Anfrage in Hauptansicht öffnen

Änliche Dokumente zu folgendem Trefferdokument

Basierend auf den Feldern Volltext

Sortiert nach: Ähnlichkeit zu Dokument

1. Bilder aus Frankens Vergangenheit - S. 110

1914 - München : Oldenbourg
— Uo — war in Lohr ein Haus von der Pest verseucht, so wurde es zugeschlagen. Die Notwendigkeiten wurden an einer Stange zum Fenster hineingereicht, war einer gestorben, so wurde er von den Lebenden zum Fenster hinaus auf die Straße geworfen; der täglich dreimal alle Straßen passierende Leichenwagen nahm den Leichnam auf. Die Pest regierte sechs Wochen und drei Lage; es sind daran gestorben 860 Menschen; der höchste Stand an einem Lage waren 45 Tote. Nur zwölf Häuser waren noch frei; von zwölf Ratsherren lebten noch vier (\655). 3n Kloster Neustadt verstärken sechs Priester. — Nicht ein ziffernmäßiges Bild soll durch diese Zusammenstellung gewonnen werden, dazu sind die Angaben zu lückenhaft, zu unvollständig und ungenau. Aber eines ist daraus zu ersehen' Furchtbarer denn der Krieg mordete dessen treue Begleiterin, die Pest. 23, Der Friede. Friede! Kaum war es zu glauben, daß er in deutschen Landen nochmal Linkehr halten könne, wie ein fremdes Märchen aus seligen Tagen klang die Kunde von dem Friedensschluß den Alten, die während einer jahrzehntelangen Greuelzeit grau geworden waren, wie ein unfaßbares Wunder empfand sie die Jugend, die in Kriegsnot und Elend herangewachsen war- ohne wart und Pflege. Sie hatte die Segnungen des Friedens nie gesehn. Daß der Bauersmann frohgemut die Saat bestellte auf sorgfältig bereiteter Flur, daß hundertfältige Ernte den sauren Fleiß des Landmanns lohnte, daß nach getaner Arbeit auch Feste das Leben im schmucken Dorf lein verschönten —, ja davon wußte das verwilderte Geschlecht nichts. Bilder zertretener Acker, geschwärzter Dorfruinen, Szenen von Haub und Mord, Kummer und Leid — das waren die Eindrücke gewesen, die es empfangen hatte von Kindheit auf. Und jetzt klangen die Glocken von Turm zu Turm und kündeten Frieden auf deutscher Erde. Bis in die entlegensten Schlupfwinkel drang die Botschaft und rief die verkrochenen Einwohner in die Dorffchaften um das Friedensfest zu feiern. Am Lage Martini des ^6^8 ften Jahres beging man in vielen ©rten Frankens das frohe Ereignis. 3n feierlichem Wallgange zogen die abgehärmten Männer, Weiber und Kinder vom Gotteshaufe durch die Straßen der Heimatgemeinde. Dann vereinigten sie sich in der Kirche zu andächtigem Dankgottesdienst. Die Glocken läuteten und die Böller krachten und von dem Turme bliesen Trompeter kirchliche Lieder. Alle Arbeit ruhte. wie aber sah es aus im Lande, als der längste Krieg geendet tvara den Deutschland je zu ertragen hatte? Unsagbar war die Verwüstung. Ganze Dörfer waren von der Erde verschwunden und wurden nicht mehr aufgebaut. In jeder Ortschaft gab es herrenlose Güter in Menge. Die Einwohner vieler Gemeinden waren

Ähnliche Ergebnisse

Ähnliche Dokumente basierend auf den Feldern Volltext

1. Handbuch für den Unterricht in der deutschen Geschichte - S. 182

1894 - Paderborn : Schöningh
'1» — 182 — Nun noch die Hungersnot, und infolge der schlechten Nahrung, der Ausdünstung von Leichen u. s. w. eine schreckliche Pest. Elend, Hunger, Marter und die alles verzehrende Seuche brachten die Menschen in. einen Zustand von Verzweiflung und Raserei. In Lothringen blieb kaum der hundertste Teil der Einwohner übrig. Ganze Dörfer standen dort leer, so daß sich die Wölfe ihre Wohnungen in den Häusern suchten. Auf deu Äckern wuchsen Disteln und Dornen, und Wälder entstanden, wo sonst gefäet worden. Das verödete Land durchirrten Bettler, verhungerte Menschen in der scheußlichsten Gestalt; Soldaten zogen umher, die nichts schonten. Zu Colmar im Elsaß mußte man den Kirchhof schließen, damit die frischen Leichen nicht gestohlen wurden. Daselbst zehrten vier elfjährige Mädchen an einem fünften, das vor ihnen gestorben war. Aus Worms schreibt Gottfried Andreä: „Er selbst habe gesehen, wie an einem toten Pferde ein altes Weib, einige Hunde und Raben gemeinschaftlich genagt hätten." Der elende und betrübte Zustand in und um Worms dauerte fort, die einquartierten Soldaten vermehrten die große und unerträgliche Hungersnot, denn die Kriegsleute nahmen alle Nahrungs- und Lebensmittel. „Um das Pferdefleisch haben sich die Menschen gerauft, geschlagen und gar ermordet, in Summa es war eine solche Not, daß auch kein Mensch den anderen verschonte, sondern sie sich totschlugen und verzehrten, die Gottesäcker durchsuchten, die Gräber aufbrachen, die Hoch- gerichte erstiegen und die Toten zur Speise nahmen." In der Pfalz war das Elend so groß, daß man tote Tiere, die schon wochenlang im Wasser gelegen, hervorsuchte, um sie zu essen. Froh war, wer einen Frosch fand, und man pries die Ägyptier um dieser Plage willen glücklich. Auch im Odenwalde war alles ausgestorben. Ganze Herden von Hunden scharten sich um die Leichen. Zwischen 1636 und 1638 kaufte man in Seligenstadt einen Morgen Acker um ein Brot. — Im Nassauischen schleppten die Hunde abgerissene Menschenglieder auf den Straßen herum. In dem Dorfe Endlichhofen fand man kein lebendes Wesen, außer zwei Hunden in einem Hanse, in welchem halbverzehrte Leichen lagen. In Coblenz blieben nur 150 Bürger übrig. In Ulm starben 15000 Menschen, in Stuttgart im Jahre 1636 5370. Man aß dort Eicheln und Nesseln und schlug sich um tote Pferde. In Heilbronn wurde der Scharfrichter reich, weil er Fleisch von toten Pferden verkaufte. In Niedersachsen standen ganze Städte leer; Droesfeld sechs Monate lang. Als einige Einwohner zurückkehrten, verkauften sie das Eisen von den niedergerissenen Häusern den Kasselern um Brot. In Nordheim wurden von den übriggebliebenen 150 Einwohnern 250 herrenlose Häuser abgebrochen. In Berlin, das verhältnismäßig geschont worden war, blieben doch nur 300 Bürger übrig. Mitten in Wäldern findet man noch Spuren von Mauern ehemaliger Dörfer und unzählige Ruinen von Burgen und Schlössern in ganz Deutschland; sie sind Zeugen von der Zerstörung und Verheerung, die unser Vaterland in jener Zeit erfahren. Ein Zeitgenosse spricht am Schlüsse des dreißigjährigen Krieges also zu den Deutschen: „Wie elend stehen die kleinen Städte, die offenen Flecken! Da liegen sie verbrannt, zerfallen, zerstöret, daß weder Dach, Gesperr, Thüren oder Fenster zu sehen ist. Ach Gott! wie jämmerlich steht es auf den Dörfern? Man wandert bei zehn Meilen und siehet nicht einen Menschen, nicht ein Vieh, nicht einen Sperling. In allen Dörfern sind die Häuser voller toten Leichname und Äser gelegen, Mann und Weib, Kinder und Gesind, Pferde, Schweine, Kühe und Ochsen, neben und unter einander von der Pest und vom Hunger erwürget, voller Maden und Würmer, und von Wölfen, Hunden, Krähen, Raben und Vögeln gefressen, weil niemand gewesen, der sie begraben, beklaget und beweinet hat." (Kleins Bilder.)

