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1. Handbuch der Israelitischen Geschichte von der Zeit des Bibel-Abschlusses bis zur Gegenwart - S. 155

1888 - Leipzig : Engel
— 155 — § 8. Der Gottesdienst. Hand in Hand mit der Hebung des Jugendunterricbts, der zunehmenden Cultur und Bildung ging die Verbesserung des Cultus. Die grosse Menge der nach und nach aufgenommenen, den Meisten aber unverständlichen synagogalen Poesien (Piutim), der häufig unpassende Gesang, das Geräusch und Geschrei, das in den finstern Synagogen h rrschte, störte die Andacht und hielt die Gebildeten vom Besuch des Gottesdienstes ab. Das belehrende Wort war fast überall aus dem Gottesdienste verschwunden. Nur zweimal im Jahre, am Sabbat vor dem Pessachfeste und vor dem Versöhnungstage, wurde im jüdisch-deutschen Dialect (Jargon) eine dem Volk unverständliche „Derascha“ gehalten. Man führte nun zunächst die deutsche Predigt ein. Der erste Versuch zu einem geordneten Gottesdienst mit Chorgesang und Predigt ging wieder von Israel Jacobson aus. Anfangs in Kassel und Seesen, später in Berlin richtete er einen modernen Gottesdienst ein, bei dem L. Zunz, Kley und Salomon als Prediger fungirten, der aber auf Befehl der Regierung bald wieder aufgehoben wurde. Stiess schon die Einführung der Predigt in der Landessprache auf Widerspruch seitens der Strenggläubigen, welche, um sie zu verhindern, in Berlin, Breslau, Königsberg und vielen anderen Gemeinden die Hülfe der Behörden anriefen, so lässt sich denken, dass die Beseitigung einzelnei Gebetstücke oder der Gebrauch der deutschen Sprache im Gebete die schärfste Opposition fand. Als daher der hamburger Tempel (1819) das historische Judenthum mit dem Geist der Cultur zu vermitteln suchte, die Orgel und Confirmation einführte und wesentliche Gebetstücke beseitigte, da kam es zu einem erbitterten Kampfe, der nach einem Viertel Jahrhundert wiederholt ausbrach und vor die Behörden gezerrt wurde. Trotz der Schwierigkeiten, welche namentlich in mittleren und kleinen Gemeinden der Einführung der Predigt bereitet wurde, fand diese Institution die weiteste Verbreitung, sodass die Predigt heute fast überall ein wesentliches Element des Gottesdienstes bildet. Kein Theil der jüdischen Literatur ist aber auch so reich angebaut als die Homiletik; die Predigten von Kley und Salomon, den beiden Predigern des hamburger Tempels, von Mannheimer, dem kunstvollen Prediger und Schöpfer der wiener Gemeinde (st. 1865), A. A. Wolff, L. Philippson, Herxheimer, Holdheim, L. Stein, L. Adler und in neuerer Zeit von Michael Sachs (st. 1864), von Ad. Jellinek, dem bedeutendsten jüdischen Kanzelredner der Gegenwart, von M. Joel u. A. haben zur Weckung des religiösen Geistes nicht wenig beigetragen und auch die Anerkennung christlicher Zuhörer und Leser gefunden. Predigt und Chorgesang blieben aber nicht die einzigen Forderungen der Zeit. Wie der hamburger Tempelverein, so erstrebten auch andere Gemeinden die Einführung der Orgel, deutscher Gebete, Abkürzung der Liturgie, dreijährigen Cyklus, überhaupt Reformen, welche in den Gemeinden zu Streitigkeiten und oft zu mehrjährigen Processen führten. Die Strömung der religiösen Bewegung, die vielen schwankenden Fragen, die eine Entscheidung erheischten, veranlagten Philippson zur Gründung des Instituts der Rabbinerversammlungen, welche

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1. Handbuch der Israelitischen Geschichte von der Zeit des Bibel-Abschlusses bis zur Gegenwart - S. 157

1888 - Leipzig : Engel
— 157 - Zunz am nächsten steht M. Steinschneider (geb. 1816), Director der israel. Gemeinde-Töchterschule in Berlin, der bedeutendste Bibliograph unserer Zeit. Von seiner umfassenden Kenntniss der jüdischen Literatur zeugen die von ihm bearbeiteten Kataloge der Bodlejana, der hebr Handschriften, welche sich in den Bibliotheken zu Leyden, München, Hamburg, Berlin befinden und die seit 1858 von ihm redigirte Zeitschrift ,,Hebräische Bibliographie.“ Den Namen Zunz trägt auch die deutsche Uebersetzung der heil. Schrift, welche von ihm zusammen mit Arnheim, J. Fürst und M. Sachs veranstaltet wurde. Eine neue Uebersetzung der heil. Schrift erschien von G. Salomon, Herx-heimer und in dem mit einem ausführlichen Commentar sowie mit Abbildungen versehenen grossen Bibelwerk von L. Philippson. Dieselbe befindet sich auch in der Prachtbibel mit den Bildern von Dore und in den Bibelausgaben der von Philippson ins Leben gerufenen israel. Bibelanstalt. Ueberhaupt entfaltet Philippson (bis 1862 Rabbiner in Magdeburg, jetzt privatisirend in Bonn) neben einer ins Leben eingreifenden Wirksamkeit auch eine vielseitige literarische Thätigkeit. Grosse Verbreitung fanden seine Predigtsammlungen, seine Vorlesungen, seine ausführliche Religionslehre, sein „Saron“ und andere Schriften. Ein Mitschüler von Zunz war J. M. Jost (geb. 1793, gest. 1860), der 20 Jahre in Berlin und von 1835 als Lehrer am Philantropin in Frankfurt. a.m. lebte. Er übersetzte die Mischna ins Deutsche und redigirte die nur einige Jahre erschienenen Zeitschriften „Israelitische Annalen“ und „Zion“; auch war eider Erste, der vor 60 Jahren eine „Geschichte der Israeliten“ in 9 Bänden bearbeitete, der dann seine „Neuere Geschichte der Israeliten“ und seine „Geschichte des Judenthums und seiner Sekten“ folgten. In neuerer Zeit schrieb H. Grätz (geb. 1817) eine ausführliche „Geschichte der Juden“ in 11 Bänden. Die jüdische Geschichte fand ferner emsige Bearbeiter in: L. Herzfeld, Rabbiner in Braunschweig (st. 1884), Verfasser einer „Geschichte des Vo':kes Israel“, „Handelsgeschichte der Juden des Alterthums“ u. a. m., Jul. Fürst (st. 1873), der eine „Geschichte des Karäerthums“ eine „Bibliotheca Judaica“ u. A. schrieb und die wissenschaftliche Zeitschrift „der Orient“ von 1840—1851 redigirte, David Cassel in Berlin, Verfasser eines „Lehrbuches der jüdischen Geschichte und Literatur“, J. Salvador (st. 1873), Verfasser der „Geschichte der Römerherrschaft“, M. Wiener (st. 1880), dem die Geschichte der Juden in Deutschland, und G. Wolf in Wien, dem die Geschichte der Juden in Oesterreich Vieles verdankt. Auf den verschiedenen Gebieten der jüdischen Literatur besonders thätig war Abraham Geiger (geb. 1810), Rabbiner in Wiesbaden, Breslau, Frankfurt und Berlin, wo er 1874 starb. Ausser seiner „Urschrift und Uebersetzungen der Bibel und mehreren jetzt zum Theil in seinen „Gesammelten Schriften“ enthaltenen Monographien befinden sich in der von ihm redigirten „Zeitschrift für jüd. Theologie“ (1835 1847) und „Jüdische Zeitschrift für Wissenschaft und Leben“ (1862 bis 1874) viele sehr werthvolle und anregende Arbeiten. Mit Hold he im, dem ersten Prediger der berliner Reformgemeinde, Wechsler u. A. gehörte er zu den Vertietern der entschiedenen religiösen Reform, deren Bestrebungen Samson Raph. Hirsch (geb. 1808), Rabbiner in Oldenburg, Emden, Nikolsburg und jetzt in Frankfurt a. M. in mehreren Schriften, wie „Neunzehn Briefe“, „Choreb“,

