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1. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 28

1910 - Berlin : Singer
— 28 — Als größte Grundbesitzerin des Mittelalters unterlag die Kirche demselben Prozeß, wie der große Grundbesitz überhaupt; um die landwirtschaftliche Produktion als Geldquelle auszunutzen, ruinierte sie die bäuerliche Klasse, riß ihre Gemeinwälder und Gemeinwiesen an sich, verjagte die Bauern entweder von ihren Schollen oder preßte sie in unbarmherzigster Weise aus. Es war nicht mehr gut wohnen unter dem Krummstab. Die erwachende Habsucht veranlaßte die Kirche auch, ihre Armenpflege mehr und mehr einzuschränken; die Naturaleinkünfte, von deren Ueberfluß sie früher gern gespendet hatte, weil sie sie selbst nicht verzehren konnte, waren jetzt verkäufliche Waren geworden, und die dadurch erweckte Geldgier ergriff auch die Kirche. Wurde sie dadurch der bäuerlichen Klasse immer verhaßter, so gewann sie deshalb noch nicht die Freundschaft des aufstrebenden Bürgertums. Wie sehr sie ihre Armenpflege vernachlässigte, fo konnte sie doch nicht ganz darauf verzichten, wenn sie nicht jeden Halt in den Massen verlieren wollte. Sie bildete immer noch einen gewissen Schutzwall gegen die Verarmung der Massen, deren Proletarisierung das Kapital nicht schnell genug betreiben konnte. Der Besitzlose war der kapitalistischen Ausbeutung noch nicht mit Haut und Haaren ausgeliefert, solange er etrr noch so dürftiges Almosen von der Kirche erhielt. Daneben waren die kirchlichen Feiertage den aufblühenden Städten ein Dorn im Auge; je zahlreicher sie geworden waren, um so mehr widersprachen sie der kapitalistischen Weisheit, wonach der Arbeiter nicht arbeitet, um zu leben, sondern lebt, um zu arbeiten. Vor allem aber bedurfte die neue Produktionsweise nicht mehr der Kirche als Lehrerin und Leiterin. Sie schuf sich eine eigene Bildung und Wissenschaft; sie schuf sich auch eigene Organe der Verwaltung. Nur für das platte Land blieb die Pfarrgeiftlichfeit noch unentbehrlich, wie sie heute ja auch noch in zurückgebliebenen Ländern gewisse staatliche Ausgaben zu erfüllen, zum Beispiel die Zivilstandsregister zu führen hat. Im 16. Jahrhundert war die Pfarrgeiftlichfeit noch eine ökonomische Notwendigkeit, und an ihre Beseitigung dachte niemand. Um so schärfer ging das junge Kapital gegen zwei andere Mächte der Kirche vor, die in ökonomischer und sozialer Beziehung immer überflüssiger und eben deshalb für die neue Produktionsweise immer gemeinschaftlicher geworden waren, nämlich gegen die Klöster und gegen das Papsttum.

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1. Deutsche Sozialgeschichte - S. 134

1898 - Halle a.S. : Buchh. des Waisenhauses
134 Achtzehntes und erste Hälfte des neunzehnten Jahrhunde'. :s. geahnter Aufschwung. Immer mehr Fabriken entstanden. Der freie Wettbewerb entfesselte eine Fülle bort Arbeitskräften und förderte die Arbeitslust und den Erwerbstrieb gewaltig. Aber durch die fortschreitende Technik trennten sich Kopf- und Handarbeit immer mehr — und das mußte auf das gesellschaftliche Leben verhängnisvoll einwirken. Uralt (vgl. S. 7) ist der Gegensatz zwischen besitzenden Arbeitgebern — sie geben Gelegenheit zur Arbeit und zahlen den Lohn — und besitzlosen Arbeitern und die Abhängigkeit der einen von den anderen. Bis zum 19. Jahrhundert nun sorgten jene in der Not, auch ohne rechtlich dazu verpflichtet zu sein, gleichsam mit väterlichem Wohlwollen für die Arbeiter. Deren Zahl war meist gering, und sie erfreuten sich wenigstens durchaus der Daseinssicherheit. Mit der Verbreitung der Maschinen und dein dadurch sich steigernden Gewinn der Arbeitgeber aber traten sich immer schroffer gegenüber zwei Klassen, die zwar bei dem sonst nicht möglichen Großbetriebe kraft privatrechtlichen Vertrages zusammenwirken, im übrigen aber völlig getrennt sind. Auf der einen Seite stehen die Inhaber der Mittel zur kapitalistischen Produktionsweise, der Güter im wirtschaftlichen Sinne, die zur Hervorbringung neuer Güter verwendet werden. Diese Güter heißen Kapital (vgl. S. 38. Zwischen beweglichem und unbeweglichem Kapital ist stets streng zu scheiden: nicht nur zinstragende Geldsummen — an sie wird gewöhnlich gedacht —, sondern auch Maschinen, Werkzeuge, Geräte, Gebäude aller Art und Rohstoffe, aus denen neue Erzeugnisse hergestellt werden, sind unter Kapital zu verstehen), und deshalb wird diese eine Klasse gewöhnlich Kapitalisten oder „Bourgeoisie" genannnt. Sie geht also daraus aus, Geld in Ware und Ware in mehr Geld zu verwandeln. Dieser Klasse stehen gegenüber die ausschließlichen Inhaber der Arbeitskräfte, die persönlich ganz freien, aber meist lebenslänglich völlig unselbständigen Fabrikarbeiter. Sie werden gewöhnlich einem besonderen, dem „vierten", Stande zugerechnet.

2. Quellenbuch für den Geschichtsunterricht - S. 383

1908 - Paderborn : Schöningh
Programm der sozialdemokratischen Partei Deutschlands. 383 und verheerender werden, die allgemeine Unsicherheit zum Normalzustand der Gesellschaft erheben und den Beweis liefern, daß die Produktivkräfte der heutigen Gesellschaft über den Kopf gewachsen sind, daß das Privateigentum an Produktionsmitteln unvereinbar geworden ist mit deren zweckentsprechender Anwendung und voller Entwicklung. Das Privateigentum an Produktionsmitteln, welches ehedem das Mittel war, dem Produzenten das Eigentum an seinem Produkt zu sichern, ist heute zum Mittel geworden, Bauern, Handwerker und Kleinhändler zu expropriieren und die Nichtarbeiter — Kapitalisten, Großgrundbesitzer — in den Besitz des Produkts der Arbeiter zu setzen. Nur die Verwandlung des kapitalistischen Privateigentums an Produktionsmitteln — Grund und Boden, Gruben und Bergwerke, Rohstoffe, Werkzeuge, Maschinen, Verkehrsmittel — in gesellschaftliches Eigentum, und die Umwandlung der Warenproduktion in sozialistische, für und durch die Gesellschaft betriebene Produktion kann es bewirken, daß der Großbetrieb und die stets wachsende Ertragsfähigkeit der gesellschaftlichen Arbeit für die bisher ausgebeuteten Klassen aus einer Quelle des Eleuds und der Unterdrückung zu einer Quelle der höchsten Wohlfahrt und allseitiger, harmonischer Vervollkommnung werde. Diese gesellschaftliche Umwandlung bedeutet die Befreiung nicht bloß der Arbeiterklasse, sondern der gesamten Menschheit, die unter den heutigen Zuständen leidet. Aber sie kann nur das Werk der Arbeiterklasse sein, weil alle anderen Klassen, trotz der Jnteressenstreitigkeiten unter sich, auf dem Boden des Privateigentums an Produktionsmitteln stehen und die Erhaltung der Grundlagen der heutigen Gesellschaft zum gemeinsamen Ziel haben. Der Kampf der Arbeiterklasse gegen die kapitalistische Ausbeutung ist notwendigerweise ein politischer Kamps. Die Arbeiterklasse kann ihre ökonomischen Kämpfe nicht führen und ihre ökonomische Organisation nicht entwickeln ohne politische Rechte. Sie kann den Übergang der Produktionsmittel in den Besitz der Gesamtheit nicht bewirken, ohne in den Besitz der politischen Macht gekommen zu sein. Diesen Kampf der Arbeiterklasse zu einem bewußten und einheitlichen zu gestalten und ihm sein naturnotwendiges Ziel zu weisen — das ist die Aufgabe der sozialdemokratischen Partei. Die Interessen der Arbeiterklasse sind in allen Ländern mit kapitalistischer Produktionsweise die gleichen. Mit der Ausdehnung des Weltverkehrs und der Produktion für den Weltmarkt wird die Lage der Arbeiter eines jeden Landes immer abhängiger von der Lage der Arbeiter in den anderen Ländern. Die Befreiung der Arbeiterklasse ist also ein Werk, an dem die Arbeiter aller Kulturländer gleichmäßig beteiligt sind. In dieser Erkenntnis fühlt und erklärt die sozialdemokratische Partei Deutschlands sich eins mit den klassenbewußten Arbeitern aller übrigen Länder. Die sozialdemokratische Partei Deutschlands kämpft also nicht für neue Klassenprivilegien und Vorrechte, sondern für die Abschaffung der Klassenherrschaft und der Klassen selbst und für gleiche Rechte und gleiche Pflichten aller ohne Unterschied des Geschlechts und der Abstammung. Von diesen Anschauungen ausgehend, bekämpft sie in der heutigen Gesellschaft nicht bloß die Ausbeutung und Unterdrückung der Lohnarbeiter, sondern jede Art der Ausbeutung und Unterdrückung, richte sie sich gegen eine Klasse, eine Partei, ein Geschlecht oder eine Raffe. Ausgehend von diesen Grundsätzen, fordert die sozialdemokratische Partei Deutschlands zunächst: 1. Allgemeines gleiches direktes Wahl- und Stimmrecht mit geheimer Stimmabgabe aller über 20 Jahre alten Reichsangehörigen ohne Unterschied des Geschlechts für alle Wahlen und Abstimmungen. Proportional-Wahlsystems unv bis zu dessen 1 Wahleinrichtung, durch die auch die Minderheiten zur Geltung kommen sollen.

3. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 47

1910 - Berlin : Singer
— 47 — Die Eroberung Konstantinopels durch die Türken versperrte die Handelswege nach dem Orient, so daß die sich immer stärker entwickelnde Warenproduktion neue Absatzmärkte und Handelswege zu suchen gezwungen war. Mit dem Zeitalter der großen geographischen Entdeckungen hob die moderne Kolonialpolitik an, von der Deutschland durch seine geographische Lage ausgeschlossen war. Sein ökonomischer Aufstieg wurde mehr und mehr unterbunden und damit schwand auch die Möglichkeit seiner politischen Zentralisation. Die allmählich, aber unaufhaltsam fortschreitende Verarmung Deutschlands wurde eine neue Stütze der Fürstenherrschaft, machte sie freilich auch um so unerträglicher für das deutsche Volk, da die Heftigkeit der Plünderung in gleichem Maße mit ihrer Schwierigkeit wuchs. Von den drei großen Parteigruppen, die sich beim Ausbruch der deutschen Reformation gebildet hatten, war die ple-bejifch-revolutionäre in den Blutströmen des Bauernkrieges erstickt worden, während die bürgerlich-resormierte durch diesen Krieg einen Stoß erhalten hatte, von dem sie sich lange nicht erholen konnte. Aber auch an der katholisch-konservativen ging der Sturm der Zeit nicht spurlos vorüber. Es bildeten sich nunmehr drei neue Parteien, die aus deutscher Erde miteinander rangen, aber freilich weit über die deutschen Grenzen hinaus europäische Bedeutung gewannen. Es waren der Jesuitismus, der Kalvinismus und das Luthertum. Sie trugen alle noch die religiöse Färbung, waren aber unter ihrer kirchlichen Form ökonomisch-politische Organisationen. Alle drei entsprangen, trotz aller dogmatisch-religiöser Gegensätze, einem gemeinsamen Boden; sie unterschieden sich von der feudal-mittelalterlichen Kirche, wie die feudalistische von der kapitalistischen Produktionsweise. Der Jefuitismus war der auf kapitalistischer Grundlage reformierte Katholizismus. War das Papsttum zu einem Mittel und Werkzeug der großen modernen Monarchien geworden, die sich aus den Bedürfnissen der kapitalistischen Produktionsweise entwickelt hatten, so mußte es auf kapitalistische Füße gestellt werden, um ein wirksames Mittel und Werkzeug der Herrschaft zu sein, und eben dieses besorgte der Orden Jesu, indem er die katholische Kirche den neuen ökonomischen und politischen Verhältnissen anpaßte. Er reorganisierte das gesamte Schulwesen durch die klassischen Studien, die höchste Bildung, die es damals gab, und nahm insoweit die Erbschaft des Humanismus auf; er wurde die größte Hanbelsgefellschaft der Welt, die ihre Kon-

4. Deutsche Sozialgeschichte - S. 197

1898 - Halle a.S. : Buchh. des Waisenhauses
Erfurter Programm. 197 die bisher ausgebeuteten Klassen aus einer Quelle des Elends und der Unterdrückung zu einer Quelle der höchsten Wohlfahrt und allseitiger, harmonischer Vervollkommnung werden. Diese gesellschaftliche Umwandlung bedeutet die Befreiung nicht bloß des Proletariats, sondern des gesamten Menschengeschlechts, das unter den heutigen Zuständen leidet. Aber sie kann nur das Werk der Arbeiterklasse sein, weil alle anderen Klassen, trotz der Jnteressenstreitig-keiten unter sich, auf dem Boden des Privateigentums an Produktionsmitteln stehen und die Erhaltung der Grundlagen der heutigen Gesellschaft zum gemeinsamen Ziele haben. Der Kamps der Arbeiterklasse gegen die kapitalistische Ausbeutung ist notwendigerweise ein politischer Kampf. Die Arbeiterklasse kann ihren ökonomischen Kampf nicht führen und ihre ökonomische Organisation nicht entwickeln ohne politische Rechte. Sie kann den Übergang der Produktionsmittel in den Besitz der Gesamtheit nicht bewirken, ohne in den Besitz der politischen Macht gekommen zu sein. Diesen Kampf der Arbeiterklasse zu einem bewußten und einheitlichen zu gestalten und ihm sein naturnotwendiges Ziel zu weisen — das ist die Aufgabe der sozialdemokratischen Partei. Die Interessen der Arbeiterklasse sind in allen Ländern mit kapitalistischer Produktionsweise die gleichen. Mit der Ausdehnung des Weltverkehrs und der Produktion für den Weltmarkt wird die Lage der Arbeiter eines jeden Landes immer abhängiger von der Lage der Arbeiter in den anderen Ländern. Die Befreiung der Arbeiterklasse ist also ein Werk, au dem die Arbeiter aller Kulturländer gleichmäßig beteiligt sind. In dieser Erkenntnis fühlt und erklärt die sozialdemokratische Partei Deutschlands sich eins mit den klassenbewußte,: Arbeitern aller übrigen Länder. Die sozialdemokratische Partei Deutschlands kämpft also nicht für-neue Klassenprivilegien und Bonrechte, sondern für die Abschaffung der Klassenherrschaft und der Klassen selbst und für gleiche Rechte und gleiche Pflichten aller ohne Unterschied des Geschlechts und der Abstammung. Von diesen Anschauungen ausgehend bekämpft sie in der heutigen Gesell-ichaft nicht bloß die Ausbeutung und Unterdrückung der Lohnarbeiter, sondern jede Art der Ausbeutung und Unterdrückung, richte sie sich gegen eine Klasse, eine Partei, ein Geschlecht oder eine Rasse."

