder schäumt. Verscherzte Jugend ist ein Schmerz Und einer ew'gen Sehnsucht Hort, Nach seinem Lenze sucht das Herz In einem fort, in einem fort! Und ob die Locke dir ergraut Und bald das Herz wird stille stehn, Noch muß es, wann die Welle blaut. Nach seinem Lenze wandern gehn.

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1. Von der Reformation bis zum Tode Friedrichs des Großen - S. 33

1910 - Berlin : Salle
Luther und die Humanisten. 33 als Erinnerungen an Erasmus' edle Eltern auffassen können, die ihm beide früh entrissen worden waren. Die außerordentliche Frische und Wärme der Darstellung machen auf den Leser noch nach 400 Jahren Eindruck. Als das „Lob der Ehe" herauskam, fand es in den Reihen der Mönche und Nonnen, den Mitgliedern der Ritterorden den lautesten Widerhall und hat viele veranlaßt, sich vom Zölibat loszu- sagen. Die Dominikaner und Karmeliter in Löwen schrien laut über Ketzerei, weshalb es Erasmus für angezeigt hielt, eine Verteidigung ausgehen zu lassen, worin er bemerkte, er sei ein Mensch, der irren könne, mehr als Irrtum könne man ihm nicht schuld geben, und es sei verwerflich, ihn der Ketzerei zu zeihen. Erasmus war eben eine sehr vorsichtige Natur, ganz im Gegensatz zu dem feurigen Luther. Unter seinen übrigen Werken sind die wichtigsten wohl: die sorg- fältige Ausgabe des Neuen Testaments im griechischen Ur- text nebst lateinischer Übersetzung und Umschreibung und „Das Lob der Narrheit", eine volkstümliche Satire in lateinischer Sprache, welche die Torheit aller Stände geißelte und u. a. die Glückseligkeit des Weltentrückten preist im Gegensatz zu dem Denker, der alles er- gründen und erkennen will. Zu Luther sühlte Erasmus sich anfänglich hingezogen, aber als der religiöse Kampf immer größere Ausdehnung annahm, trat er scheu zurück. Dem kleinen, blonden Mann mit den blauen, halbgeschlossenen Augen war alles zuwider, was nach Tumult und Umsturz aussah, wodurch er den ruhigen Gang der wissenschaftlichen Forschung ge- fährdet glaubte. Aus diesem Grunde verschloß er seine Tür auch den: verfolgten und flüchtigen Hutten, der den ehemaligen Freund in Basel aufsuchen wollte. Huttens letzte Streitschrift klagt über diesen Verrat der Freundschaft. In der 1523 erschienenen „Expostulatio cum Erasmo Botterdamo" (Beschwerde gegen Erasmus von Rotterdam) bezichtigt er den Gelehrten auch des Verrats an der Sache der Geistesbefreiung. Erasmus antwortet in seiner „Spongia adversus aspergines Hutteni", „Schwamm gegen die Bespritzungen Huttens", worin er Hutten seinen unordentlichen Lebenswandel vorwirft. In dieser Fehde waltete auf beiden Seiten Erbitterung und Gehässigkeit. In unsern Tagen hat der Schweizer Dichter Konrad Ferdinand Meyer in seinem Liederzyklus „Ulrich Huttens letzte Tage" ganz entschieden die Partei des streit- baren Ritters genommen. Die Klust zwischen Luther und Erasmus wurde durch den Umstand erweitert, daß jener für die Ansicht des Kirchenvaters Augustin von der Unfreiheit des Willens, dieser für die Willensfreiheit eintrat. Aus der Zahl der dem Erasmus nahestehenden Theologen Mensch, Weltgeschichte iv. 3

2. Teil 5 - S. 107

1910 - Straßburg : Bull
107 2. Sternennacht. 1. Von frischer Kühle 'angezogen Verlaß ich spät die Tür, Da wölbt der tieferblaute Bogen Sich lockend über mir. 2. Dermond ans leiser Nebelhülle Streut sachten Glanz umher. Der Höhen reine Ätherfülle Durchglüht ein Sternenheer. 3. Ein jeder Stern an seiner Stelle, O welche hehre Pracht! Der Himmel strahlt in Zauberhelle, Und doch ist tiefe Nacht. 3. Vor der Ernte. 1. Nun störet die Ähren im Felde 2. Es ist, als ahnten sie alle Ein leiser Hauch, Der Sichel Schnitt — Wenn eine sich beugt, so bebet Die Blumen und fremden Halme Die andre auch. Erzittern mit. 40. Konrad Ferdinand Meyer. Geb. 1825 in Zürich, gest. 1898 auf seinem Gute in Kilchberg bei Zürich. („Balladen" 1867. „Romanzen und Bilder" 1870. „Gedichte" 1882.) 1. Alle. 1. Es sprach der Geist: Sieh auf! Esuvar im Traume. Ich hob den Blick. In lichtem Wolkenrnume Sah ich den Herrn das Brot den Zwölfen brechen Und ahnungsvolle Liebesworte sprechen. Weit über ihre Häupter lud die Erde Er ein mit allumarmendcr Gebärde. 2. Es sprach der Geist: Sieh auf! Ein Linnen schweben Sah ich und vielen schon das Mahl gegeben. Da breiteten sich unter tausend Händen Die Tische, doch verdämmerten die Enden In grauen Nebel, drin auf bleichen Stufen Kummergestalten saßen ungerufen. 3. Es sprach der Geist: Sieh auf! Die Luft umblaute Ein unermeßlich Mahl, soweit ich schaute, Da sprangen reich die Brunnen auf des Lebens, Da streckte keine Schale sich vergebens, Da lag das ganze Volk aus vollen Garben, Kein Platz war leer, und keiner durfte darben.

3. Teil 2 - S. 139

1914 - Leipzig [u.a.] : Teubner
139 Konrad Ferdinand Meyer: Gedichte 2. (Xxvi.) Homo sum. Ich halte Leib und Geist in strenger Zucht und werde doch vom Teufel hart versucht. Ich wünsche meiner Seele Seligkeit und bin mit Petri Schlüsselamt im Streit, s Am Tisch der Fugger speist' ich dort und hie und schimpfe weidlich Pfesfersäcke sie. Den Städterhochmut haßt' ich allezeit und hätte gern ein städtisch Kind gefreit. Auf ehrenfeste Sitten geb' ich viel io und fröne dem verdammten Würfelspiel. Ich bin des Kaisers treuster Untertan und riet dem Sickingen Empörung an. Das plumpe Recht der Faust ist mir verhaßt, und selber hab' ich wohl am Weg gepaßt. is Ich bete christlich, daß es Friede sei, und mich ergötzen Krieg und Kriegsgeschrei. Der Heiland weidet alle Völker gleich — nur meinen Deutschen gönn' ich Ruhm und Reich! Das heißt: ich bin kein ausgeklügelt Buch, so ich bin ein Mensch mit seinem Widerspruch. 3. (Xxxvii.) Der Schmied. Am Ufer drüben seh' aus einem Schlot ich lust'ge Funken wirbeln purpurrot. Und Schmied und Amboß kommt mir in den Sinn, davor ich einst erstaunt gestanden bin. 5 Als ein vom Weg Verirrter macht' ich halt; es war um Mitternacht im schwarzen Wald. Ein riesenhafter Schmied am Amboß stand und hob den Hammer mit berußter Hand. Zum ersten schlug er nieder, daß es scholl io ringsum im nächt'gen Forst geheimnisvoll. Und rief: „Mach', erster Streich, den Teufel fest, daß ihn die Hölle nicht entfahren läßt!" Den Hammer er zum andern Male hob, den Amboß schlug er, daß es Funken stob. is Und schrie: „Triff du den Reichsfeind, zweiter Schlag, daß ihn der Fuß nicht fürder tragen mag!" Den Hammer hob er noch zum dritten Mal, der niederfuhr wie blanker Wetterstrahl. Und lachte: „Schmiede, dritter, du die Treu' 20 und unsre alte Kaiserkrone neu!"