2. Zeit der alten Deutschen bis zur Reformationszeit - S. 42

1889 - Dresden : Bleyl & Kaemmerer
— 42 — Thoren seines Schlosses, und lauter Jammerruf durchdringt das Haus. Boten sind angekommen und verkünden den Einbruch der Ungarn. Sie berichten von brennenden Dörfern, zertretenen Saaten, blutigen Greuelthaten, von Flucht und Not deutscher Einwohner. Da wurde des Kaisers Blick finster. Er sprang auf, schlug dröhnend an seinen Schild, und bald stoben die Boten hinaus nach allen Gegenden des Reichs, um die deutschen Stämme zur kaiserlichen Fahne zu rufen. Da brannten auf den Bergen die Kriegsfeuer, und von den Türmen herab klang der Kriegsruf der Glocken. Am Rheine, an der Donau und an den Ufern der Elbe, allüberall im deutschen Vaterlande griffen die Männer zu den Waffen und zogen in zahlosen Zügen herbei. Da kommt das Volk der Sachsen. Unter ihnen sieht man stattliche Reiter aus Friesland und führte Jäger vom Harz. Die Sachsen unterscheiden sich von den übrigen Stämmen durch ihre große Gestalt und ihren blonden Bart. Sodann marschieren die Franken heran. Diese Leute sind in blanke Panzer gekleidet und mit dem Helmbusche geschmückt. Wehende Fahnen ragen aus der Menge hervor, und unter den Klängen rauschender Musik ziehen sie im Lager des Kaisers ein. — Auch die Bayern kommen herzu. Schon von weitem erkennt man sie an dem Banner mit den beiden Löwen. Trotzig und bieder schreiten sie einher. Unter lautem Jubelgesang erscheint ein vierter Zug — die Schwaben. Unter ihnen sind viele edle Herren, aber auch die Bürger aus den Städten sind zahlreich vertreten. So haben sich in des Kaisers Lager die deutschen Stämme kampf- bereit eingefunden. Vor dem kaiserlichen Zelte weht das deutsche Banner, geschmückt mit dem Bilde des Erzengels Michael. (Zu Ehren dieses Engels wird das Michaelisfest gefeiert.) Das Lager stand da, wo Lech und Wertach sich vereinigen, bei der Stadt Augsburg. - Zwischen beiden Flüssen liegt eine weite Ebene, das Lechfeld. Kein Bauin, kein Strauch, nur kurzes Gras bewachst die endlose Fläche. Dort lagern die Rotten der Ungarn. Zahllos, wie der Sand am Meere, sind ihre Scharen. Da wühlt und wimmelt es auf dem breiten Felde, und tausend Feuer erleuchten in der Rocht das Lager. Man hört bis weit in die Ferne das Klirren ihrer Waffen, den Hufschlag ihrer Rosse. Manche tragen ein eisernes Schuppenhemd am Leibe und einen Helm mit Stierhöri'.ern auf dem Kopfe. Aus Schädelbechern trinken sie Wein und fingen dabei gelle Lieder. Sie singen von ihrem wilden, lustigen Räuberleben. Das freie Feld ist unser Vaterhaus, die Milch der Pferde unsere erste Nahrung gewesen. Auf Rossesrücken ziehen wir durch die Welt und freuen uns, wenn hinter uns die Dörfer rauchen, wenn die Leute erschlagen aus der Straße liegen und eine Beute der Wölfe und Geier werden. Unsere spitzen Pfeile und krummen Schwerter werden morgen die zitternde Welt erobern.