5. Vom Westfälischen Frieden bis auf unsere Zeit - S. 186

1901 - Halle a.d.S. : Buchh. des Waisenhauses
186 Das Zeitalter d. Zerstörung d. alten Reichs«, d. Entstehung d. neuen deutschen Kaisertums. Das Übergewicht der Industrie. Das Übergewicht der Kapitalwirt-schaft. Entwickelung des Arbeiterstandes. Zollerhöhungen, auswärtige Verwickelungen den schwersten Schaden erleiden und dadurch ganze Scharen von Arbeitern brotlos werden können; überhaupt daß unsere Volkswirtschaft abhängig wird von den Konjunkturen des Weltmarkts und ihre Selbständigkeit verliert. Die mächtige Entwickelung der Industrie sodann kann zur Folge haben und hat zur Folge gehabt, daß der Landwirtschaft Arbeitskräfte entzogen werden und ein durch die gesetzliche Freizügigkeit ermöglichter Zug nach den Städten entsteht, der das flache Land entvölkert, in den Städten dagegen ein zahlreiches, von der heimischen Scholle und heimischen Sitte losgelöstes, besitz- und zusammenhangloses Arbeiterproletariat schafft. Der moderne Kapitalismus endlich, ohne den die ungemeine Entwickelung unsers Handels und Gewerbes und auch unsrer Landwirtschaft undenkbar ist, hat zu einem Übergewicht der Kapitalkräftigen über die wirtschaftlich Schwachen, der Großbetriebe über die Kleinbetriebe geführt, das für viele bisher selbständige wirtschaftliche Existenzen verhängnisvoll oder doch bedrohlich geworden ist; insbesondere können manche Zweige des Handwerks, das nicht oder doch nur in geringem Maße mit Maschinen arbeitet, sich des Wettbewerbs mit der Großindustrie kaum erwehren. Damit hängt zusammen, daß die kapitalistische Wirtschaft die Ansammlung großer Vermögen in wenigen Händen begünstigt und dadurch den Gegensatz von Reich und Arm verschärft. Da das Kapital ferner immer neue Gelegenheiten zur Anlage sucht und daher immer von neuem große Mengen von Waren auf den Markt geworfen werden, so tritt häufig Überproduktion ein, welche Rückgang der Preise, Handelsstockungen, Krisen und in deren Gefolge Vermögensvernichtung und Arbeitslosigkeit heraufführt. Endlich aber beruht die kapitalistische Produktionsweise auf dem Zusammenwirken einer Minderheit, die im Besitze des Kapitals ist, und der großen Mehrheit besitzloser Arbeiter, welche gegen Lohn ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen. So hat sie zur Entstehung eines Arbeiter st andes geführt, der ohne eigenen Besitz, oft — infolge der fortschreitenden Arbeitsteilung — nur einseitig ausgebildet, unsicher in seiner Existenz, meist unfähig sich auf eine höhere wirtschaftliche Stufe zu erheben, nur selten in der Lage etwas für sein Alter zu sparen, in eine ähnliche Abhängigkeit von den industriellen Unternehmern geriet, wie die Bauern des Mittelalters von den großen Grundbesitzern; der andrerseits die Volksschule besucht und durch Bücher und Zeitungen einen Anteil an der allgemeinen Bildung gewonnen hat, der sodann die Schule der allgemeinen Wehrpflicht durchgemacht hat, der endlich das politische Wahlrecht besitzt und insofern weit über den Handarbeitern früherer Jahrhunderte steht. Er war zunächst der leidende Teil, wenn manche

6. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 84

1910 - Berlin : Singer
— 84 — werden lassen, aber eben deshalb auch keine zu völliger Ohnmacht verurteilen. Sie mußte Ackerbau, Handel, Industrie, genug alle kapitalistischen Produktionskräfte fördern, schon um ihren Vehördenapparat und ihr stehendes Heer zu unterhalten, aber sie durfte auch nicht mit den feudalen Ständen brechen, die sie als Gegengewicht gegen die Bourgeoisie brauchte, und namentlich deshalb auch nicht, weil der absolute Monarch der größte Grundbesitzer des Landes zu sein pflegte, somit gemeinsame Interessen mit den anderen Großgrundbesitzern hatte, mit dem Adel und mit der Geistlichkeit. So wohnten gewissermaßen zwei Seelen in der Brust der absoluten Monarchie, eine aufgeklärte, eine bürgerliche, die sich angelegen fein ließ, die kapitalistischen Produktionskräfte nach Möglichkeit zu entwickeln, und eine feudale, eine mittelalterliche, die nur darauf bedacht war, der Nation möglichst viel auszupressen, um die Beute im Interesse der feudalen Gesellschaftsklassen zu verzehren. Auf die Dauer vertrugen sich diese beiden Seelen aber nicht miteinander; die absolute Monarchie konnte den Adel nicht befriedigen, ohne die Bourgeoisie zu verletzen und umgekehrt, je mehr sich mit der fortschreitenden historischen Entwickelung das Gleichgewicht zwischen Adel und Bourgeoisie zuungunsten des Adels und zugunsten der Bourgeoisie änderte, um so mehr mußte die absolute Monarchie ins Wanken geraten, denn gerade auf diesem Gleichgewichte der herrschenden Klassen beruhte sie. Völlig unerträglich wurde die absolute Monarchie den beherrschten Klassen. Die ländlichen wie die städtischen Arbeiter lebten unter dem französischen Absolutismus, und zwar schon in dessen Glanzzeit, im fürchterlichsten Elend. Nach der bürgerlichen Geschichtsschreibung soll die absolute Monarchie aus dem Schutze erwachsen sein, den sie den Schwachen gegen die Starken gewährte. Darunter wird aber nichts anderes verstanden, als die Eingriffe der absoluten Monarchie in die ökonomischen Zustände. Eingriffe, die dazu bestimmt waren, den sogenannten Nationalreichtum, das heißt die Warenproduktion zu fördern. Diese Eingriffe kamen nicht den arbeitenden Klassen zugute, sondern der kapitalistischen Produktionsweise, teils direkt durch Monopole, Schutzzölle, finanzielle Unterstützungen, teils indirekt durch Aufhebung oder Milderung der Leibeigenschaft, durch Verbesserung der Schulen und ähnliches. Um die arbeitenden Klassen als solche hat sich der Absolutismus nie gekümmert: soweit er scheinbar ein gewisses Interesse für sie zeigte, kam es ihm nicht darauf an, Sklaven

7. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 23

1910 - Berlin : Singer
Erster Abschnitt. Die deutsche Reformation und ihre Folgen. 1. Das Kaufmannskapital. In mehreren Städten entstand durch die besondere Gunst historischer und geographischer Umstände^der^^nde ' zunächst in Unteritalien durch den überseeischen Verkehr mit de Orient, mit Konstantinopel und Aegypten, von hrer aus aber nach dem Norden sich ausdehnend. Er brachte große Schatze in Umlauf, die der damaligen Zeit geradezu als unermeßlich erschienen und bald die Gier aller herrschenden Klassen m Europa erregten. . Das moderne Kapital erscheint hier zuerst, und zwar wesentlich noch als Kaufmannskapital. Doch übte es sofort eine zersetzende Wirkung auf die feudale Produktionsweise aus Je mehr der Warenaustausch sich entwickelte, eme desto größere Macht wurde das Geld, für das jeder jedes erhalten konnte, das jeder brauchte und jeder nahm. An der Quelle der kapitalistischen Produktionsweise stand nicht der handwerksmäßige Zunftmeister, der bei der beschrankten Anzahl seiner Gesellen nur zu mäßigem Wohlstände gelangen konnte, sondern der Kaufmann, dessen Kapital unbeschrankter Ausdehnung fähig und dessen Prositwut deshalb maßlos war. Mit dem Kaufmannskapital, der revolutionären Macht des 14., 15. und 16. Jahrhunderts, gelangte neues Leben m die mittelalterliche Gesellschaft, und neue Anschauungsweisen erwachten. An die Stelle des bornierten Partikularismus, der dem Mittelalter eigen war, trat ein Kosmopolitismus, der sich überall wohl fühlte, wo es etwas zu verdienen gab. Im Gegensatz zu dem Zunftbürger, der oft sein ganzes Leben lang nicht die Grenzen seiner Stadt überschritt, drängte der Kaufmann rastlos nach unbekannten Gegenden, überschritt die Grenzen Europas, eröffnete das Zeitalter der Entdeckungen, das in der Auffindung des Seewegs nach Indien und der Entdeckung Amerikas gipfelte. Auf der anderen Seite aber setzte