4. Teil 2 - S. 135

1914 - Leipzig [u.a.] : Teubner
Konrad Ferdinand Meyer: Gedichte 135 4. Schutzgeister. (Goethe-Jahrb. 1887.) Nahe wieder sah ich glänzen meiner Firne scharfe Grenzen, meiner Alpen weiße Bünde, wurzelnd tief im Kern der Schweiz; 5 wieder bin ich dort gegangen, wo die graden Wände hangen in des Sees geheime Gründe mit dem dunkelgrünen Reiz. Nimmer war ein Tag so helle, io niemals reiner meine Augen, Erd' und Himmel einzusaugen; meine Schritte gingen sacht. Schauend pilgert' ich und lauschte, weil ein guter Weggeselle i5 heimlich Worte mit mir tauschte von der Berge Herzensmacht. Traulich fühlt' ich seine Nähe, und mir ward, ob ich ihn sähe. Und er sprach: „Vor manchen Jahren so bin ich rüstig hier gereist, hier geschritten, dort gefahren!" Und er lobte Land und Leute, daß sich meine Seele freute an dem liebevollen Geist. 25 Und er wies auf ein Gelände: „Hier an einem lichten Tage fand ich eure schönste Sage, und ich nahm sie mit mir fort. Wandernd hab' ich dran gesonnen; 30 was zu bilden ich begonnen, legt' in Schillers edle Hände nieder ich als reichen Hort." Da er seinen Bruder nannte und mir drob das Herz entbrannte, 35 war's, als schlügen weite Flügel sausend über mir die Luft, Schwingen, die den Raum besiegen, wie sie nicht um niedre Hügel flattern, Schwingen, die sich wiegen, io herrschend über Berg und Kluft. Selig war ich mit den beiden; Dämmerung verwob die Weiden, und ich sah zwei treue Sterne über meiner Heimat gehn. Leben wird mein Volk und dauern 45 zwischen seinen Felsenmauern, wenn die Dioskuren gerne segnend ihm zu Haupte stehn. 5. Reisephantasie. Mittagsruhe haltend aus den Matten in der morschen Burg gezacktem Schatten, vor dem Türmchen eppichübersponnen, hab' ich einen Svmmerwunsch gesonnen, während ich eineidechsschwänzchenblitzen 5 sah und husch! verschwinden durch die Ritzen.. . Wenn es lauschte . . . wenn es meiner harrte. . . wenn — das Pförtchen in der Mauer knarrte. . . dem Geräusche folgend einer Schleppe, fänd' ich eine schmale Wendeltreppe 10 und, von leiser Hand emporgeleitet, droben einen Becher Wein bereitet . . . Dann im Erker säßen wir alleine, plauderten von nichts im Dämmerscheine, bis der Pendel stünde, der da tickte, 15 und ein blondes Haupt entschlummernd nickte; unter seines Lides dünner Hülle regte sich des blauen Quelles Fülle. . . und das unbekannte Antlitz trüge Ähnlichkeiten und Geschwisterzüge 20 alles Schönen, was mir je entgegen trat ans allen meinen Erdewegen . . . was ich Tiefstes, Zartestes empfunden, wär' an dieses blonde Haupt gebunden und in eine Schlummernde vereinigt, 25 was mich je beseligt und gepeinigt. . . dringend hätt' es mich emporgerusen dieser Wendeltreppe Trümmerstufen, daß ich einem ganzen, vollen Glücke stillen Kuß auf stumme Lippen drücke ... 30 einmal nur in einem Menschenleben — aber nimmer wird es sich begeben!

5. Dichtung der Neuzeit - S. 463

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
§ 54. Die moderne Literatur. Konrad Ferdinand Meyer. 463 6. Friede auf Erden. Fort im Sternenraum zu singen, Fuhr der Himmel fort zu klingen „Friede, Friede auf der Erde!" Da die Hirten ihre Herde Ließen und des Engels Worte Trugen durch die niedre Pforte Zu der Mutter und dem Kind, Fuhr das himmlische Gesind Doch es ist ein ew'ger Glaube, Daß der Schwache nicht zum Raube Jeder frechen Mordgebärde Werde fallen allezeit: Etwas wie Gerechtigkeit Webt und wirkt in Mord und Grauen, Und ein Reich will sich erbauen, Das den Frieden sucht der Erde. Seit die Engel so geraten, O wie viele blutige Taten Hat der Streit auf wildem Pferde, Der geharnischte, vollbracht! In wie mancher heil'gen Nacht Sang der Chor der Geister zagend. Dringlich flehend, leist verklagend: „Friede, Friede auf der Erde!" Mählich wird es sich gestalten. Seines heil'gen Amtes walten, Waffen schmieden ohne Fährde, Flammenschwerter für das Recht, Und ein königlich Geschlecht Wird erblühn mit starken Söhnen, Dessen Helle Tuben dröhnen: Friede, Friede aus der Erde! 7. Der gleitende Purpur. „Eia Weihnacht! Eia Weihnacht!" Schallt im Münsterchor der Psalm der Knaben. Kaiser Otto lauscht der Mette, Diener hinter sich mit Spend' und Gaben. Eia Weihnacht! Eia Weihnacht! Heute, da die Himmel niederschweben, Wird dem Elend und der Blöße Mäntel er und warme Röcke geben. Hundert Bettler stehn erwartend — Einer hält des Kaisers Knie umfangen Mit den wundgeriebnen Armen, Dran zerrißner Fesseln Enden hangen. — „Schalk! Was zerrst du mir den Purpur? Harr' und bete! Kennst du mich als Kargen?" Doch der Bettler hält den Mantel Fest und jammert: „Kennst du mich, den Argen? „Du Gesalbter und Erlauchter! Kennst du mich? . . . Du hast mit mir gelegen, Mit dem Siechen, mit dem Wunden, Unter eines Mutterherzens Schlägen. !|

6. Dichtung der Neuzeit - S. 465

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
§ 54. Die moderne Literatur. Konrad Ferdinand Meyer. 465 Du gibst es mir!" Hier, Junge, hast du Geld, Kauf dir ein schmuckes Paar, wie dir's gefällt! „Ach was! Die damaszierteu will ich, deine! Du läufst ja nimmer auf dem Eis, ich meine?" Der liebe Quälgeist läßt mir keine Ruh, Er zieht mich der verschollnen Stube zu; Da lehnen Masken, Klingen kreuz und quer An Bayles staubbedecktem Diktionär, Und seine Beute schon erblickt der Knabe In dunklem Winkel hinter einer Truhe: „Da sind sie!" Ich betrachte meine Habe, Die Jugendschwingen, die gestählten Schuhe. Mir um die Schläfen zieht ein leiser Traum. „Du gibst sie mir!" . . . In ihrem blonden Haar, Dem aufgewehten, wie sie lieblich war, Der Wangen edel Blaß gerötet kaum! . . . Im Nebel eingeschleiert lag die Stadt, Der See ein Boden spiegelhell und glatt. Drauf in die Wette flogen, Gleis an Gleis, Die Läufer; Wimpel flaggten auf dem Eis. . . . Sie schwebte still, zuerst umkreist von vielen Geflügelten, wettlaufenden Gespielen — Dort stürmte wild die purpurne Bacchantin, Hier maß den Lauf die peinliche Pedantin — Sie aber wiegte sich mit schlanker Kraft, Und leichten Fußes, luftig, elfenhaft Glitt sie dahin, das Eis berührend kaum, Bis sich die Bahn in einem weiten Raum Verlor und dann in schmalre Bahnen teilte. Da lockt' es ihren Fuß in Einsamkeiten, In blaue Dämmerung hinauszugleiten, Ins Märchenrcich: sie zagte nicht und eilte Und sah, daß ich an ihrer Seite fuhr, Nahm meine Hand und eilte rascher nur. Bald hinter uns verklang der Menge Schall, Die Wintersonne sank, ein Feuerball; Doch nicht zu hemmen war das leichte Schweden, Der sel'ge Reigen, die beschwingte Flucht; Und warme Kreise zog das rasche Leben Auf harterstarrter, geisterhafter Bucht. An uns vorüber schoß ein Fackellauf, Ein glüh Phantom, den grauen See hinauf. . . . In stiller Luft ein ungewisses Klingen, Wie Glockenlaut, des Eises surrend Singen. . . . Hense, Lesebuch. Ii. 4. Aufl. 30