3. Lebensbilder und Sagen aus Mecklenburg - S. 22

1911 - Leipzig : Hirt
22 11. Die Schreckensjahre 1687 und 1638. ungesundesten und ekelhaftesten Nahrungsmitteln seine Zuflucht nehmen und Hunde, Katzen, Mause, Ratten, ja selbst das Fleisch der Leichname essen. Und dazu kam noch die Pest, die von den fremden Truppen aufs neue eingeschleppt ward und noch weit rgere Verheerung anrichtete als frher. In Neubrandenburg sollen damals 8000, in Gstrow sogar 20000 Menschen an der Pest gestorben sein. Im ganzen erlag der die Hlfte der noch vorhandenen Bevlkerung der Krankheit. Im Oktober 1638 wurden die Kaiserlichen durch die Schweden wieder aus Mecklenburg hinausgetrieben, die Schweden aber hausten ebenso unmenschlich wie jene. So erbrachen sie in Doberan die Kirche, ffneten die alten frstlichen Begrbnisse, rissen die Leichen heraus und warfen sie den Hunden zum Fre vor, zerschlugen die hlzernen Srge und schmolzen die zinnernen ein, strzten auch Kirchen-Pfeiler und den Altar um, zerstrten die Orgel, raubten den Kirchenornat und eine Glocke und rissen vom Dach und Turm das Kupfer und Blei los, zusammen der 250 Pfund im Werte von 16000 Talern. Da es an Zugtieren mangelte, um die Beute fortzuschaffen, so stberte man die Geflchteten aus den Morsten und Gehlzen auf und spannte sie vor den Wagen. Endlich im Anfang des Jahres 1639 zogen die Schweden nach Sden ab, und das zertretene Land konnte ein wenig aufatmen. Noch einmal hatte es in den Jahren 1643 und 1644 die Schrecken des Krieges durchzukosten, als eine schwedische Armee durch Mecklenburg nach Hol-stein zog, von den Kaiserlichen verfolgt. Es wird wenig mehr zu rauben gegeben haben. Und als im Jahre 1648 der Friede dem Dreiigjhrigen Ringen ein Ende machte, glich das Land einer Wste. Manche Städte waren fast menschenleer, in anderen lagen ganze Straen in Trmmern. Weit schwereren Schaden aber hatte der Bauernstand erlitten. Von den Drfern waren viele gnzlich zerstrt, im Amte Stavenhagen z. B. allein ihrer 30; hier waren von 5000 Einwohnern nur 329 brig geblieben. Im ganzen Amte Nenkalen gab es nur einen Bauern und drei Husler. Der Zustand des Landes war hnlich wie im 12. Jahrhundert, als die Deutschen es von den Wenden erobert hatten. Was in vier Jahrhunderten der Flei der Bewohner geschaffen hatte, war vernichtet, und gerade wie im 12. und 13. Jahrhundert mute man Kolonisten von auswrts ins Land rufen, um es wieder zu besiedeln, viele Drfer aber wurden berhaupt nicht wieder aufgebaut, sondern ihre Feldfluren mit Wald bepflanzt oder zu den groen Gtern gelegt, die seitdem die kleinen Bauernwirtschaften grten-teils aufsogen und verdrngten. Wagner, Bilder ans der Mecklenburgischen Geschichte und Sagenwelt.

4. Der erste geschichtliche Unterricht - S. 49

1872 - Heidelberg : Weiß
— 49 — lief) der kirchlichen Streitigkeiten wurde festgesetzt, daß zwischen Ka-iholiken und Protestanten vollkommene Gleichheit bestehen soll. In dieser Beziehung wurde der westfälische Friede eine große Wohlthat für Deutschland. Nach diesem verheerenden Kriege bot Deutschland einen höchst traurigen Anblick. Zwei Dritteile der Einwohner waren zu Grunde gegangen, weniger durch das Schwert als durch die Übel, die der Krieg mit sich brachte. Seuchen, Pest, Hungersnot, Schrecken und Verzweiflung hatten die meisten Bewohner dahingerafft. Hunderte von Dörfern waren von der Erde verschwunden, andere standen öde und menschenleer. Die Saatfelder lagen zertreten und unangeöaut. In den Städten hatten Handel und Gewerbe aufgehört. Durch ganze Straßen erblickte man keinen Menschen; die eingeschlagenen Thüren, die zertrümmerten Fenster vieler Häuser ließen erkennen, daß die ehemaligen Bewohner umgekommen waren oder in der Wildnis umherirrten. Mit der inneren Zerrüttung war leider auch die Kraft und das Ansehen Deutschlands nach außen gebrochen. 45. Kaiser Leopold I. und Ludwig Xiy. König von Frankreich. Zehn Jahre nach dem westfälischen Frieden wurde Leopold, der Sohn Ferdinand des Iii., zum deutschen Kaiser erwählt. Er worein gutgesinnter, aber schwacher Fürst. Seine lange, beinahe fünfzig-ährige Regierungszeit war größtenteils mit Kriegen gegen Ludwig Xiv., König von Frankreich, ausgefüllt. Dieser schlaue und mächtige König suchte schon damals den Rhein zur Grenze des französischen Reiches zu machen. Manche deutsche Reichsfürsten waren w treulos, den herrschsüchtigen König in seinen Unternehmungen gegen den Kaiser zu unterstützen. Diese fortwährenden Kämpfe brachten aufs neue viel Unglück über Deutschland. Die schönsten Länder, besonders dos rechte Rheinufer und die Pfalz, wurden von den Franzosen gänzlich verwüstet, Städte und Dörfer niedergebrannt. Es gingen selbst mehrere wichtige Städte für dos deutsche Reich verloren, namentlich die Festung Straßburg, welche Ludwig der Xiv. mitten im Frieden in Besitz nahm. [1681 Die Friedensschlüsse, durch welche diese Verluste bestätigt würden, geschahen zu Ny mweg en (Ende des Krieges gegen Holland I678), zu Ryßwik (Ende des orleanischen Krieges 1697) und zu Utrecht (Ende des spanischen Erbfolgekrieges 1713). Das Volk nannte sie deswegen spottweise „den Frieden von Nimm weg, Reiß weg und Unrecht." Siegel, Der erste gesch. Unterricht. 4 -

5. Von der germanischen Urzeit bis zum Ausgange der Regierung Friedrichs des Großen - S. 141

1912 - Leipzig : Wunderlich
Die Zeit der Reformation und der Religionskriege. 141 auch die Saat in Zeiten verhindert worden war, galt endlich der märkische Scheffel Roggen zu Stendal und anderen Orten 21/» Reichstaler. Viele Leute aßen die wilden Feldrüben und andere Wurzeln aus der Erde, machten Eckern, Kohlstauden und Kleien zusammen und aßen das für Brot. O, wie waren da der Armen so viel! Etliche vom Lande hereingeflüchtete Leute, Junker, Prediger und Bauern, nachdem sie ihre Kleider und übrigen Kleinode für Brot hingegeben, starben verschmachtet und verhungert oder an der Pest dahin. Auch Soldaten, die im Quartier lagen, starben vor Hunger, und etliche aßen das Aas von Pferden u. dgl. Hierüber liefen noch vollends aus dem Lande hinweg, welche von der Pest übrigzgeblieben waren. Und kam es so weit, daß auf zwei, drei, vier Meilen kaum ein Landprediger zu bekommen war, bis acht oder zwölf Dörfer wieder einen nahmen. O, wie manches Kind ist zu der Zeit in den Wäldern von fremden Predigern getauft worden, etliche wohl auch ohne Taufe gestorben. Etliche Dörfer und Kirchen wurden so gar in diesem Kriege verwüstet, daß fast nicht zu sehen, ob in hundert Jahren Leute daselbst gewönnet. Ajo liefen die Leute voneinander, und blieb kaum der zehnte Teil Menschen übrig, nachdem sie sich hernach wieder einfanden. Ter Superintendent Backmeister zu Güstrow entwirft von den Leiden seiner Heimat folgendes Bild: Wie viele heiße Klagen vernimmt man nicht über ryrannische Bedrückung, über unaufhörlichen Raub, über maßlose Erpressungen, über den Mord von Edlen und Unedlen, über Niederbrennen von Höfen und Dörfern, über Wegtreibung des Viehes, über Abschneiden von Nasen und Ohren und andere schändliche Verbrechen! Man schaudert, zu berichten von dem, was an Kirchen und Geistlichen, ja selbst an den Gebeinen der Entschlafenen ist verübt worden. Denn in diesem Kriege, wo das Soldatengesindel jede Furcht Gottes von sich abgeworfen hat, richtet sich der räuberische Angriff in der Regel zuerst auf die Kirchen. Gewaltsam werden dieselben erbrochen, trotz Flehens der Prediger ausgeplündert und in Pferdeställe verwandelt; die Kanzeln werden umgestürzt, die Kirchenstühle zerschlagen, die Fußböden, um nach verborgenen Schätzen zu suchen, aufgebrochen, die kirchlichen Gewänder und heiligen Gefäße geraubt, die heiligen Bücher auf dem Altare zerrissen und besudelt. Der Gottesdienst wird auf viele Wochen gehindert, oder die Versammelten werden mit gezückten Schwertern verwundet und auseinander getrieben. Die Geistlichen, welche sich in Wäldern versteckt hatten, werden mit Hunden ausgespürt und mit dem Schwedentrnnke und anderen Martern gepeinigt. Auf den meisten Dörfern hörte der Gottesdienst wochen-oder monatelang auf, und es blieben dort so wenige Leute zurück, daß man selbst die Gestorbenen nicht mehr zur Erde bestatten konnte. Der Rat der Stadt Sternberg in Mecklenburg schrieb am 16. Januar 1639 an den Herzog Adolf Friedrich:

6. Teil 2 - S. 80

1906 - Karlsruhe : Braun
80 Und wir dürfen ihn dort schallen und bei ihm wohnen. Können wir den lieben Gott auch in der Kirche erblicken? Darinnen ist er aber doch. Ja, er sieht uns und hört auch, was wir zu ihm reden. Kann er denn im Himmel und aus der Erde wohnen? Gott wohnt überall. Selbst dein Herzlein ist ihm zur Wohnung nicht zu klein. Wann mag er aber nur darin wohnen? Gott wohnt nur in einem guten Herzen. Wann gibt er euch das? (Bitten). Wie bittet man Gott? Man betet zu ihm. Wo beten viele Leute miteinander zu Gott? (Kirche). Gestern haben wir uns auch zusammen die Kirche betrachtet. Warum kann man sie gleich von den anderen Gebäuden des Dorfes unter- scheiden? Sie ist auch ganz anders gebaut als die übrigen Häuser des Dorfes. Woran erkennt man jede Kirche schon von weitem? Jede Kirche besitzt einen Turm. Womit ist seine Spitze geschmückt? Wohin weist seine Spitze immer? Ein Kind sprach darum zu ihm: „Kirchturm, was stehst du nur immer so da Und zeigest so ernsthaft nach oben? Immer und immer, so oft ich dich sah, Hast du den Finger erhoben!" Was mag der Kirchturm nur geantwortet haben? Er hat zu dem Kind gesagt: „Lieb' Kindlein, ich stehe als Wegweiser hier Und zeige den Menschen hienieden Die sicherste Straße, o glaube es mir, Die einstens sie führet zum Frieden. Hinauf dort, wo zeiget mein Finger stets hin, Soll'n alle die Menschen einst kommen; Und dort ist die Heimat, und Freude wohnt drin, Doch nur für die Guten und Frommen. Dies merke, mein Kindlein, so oft du mich siehst, Uud wandle den Weg, den ich zeige! Dann gehst du, wo immer die Straße du ziehst, Einst ein zuur hinlmlischen Reiche". (Fr. Wiedemann.) Hoch oben am Turm sahen wir große Öffnungen, die mit Draht- fenstern verschlossen waren. Was hing hinter den Drahsenstern? Wa- rum hat man für die Glocken am Turme so große Öffnungen ange-

7. Handbuch für den Anschauungsunterricht und die Heimatskunde - S. 139

1892 - Berlin : Wreden
139 „Lieb' Kindlein, ich stehe als Wegweiser hier Und zeige den Menschen hienieden Die sicherste Straße, o glaube es mir, Die einstens sie führet zum Frieden. Hinauf dort, wo zeiget mein Finger stets hin, Soll'n alle die Menschen einst kommen; Und dort ist die Heimat, und Freude wohnt drin. Doch nur für die Guten und Frommen. Dies merke, mein Kindlein, so oft du mich siehst, Und wandle den Weg, den ich zeige! Dann gehst du, wo immer die Straße du ziehst, Einst ein zum himmlischen Reiche." (Fr. Wiedemann.) Auch andere Gebäude haben Türme: Schloß — Schloßturm, Rathaus — Rathausturm. Der Turm unserer Kirche hat vier hohe Mauern und ein Dach. Eine große Thür führt in ihn hinein. Was erblickt ihr über der Thür? — Der Turm hat auch einige Fenster und oben einige Löcher; diese werden geöffnet, wenn die Glocken, die im Turme hängen, läuten, damit der Schall herausströmen kann, Schalllöcher. An dem Turme sehen wir noch eine große Scheibe mit Ziffern, — Ziffer- blatt; auf dem Zifferblatt drehen sich zwei Zeiger, ein großer und ein kleiner. Das Zifferblatt steht mit der Uhr, die sich im Turme befindet, in Verbindung, — Turmuh r. Die Turmuhr ist aus Eisen gemacht; sie ist viel größer als eine Taschenuhr und eine Wanduhr. — Was findet sich oben auf der Spitze unseres Turmes? Auf manchen Türmen ist eine vergoldete Kugel (Knopf); eine solche Kugel erscheint unten nur sehr klein, ist aber doch beträchtlich groß. Die Kugel trägt wohl ein Kreuz, einen Hahn, ein Pferd oder eine Fahne, — Wetterfahne. Von der Spitze des Turmes bis an den Grund desselben läuft eine eiserne oder kupferne Stange, — der Blitzableiter. Wozu dient dieser? — Hoch oben im Kirchturme hängen die Glocken. Sie sind von dem Glockengießer aus Kupfer und Zinn oder dem Glockengute gegossen. Die Glocken sind an starken Wellen befestigt, die in dem Glockenstuhle hängen. Der Glöckner setzt die Glocke durch starke Seile in Bewegung; dann hören wir den Klang derselben, und wir sagen: „Die Glocken läuten." An hohen Festtagen werden beide Glocken geläutet; dann schallt das mächtig über die Häuser hin und wird nah und fern gehört. Die Glocken rufen die Menschen zum Gotteshaus. Wenn ihr größer seid, so folgt diesem Rufe! (Die wandelnde Glocke von Goethe.) An gewöhnlichen Festtagen, bei Trauungen, Begräbnissen und Taufen wird gewöhnlich nur eine Glocke gezogen. — In dem Innern der Glocke befindet sich ein eiserner Klöppel. Der Klöppel unserer großen Glocke wird dreimal des Tages, des Morgens, des Mittags und des Abends, gezogen; dann sagen wir: „Die Betglocke