2. Grundriß der Kirchengeschichte für höhere Lehranstalten - S. 74

1877 - Karlsruhe : Braun
— 74 — schiedenheit. Die Grundlage des evangelisch-lutherischen Cultus hatte Luther gegeben, der mit dem Kurfürsten Johann dem Beständigen (§ 74) von dem Grundsatz ausging, daß alle unschädlichen Gebräuche sollten bestehen bleiben (selbst Lichter aus dem Altar bei der Abendmahlsfeier und Wechselgesänge wurden beibehalten) und in seiner „deutschen Messe und Ordnmig des Gottesdienstes" Aushebung des Meßopfers, Einführung deutscher Kirchengebete statt der lateinischen und die Predigt als das vornehmste Stück verlangte. (Unwissende Prediger sollten aus Luthers Postille vorlesen.) Dem religiösen Unterricht dienten der kleine und der große Katechismus, die Errichtung von Schulen aus eingezogenen Klostergütern und die Besserstellung der Lehrer, deren Amt „nächst dem Predigtamt das allerwichtigste, größte und erste ist". Zur Hebung des Gottesdienstes trugen wesentlich Luthers Lieder bei, der theils nach lateinischen, theils Nach deutschen Gesängen, theils nach Psalmen, theils ganz frei dichtete. Auch Melodien stammen von ihm, und die ersten Choralbücher sind unter seiner Mitwirkung in Wittenberg erschienen. Die Reformirte Kirchenordnung Zwingli's ging von dem Grundsatz ans, daß die äußeren Formen der katholischen Kirche möglichst zu vermeiden und der Gottesdienst aufs Einfachste so einzurichten sei, wie er nach der Auffassung der Resormirteu in der apostolischen Zeit war. Entfernung der Bilder, der Crucifixe und Orgeln, Tische statt Altäre, weiße Wände. Geringschätzung der Kunst. Abendmahlsfeier: die Commnnicanten nehmen sich selbst Brod (aus hölzernen Schüsseln) und Wein (aus hölzernen Bechern), während _ in der apostolischen Zeit diese Elemente durch Diakonen gereicht wurden. Calvin's Gottesdienst war ebenfalls höchst einfach. § 86. Seit der Reformation hat der Cultus im allgemeinen feine Grundformen beibehalten. Die Predigt beherrscht den Gottesdienst zu sehr; die Gemeinde verhält sich wesentlich empfangend. Die Gebete sind zum Theil die alten aus dem 16. Jahrhundert, zum Theil je nach den Anschauungen der Zeit verändert oder neu gestaltet. Der Choralgesaüg, der in der reformirten Kirche wie alle Kunst zurücktritt (Psalmengesang kam von Frankreich; wenige Kirchen- ■ »i, im* ijf vv in i Kirc *n mit' Miltoriei iii tiefe Am gebildeten «rn beso ritts lat Md (ttt deiiei kr Entsi gehören Wecker, !t rer. Kuben tri’ , Graf, i jjtftttil Ger in Kandel Leib» 14, Das L Spenei teil Sch ile Empfii der geijt che» Richl Friedr ie letzten , 8. tum Das a i /y und lehrt b u Hai Mittig trat >a Durch b, Varfe. z >' 8 v9j"

3. Darstellender Anschauungsunterricht - S. 394

1914 - Langensalza : Kortkamp
— 394 — runde Bogen. Unter dem Turm ist die Orgel erbaut. Die blanken Pfeifen stehen alle in Reihen nebeneinander. Der Orgel gegenüber erhebt sich der Altar. Davor ist der Taufstein. In der Mitte der Kirche ragt die Kanzel empor, die ist aus Holz geschnitzt. Über der Kanzel ist ein Schalldeckel. Dieser verstärkt die Stimme des Pre- digers. Darum hört man in der ganzen Kirche deutlich, was der Prediger sagt. Die Bänke in der Kirche stehen alle so, daß man von jedem Platz aus den Prediger sieht. An den Seiten der Kirche sind über dem Schiffe Emporen, auf denen befinden sich auch Sitzplätze. Die schönste Empore ist die, worauf die Orgel steht. Zu den Emporen hinauf führen Treppen. 5. Vom Gottesdienst. Am Sonntag früh läuten die Glocken zur Kirche. Dann gehen viele Leute dahin, das Gesangbuch halten sie in der Hand. Die Orgel spielt, und die Gemeinde singt das Lied, dessen Gesangbuchnummer an der Tafel auf einer besonderen Platte angezeigt ist. Danach liest der Geistliche fromme Sprüche und Gebete vor dem Altar, und später predigt er auf der Kanzel. Die Gemeinde hört andächtig zu. Wenn der Gottesdienst aus ist, beten alle still und gehen dann wieder nach Hause. — In der Kirche ist auch Kindergottesdienst. Am Sonntag nachmittag werden meist die Kinder getauft. Dazu ist der Taufstein mit dem blanken Wasserbecken, Der Geistliche traut auch die Braut- paare in der Kirche. Manchmal ist in der Kirche auch ein schönes Konzert. Rätsel. Mit zwei Strichen ist's gemacht, auf Kirchen ist's angebracht.

4. Handbuch der Israelitischen Geschichte von der Zeit des Bibel-Abschlusses bis zur Gegenwart - S. 158

1888 - Leipzig : Engel
— 158 — u. a. m. und in der von 1854 bis 1870 von ihm herausgegebenen Zeitschrift „Jeschurun“ mit Eifer entgegentrat. In neuester Zeit erschien von ihm eine Uebersetzung des Pentateuch und der Psalmen mit Commentar. Wesentliche Verdienste um die jüdische Wissenschaft erwarben sich ferner: Zacharias Frankel, der die „Zeitschrift für die religiösen Interessen des Judenthums“ und von 1851 bis 1869 die jetzt von Grätz und Frankl redigirte ,,Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judenthums“ herausgab und dessen Werke „Der gerichtliche Beweis“, „Studien zu der Septuaginta“, Einleitung in die Mischna und in den jerasalemischen Talmud von bleibendem Werthe sind; Leopold Löw (Rabbiner in Gr.-Kanizsa, Papa, Szegedin (st. 1875), der die Zeitschrift „Ben Chananja“ von 1858—1868 herausgab, Verfasser einer „Geschichte der Juden in Ungarn“, von „Beiträgen zur jüdischen Alterthumskunde“ und anderen Schriften ist; Michael Sachs (Prediger in Prag und Berlin (st. 1864), der die „Religiöse Poesie der Juden in Spanien“, „Beiträge zur Sprach- und Alterthumskunde“, eine vortreffliche Uebersetzung der Festgebete und Poesien veröffentlichte; J. L. Saal schütz (Professor und Prediger in Königsberg (st. 1863), der die „Archäologie der Hebräer“ und das „Mosaische Recht“ bearbeitete; H. B. Fas sei (Rabbiner in Prossnitz und Gr.-Kanizsa (st. 1884) und Sam. Mayer (Rabb. und Advokat in Hechingen (st. 1875), welche das mosaisch-talmudische Recht ausführlich darstellten; Ad. Jellinek, welcher ein besseres Verständniss der Kabbala anbahnte und wie L. Dukes, Filipowski, Halberstamm, J. Kobak, der Redacteur der Zeitschrift „Jeschurun“, Senior Sachs viele seltene hebräische Schriften (Bet-ha-Midrasch, Kuntres) edirte, J. Derenbourg in Paris und Ad. Neubauer in Oxford, die werthvolle Werke und eine „Geographie des Talmud“ bearbeiteten, J. H. Weiss in Wien, der ein vierbändiges Werk zur „Geschichte der jüdischen Tradition“ schrieb, E. Carmoly (st. 1875), L. Landshuth (st. 1886) u. A. Auf dem Gebiete der Religionsphilosophie erschienen werthvolle Schriften von S. Hirsch (jetzt in Philadelphia) M. Josl (Rabb. in Breslau), A. Schmiedl (Rabb. in Wien), J. Guttmann (Rabb. in Hildesheim), Isidor Weil (Rabb. in Versailles) u. A. Vortreffliche literar-historische Monographien erschienen von F. Lebrecht (st. 1876), S. J. Kämpf (Professor und Prediger in Prag), J. Perles (Rabb. in München), H. Gross (Rabb. in Augsburg), N. Brüll (Rabb. in Frankfurt a. M.), dem Herausgeber der „Jahrbücher für jüdische Geschichte und Literatur“, Isidor Loeb in Paris, A. Berliner in Berlin, W. Bacher in Budapest, M. Güdemann in Wien, der eine „Geschichte des jüdischen Unterrichtswesens“ bearbeitet, und mehreren Anderen. Das Interesse für die jüdische Wissenschaft, das durch das von Philippson, Jellinek, Goldschmidt und Herzfeld geleitete und achtzehn Jahre, bis 1874, bestandene „Institut zur Förderung der israelitischen Literatur“ auch in fernstehendem Kreisen und in neuester Zeit durch die in Paris erscheinende „Revue des etudes juives“, an der sich die bedeutendsten französischen Gelehrten betheiligen, neu geweckt wurde, ist in der Gegenwart mehr oder weniger erkaltet; es wird wieder erwachen, denn auf der Pflege der jüdischen Lehre und Wissenschaft beruht die Zukunft des Judenthums.