7. (Sechstes und siebentes Schuljahr) - S. 256

1913 - Frankfurt am Main : Diesterweg
253 gehobenen Arm ließ einer sinken, ein Schwanken, ein Schrei, er stürzte herab, der andere ihm nach, gebrochenen Genicks lagen sie im Klosterhof. Die Ungarn trugen die Leichname in den Kloster- garten. Aus Holzstämmen ward ein Scheiterhaufen geschichtet und die Lücken mit Bänden aus der Bücherei des Klosters gefüllt. Dann schritten sie zum Hofe. Den ganzen Heuvorrat des Klosters hatten die Ungarn umhergestreut und lagerten drauf, des Mahles gewärtig. Ein Ochse ward am Spieße gebraten. Was sonst der Klosterküche Vorrat bot, ward gereicht; sie fielen hungrig darüber her. Aufrecht stand das große Weinfaß im Hofe, ein jeder schöpfte daraus, soviel ihm beliebte, da und dort kam ein kunst- geformter Kelch als Trinkgefäß zum Vorschein. Auch Heribald brachten sie Weines die Hülle und Fülle. Wie er aber stillvergnügt daran nippte, flog ihm ein halbgenagter Knochen an den Kopf. Er schaute schmerzlich auf; aber er schaute, daß noch manchen der Schmausenden ein gleiches Schicksal ereilte. Sich mit den Knochen werfen, war ungarischer Brauch anstatt eines Nachtisches. Weinwarm begannen sie darauf ein ungefüges Singen. Zwei der jüngeren Reitersmänner trugen ein altes Lied zum Preise des Königs Etzel vor. Wie Eulenschrei und Unkenruf klang der Chor. Der Jubel ging zu Ende, der Wein war verbraucht, da gebot der Führer, die Toten zu verbrennen. In eines Augenblickes Schnelle saß der Schwarm zu Rosse, in Reih und Glied ritten sie zum Scheiterhaufen. Vom ältesten der Ungarn wurden der Toten Pferde erstochen und zu ihrer Herren Leichen gelegt, einen schauerlichen Weihespruch rief der greise Ungar über die Versammelten, dann schwang er den Feuerbrand und entzündete den Holzstoß. Eine mächtige Rauchsäule stieg gegen Himmel. Mit Ringkampf, Waffen- spiel und Wettrennen ward der Toten Gedächtnis gefeiert. Die Sonne neigte sich zum Untergehen. Die Ungarnschar verblieb die Nacht im Kloster. 157. Der gleitende Purpur. Konrad Ferdinand Meyer. 1. „Eia Weihnacht! Eia Weihnacht!" Schallt im Münsterchor der Psalm der Knaben. Kaiser Otto lauscht der Mette, Diener hinter sich mit Spend' und Gaben.

8. Geschichte der neuesten Zeit - S. 160

1912 - Frankfurt a.M. [u.a.] : Diesterweg
160 Das Zeitalter des Deutschen Kaiserreichs. risch umgetauft; Briefschaften, die feine magyarische Aufschrift tragen, bestellt die ungarische Post nicht. Dem Ansinnen, im ungarischen Heer diemagy-arische Befehlssprache statt der deutschen einzufhren, setzt der zweiundachtzig-jhrige Kaiser als Kriegsherr der sterreichisch-ungarischen Gesamtmonarchie wohlbegrndeten Widerstand entgegen: unser treuster Bundesgenosse will die Einheitlichkeit und damit die Schlagfertigkeit seines Heeres nicht schmlern lassen. Die gehssigen Angriffe der Slawen und Magyaren haben die treue deutsche Gesinnung nur gesthlt: die Siebenbrger Sachsen und die Schwaben" im Banat sind leuchtende Beispiele. Noch heute ist sterreich eine Schutzwehr deutscher Gesittung wie in den Zeiten der Trkennot. Auch die Flamen in Belgien haben sich der Unterdrckung durch die franzsischen Wallonen erwehrt: die Landesgesetze werden nunmehr in beiden Landessprachen verffentlicht, und die Mnzen zeigen auch flmisches Geprge. Sieghaft schreitet das Deutschtum auch im ferneren Ausland voran. In den Vereinigten Staaten wohnen mehr Deutsche als in sterreich. Schwbische Bauern haben sich an der untern Wolga, im Kaukasus bei Tiflis und neuerdings bis in die Nhe von Taschkent und ins Amurland hinein, ebenso in Palstina eine neue Heimat mit blhenden Gemeinden gegrndet. Mit derselben Treue wie sie halten Hunsrcker und Pommern in Sdamerika, namentlich in Brasilien, Norddeutsche aus verschiedenen Provinzen in Sdaustralien als Bergleute, Winzer, Zuckerrohrpflanzer an der Muttersprache und an den Gebruchen der Heimat fest: berall erheben sich deutsche Kirchen und Schulen, blhen deutsche Gesang- und Turnvereine; in Schanghai erscheint eine groe deutsche Zeitung, der Ost-asiatische Lloyd"; in unseren afrikanischen Kolonien gedeihen neben poli-tischen auch landwirtschaftliche Bltter. In Japan herrscht deutscher Ein-flu vor: ein deutscher Baumeister ist Schpfer beider Parlamentsgebude; der 1912 verstorbene Mikado hatte einen deutschen Leibarzt; an der Hochschule in Tokio ist das Deutsche die Unterrichtssprache fr Medizin und Geschichte. 8. Kunst und Wissenschaft kennen Landesgrenzen so wenig, wie die Nchstenliebe sie kennt. Wie Deutsch-sterreich hat das berseeische Deutschland, Amerika voran, deutsche Denker und Knstler hervorgebracht, und die Schweiz hat in den letzten Jahrzehnten unserm Volk einige seiner Herr-Itchsten Shne geschenkt: neben dem Maler Arnold Bcklin aus Basel die Zricher Dichter Gottfried Keller und Konrad Ferdinand Meyer, die gleichfalls zu den Groen des neunzehnten Jahrhunderts ge-hren *). *) Vgl. die Abbildungen 15 und 16.

9. Bd. 3 A = Oberstufe für Knaben, (7. - 9. Schulj.) - S. 89

1910 - Dortmund : Crüwell
89 Und sie vergaß den einstigen Stolz. Bescheiden und still saß sie in dem alten Holzrahmen, freilich dachte sie oft an ihre Glanz- zeit zurück, wo sie, tüchtig geölt und sauber geputzt, in dem statt lichen Gefüge der Maschine saß und mit dem Schwungrad über ihr schraubenunwürdiges Los grollte. Aber sie wünschte nicht mehr aus dem Gewinde herauszukommen, und mochte es auch beengend sein, so gab es ihr doch einen sichern Halt. Und kamen ihr einmal törichte Gedanken, dann sprach sie still für sich hin: „Wer als Schraube geboren ist, tut am besten, in seinem Gewinde zu bleiben." 61. Einom Tagelöhner. Von Lange Jahre sah ich dich Führen deinen Spaten, Und ein jeder Schaufelstich Ist dir wohl geraten. 2. Nie hat dir des Lebens Flucht Bang gemacht, ich glaube — Sorgtest für die fremde Frucht, Für die fremde Traube. Konrad Ferdinand Meyer. 3. Nie gelodert hat die Glut Dir in eignem Herde, Doch du fußtest fest und gut Auf der Mutter Erde. 4. Nun hast du das Land erreicht, Das du fleißig grubest, Laste dir die Scholle leicht, Die du täglich hubest! 62. (Eine Bauernfyanö. von Wilhelm Lenne mann. <^ah im Frug ich eine Bauernhand, ^ Wie von heil'gen Uunen ganz durchrissen, Möcht' der Bauer, schwach und altersmüd, Feine doch der Kleinen Furchen missen. 2. Jede Hille spricht von schwerer Tat, Wenn den harten Werktag er durchschritten, Wenn in dumpfen Stunden ungesehn Itttt den grauen Sorgen er gestritten. 3. Jeder Uiß ist ihm ein Ehrenmal Und sein Stolz nach schwerdurchkämpften Siegen, Sieht der Ulte seine Hände an, Liegt ein Lächeln noch auf seinen Zügen.