8. Von der Französischen Revolution bis zur Gegenwart - S. 202

1912 - Leipzig : Wunderlich
202 Ausbau des Deutschen Reiches. gmnbbefitzer — in den Besitz des Produkts der Arbeiter zu setzen. Nur die Verwandlung des kapitalistischen Privateigentums an Produktionsmitteln — Grund und Boden, Gruben und Bergwerke, Rohstoffe, Werkzeuge, Maschinen, Verkehrsmittel — in gesellschaftliches Eigentum und die Umwandlung der Warenproduktion in sozialistische, für und durch die Gesellschaft betriebene Produktion kann es bewirken, daß der Großbetrieb und die stets wachsende Ertragsfähigkeit der gesellschaftlichen Arbeit für die bisher ausgebeuteten Klassen aus einer Quelle des Elends und der Unterdrückung zu einer Quelle der höchsten Wohlfahrt und allseitiger, harmonischer Vervollkommnung werde. Diese gesellschaftliche Umwandlung bedeutet die Befreiung nicht bloß des Proletariats, sondern des gesamten Menschengeschlechts, das unter den heutigen Zuständen leidet. Aber sie kann nur das Werk der Arbeiterklasse sein, weil alle anderen Klassen, trotz der Jnteressenstreitig-feiten unter sich, auf dem Boden des Privateigentums an Produktionsmitteln stehen und die Erhaltung der Grundlagen der heutigen Gesellschaft zum gemeinsamen Ziel haben. Der Kampf der Arbeiterklassen gegen die kapitalistische Ausbeutung ist notwendiger Weise ein politischer Kampf. Die Arbeiterklasse kann ihre ökonomischen Kämpfe nicht führen und ihre ökonomische Organisation nicht entwickeln ohne politische Rechte. Sie kann den Übergang der Produktionsmittel in den Besitz der Gesamtheit nicht bewirken, ohne in den Besitz der politischen Macht gekommen zu sein. Diesen Kampf der Arbeiterlasse zu einem bewußten und einheitlichen zu gestalten und ihm sein naturnotwendiges Ziel zu weisen — das ist die Aufgabe der sozialdemokratischen Partei. Die Interessen der Arbeiterklasse sind in allen Ländern mit kapitalistischer Produktionsweise die gleichen. Mit der Ausdehnung des Weltverkehrs und der Produktion für den Weltmarkt wird die Lage der Arbeiter eines jeden Landes immer abhängiger von der Lage der Arbeiter in den andern Ländern. Die Befreiung der Arbeiterklasse ist also ein Werk, an dem die Arbeiter aller Kulturländer gleichmäßig beteiligt sind. In dieser Erkenntnis fühlt und erklärt die sozialdemokratische Partei Deutschlands sich eins mit den klassenbewußten Arbeitern aller übrigen Länder. Die sozialdemokratische Partei Deutschlands kämpft also nicht für neue Klassenprivilegien und Vorrechte, sondern für die Abschaffung der Klassenherrschaft und der Klassen selbst und für gleiche Rechte und gleiche Pflichten aller ohne Unterschieb des Geschlechts und der Abstammung. Von biesen Anschauungen ausgehenb, bekämpft sie in der heutigen Gesellschaft nicht bloß die Ausbeutung und Unterbrückung der Lohnarbeiter, sonbern jebe Art der Ausbeutung und Unterbrückung, richte sie sich gegen eine Klasse, eine Partei, ein Geschlecht ober eine Raffe. Ausgehenb von biesen Grunbfätzen, forbert die fozialbemokratifche Partei Deutschlands zunächst:

9. Von der Französischen Revolution bis auf unsre Zeit - S. 109

1913 - Halle a.d.S. : Buchh. des Waisenhauses
Tie soziale Gefahr und die soziale Gesetzgebung. 109 durch diebilligereeinfuhr fremder Erzeugnisse in ihrer Existenz bedroht werden knnen, beispielsweise die Landwirtschast; da bedeu-tende Zweige der Exportindustrie durch das Erstarken fremder Industrien, Zollerhhungen, auswrtige Verwickelungen den schwersten Schaden erleiden und dadurch ganze Scharen von Arbeitern brotlos werden knnen; berhaupt da unsere Volkswirtschaft abhngig wird von den Konjunkturen des Weltmarkts und ihre Selb-stndigkeit verliert. Die mchtige Entwickelung der I n d u st r i e sodann kann zur Folge haben und hat zur Folge gehabt, da der Landwirtschaft Arbeitskrfte Industrie entzogen werden und ein durch die gesetzliche Freizgigkeit ermglichter f*' Zug nach den Stdten entsteht, der das flache Land entvlkert, in den Stdten dagegen ein zahlreiches, von der heimischen Scholle und heimischen Sitte losgelstes, besitz- und zusammenhangloses Arbeiter-Proletariat schafft. Der moderne Kapitalismus endlich, ohne den die ungemeine^id^bet Entwickelung unsers Handels und Gewerbes und auch unsrer Landwirt- Aschast schaft undenkbar ist, hat zu einem bergewicht der Kapitalkrftigen der die wirtschaftlich Schwachen, der Grobetriebe der die Klein-betriebe gefhrt, das fr viele bisher selbstndige wirtschaftliche Existenzen verhngnisvoll oder doch bedrohlich geworden ist; insbeson-dere knnen manche Zweige des Handwerks, das nicht oder doch nur in geringem Mae mit Maschinen arbeitet, sich des Wettbewerbs mit der Groindustrie kaum erwehren. Damit hngt zusammen, da die kapitalistische Wirtschaft die Ansammlung groer Vermgen in wenigen Hnden begnstigt und dadurch den Gegensatz von reich und arm verschrft. Da das Kapital ferner immer neue Gelegen-heiten zur Anlage sucht und daher immer von neuem groe Mengen von Waren auf den Markt geworfen werden, so tritt hufig ber-Produktion ein, welche Rckgang der Preise, Handelsstockungen, Krisen und in deren Gefolge Vermgensvernichtung und Arbeits-losigkeit herauffhrt. Endlich aber beruht die kapitalistische Produktionsweise auf dem Zusammenwirken einer Minderheit, die im Besitze des Kapitals ist, und der groen Mehrheit besitzloser Arbeiter, welche gegen Lohn ihre Arbeitskraft zur Verfgung stellen. So hat sie zur Entstehung eines Arbeiter st andes gefhrt, der ^Wickelung ohne eigenen Besitz, oft infolge der fortschreitenden Arbeitsteilung ftanbe5 nur einseitig ausgebildet, unsicher in seiner Existenz, meist unfhig sich auf eine hhere wirtschaftliche Stufe zu erheben, nur selten in der Lage,

10. Vom Wiener Kongreß bis zur Gegenwart - S. 189

1910 - Halle a.S. : Schroedel
— 189 — sind) und ferner dadurch z. B. von der auf Sklaverei beruhenden Produktionsweise (bei der jene Trennung in zwei unterschiedliche Gesellschaftsgruppen ebenfalls vorhanden ist), daß die Vereinigung auf dem Wege der freien Vereinbarung, .des „freien Lohnvertrages" zustande kommt. Die Wirtschaftsprinzipien aber, die innerhalb dieser Wirtschaftsorganisation zur Geltung kommen und durch ihre Eigenart dem modernen Wirtschaftsleben erst sein Gepräge geben, sind das Gewinnstreben und der ökonomische Rationalismus. Alle wirtschaftliche Tätigkeit ist am letzten Ende — ganz unabhängig von dem persönlichen Entschluß des einzelnen Wirtschaftssubjekts, das vielmehr willenlos in das Triebwerk des gesellschaftlichen Mechanismus eingegliedert ist — auf Vermehrung des Geldvermögens, das in die Produktion eingeht, oder wie der Fachausdruck lautet: auf die Verwertung des Kapitals ausgerichtet. Diesem soll ein fieberhaftes, unablässiges Schaffen bei Tag und Nacht den unerläßlichen Profit erjagen. Und damit dies geschehe, ist alles Sinnen und Trachten der Wirtschaftssubjekte — also der Kapitalträger, eben jener Inhaber der Produktionsmittel — oder ihrer bezahlten Agenten auf möglichst zweckmäßige, rationelle Gestaltung des wirtschaftlichen und technischen Prozesses gerichtet. Ich sagte nun: diejenige soziale Klasse, die die Interessen dieses kapitalistischen Wirtschaftssystems vertrete, sei die Bourgeoise. Diese besteht also zunächst und vor allem aus den führenden Wirtschaftssubjekten, den kapitalistischen Unternehmern, denen sich dann aber eine ganze Menge gleich interessierter Personen in unseren modernen Gesellschaften anschließen. Ich denke dabei an folgende Elemente: 1. alle wirtschaftlich selbständigen Existenzen oder diejenigen, die es sein möchten, und zwar unter Anerkenntnis des Erwerbsprinzips, des ökonomischen Rationalismus und einer diesem adäquaten freiwirtschaftlichen Rechtsordnung; also ein kleiner Teil der äußerlich als Handwerker auftretenden Personen, viele Krämer, Hausbesitzer, Wirte, Agenten, Börsenjobber usw. und von den Bauern die „modernen", sagen wir die Farmer; 2. alle wirtschaftlich unselbständigen Existenzen, die aber gleichsam als Gefährten des kapitalistischen Unternehmers, als seine Stellvertreter wirken, in der Regel auch unmittelbar an dem wirtschaftlichen Erfolge der Unternehmung beteiligt sind. Also die Tantieme-Direktoren, die Tantieme-Prokuristen, die Tantieme-Premiers in den großen Geschäften und ähnliche. Ich habe die Anzahl aller dieser in weiterem Sinne zur Bourgeoisie gehörigen Elemente für Deutschland auf S1/* bis 2x/2 Millionen Köpfe, etwa 3 bis 5 Prozent der Bevölkerung veranschlagen zu sollen geglaubt. Und dieser Klasse Gegenpol nannte ich das Proletariat, also diejenige soziale Klasse, mit der wir uns hier vornehmlich befassen wollen. Wollen wir die Wesenheit des Proletariats erkennen, so müssen wir uns zunächst von der Vorstellung losmachen, die diese