5. Anschauungsunterricht und Heimatkunde für das 1. - 4. Schuljahr mehrklassiger Schulen - S. 232

1899 - Leipzig : Klinkhardt
— 232 — Menschen zum Gebete, zum Gottesdienste, zur Hilse bei Feuersbrünsten, zum Begräbnisse ic. Auch an der Turmuhr kamen wir vorüber. Wenn es schlägt, erhebt sich ein schwerer Hammer und schlägt auf eine Glocke. Bei der Türmerwohnung traten wir hinaus auf den Rundgang. Von hier aus hatten wir eine schöne Aussicht (Rundsicht) auf die Stadt und die Umgegend. Wir sahen die Nachbarorte liegen, ferne Wälder und Berge :c. Die Menschen und Tiere auf den Straßen und Plätzen sahen sehr klein aus. Über uns stieg der Turm noch 30 in höher; aber wir konnten nicht weiter steigen, die Treppen hörten auf. Nur der Dachdecker kann noch weiter hinauf steigen auf einer schmalen eisernen Leiter, wenn es oben am Turmknopfe mit dem funkelnden Kreuze etwas zu thun giebt. e. Der Gottesdienst. Hörst du der Glocken hellen Klang? Zur Kirche rufen sie dich hin. Wie ernst, wie freundlich ist's darin! Wie lieb und traut und doch wie bang! Wie singen sie mit tiefer Brust! Das macht, der Herr Gott wohnet da; drum kommen sie von fern und nah, hier vor sein Angesicht zu treten, zu fleh'n, zu danken, anzubeten. (Hey, W. Ii. 294, W. 406.) Wir versammelten uns gestern, obgleich Sonntag war, in der Schule und gingen, als das Glockengeläute rief, uach der ...kirche, um unter Führung unseres Herrn Lehrers an dem Gottesdienste teilzunehmen. Unterwegs trafen wir viele Leute, die mit uns nach dem gleichen Ziele gingen. Alle hatten wie wir ihre Feiertagskleider angezogen und Gesangbücher in der Hand. In der Kirche angekommen, gingen wir auf das Chor hinauf, nahmen still unsere Plätze ein und beteten leise ein Vaterunser. Die Kirche füllte sich; alt und jung, reich und arm versammelten sich und bildeten eine fromme Gemeinde. Als die Glocken ausgeklungen hatten, begann der Organist auf der Orgel zu spielen. Unterdes suchten wir die Nummer des ersten Liedes auf, welche auf einem Brette fo aufgesteckt war, daß alle Leute es sehen konnten. Nach dem Vorspiele stimmte der Kantor das erste Lied an, und alle sangen nun andächtig den Choral, welchen der Organist spielte. Darauf erschien der Geistliche (Prediger, Pfarrer, Priester) am Altare und las nach einem Wechselgesange mit dem Chore etwas aus der Bibel vor. Nun wurde ein zweites Lied gesungen und nochmals vorgelesen. Nach dem dritten Siebe bestieg der Prediger die Kanzel und hielt die Predigt. Sie handelte von der Liebe und Güte Gottes. Die Gemeinde hörte andächtig zu; sie erbaute sich. Wir haben auch still zugehört, aber nicht alles verstanden. Erst dann, wenn wir größer sind und mehr gelernt haben, werden wir die ganze Predigt ver- stehen. Auf die Predigt, die der Pfarrer mit einem Gebete schloß, folgten noch ein Lied, der Segen und der Schlußgesang. Wir beteten zuletzt ein Vaterunser und gingen still fort. Bei Tische erzählten wir den Eltern davon. Den ganzen Sonntag war uns feierlich zu Mute.

6. 40 Lektionen, umfassend den Zeitraum von Luther bis in die neueste Zeit - S. 11

1882 - Leipzig : Klinkhardt
— 11 — Die Stadtobrigkeit hatte er mit Hilfe der Bauern vertrieben, die Glocken zu Kanonen umgießen lassen und herrschte nun hier als „der Prophet von Thüringen". Luther hatte anfangs die Fürsten Zur Milde und die Bauern zur Nachgiebigkei ermahnt; da aber der Aufstand immer gefährlicher wurde, rief er selbst zur Strafe der Ungehorsamen auf. Der Kurfürst von Sachsen und der Landgraf von Hessen folgten dem Rufe. Zwischen Mühlhansen und Frankenhausen wurden am 15. Mai 1525 die schlechtbewehrten Haufen rasch überwunden. 5000 Bauern bedeckten das Schlachtfeld, 300 wurden vor dem Rathause in Mühlhausen enthauptet, mit ihnen Thomas Münzer. So endet dieser traurige Kampf. Mit Unrecht hat man der Reformation den Vorwurf gemacht, daß sie ihn verschuldet habe. Zur schriftlichen Darstellung: 1. An wen erinnert die Wartburg? 2. Warum war die Übersetzung der Heiligen Schrift eine so schwierige Aufgabe? 3. Erzähle etwas von den Bilderstürmern. 4. Desgleichen vom Bauernkrieg. 5. foitgong to Kesglimm bis 1532. Zehn Tage vor der Schlacht bei Frankenhausen war der Kurfürst von Sachsen, Friedrich der Weise, gestorben. Ihm folgte sein Bruder, Johann der Beständige. Er erhielt diesen Beinamen wegen der Treue und Beständigkeit, mit welcher er an seiner evangelischen Überzeugung festhielt. Zunächst war es sein innigster Wunsch, daß überall im Kurfürstentum Sachsen die gereinigte Lehre verkündigt und die bisherige Form des Gottesdienstes abgeschafft werde. Der Hauptteil des katholischen Gottesdienstes war und ist die Messe. Dieselbe besteht darin, daß der Priester vor dem Altare den Opsertod Jesu sinnbildlich darstellt. Dies thut er durch Gebete, Bibellesen und gewisse Gebärden, z. B. das Emporheben des geweihten Brotes u. s. w. Endlich genießt er dabei für sich allein das Heilige Abendmahl. Was dabei geredet wurde, war lateinisch, also dem Volke unverständlich. Im evangelischen Gottesdienste sollte nunmehr die Messe wegfallen; der Gesang, das Gebet und die Predigt sollten in deutscher Sprache stattfinden, und das Heilige Abendmahl sollte nach der Einsetzung des Herrn von der ganzen Gemeinde in beiderlei Gestalt genossen werden. (Was heißt: in beiderlei Gestalt?) Um nun diese Verbesserungen durchzuführen, war es nötig, sich zu überzeugen, ob auch die bisherigen Geistlichen fähig und geschickt wären, in deutscher Sprache das reine Wort Gottes zu lehren und zu predigen; es war nötig, zu untersuchen, ob auch in den Schulen die Lehrer den Kindern die Hauptstücke des christlichen Glaubens und Lebens lehren könnten. Johann der Beständige beauftragte deshalb Lutheru im Jahre 1528, eine solche Untersuchung vorzunehmen. Seine Freunde, besonders der sanfte Melanch-