10. Teil 2 - S. 134

1914 - Leipzig [u.a.] : Teubner
134 Neue Strömungen 5. Konrad Ferdinand Meyer (1825—1898). Gedichte. Leipzig 1883. a) Gedichte. *An Konrad Ferdinand Weher. Ein goldner Helm in wundervoller Arbeit, in einer Waffenhalle fand ich ihn als höchste Zier. Und immer liegt der Helm mir in Gedanken des Meisters muß ich denken, der ihn schuf, bin ich bei dir. D. v. Liliencron 1. Erntegewitter. Ein jäher Blitz. Der Erntewagen schwankt. Aus seinen Garben fahren Dirnen auf und springen schreiend in die Nacht hinab. Ein Blitz. Auf einer goldnen Garbe thront 5 tioch unvertrieben eine frevle Maid, der das gelöste Haar den Nacken peitscht. Sie hebt das volle Glas mit nacktem Arm, als brächte sie's der Glut, die sie umflammt, und leert's auf einen Zug. Ins Dunkel wirft io sie's weit und gleitet ihrem Becher nach. Ein Blitz. Zwei schwarze Rosse bäumen sich. Die Peitsche knallt. Sie ziehen an. Vorbei. 2. Schnitterlied. Wir schnitten die Saaten, wir Buben und Dirnen, mit nackenden Armen und triefenden Stirnen, von donnernden, dunkeln Gewittern bedroht — gerettet das Korn! Und nicht einer, der darbe! 5 Von Garbe zu Garbe ist Raum für den Tod — wie schwellen die Lippen des Lebens so rot! Hoch thronet ihr Schönen auf güldenen Sitzen, in strotzenden Garben, umflimmert von Blitzen — io nicht eine, die darbe! Wir bringen das Brot! Zum Reigen! Zum Tanze! Zur tosenden Runde! Von Munde zu Munde ist Raum für den Tod — wie schwellen die Lippen des Lebens so rot! 3. Neujahrsglocken. In den Lüften schwellendes Gedröhne, leicht wie Halme beugt der Wind die Töne: leis verhallen, die zum ersten riefen, neu Geläute hebt sich aus den Tiefen. 5 Große Heere, nicht ein einzler Rufer. Wohllaut flutet ohne Strand und Ufer.

11. Länderkunde von Europa ohne das Deutsche Reich, Die koloniale Stellung der europäischen Mächte - S. 61

1912 - Berlin : Oldenbourg
Zusammenfassende Überschau über Europa. 61 wegen, ihre Zugänglichkeit von 2 Meeren her und ihre neutrale Stellung und ruhige geschichtliche Entwicklung in Mitte der Großmächte sind die Hauptursachen hiervon. Die Hauptausfuhrartikel sind Fabrikate, besonders Baumwoll- und Seidenwaaren, Stickereien und Uhren, dann auch Schokolade und Milchprodukte. Den Hauptanteil an der Einfuhr haben Rohstoffe und Lebensmittel. Durch sein reges Handels- und Verkehrsleben, seine mnster- gültige Landwirtschaft, seine schwungvoll betriebene Industrie, endlich als Sitz einer hochentwickelten freien Volksbildung zählt die Schweiz zu den hervorragendsten Kulturländern Europas. Staatliche Einteilung und Verfassung. Die Schweiz besteht aus 22 Republiken oder Kantonen, welche zusammen die „Schweizerische Eidgenossenschaft" bilden. Sie wird von dem erwühlten Bundesrat und von der Versammlung der Bundesabgeordneten der einzelnen Kantone regiert. Beziehungen der Schweiz zu Deutschland, a) Geistige Beziehungen. Die geographische Lage der Schweiz zwischen Deutschland, Frankreich und Italien begünstigt offenbar in hohem Maße auch die Entfaltung der geistigen Kultur; besonders groß ist die Zahl der Schweizer, die in der Geschichte der deutschen Wissenschaften und Künste eine hervorragende Rolle spielen. Von den Reformatoren ihres kirchlichen Lebens abgesehen, gilt Pestalozzi als der Vater des modernen Erziehungs- und Unterrichts- wesens; die Kunstkritiker Bodmer und Breitinger halfen die Blüte der deutschen Literatur im 18. Jahrhundert vorbereiten, Hallers Alpen und Geßners Idyllen bezeichnen einen Wendepunkt in der Dichtung ihrer Zeit, und in den Dichtern Gott- fried Keller und Konrad Ferdinand Meyer wie in dem Maler Arnold Böcklin bewundern wir vollendete Meister moderner Dichtung und Kunst. Die geistige Kultur der Schweiz ruht vorzüglich auf deutscher Grundlage. b) Wirtschaftliche und geschichtliche Beziehungen. Die Schweizer Grenze ist gegen Deutschland hin offen; Rhein und Bodensee, natürliche Bindeglieder zwischen der Schweiz und Deutschland, begünstigen den Verkehr nach unserem Vaterlande in hohem Maße. Mit Österreich bildet die Schweiz das wichtigste Durchgangsland des deutsch-mittelmeerischen Verkehrs. Gleich den Niederlanden ist die helvetische Republik ein aus nur deutschen Verhältnissen herausgewachsener Staat. Deutsch ist die weit- aus vorherrschende Sprache, deutsch ist der Geist der schweizerischen Verfassung und, wie der Ursprung der Schweiz, so liegt auch ihr politischer Mittelpunkt (Bern) auf deutschem Boden. Noch bis 1648 war die Schweiz ein Bestandteil des alten deutschen Reiches. Zusammenfassende Überschau über Europa. (10 Mill. qkm, 440 Mill. Einw.) Europa, der wichtigste aller Erdteile. Obwohl in physikalisch- geographischer Beziehung nur eine Halbinsel Asiens, ist Europa gleichwohl durch seine hohe Bedeutung für die Entwicklung menschlicher Kultur und Gesittung der wichtigste aller Erdteile. Fast sämtliche Länder der Erde haben dessen Einwirkung in irgend einer Weise erfahren, so daß man nicht mit Unrecht von einer Europäisierung der ganzen Erde spricht. Insbesondere erscheint das Europa der Gegenwart im Geistesleben der Menschheit wie im Wirt- schaftsleben der Erde als das bedeutsamste Gebiet. Fi scher-Bei st b e ck, Erdk. f. Höh, Mädchenschulen. Ausg. 0. v.teil. 3. Aufl. 5