11. Bürgerkunde für die höheren Schulen Deutschlands - S. 38

1910 - Leipzig : Quelle & Meyer
38 Drittes Kapitel. demokratische Arbeiterpartei umbildete. Leider rissen in ihr ehr- geizige Fanatiker und unklare Schwärmer, die nach einer Welt ohne Ehe, ohne Vaterland, ohne Glauben verlangen, die Herrschaft an sich. Vas Erfurter Parteiprogramm vom Jahre 1891, das noch heute maßgebend ist, atmet den Geist des radikalen Marxismus. Es lautet: „Die ökonomische Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft führt mit Naturnotwendigkeit zum Untergang des Kleinbetriebes, dessen Grund- lage das Privateigentum des Arbeiters an seinen Produktionsmitteln bildet. Sie trennt den Arbeiter von seinen Produktionsmitteln und verwandelt ihn in einen besitzlosen Proletarier, indes die Produktionsmittel das Monopol einer verhältnismäßig kleinen Zahl von Kapitalisten und Großgrundbesitzern werden. Hand in Hand mit dieser Monopolisierung der Produktionsmittel geht die Verdrängung der zersplitterten Kleinbetriebe durch kolossale Großbetriebe, geht die Entwicklung des Werkzeugs zur Maschine, geht ein riesenhaftes Wachs- tum der Produktivität der menschlichen Arbeit. Aber alle Vorteile dieser Um- wandlung werden von den Kapitalisten und Großgrundbesitzern monopolisiert. Für das Proletariat und die versinkenden Mittelschichten (Kleinbürger, Bauern) bedeutet sie wachsende Zunahme der Unsicherheit ihrer Existenz, des Elends, des Drucks, der Knechtung, der Erniedrigung, der Ausbeutung. Immer größer wird die Zahl der Proletarier, immer massenhafter die Armee der überschüssigen Arbeiter, immer schroffer der Gegensatz zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten, immer erbitterter der Klassenkampf zwischen Bourgeoisie und Proletariat, der die moderne Gesellschaft in zwei feindliche Heerlager trennt und das gemeinsame Merkmal aller Industrieländer ist. Der Abgrund zwischen Besitzenden und Besitzlosen wird noch erweitert durch die im Wesen der kapitalistischen Produktionsweise begründeten Krisen, die immer umfangreicher und verheerender werden, die allgemeine Unsicher- heit zum Normalzustand der Gesellschaft erheben und den Beweis liefern, daß die Produktivkräfte der heutigen Gesellschaft über den Kopf gewachsen sind, daß das Privateigentum an Produktionsmitteln unvereinbar geworden ist mit deren zweckentsprechender Anwendung und voller Entwicklung. Das Privateigentum an Produktionsmitteln, welches ehedem das Mittel war, dem Produzenten das Eigentum an seinem Produkt zu sichern, ist heute zum Mittel geworden, Bauern, Handwerker und Kleinhändler zu expropriieren und die Nichtarbeiter (Kapitalisten, Großgrundbesitzer) in den Besitz des Pro- duktes der Arbeiter zu setzen. Nur die Verwandlung des kapitalistischen Privateigentums an Produktionsmitteln (Grund und Boden, Gruben und Bergwerke, Rohstoffe, Werkzeuge, Maschinen, Verkehrsmittel) in gesellschaft- liches Eigentum und die Umwandlung der Warenproduktion in sozialistische, für und durch die Gesellschaft betriebene Produktion kann es bewirken, daß der Großbetrieb und die stets wachsende Ertragsfähigkeit der gesellschaftlichen Arbeit für die bisher ausgebeuteten Klassen aus einer (Quelle des Elends und Unterdrückung zu einer (Quelle der höchsten Wohlfahrt und allseitiger harmonischer Vervollkommnung werde. Diese gesellschaftliche Umwandlung bedeutet die Befreiung nicht bloß des Proletariats, sondern des gesamten Menschengeschlechts, das unter den heutigen Zuständen leidet. Aber sie kann nur das Werk der Arbeiterklasse sein, weil alle andern Klassen trotz der Interessenstreitigkeiten unter sich auf dem Boden des Privateigentums an Produktionsmitteln stehen und die Er-

12. Vom Westfälischen Frieden bis auf unsere Zeit - S. 186

1914 - Halle a.d.S. : Buchh. des Waisenhauses
186 Das Zeitalter d. Zerstörung d. alten Reichs u. d. Entstehung d. neuen deutschen Kaisertums. Scharen von Arbeitern brotlos werden können; überhaupt daß unsere Volkswirtschaft abhängig wird von den Konjunkturen des Weltmarkts und ihre Selbständigkeit verliert. Drüber- Die mächtige Entwickelung der Industrie sodann kann zur Folge Industrie, haben und hat zur Folge gehabt, daß der Landwirtschaft Arbeitskräfte entzogen werden und ein durch die gesetzliche Freizügigkeit ermöglichter Zug nach den Städten entsteht, der das flache Land entvölkert, in den Städten dagegen ein zahlreiches, von der heimischen Scholle und heimischen Sitte losgelöstes, besitz- und zusammenhangloses Arbeiterproletariat schafft. gewich?*der Der moderne Kapitalismus endlich, ohne den die ungemeine Ent- t^ttschast Wickelung unsers Handels und Gewerbes und auch unsrer Landwirtschaft undenkbar ist, hat zu einem Übergewicht der Kapitalkräftigen über die wirtschaftlich'schwachen, der Großbetriebe über die Kleinbetriebe geführt, das für viele bisher selbständige wirtschaftliche Existenzen verhängnisvoll oder doch bedrohlich geworden ist; insbesondere können manche Zweige des Handwerks, das nicht oder doch nur in geringem Maße mit Maschinen arbeitet, sich des Wettbewerbs mit der Großindustrie kaum erwehren. Damit hängt zusammen, daß die kapitalistische Wirtschaft die Ansammlung großer Vermögen in wenigen Händen begünstigt und dadurch den Gegensatz von Reich und Arm verschärft. Da das Kapital ferner immer neue Gelegenheiten zur Anlage sucht und daher immer von neuem große Mengen von Waren auf den Markt geworfen werden, so tritt häufig Überproduktion ein, welche Rückgang der Preise, Handelsstockungen, Krisen und in deren Gefolge Vermögensvernichtung und Arbeitslosigkeit heraufführt. Endlich aber beruht foekapitalistische Produktionsweise auf dem Zusammenwirken einer Minderheit, die im Besitze des Kapitals ist, und der großen Mehrheit besitzloser Arbeiter, welche gegen Lohn ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen. So hat sie zur Entstehung Entwicklung eines Arbeiter st andes geführt, der ohne eigenen Besitz, oft — infolge standes. der fortschreitenden Arbeitsteilung — nur einseitig ausgebildet, unsicher in seiner Existenz, meist unfähig sich auf eine höhere wirtschaftliche Stufe zu erheben, nur selten in der Lage, etwas für sein Alter zu sparen, in eine ähnliche Abhängigkeit von den industriellen Unternehmern geriet, wie die Bauern des Mittelalters von den großen Grundbesitzern; der andrerseits die Volksschule besucht und durch Bücher und Zeitungen einen Anteil an der allgemeinen Bildung gewonnen hat, der sodann die Schule der allgemeinen Wehrpflicht durchgemacht hat, der endlich das politische Wahlrecht besitzt und insofern weit über den Handarbeitern früherer Jahr-