7. Handbuch der Israelitischen Geschichte von der Zeit des Bibel-Abschlusses bis zur Gegenwart - S. 139

1888 - Leipzig : Engel
— 139 — Mendelssohn’s am nächsten stand Hartwig Wessely, auch Herz Wesel genannt. Wessely (geb. 1725) verband mit einer umfassenden Kenntniss des Talmud und der jüdischen Literatur auch allgemeines Wissen und handhabte meisterhaft die hebräische Sprache. Infolge schlechter Geschäfte, die er, der Sohn eines wohlhabenden Mannes in Kopenhagen, gemacht hatte, ging er nach Amsterdam und Hamburg und 1774 nach Berlin, wo er mit Mendelssohn in innigen Verkehr trat, indem er die Bearbeitung des Commentars zum dritten Buch Mosis übernahm. Ausserdem verfasste er einen ausführlichen Commentar zu den Sprüchen der Väter (Jen Lebanon), eine hebräische Synonymik (Gan Naul) und die hebräische Uebersetzung des „Buches der Weisheit“, ein Sittenbuch (Sepher ha-Middot) und viele poetische Arbeiten, unter denen seine „Schire Tipheret-* (Prachtlieder), eine epische Darstellung des Lebens Mosis, die bedeutendsten sind. Grosses Aufsehen machten die „Sendschreiben“, welche er an die österreichischen Gemeinden richtete und worin er auf die Notliwendigkeit eines den Zeitverhältnissen entsprechenden Jugendunterrichts mit beredten Worten drang. Wessely, dessen Bruder Moses mit Lessing befreundet war, lebte in Berlin wie später in Hamburg in dürftigen Verhältnissen, er starb im 80. Lebensjahre (1805). Ein anderer Freund Mendelssohn’s war Herz Homberg (geb. 1749), der, einige Jahre Hauslehrer bei Mendelssohn, an dessen Pentateuch-Commentar ebenfalls arbeitete. Nach seiner Rückkehr in die Heimat wurde er kaiserlicher Schulrath und führte die Aufsicht über alle in den österreichischen Staaten neuerrichteten jüdischen Schulen. Homberg, von dem das bekannte Religionsbuch „Bne Zion“ verfasst wurde, starb in hohem Alter in Prag (1841). Wie Homberg wirkte für die Verbesserung des Jugendunterrichts und der socialen Zustände der Juden David Friedländer aus Königsberg (st. 1834), Schwiegersohn des reichen Daniel Itzig in Berlin, der 15 Jahre des vertrauten Umgangs mit Mendelssohn sich erfreute und im Verein mit seinen Schwägern die Jüdische Freischule“ in Berlin errichtete. Er war der erste jüdische Stadtrath in Berlin und einer der Gründer der Zeitschrift „der Sammler“ (Meassef), welche zur Erweiterung des Wissens und zur Bildung des Geschmacks unter den Juden wesentlich beitrug. Zu den Hauptmitarbeitern derselben, welche meistens ein elegantes Hebräisch schrieben, gehörten nächst Mendelssohn selbst: Isaak Euchel (st. 1804), der die Gebete der Israeliten zuerst ins Deutsche übertrug, eine Lebensbeschreibung Mendelssohn’s in hebräischer Sprache und eine Erklärung der Sprüche Salomo’s lieferte; Joel Löwe, Professor an der nach dem Muster der berliner Freischule in Breslau errichteten Wilhelmsschule, Mordechai Gumpel oder Levisohn (st. 1797), den der König von Schweden zum Professor der Medicin an der Universität Upsala ernannt hatte, Benseb, (st. 1811), Verfasser der bekannten hebräischen Grammatik „Talmud laschon Ibri“ und des hebräischen Wörterbuchs „Ozar ha-Schoraschim“. Auch holländischjüdische Dichter wie David Franco Mendes, der Dichter des hebräischen Dramas „Athalia’s Strafe“ (Gemul Athalia), David Friedrichsfeld, der Biograph Wessely’s, u. A. schlossen diesem Kreise sich an. Zu den Freunden und Jüngern Mendelssohn’s gehörten ferner: Markus Herz, Salomon Maimon und Lazarus Bendavid. Hofrath Markus Herz

8. Geschichtliches Lesebuch - S. 3

1909 - Hamburg : Boysen
Die erste Ausbreitung: Im ganzen römischen Reiche gab es zerstreute jüdische Gemeinden- denn das unfruchtbare Palästina vermochte das jüdische Volk nicht zu ernähren, Aber in der Fremde bewahrte der Jude die heimatliche Sitte, und die auswärtigen Gemeinden standen mit Palästina in innigem Zusammenhange. Konnte man nicht zum Tempel nach Jerusalem hinaufgehen, man schickte doch Geldspenden, und einmal im Leben wallfahrtete jeder rechtgläubige Sohn Israels nach der heiligen Stadt und dem Tempel Jahwes. Nach dem Tode Jesu verbreitete sich in den zerstreuten jüdischen Gemeinden durch die heimkehrenden Pilger die Kunde vom gekreuzigten Messias. In all diesen Gemeinden ward mit Eifer gepredigt, daß das Reich Gottes nahe sei, daß die Welt sich erneuern werde. Überall erfuhr man, daß die Anhänger Jesu glaubten, der Gekreuzigte werde in kurzem wiederkehren in himmlischer Herrlichkeit und werde die Seinen erhöhen, die Ungläubigen verderben. Aber auch die heidnische Welt wurde von der neuen Lehre ergriffen. Denn die heidnischen Priester und Weisen vermochten die Sehnsucht der Völker nach innerem Frieden nicht mehr zu stillen. Den heidnischen Mann erfüllte das Gefühl der Gottverlassenheit trotz alles Gottesdienstes und aller Gottesfurcht. Vergeblich hatte er sich abgemüht, den Übeln der Außenwelt gegenüber Halt und Trost zu finden. Da kam die frohe Botschaft auch zu ihm, und der Trost, den er lange gesucht, war gefunden. Der Friede, der auf dem Christen ruhte, sein Armutssinn in der genußsüchtigen Welt, die Ergriffenheit der Gemeinde beim Gottesdienste — alles das zog den Gott suchenden Heiden mit Gewalt zur christlichen Gemeinde hin und übte von Jahrzehnt zu Jahrzehnt einen wachsenden Einfluß auf die Gemüter aus. Besonders verdient machte sich Paulus um die Ausbreitung der neuen Lehre. Er faßte den Entschluß, das, was mancher vor ihm gelegentlich getan, zu seinem Lebensberufe zu machen und aller Welt zu verkündigen, was sich im heiligen Lande begeben hatte. Seit der Erscheinung von Damaskus hatte er nur Einen Wunsch, daß ihm gewährt sein möge, am Tage der Wiederkunft Jesu dem Messias eine große Zahl von Gemeinden zuzuführen. Sehr zustatten kam Paulus bei seiner Lebensarbeit, daß er von einem heftigen Reisedrange erfüllt war. Überall war er nur auf der Durchreise; das Wort sollte eilends laufen, und je länger, je mehr wuchs sein Wandertrieb. Er kletterte über die Schneehöhen des Taurus, da zog’s ihn in die Täler Lykaoniens ; er wanderte bis ans ägeische Meer, da erschien ihm im Traum ein mazedonischer Mann und rief: „Komm, hilf uns!“ Er kam nach Korinth, da fuhren die Schiffe nach Italien, und sofort schrieb er nach Rom, wie er allezeit in seinen Gebeten flehe, ob es ihm endlich einmal gelingen möge, mit Gottes Willen zu den Römern zu kommen. Aufs beste verstand er, die verschiedenen Menschen verschieden zu behandeln. Er ermahnte den Trägen, der nachließ; er rüttelte den Selbstgefälligen auf, der sich in Sicherheit wiegte; er beschwor den Lasterhaften, zu wandeln, würdig des Gottes, der sie alle berufen, und so zum Genuß seiner messianischen

9. Von Luther bis zum Dreißigjährigen Krieg - S. 133

1895 - Dresden : Bleyl & Kaemmerer
— 133 — Mißbrauche (keine Predigt des Wortes Gottes, Fabeln und Legenden, Werkdienst) sind abzuthun. Die Hauptsache in jedem christlichen Gottesdienst ist die rechte Predigt des Wortes Gottes, das andächtige Hören desselben (Maria) und das andächtige Gebet (kein sinnloses Herleiern). Luther will für den Sonntag-Vormittag den Hauptgottesdienst der Gemeinde mit Predigt und Messe (das heilige Abendmahl) und außerdem noch einen Frühgottesdienst (für das Gesinde) und einen Abendgottesdienst. Für die Wochentage richtet er auch einen kürzeren Früh- und Abendgottesdienst mit Verlesung und Erklärung einer Schrift-stelle ein, damit den Leuten die Bibel geläufig werde. Die seither üblichen Stücke aus den Evangelien und Episteln (Perikopen) behält er bei, doch gestattet und wünscht er auch das Verlesen anderer Bibelstellen und ganzer biblischer Bücher. Er duldet noch die lateinische Messe (d.h. Gottesdienst mit lateinischen Gesängen und Schriftvorlesungen) zum besten der gelehrten Schuljugend; doch soll auch hierbei die Schrift- stelle ins Deutsche übersetzt und die Predigt immer in deutscher Sprache gehalten werden. Das Hauptgewicht aber legt er auf die deutsche Messe für die ungelehrten Laien. Er behält auch die Meßgewänder, Lichter und die Stellung des Altars bis aus weiteres bei. — In der Ordnung ihres Gottesdienstes soll eine jede Gemeinde Freiheit haben, man soll kein Gesetz und keinen Zwang daraus machen; doch wäre es gut, wenn man sich in jedem Landesgebiet über die gleiche Ordnung einigte. Die Ordnung des Gottesdienstes ist nichts ewig Giltiges, sondern sie ist nur ein Mittel, den Glauben und die Liebe zu fördern; thut sie das nicht mehr, so kann und muß sie geändert werden. Ergänzung. Luther behält also möglichst viel von dem gewohnten katholischen Gottesdienst bei (den Namen Messe, die sonntägliche Feier des h. Abendmahls, die seitherigen Episteln und Evangelien, Meßgewänder, Lichter, Altarstellung, ja sogar die lateinische Sprache für die gelehrte Jugend). Er ändert nur das, was dem Evangelium widerspricht (das Abendmahl kein Opfer, sondern ein Gedächtnismahl, daher keine stille Messe; die Tage der Heiligen sind nicht zu feiern), setzt als den Mittelpunkt des Gottesdienstes die Predigt des Evangeliums fest (Höhepunkt desselben bleibt das heilige Abendmahl, das damals am Schluß eines jeden Haupt-gottesdienstes gefeiert wurde) und verlangt für die Laien die deutsche Sprache zu Schriftverlesung, Predigt und Gesang. Demnach gestaltete sich der damalige Wittenberger Hauptgottes-dienst in folgender Weise: Ein geistliches Lied oder ein deutscher Psalm; Kyrie eleison („Herr erbarme dich" von dem Geistlichen und der Gemeinde gesungen); Kollekte (ein vom Geistlichen gesungenes Gebet, noch jetzt so genannt); Epistel des Sonntags (vom Geistlichen gesungen, gleich dem Evangelium); ein deutsches Lied der Gemeinde, z. B. Nun bitten wir den heiligen Geist; Evangelium des Sonntages; Glaubensbekenntnis der Gemeinde (Lied: „Wir glauben all an einen Gott"); Predigt über das Evangelium; Vaterunser; Vermahnung der