12. Länderkunde von Europa ohne das Deutsche Reich, Die koloniale Stellung der europäischen Mächte - S. 62

1909 - Berlin [u.a.] : Oldenbourg
62 Zusammenfassende Überschau über Europa. ruhige geschichtliche Entwicklung in Mitte der Großmächte sind die Hauptursachen hiervon. Die Hauptausfuhrartikel sind Fabrikate, besonders Baumwoll- und Seiden- wareu, Stickereien und Uhren, dann auch Schokolade und Milchprodukte. Den Haupt- artteil an der Einfuhr haben Rohstoffe und Lebensmittel. Durch sein reges Handels- und Verkehrsleben, seine muster- gültige Landwirtschaft, seine schwungvoll betriebene Industrie, endlich als Sit; einer hochentwickelten freien Volksbildung zählt die Schweiz zu den hervorragendsten Kulturländern Europas. Staatliche Einteilung und Verfassung. Die Schweiz besteht ans 22 Republiken oder Kantonen, welche zusammen die „Schweizerische Eidgenossenschaft" bilden. Sie wird von dem erwählten Bundesrat und von der Versammlung der Bundesabgeordueten der einzelnen Kantone regiert. Beziehungen der Schweiz zu Deutschland, a) (Heistige Beziehungen. Die geographische Lage der Schweiz zwischen Deutschland, Frankreich und Italien begünstigt offenbar in hohem Maße auch die Entfaltung der geistigen Kultur; denn groß ist die Zahl der Schweizer, die in der Geschichte der deutschen Wissenschaften und Künste eine hervorragende Rolle spielen. Bon den Reformatoren ihres kirchlichen Lebens abgesehen, gilt Pestalozzi als der Bater des modernen Erziehungs- und Unterrichts- wesens; die Kunstkritiker B od m er und Breitin g er halfen die Blüte der deutschen Literatur im 18. Jahrhundert vorbereiten, Hallers Alpen und Geßners Idyllen bezeichnen einen Wendepunkt in der Dichtung ihrer Zeit und in den Dichtern Gott- sried Keller und Konrad Ferdinand Meyer wie in dem Maler Arnold Böcklin bewundern wir vollendete Meister moderner Dichtung und Kunst. Die geistige Kultur der Schweiz ruht vorzüglich aus deutscher Grundlage. I>) Wirtschaftliche und geschichtliche Beziehungen. Die Schweizer Grenze ist gegen Deutschland hin offen; Rhein und Bodensee, natürliche Bindeglieder zwischen der Schweiz uno Deutschland, begünstigen den Verkehr nach unserem Vaterlande in hohem Maße. Mit Osterreich bildet die Schweiz das wichtigste Durchgangsland des deutsch-mittelmeerischen Verkehrs. Gleich den Niederlanden ist die helvetische Republik ein aus nur deutscheu Verhältnissen herausgewachsener Staat. Deutsch ist die weit- aus vorherrschende Sprache, deutsch ist der Geist der schweizerischen Verfassung und, wie der Ursprung der Schweiz, so liegt auch ihr politischer Mittelpunkt (Bern» auf deutschem. Boden. Noch bis 1648 war die Schweiz ein Bestandteil des alten deutschen Reiches. Zusammenfassende Überschau über Europa. (10 Mill. qkm, 400 Mill. Einw.j Europa, der wichtigste aller Erdteile. Obwohl in physikalisch- geographischer Beziehung nur eine Halbinsel Asiens, ist Europa gleichwohl durch seine hohe Bedeutung für die Entwicklung menschlicher Kultur und Gesittung der wichtigste aller Erdteile. Fast sämtliche Länder der Erde haben dessen Einwirkung in irgend einer Weise erfahren, so daß man nicht mit Unrecht von einer Europäisierung der ganzen Erde spricht. Insbesondere erscheint das Europa der Gegenwart im Geistesleben der Menschheit wie im Wirt- schaftsleben der Erde als das bedeutsamste Gebiet.

13. Teil 2 - S. 145

1914 - Leipzig [u.a.] : Teubner
Konrad Ferdinand Meyer: Erinnerungen an Gottfried Keller 145 er wichtig, um dann freilich ein andermal diesen seinen Realismus nach seiner Art selbst zu belächeln, indem er lustig säbelte, er sei expreß nach Kappel gereist, um sich durch den Augenschein davon zu überzeugen, daß die Vision der seligen Helden in seiner Zwingli-Novelle zwischen Rigi und Pilatus bequemen Raum habe. Gegen geschichtliche Stoffe verhielt er sich merkwürdig spröde und verredete 5 sie einmal ganz und gar. „Der Wirkung einer weiland geschehenen und überlieferten Sache bin ich bei weitem nicht so sicher als der Wirkung einer von mir selbst ange- schauten," pflegte er zu sagen und führte dafür ein Beispiel aus derselben Zwingli- Novelle an: die verrückten Wiedertäufer, die sich, um das Himmelreich zu erben, wie Kinder geberden, mit Puppen spielen usw. „Ist es nicht zum Weinen," sagte 10 er, „wenn Erwachsene die Kinder nachäffen? Das tat dann aber gar keine Wirkung, weil das einst Mögliche dem heutigen Leser zu kraß und als unmöglich erschien. In einer historischen Erzählung bin ich wie mit Hunden gehetzt, weil ich nie weiß, ob ich in der Wahrheit stehe." Unter der Fülle seiner Werke werden die Legenden als Kunstwerke, als psycho-15 logisches Meisterstück dagegen die Zürcher Novellen den ersten Platz behaupten, schon durch die Einheit und Einfachheit des Grundgedankens und seine eindringliche, vielfach variierte Predigt: sich zu bescheiden und immer sich selbst zu sein. Da ist die unvergleichliche Tochter des Proselytenschreibers, deren Bescheidenheit zur Un- bescheidenheit wird, und der ironische Schluß in der römischen Waschküche. Da ist 20 vor allem die ins große getriebene, groteske Maske des Narren auf der Manegg, die mit den genialen, halb weinenden, halb grinsenden Masken Leonardo da Vincis wetteifert. Beiläufig: Keller liebte es nicht, verglichen zu werden, natürlich nicht mit Kleineren als er, aber auch nicht mit den Großen. Wie ich ihm einmal sagte, eine Novelle von Cervantes, die ich eben gelesen, habe mich an eine der seinigen erinnert, 25 murrte er: „Weder Shakespeare noch Cervantes," worauf ich scherzend erwiderte: „Also Michelangelo." „Wieso?" fragte er mißtrauisch, und ich antwortete: „Nun, weil Sie wider Wissen eines seiner Motive wiederholt haben." „Welches denn?" „Das überfallene badende Heer, das, aus dem Wasser steigend, sich schleunig be- waffnet und dem Feinde entgegenstürzt. Das ist der plötzliche Übergang aus einem 30 Zustande der Abspannung in den der höchsten Energie. Nicht anders Ihr beim Weine schwelgender und von einer ausbrechenden Feuersbrunst überraschter bürgerlicher Mummenschanz, der mitten aus dem Fest zu den Leitern und Eimern stürzt." Das ließ er sich gefallen. Da ich einmal äußerte: religiöse Fragen hätten mir viel zu tun gegeben, rief 35 er: „Und mir erst!" „Die ewigen Dinge sind uns doch wohl unzugänglich," meinte ich. Er gab es nicht zu, noch verneinte er es. „Ich hätte einen Wunsch," fuhr ich fort, „wenn ich es sagen soll. Nichts ist inniger und verlockender als Ihre Vergäng- lichkeitslieder: sie verzichten aus Bescheidenheit auf ein Jenseits. Das ist aber wohl doch eher ein Gefühl, ein Instinkt, als eilt erwiesener Satz. Und da liegt es mir nun 40 nicht recht, daß Sie, bei Ihrem ungeheuern Einfluß, statt die Geister nach Ihrer Gewohnheit frei zu lassen, Ihre Sterblichkeitslieder wie zu einem Glanbensbekennt- nis zusammenstellen. Es wäre leicht zu helfen. Sie dürften nur diese süßen Stimmen als ebensoviel Stimmungen durch die ganze Sammlung verteilen ..." Da brach ich ab, denn er machte ein mißmutiges Gesicht. Heydtmann-Keller, Deutsches Lesebuch. Ii. 2. Ausl. 10