13. Vom Westfälischen Frieden bis auf unsere Zeit - S. 181

1898 - Halle a.S. : Buchh. des Waisenhauses
Die soziale Gefahr und die soziale Gesetzgebung. 181 Der moderne Kapitalismus endlich, ohne den die ungemeine Das ber-Entwickelung unsers Handels und Gewerbes und auch unsrer Land- Kapitalwirt-Wirtschaft undenkbar ist, hat zu einem bergewicht der Kapitalkrf- W*-tigen der die wirtschaftlich Schwachen, der Grobetriebe der die Kleinbetriebe gefhrt, das fr viele bisher selbstndige wirtschaftliche Existenzen verhngnisvoll oder doch bedrohlich geworden ist; ins-besondere knnen manche Zweige des Handwerks, das nicht oder doch nur in geringem Mae mit Maschinen arbeitet, sich des Wett-bewerbs mit der Groindustrie kaum erwehren. Damit hngt zu-sammen, da die kapitalistische Wirtschaft die Ansammlung groer Vermgen in wenigen Hnden begnstigt und dadurch den Gegen-fatz von Reich und Arm verschrft. Da das Kapital ferner immer neue Gelegenheiten zur Anlage sucht und daher immer von neuem groe Mengen von Waren auf den Markt geworfen werden, so tritt hufig berproduktion ein, welche Rckgang der Preise, Handels-stockungen, Krisen und in deren Gefolge Vermgensvernichtung und Arbeitslosigkeit herausfhrt. Endlich aber beruht die kapitalistische Produktionsweise auf dem Zusammenwirken einer Minderheit, die im Besitze des Kapitals ist, und der groen Mehrheit besitzloser Ar-beiter, welche gegen Lohn ihre Arbeitskraft zur Verfgung stellen. So hat sie zur Entstehung eines Arbeiter st andes gefhrt, der ohne Entwickelung eigenen Besitz, oft infolge der fortschreitenden Arbeitsteilung bestfncter= nur einseitig ausgebildet, unsicher in seiner Existenz, meist unfhig sich auf eine hhere wirtschaftliche Stufe zu erheben, nur selten in der Lage etwas fr sein Alter zu sparen, in eine hnliche Abhngig-keit von den industriellen Unternehmern geriet, wie die Bauern des Mittelalters von den groen Grundbesitzern; der andrerseits die Volks-schule besucht und durch Bcher und Zeitungen einen Anteil an der allgemeinen Bildung gewonnen hat, der sodann die Schule der all-gemeinen Wehrpflicht durchgemacht hat, der endlich das politische Wahlrecht besitzt und insofern weit der den Handarbeitern frherer Jahrhunderte steht. Er war zunchst der leidende Teil, wenn manche Unternehmer unter dem Drucke des Wettbewerbs, um mglichst billig zu produzieren, seine Arbeitskraft bermig anspannten, die Frauen und Kinder zur Fabrikarbeit heranzogen, die Wohlfahrts-Einrichtungen vernachlssigten. Da er sich allmhlich mit einem leb-haften Klassenbewutsein erfllte, da zu der Feindschaft gegen die bestehende Wirtschaftsordnung sich die zuversichtliche Hoffnung gesellte, es knne durch Vergesellschaftung der Produktionsmittel" eine bessere Organisation der Gtererzeugung erzielt werden, da er sich zu ge- nossenschastlichen Verbnden zusammenschlo, welche in gemeinsamen Arbeitseinstellungen eine Waffe gegen die Unternehmer sahen, das ist vornehmlich das Werk der sozialdemokratischen Partei, deren

14. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 27

1910 - Berlin : Singer
— 27 — Massenelend und einer Massenverwilderung, die vergebens durch eine furchtbar grausame Blutgesetzgebung auszurotten versucht wurde. .. In dem Maße, wie der Adel diese mörderische und räuberische Politik betrieb, schwand seine ökonomische Notwendigkeit dahin. Je stärker die staatliche Zentralgewalt heranwuchs, je mehr die Polizei die inneren Fehden unterdrückte und der Adel aufhörte, eine selbständige militärische Macht zu besitzen, desto überflüssiger wurde es für den Bauern, einen Herrn' zu haben, der ihn gegen die Mächtigen schützte-. Der Schirm- und Schutzherr war jetzt derjenige, gegen den die Bauern am ehesten und meisten des Schirmes und Schutzes bedurften. Der feudale Adel legte sich als schwerer Hemmschuh an die historische Entwickelung, die seine schwächeren Elemente, das sogenannte Rittertum, den niederen Adel, der zwischen den großen Grundherren und den Bauern stand, wie heute der Kleinbürger zwischen der Bourgeoisie und dem Proletariat, alsbald auch wegsäuberte. Gleich den heutigen Kleinbürgern suchte das Rittertum vergebens durch eine Politik, die zwischen den herrschenden und beherrschten Klassen hin- und herschwankte, seinen Untergang als selbständige Klasse auszuhalten. Seine Todeswehen nahmen oft eine tragische Gestalt an, wie in den deutschen Rittern Hutten und Sickingen, die Ferdinand Lassalle zu Helden eines Trauerspiels gemacht hat, aber die Literatur der aufkommenden Bourgeoisie sah in ihrem kraftstrotzenden Uebermut in dem untergehenden Ritter nur eine komische Gestalt, wovon heute noch der Don Quichote des spanischen Dichters Cervantes und der Falstaff des englischen Dichters Shakespeare zeugen. 2. Die Zerrüttung der päpstlichen Kirche. Die allmähliche Umwälzung der feudalen in die kapitalistische Produktionsweise übte nun auch ihre tiefgreifende Wirkung auf die überragende Macht des Mittelalters aus, auf die Kirche, und in erster Reihe auf die päpstliche Weltherrschaft, die als Führerin der christlichen Völker gegen die auswärtigen Feinde entstanden war und in den Kreuzzügen ihren Gipfel erreicht hatte. Gerade aber die Kreuzzüge waren ein mächtiger Hebel geworden, den Handel mit dem Orient zu fördern und jenes Element zu entwickeln, das die feudale Welt und ihren Monarchen, den Papst, stürzen sollte, nämlich das Kapital.

15. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 193

1910 - Berlin : Singer
— 193 — 4. Der Norddeutsche Bund. Das neue Deutschland, das aus dem Kriege von 1866 hervorging, trug somit die Unfertigkeit an der Stirn geschrieben. Oesterreich verzichtete fortan auf jede Einmischung in die deutschen Angelegenheiten, aber damit waren auch seine deutschen Provinzen für Deutschland verloren. Die Staaten nördlich des Mains bildeten den Norddeutschen Bund, einen angeblichen Bundesstaat in der furiosen Form, daß die preußische Hausmacht, die sich durch Einverleibung Schleswig-Holsteins, Hannovers, Kurhessens, Nassaus und Frankfurts noch beträchtlich verstärkt hatte, mit erdrückendem Gewicht über einer Menge kleiner Vasallen stand. Die Staaten südlich des Mains aber, Bayern, Württemberg, Baden und ein Teil von Hessen-Darm-stadt, hingen in der Luft; es stand bei ihnen, einzeln oder gemeinsam, europäische Mächte zu spielen oder auch in eine „nationale Verbindung" mit dem Norbbeutschen Bunb zu treten, ganz wie es ihnen beliebte. Von vornherein lag auf der Hand, daß dieser Zustand unmöglich bauern konnte, und tatsächlich glaubte auch niemand an seine Dauer. Allerdings waren die deutschen Provinzen Oesterreichs für jede irgend absehbare Zeit verloren, aber die Mainlinie konnte Deutschland nicht für immer zerreißen. Nicht der preußische Schulmeister hatte in der Schlacht von König-grätz gesiegt, wie ein schönrednerisches Schlagwort die Siege der Zündnadel erklären wollte, sondern der Zollverein, der seit Jahrzehnten ein großes Wirtschaftsgebiet geschaffen hatte. Die ökonomischen Bedürfnisse dieses Wirtschaftsgebietes, von dem die kapitalistische Produktionsweise täglich neue Striche eroberte, waren der reale Boden, aus dem die nationalen Einheitsbestrebungen erwuchsen. Die politischen Bande, die dieses Wirtschaftsgebiet mit Oesterreich verknüpften, konnten um so leichter zerrissen werden, je mehr sie zu drückenden Fesseln seiner ökonomischen Konsolidierung geworden waren, aber um so weniger ließen sich feine eigenen ökonomischen Zusammenhänge durch staatsrechtliche Tüfteleien lösen. Die süddeutschen Staaten konnten nicht europäische Macht spielen: sie konnten auch nicht zu französischen ober österreichischen Vasallen werben, es sei benn, daß ein großes, seit dreißig Jahren zusammengewachsenes Wirtschaftsgebiet, das sich im aufsteigenden Aste der kapitalistischen Entwickelung befand, in tausend Trümmer zerschlagen wurde, und das gehörte zu den historischen Unmöglichkeiten. Mehring: Deutsche Geschichte 13

16. Deutsche Sozialgeschichte - S. 185

1898 - Halle a.S. : Buchh. des Waisenhauses
Die „industrielle Reservearmee". Enteignung. Klassenkampf. Marxismus. 185 Der Weg zu diesem Ziele aber kann nur der Klassenkampf sein. Klaffenkampf. Denn die Vertretung der sehr verschiedenartigen und deshalb unvereinbaren Klasseninteressen führt notwendig zum Klassengegensatz. Da nun noch nie eine Klasse freiwillig ihre Vorrechte aufgegeben hat, so bleibt nur Klassenkampf übrig, wobei aber nicht ausschließlich an rohe Gewalt zu denken ist. Nur die Arbeiter selbst können sich befreien. Auf solche Weise sucht Marx nach dem Vorgänge Smiths u.a. Marxens Beden Kommunismus wissenschaftlich zu begründen. Seine scharffin-nigen Ausführungen über den engen Zusammenhang zwischen Er- wegung. zeugung, Austausch und Verteilung der Güter wurden immer mehr Gemeingut des kämpfenden Proletariats und haben vor allem das Kraftgefühl und Selbstbewußtsein der Arbeiter gewaltig gesteigert. Aber den Hauptanteil an der Entwicklung der Sozialdemokratie haben doch weniger die Theorieen als vielmehr die bestehenden Zustände selbst. — Nach Marx sind alle sozialen Bewegungen nur Ausdruck bestimmter wirtschaftlicher Thatsachen und allein durch wirtschaftliche Erscheinungen bedingt, alle Staatsformen nur Produkte und alle Religionen nur Spiegelbilder wirtschaftlicher Zustände. Durch solche einseitig materialistischen Lehren mußten die Arbeitermassen die Vorstellung gewinnen, sie allein beeinflußtenden Gang der Weltgeschichte. Es ist nicht zu leugnen, daß Marx (neben anderen deutschen Gelehrten wie Thünen und namentlich Rod-bertus) die Volkswirtschaftslehre bedeutend gefördert hat. Aber sein System fußt einseitig auf den englischen Zuständen der drei- Einseitigkeit ßiger und vierziger Jahre. Sehr treffend hat er nachgewiesen, daß Manismus. Englands Großindustrie sich damals auf Kosten des Bauernstandes entwickelte — nur so konnte sie billige Arbeiter bekommen — und fraß die kapitalistische Produktionsweise an inneren Widersprüchen leidet. An seiner Lehre vom Mehrwerte, von der Übermacht des Kapitals, der industriellen Reservearmee und der Enteignung der

17. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 10

1910 - Berlin : Singer
Denn nachdem sich der römische Staat alle Länder um das Mittelmeerbecken herum unterworfen hatte, war er eine riesige Ausbeutungsmaschine geworden, die durch ihre Staatsfronen und Steuern die Masse der Bevölkerung in immer tiefere Armut drückte. Er begründete sein Existenzrecht auf die Erhaltung der Ordnung nach innen und den Schutz gegen die Barbaren nach außen. Aber seine Ordnung war schlimmer als die schlimmste Unordnung, und die Barbaren, gegen die er die römischen Bürger zu schützen versprach, wurden von diesen als Retter ersehnt. Die rücksichtslose Erpressung der Beamten erstickte, was an Handel und Industrie im römischen Reiche vorhanden war, und das Endergebnis der römischen Weltherrschaft lief hinaus auf allgemeine Verarmung, Rückgang des Verkehrs, des Handels, der Kunst, Verfall der Städte und namentlich Rückkehr des Ackerbaues auf eine niedrigere Stufe. Der Ackerbau bildete im Altertum die entscheidende Produktionsweise. Die römische Bauernklasse, die in endlosen Kriegen die römische Weltherrschaft errungen hatte, war in diesen Kriegen dahingeschmolzen. In Italien hatten sich ungeheure Güterkomplexe zusammengeballt, die sogenannten Latifundien, die von Sklaven bewirtschaftet wurden: entweder als Viehweiden, wo die bäuerliche Bevölkerung durch Ochsen und Schafe ersetzt war, oder als ungeheure Güter, die ihren Absatz auf den städtischen Märkten suchten. Mit dem Verfall des allgemeinen Wohlstands rentierte diese auf Sklavenarbeit gegründete Latifundienwirtschaft nicht mehr, die damals die einzig mögliche Form des großen Ackerbaues war. So muhte man auf den kleinen Ackerbau zurückgehen. Die großen Güter wurden in Parzellen zerschlagen und an Kolonen ausgetan, die dafür einen bestimmten Betrag bezahlten, an die Scholle gefesselt waren und mit ihrer Parzelle verkauft werden konnten; sie waren zwar keine Sklaven, aber auch nicht frei, die Vorläufer der mittelalterlichen Leibeigenen. Die antike Sklaverei ist nicht am Christentum gestorben, das sich in alter und neuer Zeit sehr gut mit der Sklaverei zu vertragen gewußt hat. Sie ging vielmehr daran unter, daß sie sich ökonomisch nicht mehr rentierte. Aber sterbend hinterließ sie ihren giftigen Stachel, indem sie alle produktive Arbeit als Sklaventätigkeit, als freier Bauern unwürdig erscheinen ließ. Aus dieser Sackgasse gab es für die antike Kultur keinen Ausweg; die Sklaverei war ökonomisch unmöglich geworden, allein die produktive Arbeit der Freien blieb

18. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 26

1910 - Berlin : Singer
— 26 — wurde der Ueberschuß und damit auch der Wert des Grund und Bodens. Auf diese Weise entstand im ganzen westlichen Europa ein Hunger nach Land, und besonders nach solchem Land, das, wie Wälder und Weiden, nicht vieler Hände bedurfte, um bewirtschaftet zu werden. Hatte der mittelalterliche Adel nach Land und Leuten getrachtet, war er um so reicher geworden, je mehr Bauern er an die Scholle fesselte und je mehr neue Ansiedler er heranziehen konnte, so hatte der moderne Adel andere Ziele. Er trachtete danach, die bäuerlichen Aecker an sich zu reißen, namentlich auch die Gemeindewälder und Gemeindewiesen, deren die bäuerliche Produktion nicht entbehren konnte, aber gleichzeitig das geraubte Land zu entvölkern, soweit es möglich war, ohne den landwirtschaftlichen Betrieb als adlige Geldquelle zu gefährden. Die Frondienste der Bauern, die der Adel noch duldete, wurden aufs höchste angespannt. Diese Bauern verfielen jener drückendsten und schamlosesten Ausbeutung, die der auf Zwangsarbeit beruhenden Warenproduktion eigentümlich ist; findet ihre Profitwut doch nicht einmal mehr den Widerstand, den der freie Arbeiter immerhin noch der kapitalistischen Ausbeutung entgegensetzen kann. Aus den massenhaft von ihren Schollen vertriebenen Bauern aber entstauben die Anfänge des mobernen Proletariats. Dies Proletariat unterschieb sich von dem antiken Proletariat baburch, daß es sich nicht als Bobensatz aus-beutenber und herrfchenber Klassen bilbete, sonbern aus der Auflösung ausgebeuteter und beherrschter Klassen. Zum ersten Male in der Geschichte erschien eine Klasse freier Proletarier als unterste Klasse der Gesellschaft, die natürlich noch keine Ahnung haben konnte von dem historischen Berufe, der ihr besthieben war, um so weniger, als ihr bäuerlicher Kern durch Elemente ganz anberen Ursprungs verstärkt würde, durch die Auflösung der feubalen Gefolgschaften, beren der Abel nicht mehr beburfte, feitbem er höfischer Parasit ober wucherischer Warenprobuzent geworben war. Zum Teil würde bies neue Proletariat durch die Kriegsherren und die Kaufleute verbraucht; durch jene in ihren Heeren, durch biefe in den Manufakturen, in benen die bisher aus der Frembe geholten Waren nun auch im Jnlanbe zu probuzieren begonnen würden. Aber biefe Abflußkanäle genügten bei weitem nicht, zumal ba die Manufakturen nur gelernte Arbeiter brauchen konnten und nach Beenbigung der Kriege die Mehrzahl der Soldaten entlassen zu werben pflegte. Also verfiel bies Proletariat einem

19. Wirtschaftsgeographie und Wirtschaftskunde Deutschlands - S. 108

1911 - Bielefeld [u.a.] : Velhagen & Klasing
108 Iii. Teil. Erster Abschnitt. Zu den stehenden gehören alle Produktionsmittel, welche längere Zeit gebraucht werden können und nur eine gewisse Abnutzung erleiden, wie z. B. Maschinen, Gebäude, Eisenbahnwagen, Arbeitstiere. Zu den umlaufenden rechnet man alle die, welche in dem Betriebe zugrunde gehen oder umgewandelt werden, wie Rohstoffe, Halbfabrikate, Saatgut, Düngemittel. In einer Papierfabrik z. B. sind die Maschinen und Gebäude stehendes Kapital, sie bleiben im großen ganzen unverändert; Lumpen, Holzstoff und altes Papier sind Umlansskapital, sie werden vollkommen umgewandelt in neues Papier und kehren vielleicht als altes Papier in dieselbe Fabrik zurück. Die Wirtschaftsweise, welche unter der Herrschaft des Geldes betrieben wird, nennt man die kapitalistische, so daß also Handel und Verkehr am stärksten, Urproduktion (besonders Bergbau) und Industrie immer mehr dieser kapitalistischen Wirtschaftsweise unterliegen. Ii. Die Größe der Betriebe. a) Größenklassen. Man unterscheidet im allgemeinen Groß-, Mittel- und Kleinbetriebe. Beim Großbetriebe ist der Unternehmer nur geistiger Leiter des mit zahlreichen Angestellten (über 50 Personen) arbeitenden Betriebes, ohne selbst mitzuarbeiten. Die Fabriken sind überwiegend Großbetriebe. Beim Mittelbetriebe ist auch eine größere Menge Angestellter vorhanden (6—50 Per- sonen), aber der Unternehmer ist nicht nur Leiter, sondern muß oft noch selbst Hand anlegen. Beim Kleinbetriebe arbeitet der Unternehmer allein oder nur mit wenigen Angestellten (1—5 Personen). In der Landwirtschaft unterscheidet man nach Besitzgröße in Groß- grundbesitz, bäuerlicher und Zwergbesitz. Zu dem ersteren rechnet man Güter mit über 100 da Land. Er entspricht dem Großbetriebe. Der bäuer- tiche Besitz zerfällt wieder in großbäuerlichen mit 20 — 100 ha, mittel- bäuerlichen mit 5—20 ha, welche beide dem Mittelbetriebe gleichzusetzen sind, und in kleinbäuerlichen mit 2—5 ha, der dem Kleinbetriebe gleichsteht. Der Zwergbesitz hat weniger als 2 ha Land und ist im allgemeinen nicht mehr imstande, eine Famlie zu ernähren, zwingt also zu Nebenbeschäftigungen. Welche Betriebsgröße in einem Wirtschaftszweige möglich ist, hängt in erster Linie von der Beschaffenheit der Arbeit ab, die derselbe leistet. Massen- artikel werden vorteilhaft im Großbetriebe hergestellt; solche Arbeiten aber, die an den Geist und die Geschicklichkeit große Ansprüche stellen (Maler, Arzt), oder die keine Massenartikel herstellen (Flickschneider, Garnieren von Damen- hüten), bleiben meist auf den Kleinbetrieb beschränkt. Im allgemeinen ist Groß- betrieb auch kapitalistischer Betrieb, und zwar stets bei Bergbau, Industrie, Handel und Verkehr, zum Teil auch in der Landwirtschaft; er ist also gewöhn- lich kapitalsintensiv, während der Kleinbetrieb durchweg arbeitsintensiv ist. b) Bedeutung des ©roß- und Kleinbetriebes. Der erstere ist dem letzteren vor allem dadurch überlegen, daß er vermöge seiner Kapitalskraft beim Einkauf der Produktions- mittel günstigere Bedingungen erhält. Er kann die produktivste und billigste Form der Arbeit, namentlich die Arbeitszerlegung, sowie kostspielige, Arbeit ersparende Maschinen anwenden und sür den Absatz seiner Erzeugnisse bessere Einrichtungen treffen. Er kann aus diesen Gründen seine Erzeugnisse billiger aus den Markt bringen als der Kleinbetrieb. Der Großbetrieb ist gegenüber dem Kleinbetrieb überall da im Vorteile, wo die Eigenart

20. Deutsche Sozialgeschichte - S. 184

1898 - Halle a.S. : Buchh. des Waisenhauses
184 1857 ff. Die „industrielle Reservearmee". Schließliche Enteignung der wenigen Großkapita-listen durch die Masse. und nun nichts anderes zu erwarten haben als die — Gerberei. Wegen des übermäßigen Angebots von Arbeitskräften sinkt die menschliche Arbeitskraft selbst tief unter den Tauschwert ihres Erzeugnisses herab, und dadurch wird nun wieder der Gewinn des Kapitalisten erhöht. Das Kapital vermehrt sich also stetig. Sind manche Arbeiter mit den immer niedriger werdenden Löhnen nicht zufrieden, so entläßt sie der Unternehmer. Ihm stehen stets neue Arbeiter zur Verfügung, weil ihrer immer mehr durch die fortschreitende Maschinentechnik überflüssig werden. Das ist die „industrielle Reservearmee". Das Kapital vereint sich aber allmählich in einer immer kleiner werdenden Zahl von Händen. Denn die Güter werden ja nicht zur Befriedigung der Bedürfnisse, sondern nur als Ware für den Markt produziert. Jeder sucht also, um möglichst viel zu verdienen, seine Waren hoch im Preise zu halten, alle anderen Waren aber recht billig zu machen. Die Entwicklung der Maschinentechnik läßt nun zusammen mit der Macht des Geldes schließlich den Großbetrieb zur allein lebensfähigen Produktionsform werden. Aber immer größere Kapitalien gehören schließlich dazu, um als Unternehmer sich halten zu können. Der kleinere und mittlere Kapitalistenstand geht schließlich zu gründe. Auch die Zahl der Kapitalmagnaten nimmt stetig ab: sie leiden an Überfluß unverwendbaren Kapitals. Die unverwendbare Arbeitskraft dagegen häuft sich auf; Elend und Ausbeutung, infolgedessen aber auch Empörung der Massen wächst. Deshalb schlägt schließlich die Stunde des kapitalistischen Privateigentums. Die gewaltig angeschwollenen Massen berauben die wenigen Reichen ihres Kapitals. Die Enteigner sind nun selbst enteignet. Dann nimmt die organisierte Arbeiterschaft die Erzeugung und Verteilung der Güter selbst in die Hand, und zwar nur zur Befriedigung der wirklichen Bedürfnisse. In der neuen Gesellschaftsordnung kommt der technische Fortschritt dann allen völlig zu gute.