10. Teil 1 - S. 459

1882 - Leipzig : Brandstetter
Ein Volksprediger des 13. Jahrhunderts. 459 66. (Ein üolfsprebtger des 13. Jahrhunderts. (Nach: Leipziger Blätter für Pädagogik. Bd. Vi, S. 241—250, u. H. Kurz, Geschichte der deutschen Litteratur I. S. 569 — 578.) Je mehr sich im Mittelalter die gelehrte Schule vom Leben sonderte und sich der religiösen Streitfragen bemächtigte, je schroffer die Scheidung zwischen Laienstand und Klerus wurde, desto tiefer versank das niedere Volk in Aberglauben, Unwissenheit und Roheit. Die Resultate der geistlichen Gelehrsamkeit drangen entweder gar nicht, oder durch das trübe Medium des ungebildeten niederen Klerus zu ihm hinab; meistens geschah dies auch nur dann, wenn es galt, die Fäuste für eine religiöse Idee in Bewegung zu setzen. Für das Gemüt des Volkes fehlte es ebenso sehr an geeigneter Nahrung; der in prunkendem Gewände auftretende Gottesdienst, die fremden, ungewohnten Klänge der Priester, — sie ließen die Herzen der Menge kalt. Der Klerus stand dem Volke meist zu fern, als daß er auf Sitten und Gebräuche desselben einen Einfluß ausüben konnte; wo dieser vorhanden war, gereichte er auch oftmals nicht zum Vorteil. Längst war die Predigt, dieser wesentliche Teil des Gottesdienstes, in den Hintergrund gedrängt, die Bestimmungen verschiedener Synoden des 9. Jahrhunderts, nach denen die Geistlichen ihren Gemeinden in der Muttersprache predigen sollten, waren in Vergessenheit geraten. Da nahmen sich des vernachlässigten Volkes einige Mönchsorden an welche, anstatt stets in engen Klostermauern eingeschlossen zu sein, mit demselben in lebendigen Verkehr traten und dessen geistige Bedürfnisse zu befriedigen suchten; es waren dies die beiden Bettelorden der Franziskaner und Dominikaner. Infolge der großen, ihnen von den Päpsten verliehenen Privilegien setzten sie die gewöhnliche Pfarrgeistlichkeit fast ganz außer Wirksamkeit und bemächtigten sich seit dem 13. Jahrhundert der Predigt, der Seelsorge und hauptsächlich des Volksunterrichts. Der große Hanse der Bettelmöuche war an sich ohne gelehrte Kenntnis bis auf die des gewöhnlichen Kirchenlateins und wurde derselben durch wanderndes Leben und durch seinen Umgang mit den niederen Volksklassen noch mehr entfremdet, doch waren sie dadurch besser befähigt, zu der Fassungskraft und der Sprache derselben herabzusteigen und desto eindringlicher ans sie zu wirken. Keiner von ihnen hat mehr erreicht, keiner herrlicher seine Aufgabe gelöst, als der Minoritenprediger Berthold von Regensburg. Sein Wort leuchtete wie eine Fackel in allen oberdeutschen Landen, denn „Gott hatte ihm einen Mund gegeben, der einem scharfen Schwerte gleich war". Überall, wo er sich zeigte, strömten Tausende hinzu, um seinen Worten zu lauschen, und wenn auch die Angabe einiger späterer Historiker, er habe 60 000, ja 100 000 Zuhörer gehabt, übertrieben sein mag, so war doch keine Kirche geräumig genug, die Zahl derselben zu fassen; nach altchristlicher Weise wurden feine Predigten deshalb unter Gottes freiem Himmel gehalten.

11. Bilder aus Amerika - S. 199

1894 - Weinheim (Baden) : Ackermann
— 199 — und verachtet überdies die andere, der Gottesdienst mit seinen Bußkämpfen und Bußkrämpfen artet nicht selten in ein Zerrbild aus, und in die Frömmelei mischt sich, für den Fremdling oft abschreckend deutlich, meist eine tüchtige Portion verkniffenes Jankeetum, das auch aus der Religion Vorteil zu ziehen sucht. In den Revivals sehen wir neben dem religiösen Ernste sehr viel Modethorheit, sehr viel krankhaften Wahn und Taumel. Uns und unsere deutschen Landsleute ekelt dieser Schwindel an, denn er erinnert uns an die sonderbaren religiösen Übungen von Fetischdienern und Buddhisten. Wir können es nicht verstehen, daß die Zeitungen in jeder Nummer Namen von neu Erweckten in Listenform mitteilen, daß Prediger mitten in ihrer Verzückung ankündigen, es seien Streifen mit Bibelstellen bedruckt käuflich zu haben n. s. f. Unter den Geistlichen sind überdies, wie wir früher schon sahen, oft recht fragwürdige Persönlichkeiten. So ist der nichtsnutzige Scherenschleifer, der auf dem gleichen Schiffe mit uns im Zwischendecke überfuhr und der feine Mit- passagiere durch seine Gesichter und seine tollen Reden ergötzte, hier im Westen ein großes Licht unter den Methodisten geworden. Mit viel Salbung spricht er von seinem früheren Sündenleben und von seiner Erweckung durch die besondere Gnade des Herrn. Ein anderer, sehr geschätzter Prediger mußte eines schweren Vergehens wegen aus Europa flüchten und hält nun seinen Gemeindegliedern donnernde Moralpredigten. Das Amt des Geist- lichen ist hier ganz genau so ein Geschäft wie jedes andere, und die Prediger sind, außer von der Gunst ihrer Gemeinden, ganz besonders auch von dem Wohlwollen der Zeitungen abhängig. Am Montag sind die Spalten der Tagesblätter ganz besonders mit Besprechungen der am Sonntage gehaltenen Predigten gefüllt. Die Geistlichen werden überall auf halbjährige, ein- oder zweijährige Kündigung angestellt; sind ihre Pre- digten langweilig, namentlich witzlos, so entläßt man sie einfach. Sie bringen sich dann mit hochtönenden Selbstbelobungen anderswo an, oder werden Lehrer, Redakteure, Kaufleute. Berühmte Kanzelredner beziehen Jahreseinkommen von weit über 100 000 Mark. In den Predigten hören wir die sonderbarsten Dinge, so z. B. Anweisungen inbezug auf den Ackerbau, Mitteilungen über Fortschritte in Fabrikation und Ge- werben u. dergl. Großen Einfluß auf die Handlungsweise des Ameri- kaners, auf seine Sittlichkeit üben solche Redner nicht aus. Ihre Hörer zahlen entsprechende Summen zum Bau und der Erhaltung der Kirchen, zur Bestreitung der Priestergehalte, für Kirchenmusiken, Dekorationen von Friedhöfen, sie besuchen auch den Gottesdienst sehr gewissenhaft — im übrigen machen sie auf erlaubte oder unrechte Art Geld. Die Sitte, sich in den Zeitungen zu empfehlen, bürgert sich unter den amerikanischen Geistlichen immer mehr ein. Da steht z. B.: „Billig, billig billig ist Pastor Adams bei allen Ceremonien. Man spreche vor und überzeuge sich: 105 Lincolnstraße." Die Kirchen sind meist aus sehr wertvollem Material gebaut und oft anch recht formschön. Aus der Vermietung der Kirchenstühle zieht man Riesensnmmen, in einem Jahre aus einer Kirche