8. Freiburger Lesebuch - S. 79

1912 - Freiburg im Breisgau : Troemer
— 79 — von den Gassen heim. Das war die sogenannte „Lurnpeuglocke", die aber seit ungefähr 40 Jahren ihren Dienst eingestellt hat. Zwischen dem „Aveläuten" in der ersten Morgenstunde und dem Agathaläuten abends um 9 Uhr hört man gar oft die Glocken des Münsters. Da läutet es in die Frühmesse um 6 Uhr mit dem kleinen „Silberglöckle", dann mit zwei Glockeu iu das „Frauenamt" um 7 Uhr; um 8 Uhr ruft ein kleines, auf dem südlichen Querschiff in einem Dachreiter hängendes Glöcklein zur Achtuhrmesse, um 9 Uhr hört mau wieder mehrere Glocken zum Hochamt laden. Dann läutet um 12 Uhr die „Maria" den englischen Gruß, den morgens und abends der „Paulus" verkündet. Wenn jemand in der Münstergemeinde gestorben ist, so gibt der „Jakobus" das „Scheidzeichen", und am Nachmittag ruft dann „Johannes" den letzten Gruß zum Begräbnis hinaus. So leben und reden die Münsterglocken tagein tagaus mit den Bürgern der Stadt. Früher sprach besonders die alte „Susanne" noch öfters als heute ein ernstes Wort. Das war, wenn Kriegsgefahr oder Feuersnot die Bürger erschreckte. Noch wissen alle, die in der Altstadt groß geworden, von dem schaurigen Ton zu melden, den die Susanne von sich gab, wenn es „stürmte". Dann wurde sie nämlich nicht mit dem Seil in Schwingung gebracht, sondern der Glöckner schlug mit einem großen Hammer von außen auf ihren Schallring und dieses nannte man „stürmen", und es war, zumal in der Nacht, ein Schrecken, wenn man es nur hörte. Jetzt hat das aufgehört, und die „Feuermelder", die au allen Straßenecken angebracht sind, rufen heutzutage die Feuerwehr, wenn's irgendwo brennt. Am fröhlichsten tönen die Stimmen der Münsterglocken am Sonntag und gar an den hohen Feiertagen. Das ist ein Singen und Jubeln, wenn an Ostern zum Beispiel oder an Pfingsten der Erzbischof in reicher Gewandung, mit Mitra und Stab, aus feinem Hause tritt, die Münster- geistlichkeit mit leuchtenden Gewändern und brennenden Kerzen, mit Kreuz und Weihrauch ihn abholt und zum Münster geleitet, und ringsum das Volk in Scharen herbeieilt. Da tönen gleich sieben Glocken auf einmal vom Turme hernieder, anhebend mit dem dünnen Tone der kleinen Glocken und durch die mittleren Klänge hinabsteigend bis zum machtvollen Grund-ton des großen Christus. Einmal im Jahr kannst du dieses große Geläute sogar des Nachts hören: das ist in der Neujahrsnacht, wenn es zwölf Uhr schlägt. Da schallt das Münsterläuten wie ein Dankeslied zum Himmel empor, und von allen Kirchen und Türmen der Stadt fallen die Glocken ein und erfüllen tue Nacht mit heiligen Klängen. Vom^Tnrm herab ans heiliger Höhe kommen die Stimmen der Glocken. So rufen sie wie aus einer anderen Welt jahraus jahrein in die Niedrigkeit des täglichen Lebens hinein und lenken des Menschen Sinnen und Denken empor zum Himmel, nach welchem der Turm hinaufzeigt wie ein mahnender Finger. Engelbert Krebs.

9. Geschichte für die Mittelstufe - S. 16

1913 - Breslau : Hirt
16 A. Deutsche Geschichte. kam Gustav Adolf, der König bort Schweden, zur Hilfe. Er fiel in der Schlacht bei Lützen (1632). Der Sage nach hat ihn Moritz von Falkenburg aus Herstelle durch eine Kugel getötet. Man gab vor, für die Religion zu kämpfen. In Wirklichkeit aber war es ein Ringen um Land und Macht. Deutschland mußte blühende Provinzen an Schweden und Frankreich abtreten. Bistümer und Abteien gingen in weltlichen Besitz über. Kirchen und Klöster, Dörfer und Städte wurden verwüstet. Fremde Söldnerscharen raubten, plünderten und mordeten. Dazu wütete die Pest im Lande, eine schreckliche Krankheit, von der viele Tausende hingerafft wurden. Ganz Deutschland glich einer Wüste. b) Der Krieg in unserer Gegend. Auch der Regierungsbezirk Minden hatte in diesem Kriege schrecklich zu leiden. Gleich zu Anfang verwüstete der Herzog Christian von Braunschweig, auch „der tolle Christian" genannt, das Hochstift und die Stadt Paderborn. _ Er beraubte den Dom und schleppte die Gebeine des hl. Liborius in einem Laken auf seinen Raubzügen mit sich. Den Heiligenschrein ließ er zertrümmern. Aus den silbernen Statuen der zwölf Apostel, die den Schrein zierten, wurden Taler geschlagen. Diese trugen die Umschrift: „Gottes Freund, der Pfaffen Feind." Später drangen die Hessen und auch die Kaiserlichen in die Stadt ein. Hungersnot und Pest brachen aus. Tausende starben vor Not und Elend. Das ganze Hochstift war eine Einöde. Nicht besser erging es der Stadt Höxter und der Abtei Corvey. Die Schweden, Franzosen, Hessen und Kaiserlichen plünderten und brandschatzten abwechselnd. Im Jahre 1634 wurde die Stadt erstürmt. Nur 30 Bürger sollen das Leben gerettet haben. Der kaiserliche Feldherr Lilly war zweimal in Höxter. Das Haus (Tillyhaus), wo er gewohnt hat, wird noch heute gezeigt. Die Stadt und der Kreis Marburg hatten besonders durch die Hessen und Schweden zu leiden. Viele Dörfer gingen zugrunde. Ein verfallener Kirchturm bei Borgentreich weist noch heute darauf hin. Auch die Wevelsburg im Kreise Büren wurde von dem schwedischen General Krusemark auf die greulichste Art verwüstet. Das Minden-Ravensberger Land hatte besonders unter den kaiserlichen Feldherren Tilly und Pappenheim zu leiden. In der Nähe von Valdorf war ein größeres Gefecht. In der kleinen Landgemeinde Jöllenbeck im Kreise Bielefeld starben täglich durchschnittlich sech-, Personen an der Pest, und es gab dort zuletzt nur sieben Familien, in denen noch Vater und Mutter lebten. c) Der Westfälische Friede. Endlich waren die Fürsten und Völker des Krieges müde. Im Jahre 1648 wurde zu Münster und Osnabrück der Friede geschlossen, welcher der Westfälische Friede genannt wird. In diesem fiel das Bistum Minden an Brandenburg. Am 16. Oktober 1649 nahm es der Große Kurfürst in Besitz.