14. Teil 2, Oberstufe, Teil 2 - S. 123

1901 - Kiel : Lipsius & Tischer
Ii. Aus der Geschichte des deutschen Vaterlandes. 123 3. In Augsburg war’s, dass der Legat ein Mönchlein auf die Stube bat; er war ein grundgelehrtes Haus, doch kannt’ er nicht die Geister aus; des Mönchleins Augen brannten tief, dass er: „Es ist der Dämon!“ rief. — Du bebst vor diesem scharfen Strahl? So blickt die Wahrheit, Kardinal! 4. Jetzt tritt am Wittenberger Thor ein Mönch aus allem Volk hervor: Die Flamme steigt auf seinen Wink, die Bulle schmeifst hinein er flink, wie Paulus schlenkert’ in den Brand den Wurm, der ihm den Arm umwand, und über Deutschland einen Schein wie Nordlicht wirft das Feuerlein. 5. In Worms sprach Martin Luther frank zum Kaiser und zur Fürstenbank: „Such’, Menschenherz, wo du dich labst! Das lehrt dich nicht Konzil noch Papst! Die Quelle strömt an tief rem Ort: Der lautre Born, das reine Wort stillt unsrer Seelen Heilbegier — Hier steh’ ich, und Gott helfe mir!“ 6. „Ein’ feste Burg“ im Lande steht, Drin wacht der Luther früh und spät, bis redlich er, und Spruch um Spruch, verdeutscht das liebe Bibelbuch. Herr Doktor, sprecht! wo nahmt Ihr her das deutsche Wort so voll und schwer? „Das schöpft’ ich von des Volkes Mund, Das schürft’ ich aus dem Herzensgrund.“ 7. Herr Luther, gut ist eure Lehr’, ein frischer Quell, ein starker Speer: Der Glaube, der den Zweifel bricht, der ew’gen Dinge Zuversicht, des Heuchelwerkes Nichtigkeit, ein blankes Schwert in offnem Streit! Ihr bleibt getreu trotz Not und Bann und jeder Zoll ein deutscher Mann. 8. In Freudenpulsen hüpft das Herz, in Jubelschlägen dröhnt das Erz; kein Thal zu fern, kein Dorf zu klein, es fällt mit seinen Glocken ein — „Ein’ feste Burg“ — singt jung und alt, der Kaiser mit der Volksgewalt: j „Ein’ feste Burg ist unser Gott, dran wird der Feind zu Schand’ und Spott! Konrad Ferdinand Meyer. 74. Der Friede nach dem großen Kriege. 1. str Friede war unterzeichnet; die Gesandten hatten einander zur Bestäti- M gung feierlich die Hand gereicht, aus allen Straßen ritten die Trompeter, das glückliche Ereignis zu verkündigen. Zu Nürnberg hielten die Kaiserlichen und die Schweden im großen Saale des Rathauses das Friedensbankett. Die hochgewölbte Halle war glänzend erleuchtet, zwischen den Kronleuchtern hingen dreißig Arten von Blumen und lebendige Früchte herab. Vier Musikchöre waren zu lustigem Spiel aufgestellt; in sechs verschiedenen Zimmern versammelten sich die sechs Klassen der ein- geladenen Gäste. Auf den Tafeln standen die beiden ungeheuren Schau- gerichte, ein Siegesbogen und ein sechseckiger Berg. Aufgetragen wurde in vier Gängen, jeder Gang hundertfünfzig Speisen; dann kamen die Früchte in silbernen Schüsseln und an lebendigen Zwergbäumen, mit denen die ganze Tafel bedeckt war; dazwischen brannte feines Rauchwerk, das einen sehr guten Geruch von sich gab. Danach wurde der Tisch von neuem mit Tellern besetzt und mit Blumen überstreut, und jetzt folgte das Konfekt, dazu riesige Marzipane auf zwei Silberschalen, von denen jede zehn Pfund schwer war. Wenn nun die Gesundheit des Kaisers zu Wien und der Königin von Schweden ausgebracht und auf das Gedeihen des geschlossenen Friedens

15. Deutsche Dichtung in der Neuzeit - S. 493

1916 - Trier : Lintz
493 9. Offenbarung. 21. a. 0., S. 87. 1. Es ist das Meer ein mächt'ges Buch „Gott ist allmächtig!" schreibt er drauf Mit ungezählten Blättern, Mit urgewalt'gen Zügen. Draufschreibtdersturminhast'gem Zug 3. Dannlegt er aus derhand das Buch. Mit schneeigweißen Lettern. Und ob die Blätter beben, 2. Er rollt die Blätter rauschend auf, Die Sonne schreibt mit goldnem Zug Kann nimmer sich genügen. „Gott ist die Lieb'!" daneben. 10. Schwert oder Pflug. 1. „Tritt in meine Werkstatt, wo ich schaffe. Bei dem Pfluge ruht die blanke Waffe. Eine Stange ist's, von der sie stammen, Und sie sind geglüht in gleichen Flammen. Wie derselbe Hammer sie gestaltet, Sind auf einem Amboß sie erkaltet. Wähle!" Und es gehen seine Blicke Von dem Schwert zum Pflug, zum Schwert zurücke. 2. Scheint das Schwert so schneidig ihm zu blinken, Scheint der Pflug so friedlich ihm zu winken. Und er spricht, und seine Augen brennen: „Lieber Meister, die sind nicht zu trennen. Nur im Frieden ist der Pflug mir nütze, Und das Schwert nur ist des Friedens Stütze. Und so wähl' ich ohne Zaudern beide, Für den Frieden den und dies zum Streite." Konraö Ferdinand Meper. Konrad Ferdinand Meyer, geboren am 12. Oktober 1825 zu Zürich, studierte an der Universität feiner Vaterstadt Sprachen und Geschichte. Darauf lebte er eine Zeitlang in Lausanne und in Genf und unternahm Reisen nach Frankreich und nach Italien. Seit 1858 wohnte er in Kilchberg bei Zürich. Er starb dort am 28. November 1898. Werke: Lieder und Balladen („Balladen" 1867, „Romanzen und Bilder" 1870, „Gedichte" 1882), die epische Dichtung „Huttens letzte Tage" 1872, Novellen und Romane („Jürg Jenatsck, eine Bündnergeschichte" 1876, „Der Heilige" 1880, „Die Hochzeit des Mönches" 1884, „Die Richterin" 1885, „Die Versuchung des Pescara" 1887, „Angela Borgia" 1891 u. a.). I- Abendwolke. — Ii. Ter Ritt in den Tod. Das Geisterroß. Konradins Knappe. —• Iii. Der Gesang der Parze. Der Gesang des Meeres. 1 1. Der gleitende Purpur. Gedichte, Leipzig (Hasset)^, 1911, S. 312. 1. „Eia Weihnacht! Eia Weihnacht!" Schallt im Münsterchor der Psalm der Knaben. Kaiser Otto lauscht der Mette, Diener hinter sich mit Spend' und Gaben.