12. Handbuch der Israelitischen Geschichte von der Zeit des Bibel-Abschlusses bis zur Gegenwart - S. 52

1888 - Leipzig : Engel
- 52 - der grösste Theil des Tischgebetes, die Danksprüche bei sinnlichen Genüssen, die Benedictionen bei Ausübung gewisser Ceremonien u. dgl. m. Im 3. Jahrhundert traten Eab und Samuel, die früher erwähnten Stifter der babylonischen Akademien, als Gebetordner auf; von ersterem stammt auch die Mussafthefilla des Neujahrsfestes mit „Alenu“, einzelne Gebete des Versöhnungstages u. a. m. Die Sprache der altern Gebete ist hebräisch, einfach, klar und erhebend, nur wenige sind aramäisch, wie das Kaddisch, das, ursprünglich nur am Schlüsse der Predigt vorgetragen, erst später als Gebet aufgenommen und erweitert wurde. Mehrere in der damaligen Landessprache, der aramäischen, verfassten Gebete, wie „Jekum purkon“, stammen aus den babylonischen Akademien. Ueber die Einführung des „Kol nidre“, des Einleitungsgebetes zum Versöhnungstage, das Judenfeinden so oft Gelegenheit bot, die Juden und deren eidliche Treue zu verdächtigen, wurde schon in der Mitte des 9. Jahrhunderts gestritten. Gebetbücher (Siddurim) gab es in der talmudischen Zeit nicht. Die Gebete wurden von dem Vorbeter (Schliach-zibbur, Bevollmächtigter der Gemeinde, später Chasan), und als solcher konnte jedes kundige und fromme Gemeindemitglied fungiren, vorgetragen, und die Mitwirkung des Einzelnen beschränkte sich auf das „Amen“ und auf kurze Eesponsorien. Gelehrte Vorbeter pflegten die Gebete frei auszuschmücken, zu erweitern und neue Stücke anzufügen. Eine wesentliche Erweiterung erhielt der Gottesdienst an Sabbat-, Fest-und Busstagen durch die synagogalen Poesien, welche unter dem Namen Piutim (auch Kerobot und Jozerot) bekannt sind, und deren Verfasser Pai-tainin (Poetanim, Dichter) genannt werden. Zu diesen synagogalen Poesien gehören: Selichot, Gebete für Busstage, Hoschanot, für die Umzüge am Hüttenfeste, Asharot, Aufzählung der 613 Gesetze für das Wochenfest, Aboda, Schilderung des Tempeldienstes am Versöhnungstage, Kinot, Klagelieder für den 9. Ab, Semirot, Gesänge für den Sabbat. Sie sind meistens in hebräischer, seltener in aramäischer Sprache geschrieben. Zu den ältesten Paitanim, deren Namen uns erhalten sind, gehören: Jose den Jose, der wahrscheinlich im 8. Jahrhundert in Palästina lebte und von dem die in unserm Ritus am 2. Neujahrstage reci-tirte Tekiata „Aliallalo“ herrührt; Elasar den Kalir, der fruchtbarste der Paitanim, der, vermuthlich selbst Vorbeter, c. 750 in Palästina lebte. Er entlehnte den Stoff seiner Poesien der Halacha und Hagada, und musste, um sprachliche Schwierigkeiten zu überwinden, neue Wortbildungen schaffen, sodass seine Sprache oft dunkel und unverständlich ist. Seine poetischen Festgebete, welche den ganzen Jahrescyklus umfassen (Machsor), wurden in die Synagogen Italiens, Frankreichs und Deutschlands eingeführt. Seine Schule reicht bis c. 1100 und bildet die Blüte des paitanischen Zeitalters. Durch die synagogale Poesie, auf deren reiche Literatur wir noch zurückkommen, wurde der Gesang in die Synagoge eingeführt und sowol die lange Zeit übliche Uebersetzung der in hebräischer Sprache vorgelesenen Perikope in die Landessprache, als auch der belehrende Vortrag oder die Predigt allmählich verdrängt.

13. Theorie und Praxis der Heimatkunde - S. 29

1905 - Leipzig : Wunderlich
29 Thema Stoff Begriffliches Verknüpfung 12. Unter- richtsgang auf den Friedhof. Ii. Einheit. Die Umgebung des Schulhauses. Aneignen der Vor- stellungen: Friedhof (Kirchhof, Gottes- acker), Siegesdenk- mal, Grab, Grab- hügel, Grabstein, Begräbnis, Leichen- halle, Leichenfrau, Bahre,Totengräber. Hügel, Leiche. Lesen: M. Spr. Ii1116: Menschen- leben. Deutsch: Wortfamilie graben: begraben, eingraben, ausgraben, ver- graben, Grab, Begräbnis, Toten- gräber, Grabhügel, Grabstein, Graben, Grube, Grübchen, Gruft. Diktat: Das Begräbnis. Heute habe ich ein Begräbnis gesehen. Es wurde ein Bekannter begraben. Der Totengräber hatte eine tiefe Grube gegraben. In die Gruft wurde ein Sara gesenkt. Dann wurde ein Grabhügel aufgeworfen. Auf das Grab wird ein Grabstein gesetzt. 13. Das Sie- gesdenkmal. (Skizze 6.) Krieg,Deutsche,Fran- zosen, Frankreich, kämpfen, gewinnen (siegen), manche ster- den (fallen). An- denken, Denkmal. Krieg, kämp- fen, siegen, fallen,Soldat. Deutsch: Dehnung des i durch e. Krieg, bekriegen, Krieg führen, siegen, unterliegen, fliegen, fielen, steigen, stiegen, spielen, Frieden, lieben. 14. Ünter- richtsgang in die Kirche. (Skizze 7.) Aneignen folgender Vorstellungen: Schiff, Empore, Kanzel,Altar,Kreuz- gruppe, Bildsäulen vom Heiland und Heinrich von Beust, Bilder,Orgel,Turm, Glocke, Turmuhr. Gruppe, Bildsäule. Deutsch: Diktat: ie. Vom Krieg e. Die Deutschen und Franzosen be- kriegten einander. Viele tapfere Krieger fielen im Kampfe. Endlich mußten die Feinde unterliegen. Un- sere Soldaten siegten. Wir lieben den Frieden mehr als den Krieg. 15. Der Gottesdienst. Sonntag, Glocken, Kantor, Orbel, Pfarrer, Predigt, Leute, Gemeinde, Gesang. Gottesdienst, Feiertag, Gemeinde. Lesen: M. Spr. Ii1132: Der Sonntag. Deutsch: Aufsatz: Vomgottes- dienste. Die Glocken läuten (er- tönen, erschallen). Die Leute (Be- wohner, Einwohner) gehen (wandern) zur Kirche (ins Gotteshaus). Hier ertönt (erklingt) die Orgel. Dann predigt der Pfarrer (Pastor). Auch betet er das Vaterunser (ein schönes Gebet). Die Leute (Gemeinde, Be- sucher,Zuhörer)singenfrommelieder. 16. Das Schulhaus Neue Schule mit Turnhalle, Kirch- Plan. Deutsch: Grammatik: Benutze den vorigen Auffatz und frage nach der

14. Von Luther bis zum Dreißigjährigen Krieg - S. 134

1895 - Dresden : Bleyl & Kaemmerer
— 134 — am heiligen Abendmahl Teilnehmenden; Feier und Austeilung des Abendmahles (Einsetzungsworte vom Geistlichen gesungen, Austeilung von Brot und Wein); Kollekte; Segen („Der Herr segne dich . . 4. Mos. 6, 24). Beurteilung. Daß Luther mit dieser Ordnung das Richtige getroffen hat, sehen wir daraus, daß noch heute nach 350 Jahren der evangelische Gottesdienst bei uns in der Haupsache denselben Gang geht (Nachweis!). Insbesondere müssen wir Luthers Grundsätze billigen und loben: Mittelpunkt und Hauptsache im Gottesdienst ist die Predigt, Höhepunkt ist das heilige Abendmahl; die Kirchensprache ist die Volkssprache. Es war sehr weise von Luther, daß er von dem üblichen Gottesdienst alles bestehen ließ, was dem Evangelium nicht widersprach (z. B. Lichter, Meßgewänder, Altar, etwas Lateinisch), und nur änderte, was unevangelisch war (Meßopfer, fremde Kirchensprache, keine Predigt, kein Gemeindegesang). Denn hierdurch wurde die Einführung der neuen Ordnung sehr erleichtert. Das war wirkliche Reformation, keine Revolution. Weise war auch, daß er aus seiner Ordnung kein Gebot und keinen Zwang für alle Christen machte, sondern den Gemeinden möglichst viel Freiheit ließ. Das that er aber, weil er den für alle Zeiten richtigen Grundsatz hatte: Die Ordnung des Gottesdienstes und der heiligen Gebräuche ist nur ein Mittel zur Förderung des Glaubens und der Liebe; die Ordnung ist daher nur so lang lebendig und würdig und ailtig, als sie diesem christlichen Zwecke dient. 3. Aas evangelische Kirchenlied. Ziel: Luther dichtet für den neuen Gottesdienst neue Lieder. Zu dem deutschen Gottesdienst gehören auch deutsche Lieder, und zwar Lieder, in denen der neue evangelische Glaube ausgesprochen wird. Wir wissen, daß Luther in seiner Gottesdienstordnung nur wenige deutsche Lieder zu nennen wußte, wir wissen aber auch, daß Luther später viele Lieder gedichtet hat, z. B. ? Was hat ihn dazu getrieben? Lesen des Quellenstückes. Ergebnis. Früher sang die ganze Gemeinde, was zur Zeit Luthers nur der Chor der Geistlichen und der Schüler sang. Auch waren fast alle Lieder lateinisch, waren also für die Laien unverständlich. Daher fehlte es sehr an passenden Liedern für den Lutherischen Gottesdienst. Darum wünschte Luther so sehr solche deutsche Lieder und forderte alle begabten Dichter zu diesem Werk auf. Er selbst hielt sich nicht für begabt dazu. Und doch mußte er selber das Beste thun, um deutsche Lieder als einen Grundstock zum evangelischen Gesangbuch zu schaffen. Sein