10. Geschichte von Offenbach a. M. und Umgegend - S. 28

1900 - Hannover [u.a.] : Meyer
— 28 — 27. Kriegselend in Offenbach und der Umgegend. 1632—1637. Die schlimmste Zeit für unsere Gegend brachte der 30jährige Krieg im Sommer und Herbst des Jahres 1635. Beutegierige Söldnerscharen überschwemmten förmlich das Land zwischen Main und Rhein, plünderten die Dörfer und raubten alle Fruchte des Feldes. Darauf folgte eine große Teuerung; das Malter Korn stieg von 1—2 Gulden auf 15—18 Gulden. Diese Teuerung hatte eine große Hungersnot im Gefolge. Weit und breit war keine Nahrung zu finden. Die Leute konnten sich oor Mattigkeit kaum aufrecht halten. Auf offener Straße stürzten viele vor Schwäche tot zusammen. Um sich vor diesem jämmerlichen Tode zu schützen, wurden Hunde, Katzen, Frösche, Kröten und Aas verspeist. Geschichtschreiber berichten, daß Leute ihre Nebenmenschen abgeschlachtet hätten, um das Fleisch zu verzehren. Dazu kam die Pest; sie wütete in den Jahren 1632—37. Nach Auszeichnungen aus jener Zeit starben z. B. in Frankfurt a. M. in sechs Jahren 18 869 Menschen an der furchtbaren Seuche, davon 6943 im Schreckensjahre 1635. Auch die Einwohnerzahl von Offenbach und der Umgegend war bedeutend gesunken. Im Jahre 1631 lebten z. B. in Seligenstadt 350 Familien, sechs Jahre später aber nur noch 50. „Der westfälische Friede sand diese Stadt kaum noch bewohnt, die wenigen Einwohner aber als Bettler, die einst üppige Stadt in Ruinen; der reiche Bachgau war zur Wüste geworden." Im Jahre 1638 hatten Bürgel nur noch 85, Bieber 26, Hain-hausen 7, Lämmerspiel 8, Rembrücken 17 Einwohner. So sehr hatten Hungersnot, Pest und Krieg gewütet. Landgraf Georg Ii. verglich darum feine Rhein- und Mainlande mit einer Wildnis und Einöde. Die Stadt Frankfurt ließ zur ewigen Erinnerung an jene schrecklichen Zeiten verschiedene Denkmünzen prägen. Diejenige mit der Jahreszahl 1635 zeigt einen über der Stadt schwebenden Engel mit der Zuchtrute; die Inschrift heißt: „Es ist genug!" 28. Die Erweiterung Offenvachs unter Johann Philipp und die französisch-reformierte Gemeinde. 1685—1718. 1. Auf Johann Ludwig folgten im Jahre 1685 feine beiden Söhne. Sie regierten anfangs gemeinschaftlich. Nach zwei Jahren aber teilten sie das Land; Offenbach kam dabei an Johann Philipp. Er war ein Mann von klarem, hellem Blick und großer Thatkraft. Allen Schaden, den der 30jährige Krieg in seinem Lande angerichtet hatte, suchte Johann Philipp nach besten Kräften wieder gut zu machen. Besonders lag ihm das Wohl seiner Residenz Offenbach am Herzen.

11. Die weite Welt - S. 103

1905 - Leipzig [u.a.] : Klinkhardt
103 es nicht herauszusteigen; Speise und Trank musste man ihm an den Wagen bringen; denn dem Wirt war gesagt, dass der „Bürger“ am Sterben sei. Nur mit dem Sterben konnte er sein Leben schützen. Wie grausam klang dies an sein Ohr, das nur das Flüstern der vornehmen Gesellschaft und nur den Lärm des Hofes gewohnt war, wenn jetzt aus jeder Dorfschenke die wüsten Stim- men des Aufruhrs ihm entgegenhallten! Denn jedes Haus war eine Republik geworden; jeder Hahn im Dorf krähte égalité! (Gleichheit!). „Nur schnell!“ sprach der kranke Mann, so oft ein neuer Postillon auf den Wagen stieg, und zeigte ihm ein Goldstück, bis er die Hengste in wilder Flucht über die steinigen Strassen trieb. In tiefer Nacht fuhren sie über die Grenze von Frankreich, und als der Morgen graute, standen sie auf deutscher Erde. Es war ein Herbstmorgen blau und klar, von den Bäumen wehte das letzte Laub — hier sollten sie die letzten Tage ihres Lebens verbringen. In Deutschland war es noch stille; wie ein schwerer Schlummer lag die Ruhe über dem Land. Und auf dem fran- zösischen Wagen sais ein deutscher Postillon und blies. Sie hatten das Lied noch nie gehört, der Marquis und die Marquise, aber sie verstanden es doch; denn das deutsche Lied bedeutet Friede! Karl Stieler. 51. Das Schloss Boncourt, 1. Ich träum als Kind mich zurücke und schüttle mein greises Haupt; wie sucht ihr mich heim, ihr Bilder, die lang ich vergessen geglaubt! 2. Hoch ragt aus schatt’gen Gehegen ein schimmerndes Schloss hervor; ich kenne die Türme, die Zinnen, die steinerne Brücke, das Tor. 3. Es schauen vom Wappenschilde die Löwen so traulich mich an; ich grüsse die alten Bekannten und eile den Burghof hinan. 4. Dort liegt die Sphinx am Brunnen, dort grünt der Feigenbaum, dort hinter diesen Fenstern verträumt’ ich den ersten Traum. 5. Ich tret in die Burgkapelle und suche des Ahnherrn Grab; dort ist’s, dort hängt vom Pfeiler das alte Gewaffen herab. 6. Noch lesen umflort die Augen die Züge der Inschrift nicht, wie hell durch die bunten Scheiben das Licht darüber auch bricht. 7. So stehst du, o Schloss meiner Väter, mir treu und fest in dem Sinn und bist von der Erde verschwunden, der Pflug geht über dich hin. 8. Sei fruchtbar, o teurer Boden, ich segne dich mild und gerührt und segn’ ihn zwiefach, wer immer den Pflug nun über dich führt. 9. Ich aber will auf mich raffen, mein Saitenspiel in der Hand, die Weiten der Erde durchschweifen und singen von Land zu Land. Adelbert y. Chamisso.