16. Teil 2 - S. 143

1914 - Leipzig [u.a.] : Teubner
Konrad Ferdinand Meyer: Briese. Erinnerungen an Gottfried Keller 143 doch in einem früheren Briefe von Weib und Kind. Sie müssen auch Kinder haben; sind sie auch selten Erben des Genius: zum Glück, zur menschlichen Völligkeit gehören sie. Auch ich habe mich danach gesehnt wie nach nichts anderem, mir eines zulegen zu dürfen. Aber ich war allezeit neben absterbendes Leben gestellt, und erst im Alter ist mir die Sehnsucht in Erfüllung gegangen. Freilich nur halb und halb; denn das 5 verwaiste Brudersöhnchen, das mir im Herzen liegt tvie ein eigenes, lebt nicht unter meinen Augen, und ich habe nur indirekten Einfluß auf seine Erziehung. Kürzlich jedoch habe ich von Erfurt aus den fünften Geburtstag des Männchens mitgefeiert und von seiner Mutter mir mancherlei von Männedorf erzählen lassen, in dessen Sphäre sie sich geistig heimisch fühlt. So habe ich denn auch eine Vorstellung von der 10 Schwester gewonnen, die Ihnen „über alles teuer" ist. Ein seltenes Glück! Die Geschwisterliebe, die wahre, reine, begierdelose, ist mir gar seltsam vorgekommen, will sagen: dauernd. Das frühe Naturband lockerte und löste sich am eigenen Herd. Wenn Sie mich wieder einmal mit einem Wort beglücken, vergessen Sie ja nicht, mir Ihre Kleinen abzumalen. 15 3. Luise v. Francois an Marie v. Ebner Eschenbach. 10. September 1892. Anfangs der neunziger Jahre waren die „dunklen Vorboten" der Geisteskrankheit nicht mehr zu bannen. ... Sie ahnen wohl, welche Erschütterung in mir nachwirkt: das Schicksal Meyers. Ich kenne es nur aus Zeitungsnachrichten; er selbst hat mir seit Neujahr nicht mehr geschrieben, und ich war geziementlich so bescheiden, ihn nicht an mich zu erinnern. Einer Wiener Notiz zufolge, die auch in unsere Blätter übergegangen ist, hat Ge- 20 dankenüberanstrengung sich an ihm gerächt. Aber nein: es ist ja ein Muttererde, das ihn schon früher zeitweise unterjochte. Wird er, kann er im nahenden Greifen- alter es noch einmal überwinden? Hätte ich die Kunde von seinem Tode erhalten, es wäre mir ein schwerer Verlust gewesen in meinem Alter, wo man nur noch wenig zu verlieren hat: der bedeutende Dichter, der edle, wahrhaftige Mensch und, so selten 25 wir uns mit Augen gesehen, der vertrauende Freund. Aber ich hätte ihm das Ende vor dem heranschleichenden Alterselend gegönnt: er krankte körperlich, er ahnete den Tod, ersehnte ihn vielleicht: „Ich sehe dich, Schütze, triff mich ins Herz ..." Gott helfe und erlöse ihn! So oder so .... 30 Ii. Erinnerungen an Gottfried Keller. (Deutsche Dichtung. Ix. Band. Berlin 1891.) Die „Deutsche Dichtung" ersucht mich unr einige Aufzeichnungen über Keller in der natürlichen Voraussetzung, daß wir uns als Landsleute nahestanden. Das war nun nicht der Fall; doch haben wir uns immerhin gekannt, und es fand zwischen uns ein freundliches Verhältnis statt. Er zeigte sich mir immer — oder fast immer — liebenswürdig und geistreich unterhaltend, womit ich mich gerne zufrieden gab. 5 Meinerseits begegnete ich ihm stets mit Ehrerbietung und hielt diesen Ton fest, wenn er auch gelegentlich darüber spottete und einmal einen „in Ehrerbietung" unter- zeichneten Brief mit „in Ehrfurcht" erwidert hat.

17. Teil 2 - S. 137

1914 - Leipzig [u.a.] : Teubner
Konrad Ferdinand Meyer: Gedichte 137 ö Saßen Knaben drin mit Lotoskränzen, Mädchen beugten über Bord sich schlank; kreisend durch die Reihe sah ich glänzen eine Schale, draus ein jedes trank. Jetzt erscholl ein Lied voll süßer Wehmut, 10 das die Schar der Kranzgenossen sang: ich erkannte deines Nackens Demut, deine Stimme, die den Chor durchdrang. In die Welle taucht' ich. Bis zum Marke schaudert' ich, wie seltsam kühl sie war. i5 Ich erreicht' die leise ziehnde Barke, drängte mich in die geweihte Schar. Und die Reihe war an dir, zu trinken; und die volle Schale hobest du, sprachst zu mir mit trauten: Augenwinken: 20 „Herz, ich trinke dir Vergessen zu!" Dir entriß in trotz'gem Liebesdrange ich die Schale, warf sie in die Flut; sie versank, und siehe, deine Wange färbte sich mit einem Schein von Blut. 25' Flehend küßt' ich dich in wildem Harme, die den bleichen Mund mir willig bot. Da zerrannst du lächelnd mir im Arme, und ich wußt' es wieder — du bist tot. 9. Die Schweizer des l Herr Karl war verdrossen, sein Pulver verschossen: „O Gunst der Bellona, du wandelndes Glück! Umstarrt aller Enden von Felsen und Wänden, laß ich meine herrlichen Büchsen zurück?" Da kam aus der Pouille Herr Ludwig Tremouille und sprach: „Ich bezwinge die schwin- delnde Bahn! Nicht Rosse, nicht Farren vor Büchsen und Karren! Ich spanne mich selbst und die Schweizer _____________ daran. 9. 1. König Karl Viii. von Frankreich, 7. Apulien, ital. le Puglie. 19. Au ierrn von Tremouille. Die kennen die Berge! Das sind keine Zwerge wie deine Gascogner, die zapplige Brut! Die haben dir Arme, so harte, so warme! Herr König, ich steh' für die Büchsen dir gut! Ihr Herrn aus den Bünden, bedenkt eure Sünden: den rollenden Würfel, den Becher, die Dirn! Die wollen wir fegen auf brennenden Wegen, die büßen wir heute mit triefender Stirn!" gest. 1498. 6. Donnerbüchsen, Kanonen- î Graubünden (les Grisons, vgl. Vs 35).

18. Teil 2 - S. 141

1914 - Leipzig [u.a.] : Teubner
Konrad Ferdinand Meyer: Briefe 141 2. Aus dem Briefwechsel zwischen Meyer und Luise v. Franyois. Luise v. Francois und K. F. Meyer. Ein Briefwechsel, herausg. v. A. Bettelheim 1905. a) Luise v. Franyois an Meyer. Weißenfels, den 17. Mai 1881. Hochgeehrter Herr! Dank für Brief und Bild! Ich betrachte es mit Freude. Ich bin keine Lavatersche, aber es muß ähnlich sein. Klugheit und feine Laune war von dem Dichter des Hutten vorauszusetzen, Gutmütigkeit auch von einem, der mit so viel Interesse sein Häuschen & umbaut; und daß seine politischen Gewaltnaturen ihm die Leiblichkeit nicht verküm- mern — ei, das lobe ich mir. Neulich hörte ich, Sie wären Arzt. Gar häufig ist die Verbindung von Physikus und Dichter ja nicht; aber sie kommt doch vor, von Ihrem Schweizer Haller ab bis auf unseren Halleschen Richard Leander, der durch und durch eine Künstlernatur ist. By the by: welch ein prophetischer Zug doch in den: alten io Goethe! Ich erinnere mich noch ganz gut, wie es mich in der Jugend verdroß, daß er seinen Wilhelm Meister als Chirurgus zum Ziele brachte — heute sehen wir die Chirurgie schlechthin an der Spitze der ärztlichen, Arm in Arm mit aller Naturwissen- schaft, und das heißt der einzigen vordringenden der Neuzeit, marschieren. — (Ich mache Sie im Geiste zu einem Sohne des alten Goethe-Meyer, der ja, irre ich nicht, 15 von Geburt ein Zürcher war.) Mitte nächsten Monats hoffe ich, mich Ihrer Alpenzone für etliche Wochen zu nähern. Freilich nur auf deutschem Gebiete. Es gilt in Reichenhall oder Zell am See ein Rendezvous mit einer lieben Freundin, Fr. v. Ebner aus Wien, Ihnen als Mitarbeiterin der Rundschau vielleicht bekannt. Eine selten gütige und geistvolle 20 Frau und Ihre große Bewunderin. Möge Ihr Häuschen recht wohnlich geraten und Ihnen und den Ihren lange ein frohe Heimat bleiben! In wahrhafter Verehrung Luise Francois. 25 b) Meyer an Luise v. Franyois. (Vignette von Kilchberg.) Kilchberg bei Zürich, Ende Mai 1861. Mein verehrtes Fräulein, um mich in einer Unpäßlichkeit, wie ich deren leider oft zu bestehen habe, zu zerstreuen, mache ich mir das große Vergnügen, Ihre letzten freundlichen Zeilen zu beantworten, welche eine Antwort verlangen, da Sie über meine Personalien in Irrtümern sind. 30 Schon in meinem letzten Briefe wollte ich Sie darüber orientieren, vergaß es dann aber als unwesentlich. Also. Ich bin kein m6d. Doct. — den Doktor hat mir die hie- sige Universität neulich ohne mein Wissen und Wollen bonoris causa gegeben—eben- sowenig ein Nachkomme des vortrefflichen Goethe-Meyer. Aus einer altstüdtischen Zürchersamilie stammend, verlor ich früh meinen Vater, einen Staatsbeamten, 35 und wuchs unter einer höchst geistvollen und liebenswürdigen, aber überzarten Mutter und mit gefährlichen Elementen in meinem Naturell ziemlich wild auf, ebenfalls langehin von bedrohter (und auch jetzt keineswegs von fester) Gesundheit,