15. Geschichte der Arbeit und Kultur - S. 134

1858 - Leipzig : Mayer
134 Die Römer ahmten nur die griechische Musik nach; für die Fein- heiten derselben fehlte ihnen der Sinn, und so hatte die Musik bei diesem praktischen und kriegerischen Volke auch keine Ausbildung zu hoffen. Die musikalischen Instrumente der Römer waren die Leier, die Flöte, das Schneckenhorn, die Kriegstrompete und die Pauke.. Beim Gottesdienst der Römer scheint nur Chorgesang im Gebrauch gewesen zu sein. Auch die ersten christlichen Gemeinden hatten bei ihrem Gottesdienste nur Gesang; besonders sangen sie die Psalmen Davids. Aus dem altgriechischen Gesänge bildeten sich bei den christ- lichen Gemeinden 8 Kirchenmelodien, welche die canonischen hießen und sich bis ans unsere Zeit erhalten haben, wenn sie auch sehr ver- ändert worden sind; es waren die Melodieen: Ein Kind geboren zu Bethlehem rc. O, Lamm Gottes unschuldig rc. Es ist das Heil uns kommen her rc. Eine feste Burg ist unser Gott rc. Dank sagen wir Alle rc. Christ ist erstanden rc. Mitten wir im Leben sind rc. und Vom Himmel hoch da komm ich her rc. Im Jahre 370 wurde auf einer Kirchenversammlung beschlossen und verordnet, daß beim Gottesdienst nur Cantores und Canonici diese Lieder allein singen und die Gemeinden sie schweigend anhören sollten. Jene sangen nach Noten, welche eine Erfindung der alten Griechen sind, obwohl die Hebräer auch schon eine Art von Noten- schrift gebraucht haben sollen. Der Erzbischof Ambrosius in Mailand, welcher ums Jahr 400 starb, verbesserte den Kirchengesang in den abendländischen Kirchen und führte den sogenannten rhythmischen Gesang, welcher — viel- leicht den weltlichen Liedern entnommen — so lange im Gebrauch blieb, bis der mehrstimmige Gesang, von der Orgel begleitet, ihn verdrängte. Die Orgel — unstreitig noch jetzt das bedeutendste musikalische Instrument — ist keine Erfindung eines Zeitpunktes. Schon die

16. Handbuch der Israelitischen Geschichte von der Zeit des Bibel-Abschlusses bis zur Gegenwart - S. 146

1888 - Leipzig : Engel
— 146 — Bald fand Eiesser muthige Kampfgenossen in dem auch für die jüdische Wissenscliaft begeisterten Bernhard Beer in Dresden (st. 1861), der besonders für die Emancipation der Juden in Sachsen thätig war, in Moritz Veit in Berlin (st. 1864), der, der erste jüdische Abgeordnete in Deutschland, für die Wahrung der Rechte seiner Glaubensbrüder in Preussen muthig und unerschrocken auftrat, und später in den jüdischen Abgeordneten Raphael Kosch (st. 1872), Johann Jacobi(st. 1877), Eduard Lasker (st. 1884), Ludw. Löwe (st. 1886) u. A. Von wesentlichem Einflüsse war die durch Ludwig Philippson 1837 begründete und seit damals ununterbrochen erscheinende „Allgemeine Zeitung des Judenthums“, welche zu gemeinschaftlicher Thätigkeit gegen die beabsichtigten Beschränkungen bald nach dem Regierungsantritte des Königs Friedrich Wilhelm Iy. anspornte. Nach mehrjährigen Berathungen kam endlich das Judengesetz vom 23. Juli 1847 zu Stande, das auch durch die Verfassung vom 31. Januar 1850, wonach „der Genuss der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte unabhängig von dem religiösen Bekenntniss ist“, nicht ganz aufgehoben wurde. Erst seit 1871 fand die Judenfrage in Preussen und dem geeinigten Deutschland eine befriedigende, wenn auch noch nicht völlige Lösung. c) Die übrigen europäischen Staaten. Für England beginnt die Epoche der Freiheit der Juden mit dem denkwürdig gewordenen Jahre 1830, in dem Robert Grant im Unterhause den Antrag stellte, allen in England geborenen Juden das volle Bürgerrecht zu verleiben; er drang jedoch nicht durch.. Auch ein zweiter Versuch scheiterte trotz der zahlreichen Petitionen, die von Stadt und Land eingelaufen waren. Hingegen wurde bereits 1835 David Salomons und zwei Jahre später Moses Monte-fiore zum Sherif von London gewählt und 1845 wurden durch Robert Peel s Bemühungen Juden zu Municipalämtern für fähig erklärt. Nach langen Kämpfen wurde 1859 die Zulassung der Juden auch zum Staatsdienste beschlossen. Gegenwärtig sitzen sowohl in England als in den englischen Kolonien Juden im Parlament, die dort auch für ihre in anderen Staaten bedrückten Glaubensgenossen frei und offen auftreten (Goldsmid, H. de Worms), sie bekleiden die höchsten Staatsämter (Jessel, st. 1883; Simons), wirken als Professoren an den Universitäten, und wiederholt erhielten Juden (Salomons, Philipps) das Amt eines Lordmayors von London und anderen Städten. In Norwegen kostete die Abschaffung des Gesefzes, das den Juden den Eintritt ins Land bei Kerkerstrafe verbot, einen heissen Kampf. In Schweden, wo das Volk gegen die wenigen Juden, welche in Stockholm und Gothenburg unter drückenden Beschränkungen wohnten, sehr eingenommen war, ist die Gleichstellung wie in Dänemark eine vollendete Thatsache. Die freie Schweiz duldete die Juden lange Zeit nur in den beiden Dörfern Endingen und Lengnau (Aargau); in einigen anderen Kantonen, wie Basel, Bern, Genf war den französischen Juden der Aufenthalt gestattet. Durch die Handels-

17. Das sechste Schuljahr - S. 19

1902 - Langensalza : Schulbuchh.
19 Einsichten, Gesinnungen und Beruhigungen zu stärken, welche einem jeden Menschen nötig sind." Gebet: O heiliger Geist, üb' deines Amtes dann auch sort und fort an uns! Erhalte uns im rechten Glauben; laß durch deine Lehren, durch dein Leachten, durch dein Trösten uns immer mehr und mehr hinan kommen zu ihm, dem treuen Heiland und so des Glaubens Ziel erreichen, der Seele Seligkeit durch Jesum Christum. Amen! 12. Die Kirche. Ziel: Was verstehen wir unter einer heiligen allgemeinen christlichen Kirche, die Gemeinde der Heiligen? Analyse: Von Kirche wird int Leben verschiedentlich ge- sprochen und meistens wird darunter etwas anderes verstanden, als unser Katechismus darunter meint. Wenn wir in die Kirche gehen wollen, so meinen wir damit das Gebäude, in dem der Gottesdienst abgehalten werden soll. Bei den Juden wurde dieser Ort Tempel genannt. Kirche heißt also im wirklichen Leben soviel >vie Gotteshaus. Wir sagen auch, die Kirche hat schon angefangen und meinen damit den Gottesdienst selbst, also wieder etwas anderes. Wenn wir aber gefragt werden, zu welcher Kirche wir ge- höreu, so sagen wir nicht zur Johannis- oder Jacobikirche, sondern zur evangelischen Kirche und verstehen unter diesem Ausdruck die evangelische Christengemeinschaft. Bei unserer Untersuchung kommt es daraus an, was darunter zu verstehen ist, wenn es heißt, der heilige Geist habe die Kirche gegründet, die da Gemeinde der Heiligen genannt wird. Synthese: Allerdings können wir uns nun schon denken, was unter Kirche zu verstehen ist, aber es bleiben uns die Worte des Katechismus noch unklar, warum sie „eine" genannt wird, warum eine „heilige" und warum eiue „christliche", ebenso mit welchem Rechte sie eine „Gemeinde der Heiligen" ist. a) Als Petrus am ersten Psingsttage, nachdem der heilige Geiß über die Jünger ausgegossen worden war, zu dem Volke predigte, der Herr also die Zuhörer berief, ging diesen ein Licht auf über ihre Sünden, so daß sie sich zum rechten Glauben bekannten. Sie singen ein neues Leben an, der Geist heiligte sie also. Um sie aber nun int rechten Glauben zu erhalten,