12. Deutsche Fürsten- und Ländergeschichte, deutsche Reformationsgeschichte - S. 525

1895 - Gera : Hofmann
15. Die Verwüstung Deutschlands durch den dreißigjährigen Krieg. 525 Eine Chronik von Stendal berichtet: „Anno 1636 bis 1638. Nachdem durch den fortwährenden Krieg alles aufgezehrt und vollends aus dem Lande und Felde zertreten oder auch die Saat in Zeiten verhindert worden war, galt endlich der märkische Scheffel Roggen zu Stendal und anderen Orten bis 21/2 Reichsthaler. Viele Leute aßen die wilden Feldrüben und andere Wurzeln aus der Erde, machten Eckern, Kohlstauden und Kleien zusammen und aßen das für Brot. O, wie waren da der Armen so viel! Etliche vom Lande hereingeflüchtete Leute, Junker, Prediger und Bauern, nachdem sie ihre Kleider und übrigen Kleinode für Brot hingegeben, starben verschmachtet und verhungert oder an der Pest dahin. Auch Soldaten, die im Quartier lagen, starben vor Hunger, und etliche aßen das Aas von Pferden n. dergl. Hierüber liefen noch vollends aus dem Lande hinweg, welche von der Pest übrig geblieben waren. Und kam es so weit, daß auf zwei, drei, vier Meilen kaum ein Landprediger zu bekommen war, bis acht oder zwölf Dörfer wieder einen nahmen. O, wie manches Kind ist zu der Zeit in den Wäldern von fremden Predigern getauft worden, etliche wohl auch ohne Taufe gestorben. Etliche Dörfer und Kirchen wurden fo gar in diesem Kriege verwüstet, daß fast nicht zu sehen, ob in hundert Jahren Leute daselbst gewöhnet. Also liefen die Leute von einander, und blieb kaum der zehnte Teil Menschen übrig, nachdem sie sich hernach wieder einfanden." Der Superintendent Backmeister zu Güstrow entwirft von den Leiden seiner Heimat folgendes Bild: „Wie viel heiße Klagen vernimmt man nicht über tyrannische Bedrückung, über unaufhörlichen Raub, über maßlose Erpressungen, über den Mord von Edlen und Unedlen, über Niederbrennen von Höfen und Dörfern, über Wegtreibung des Viehes, über Abschneiden von Nasen und Ohren und andere schändliche Verbrechen! Man schaudert, zu berichten von dem, was an Kirchen und Geistlichen, ja selbst an den Gebeinen der Entschlafenen ist verübt worden. Denn in diesem Kriege, wo das Soldatengesindel jede Furcht Gottes von sich abgeworfen hat, richtet sich der räuberische Angriff in der Regel zuerst auf die Kirchen. Gewaltsam werden dieselben erbrochen, trotz des Flehens der Prediger ausgeplündert und in Pferdeställe verwandelt; die Kanzeln werden umgestürzt, die Kirchenstühle zerschlagen, die Fußböden, um nach verborgenen Schätzen zu suchen, aufgebrochen, die kirchlichen Gewänder und heiligen Gefäße geraubt, die heiligen Bücher auf dem Altare zerrissen und besudelt. Der Gottesdienst wird auf viele Wochen gehindert, oder die Versammelten werden mit gezückten Schwertern verwundet und auseinander getrieben. Die Geistlichen, welche sich in Wäldern versteckt hatten, werden mit Hunden aufgespürt und mit dem Schwedentrnnke und anderen Martern gepeinigt. Ans den meisten Dörfern hörte der Gottesdienst Wochen- oder monatelang auf, und es blieben dort so wenig Leute zurück, daß man selbst die Gestorbenen nicht mehr zur Erde bestatten konnte." Der Rat der Stadt Sternberg in Mecklenburg schrieb am 16. Januar 1639 an den Herzog Alfred Friedrich: „Die letzten schwedischen Regimenter unter Schlange und Hoyking haben

13. Heimatkunde des Stadt- und Landkreises Erfurt - S. 192

1916 - Erfurt : Keyser
— 192 — Morgens donnerten die Kanonen, und von den Türmen wurden die Choräle „Allein Gott in der Höh' sei Ehr", „Nun lob mein See!' den Herrn" u. a. geblasen. Als zum ersten Male die Glocken zur Kirche riefen, stellten sich alle Knaben und Mädchen in den Schulen ein und wurden von ihren Lehrern zur Kirche geführt. Die Mädchen trugen im auf- gelösten Haar Kränze, und in den Händen hatten alle Schüler und Schülerinnen Palmenzweige und Sträußchen. Sie sangen auf dem Wege Dank- und Lobgesänge, z.b. „Gott, der Friede hat" oder „Friede, Freude in dem Lande, Glück und Heil zu allem Stande". Gleiches geschah auch nachmittags. Auf dem Marktplatz hatte man unter freiem Himmel ein Theater aufgeschlagen. Hier wurde am Sonntag und Montag nachmittags um 5 Uhr dargestellt, was Krieg und Frieden bringen. Außerdem wurde dazwischen musiziert und ein geistliches Lied gesungen. Unterdessen war die Bürgerschaft mit fliegenden Fahnen aufgezogen. Sie nahm unter Trompetenschall und Trommelschlag eine kreisförmige Auf- stellnng ein und gab aus ihren Musketen ein dreimaliges Freudenfeuer. Dazu donnerten auf ein gegebenes Zeichen von der Bnrg die Kanonen. Ein allgemeines Essen schloß die Feier. — Der „Große Krieg" hatte ein furchtbares Elend über das Erfurter Gebiet gebracht. Die meisten Wohnstätten der Dörfer waren zerstört. So gab es z. B. in Tiesthal von 15 Häusern nur uoch 9. Ebenso schlimm stand es mit der Einwohnerzahl. Von den 286 Bewohnern des Dorfes Dachwig im Jahre 1640 lebten 1643 nur noch 109. In der Stadt selbst sah es nicht besser aus. Sie zählte 1620 etwa 19000 Einwohner. 1632 nur noch 13457 und im Jahre 1664, also 16 Jahre nach dem Friedens- schlnß, nur noch 11700 Einwohner. Der Tod hatte eine reiche Ernte gehalten. Die Not der Bewohner, zumal der auf dem Lande, war furcht- bar. Kornbrot war eine Seltenheit. Statt dessen wurde Hafer- und Gerstenbrot gebacken. Viele mußten sogar mit Hirsenstanb, Kleie und Leinkuchen fürlieb nehmen. Nachdem die letzten Hunde und Katzen auf- gezehrt waren, war Fleisch unbekannt. Die üppigen Erfurter Fluren waren verwüstet. 1639 waren von der ganzen Dachwiger Flur nur noch 72 Acker bestellt. Für die Bearbeitung fehlte es überall au Menschen und an Vieh. Die Dorfjngend hatte die Scholle verlassen. Der Hunger lockte sie nicht. Sie waren der Werbetrommel gefolgt. Auch viele der Alten, die der Tod verschont, hatten noch Handgeld genommen. Das Unkraut überwucherte die Fluren. Die Wölfe nahmen überhand. Sie kamen abends auf die Höfe und unter die Fenster wie die Huude und suchten Speise. Die wilden Schweine liefen anf dem Felde umher, als ob sie geweidet würden. — Die Kriegsabgaben, die Erfurt an Freund und Feind hatte zahlen müssen, betrugen mehrere Millionen Taler. Der Krieg hatte den letzten Reichtum der Stadt und ihrer Bewohner verschlungen. Die Kassen füllten sich nicht wieder. Bei der Unsicherheit der Straßen und dem Mangel an einer kaufkräftigen Bevölkerung war in den 30 langen Kriegsjahren der Erfurter Handel vollständig vernichtet worden. Nun fehlten den Erfurtern