19. Das Zeitalter Friedrichs des Großen, Deutschland in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, Das Zeitalter Kaiser Wilhelms I. - S. 426

1902 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
426 bürg, lebt in Berlin; von ihm die Romanei Problematische Naturen ; (Sturmflut n. v. a.), Felixtahn (von ihm die Romane: Ein Kampf um Rom 1876, Odhins Trost, nordischer Roman aus dem 11. Jahrh., 1880 u. s. w.). Volkstümliche Erzählungen gab Berthold Auerbach (1812—1882) in seinen Schwarzwälder Dorfgeschichten; die Novelle fand besonders durch Theodorstorm (Jmmensee; Im Sonnenschein; Ein grünes Blatt u. a.), Paul Heyse, Gottfried Keller (von ihm: Ter grüne Heinrich; Die Leute von Seldwyla), Konrad Ferdinand Meyer (von ihm: Der Heilige 1880; Jürg Jenatsch, 16. Aufl., 1890 u. a.), Ern st von Wildenbruch (Kinderthränen; Das Märchen von den zwei Rosen; Franeesca von Remini; Vor den Schranken, Ter Astronom u. s. w.) u. a. Pflege. Gusta v F r e y t a g ist am 13. Juli 1816 zu K'reuzburg in Schlesien als Sohn eines Arztes geboren, studierte in Breslau und Berlin germanische Philologie, wurde Privatdozent, gab aber 1847 seine Stellung an der Universität aus, um sich ganz schriftstellerischen Arbeiten hinzugeben, er zog nach Dresden, dann nach Leipzig, wo er die „Grenzboten" leitete (bis 1861 und dann wieder von 1867—1870), 1854 ward er vom Herzog von Koburg zum Hofrat ernannt, die Sommermonate verbrachte er gewöhnlich auf seinem Gute Siebeleben bei Gotha, 1879 siedelte er nach Wiesbaden Über, wo er ant 30. April 1895 starb. Seine Romane gehören zu den Hervorragendsten, was die Dichtung dieses Jahrhunderts hervorgebracht hat, und auch als Dramatiker hat er Bedeutendes geleistet. Joseph Victor Scheffel war am 26. Februar 1826 zu Karlsruhe geboren, studierte in Heidelberg, München und Berlin die Rechtswissenschaft, unternahm viele Reifen, wurde 1857 Bibliothekar des Fürsten Egon von Fürstenberg in Donaueschingen, ließ sich 1872 in Radolfszell ant Bodensee nieder, wurde 1876 in den erblichen Adelsstand erhoben und starb in Karlsruhe 1886. Mit Freytag und Tahn ist er vor allem bestrebt gewesen, die deutsche Vergangenheit wieder zu beleben. Als Lyriker ist er besonders durch seine Lieder aus dem Trompeter, durch sein Gaudeamus'mit lustigen Burschenliedern und seine Bergpsalmen bekannt geworden. Paul Heyse wurde ant 15. März 1830 zu Berlin als Sohn des Sprachforschers Karl Ludwig Heyse geboren, studierte in

20. Neuere Geschichte von 1648 - 1888 - S. 197

1903 - Leipzig : Teubner
§ 34. Die innere Entwicklung Deutschlands in den Jahren 1871 — 1890. 197 mann, ein hervorragender Bühnendichter, dem doch die reine tragische Wirkung oft versagt ist. Über beiden steht Lndwig Anzengruber (f 1889), zugleich ein Dialektdichter von freier Gesinnung („ Pfarrer von Kirchfeld", „Meineidbauer" u. a.). In der Lyrik brachte es die naturalistische Richtung nicht zu Erfolgen; durch seine sozialen Dichtungen errang sich der feurige Karl Henckell Beachtung. Durch zarte Schönheit seiner Verse ragt Gustav Falke hervor, während Detlev v. Lilieucrons Lyrik phantasiereich, aber wenig gehaltvoll ist. Zu einer künstlerischen Schönheit erhob sich die Dichtung des Schweizers Konrad Ferdinand Meyer (1825 —1898). Er ist Meister der Kunst, in der geschichtlichen Novelle das echt Menschliche mit dem historisch Bedeutenden zu vermählen, und seine Gedichte sind so reich an Gestalten wie traumschön. Dem neuerdings stark gesteigerten Drange der Frauenwelt nach Selbstbetätigung auf allen Gebieten entspricht das Hervortreten des weiblichen Elements in der deutschen Literatur (Angelika v. Hörmann, Isolde Kurz, Frieda Schanz, Jda Boy-Ed, Hermine Villiuger u. a., vgl. S. 204.). 9. Die Entwicklung der Wissenschaften. Seit 1850 ist die herrschende Wissenschaft nicht mehr die Philosophie, sondern die Naturwissenschaft. Die Philosophie zeigte in Fr. Nietzsche (1844—1900) keine schöpferische Kraft mehr. Die Naturwissenschaften haben zugleich die Entwicklung der Technik und damit die der Industrie, des Verkehrswesens und der Volkswirtschaft in einer Weise beschleunigt wie nie zuvor. Die technischen Erfindungen ergaben sich nicht nebenbei, wie zufällig, sondern wurden meist durch die wissenschaftliche Forschung erzeugt, säst planmäßig herbeigeführt. Weite und neue Bahnen eröffnete dieser Charles Darwin (1809 —1882), der durch feine Lehre von der Entstehung der Arten (1858) zeigte, daß in der ganzen Natur die schwächeren Lebewesen vor den stärkeren schwinden und die Fähigkeit, sich den gegebenen Daseinsbedingungen anzupassen, über den Fortbestand der Arten entscheidet. Dadurch wurden die Forschungen in der Botanik, Zoologie, Anatomie und Physiologie aufs tiefste angeregt, die Morphologie wissenschaftlich begründet, und die neue Wissenschaft der Biologie entstand. Auch auf die Geologie und Anthropologie, sogar auf die Soziologie übten Darwins Forschungsergebnisse bedeutenden Einfluß. 1859 entdeckte der deutsche Chemiker Bunfen die Spektralanalyse. Der von ihm und Kirchhoff konstruierte Spektralapparat forderte die Verarbeitung der Metalle, sowie die Erforschung der Fixsterne und ihrer Fortbewegung. Zur selben Zeit erfand Hermann Helmholtz den Augenspiegel. Eine ungeheure Umwälzung ries die Entdeckung des Verfahrens, Roheisen schnell in Gußstahl zu verwandeln, durch den Engländer Henry Bessemer (1856) in der gesamten Eisenindustrie hervor. Die Herstellung der Panzerplatten wurde dadurch erst ermöglicht. Nicht minder folgenreich im kleinen waren die gleichzeitigen Entdeckungen des französischen Chemikers Louis Pasteur (1858), der zuerst die Bedeutung der „kleinsten Lebewesen" (Mikroorganismen) für den Gärungsprozeß erkannte. Auch gelang es ihm, ein Schutzverfahren gegen den Ausbruch der Tollwut zu finden. Während Rudolf Virchow (1821 — 1902) die Zelle und ihre Bewegung als Träger alles organischen Lebens, ihre Veränderung im Verlaufe der Krankheiten nachwies