18. Von Armin bis zum Augsburger Religionsfrieden - S. 198

1893 - Altenburg : Pierer
198 die doch so wenig von dem Worte Gottes verstanden? Woher kam denn das ?... Was wird er also thun ? Hrt, was uns von einem Zeitgenossen erzhlt wird! Der Sonntag ist gekommen. In Wittenberg rufen die Glocken zum Gotteshause. Eine zahlreiche Menge eilt zur Pfarrkirche. Sll beten die Eintretenden ihr Vaterunser. Oben auf dem Chore spielt die Orgel einen Choral, der von dem kurfrstlichen Kapellmeister bearbeitet ist. Jeder nimmt sein Gesangbuch in die Hand, das zweiunddreiig Lieder enthlt, die fast smtlich von Luther gedichtet sind, und nun stimmt die versammelte Gemeinde an: Nun freut euch, lieben Christen g'mein."' Das Lied ist verklungen; der Geistliche tritt an den Altar und beginnt Kyrie eleison!" Die Gemeinde antwortet darauf: Herr erbarme dich." Dreimal wechselt dieser Gesang. Hierauf spricht der Geistliche ein Dank-gebet und verliest die Epistel. Wieder stimmt die Gemeinde ein Lied an. Nun bitten wir den heiligen Geist" braust es durch das weite Gottes-haus. Darnach verliest der Geistliche das Evangelium, worauf die Schar der Andchtigen das Glaubenslied singt: Wir glauben all' an einen. Gott." Nun betritt Dr. Luther die Kanzel. Nicht in der Mnchskutte erscheint er, sondern in langem, schwarzem Talare. Eine Schriftstelle legt er seiner Predigt zu Grunde. Andchtig lauscht die Gemeinde der Erklrung. Wieder wird ein Vers gesungen, und nun beginnt das Amt Der Geistliche singt am Altare die Einsetzungsworte und reicht dabei Brot und Wein. Männer und Frauen treten an den Altar heran und empfangen das heilige Abendmahl in beiderlei Gestalt. Whrend der Spendmtg, singt der Chor: Heilig, heilig, heilig ist unser Gott." Wieder folgt ein Dankgebet, und darauf teilt Luther den Segen aus. Mit dem allge-meinen Gesnge eines Liedverses und mit einem stillen Gebet schliet die Feier." Besprechung: Wie hilft er also den Erwachsenen?... Inwiefern hilft er ihnen dadurch? ... Die katholische Messe und der evangelische Gottesdienst. Aber so hals er doch nur den Wittenbergern! Einfhrung des evangelischen Gottesdienstes in unserer Stadt (Wen-ceslaus Link, Spalatin!) und in anderen Lndern. Wie denkt ihr euch diese Umgestaltung des Gottesdienstes? (Entfernung der Reliquien, der Marienbilder, der Rosenkrnze?c. Abschaffung der lateinischen Sprache; Austeilung des Abendmahles in beiderlei Gestalt; grere Beteiligung der Gemeinde am Gottesdienste.) Zu besprechen: Die Kirchen- und Schulordnung. Aber das war doch eine schwierige Arbeit! Das konnte doch Luther allein gar nicht ausfhren! Wie vermochte er nur das schwere Werk zu vollbringen?

19. Bd. 3 - S. 70

1879 - Calw [u.a.] : Verl. der Vereinsbuchh.
Yq I. Die Reformation. sämtlichen Geistlichkeit des Kantons gebot, inskünftige nichts andres als das lautere Wort Gottes m H. Schrift ru predigen. 1524 wurde das ganze alte Kirchenweien abgeschafft, 1525 auch die Bilder aus den Kirchen entfernt. Schon 1522 hatte Zwingli sich mit einer edlen Witwe So war die Reformation in Zürich zu Stande gekommen. An dieses schloß sich 1524 Appenzell und und Basel an, wo besonders Zwmgl: s Freund Oeco-lampadius (Hußgen) eine ausnehmende Schatigtett ent-wickelte. Andere Kantone, Schaffhaul en und Gr au-biiudteu, folgten, später St. Gallen, Bern, Glaru^, Tburaau und Neuenburg. . Die Schweizerische und die Deutsche Reformation gehen von zwei gleichen Grundsätzen aus: 1) nur dte h.schn t ist religiöse Erkennißquelle und 2) nur durch den Glauben an Christum werden wir vor Gott gerecht. Aber ste haben doch nicht ganz denselben Charakter. Luther ltetz m der Kirche alles Alte bestehen, lofern es nur dem Evangelio nicht widerstritt: Zwingli konnte auch ^ Äußern mehr neuern, so daß sein Gottesdienst gar einfach wurde (Gebet, Predigt und Gebet; erst später kam auch Gesaug dazu, doch ohne Orgel). Luther ließ eine größere Mannigfaltigkeit in der Form; er ist monarchisch-konservativ, Zwingli Republikaner, daher er es auch immer zugleich mit der ^.o- Iwf l„Sb“!Ä auch °in Unt°rschi°d b°id°r !n d-rl-h«, namentlich im Artikel vom H. Abendmahl. Luther lehrte, auf das klare Wort Gottes gestützt, „daß unter Brot und Wein Leib und Blut Christi wahrhaftig zugegen sei ui genossen werde." Zwingli, gestützt auf 2 Wo). 12, 11 (ba» Lamm ist des Herrn schonendes Vorübergehen), sah Bro und Wein als bloßes Erinnerungszeichen an, daß f also Leib und Blut des Herrn nur bedeuten Darüber gab's leider von Anfang Streit zwischen den beiden ' formatoren. Luther wich nicht ein Haar breit von

20. Deutsche Geschichte bis zum Westfälischen Frieden - S. 137

1901 - Halle a.d.S. : Buchh. des Waisenhauses
Karl V. und die Reformation bis zum Nürnberger Religionsflieden 1532. 137 unerschöpflichem religiös-sittlichem Wert; zugleich legte er, indem er für die Übersetzung die Sprache der kursächsischen Kanzlei benutzte, diese aber fortwährend aus dem Wortschatz der lebendigen Volkssprache ergänzte, die Grundlage zur Entstehung der neuhochdeutschen Schriftsprache. Zugleich aber nahm die weltliche Behörde jetzt die Sorge für die Schule in die Hand. Schon 1524 verfaßte Luther die Schrift „an die Bürgermeister und Ratsherren aller Städte deutschen Landes, daß sie christliche Schulen einrichten sollen". Für die religiöse Unterweisung schuf er selbst seinen großen und kleinen Katechismus. Neben ihm machte sich Melanchthon um die Organisation der Schulen hochverdient und erwarb sich den Ehrentitel eines praeceptor Germaniae. §122. Die schweizerische Reformation ging von Ulrich (Huldreich) Zwingli aus. Dieser war in dem toggenburgischen Gebirgs-dorf Wildhaus 1484 geboren, studierte auf den Universitäten Wien und Basel, wo er ganz seinen humanistischen Neigungen lebte, wurde dann Pfarrer in Glarus, Feldprediger bei Schweizer Soldtruppen in Italien, Leutpriester an der Wallfahrtskirche zu Einsiedeln, 1519 endlich Prediger am großen Münster zu Zürich. Nachdem er 1519 gegen den Ablaßprediger Samson aufgetreten war und dessen Eintritt in das Züricher Gebiet verhindert hatte, begann er seit 1523 mit Genehmigung des Rats von Zürich die Reformation der Kirche. Auch in Zürich übernahm die weltliche Behörde, der Rat, das Kirchenregiment; der Gottesdienst wurde auf Predigt und Gebet beschränkt, die Bilder, Altäre, auch die Orgeln aus den Kirchen entfernt; eine strenge kirchliche Sittenzucht wurde durchgeführt. Zwingli war weit stärker als Luther von den Gedanken des Humanismus, u. a. von Erasmus, beeinflußt. Luther wurde durch die Tiefe seines religiösen Gefühls zum Bruch mit der alten Kirche getrieben, Zwingli mehr durch den nach Wahrheit suchenden Verstand. Luther hielt in seiner konservativen Weise an vielem fest, was der radikalere Zwingli verwarf; Luther faßte die religiösen Dinge mystischer, gefühlsmäßiger, Zwingli nüchterner auf, ein Gegensatz, der besonders in der Abendmahlslehre hervortritt; Luther suchte die Religion von der Vermischung mit weltlichen und politischen Dingen fernzuhalten, Zwingli verband mit der Stellung des Reformators die eines leitenden Staatsmannes des Züricher Freistaats. Die Reformation fand bald auch in Bern, Basel, Schaffhausen, Appenzell, Glarus Eingang, während die Urkantone katholisch blieben. Bald trat Zwingli nicht nur mit den süddeutschen Städten, welche zur neuen Lehre übergetreten waren, sondern auch mit Landgraf Philipp von Hessen in Verbindung. Der Versuch der Schule. Zwingli 1484—1531. // Zwingli und Luther.