14. Handbuch der deutschen Geschichte - S. 84

1898 - Breslau : Goerlich
— 84 — von Merseburg sagt. Und bieses Reich schirmte nicht nur das christliche Abend-lartb, daß es sich durch feste Orbnnngen in Kirche und Staat verbinden konnte, sonbern trug auch das Christentum unter die heidnischen Völker des Erbteils." (Dr. Hoffmann.) Eine anschauliche Darstellung des beutscheu Landes in jener Zeit giebt Gustav Freytag im 1. Bande seiner „Bildet aus bei’ beut schert Vergangenheit": Der wackere Lanbmann, welcher um das Jahr 1100 von einer Hohe seiner Dorfflur ausschaute, sah im Morgenlichte eine anbre Lanbschaft, als seine Ahnen gekannt hatten. Noch war der Ranb des Horizontes von buuklem Walbessanm umzogen, es war bamals viel Wald auch in der Ebene, überall Lanbgehölz, Weiher und Wasserspiegel ans niedrigen Stellen zwischen bent Ackerboden; aber das Land war in den Ebenen reich bevölkert, die Zahl der Dörfer und der Einzelhöfe wahrscheinlich nicht viel geringer als jetzt, die meisten nicht so menschenreich. In gerobetem Walb waren neue Husen ausgemessen und mit Ansiedlern besetzt, iit bet eigenen Dorfflur war altes Weibelanb in Ackerboben verwandelt; zwischen Saat und Holz staub am Waldessaum oder auf einem Bergesvorsprung die Kapelle eines Heiligen, in den Dörfern ragten die hölzernen Glockentürme hoch über die Häuser und Ställe, und am Sonntagmorgen läuteten die Glocken über das ganze Land, ans einer Flur über die anbre, und zu beut hohen Klang der kleinen Dorfglocken gab in der Ferne das mächtige Summen einer großen Glocke den Grunbton. Denn unten in der Flußuieberung ragten Kuppeln und Türme eines Doms inmitten vieler Häuser, die mit starker Mauer umgeben waren. Eine Stadt war gebaut, wo einst der Reiher über das Wiesenland geflogen oder bet Hirsch auf dem Wildpfad zur Tränke gelaufen war. Und wieder auf der andern Seite stand gegen das Dors auf steilem Berggipfel ein gemauerter Turm und ein hohes Haus mit kleinen Fenstern, Eigentum des Grafen und Wohnsitz eines reisigen Dienstmannes, der mit seinen Genossen dort oben wirtschaftete nicht zur Freube des Bauern. Umschanzte Städte und befestigte Häuser der Reisigen erhoben sich jetzt überall auf beutschern Boben, nicht nur an Rhein und Donau, in Schwaben, Franken und Bayern, auch im alten Sachsenlanbe und in den Ostmarken gegen Slawen und Ungarn. Und die Städte waten in den letzten Jahthunbetten wie übet Nacht entstauben, daß man bei vielen nicht zu sagen wußte, wann sie begonnen hatten. Der größte Kulturfortschritt vollzog sich leise, int Zwang der Stunbe, und die Zeitgenossen, welche daran arbeiteten, wußten wenig, wie unermeßlich der Segen war, den sie baburch ihren Enkeln bereiteten. Und wer von der Erscheinung zurückblickt aus ihren Grunb, bet vermag gerabe hier die geheimnisvolle Arbeit schöpferischer Kraft wie in einer Werk-stätte zu belauschen und ehrfürchtig zu erkennen, wie dem Menschengeschlecht Unglück in Glück und Verbetb in den ebelsten Fortschritt utngewanbelt wirb. Es war ein Unglück für die Deutschen, daß die Zahl der freien Sattbleute sich feit der Völkerwanderung mit reißender Schnelligkeit verringerte, die Zahl der Dienstpflichtigen und Unfreien sich unaufhörlich vermehrte; es war traurig, daß alle Gewalten, welche das Leben der Deutschen regierten, um die Wette dazu beitrugen: Die Könige und ihre Beamten, welche zu vornehmen

15. Praxis des heimatkundlichen Unterrichts - S. 166

1912 - Hannover-List [u.a.] : Carl Meyer (Gustav Prior)
— 166 — und elektrisches Licht ist in den Häusern. Die schönen Wohnungen sind sehr teuer. Haustiere sind Hunde und Katzen; Pferde, Kühe und Schweine sind seltener vorhanden. Schöne Wege, Anlagen und einen Stadtpark finden wir in der Stadt. Im Dorf wohnen nur wenig Leute. Viele treiben Ackerbau und Viehzucht. Andre sind Handwerker oder Kaufleute. Manche gehen auch in die Fabriken. Sie sind Fabrikarbeiter. Am Wochentag arbeiten alle Leute im Dorse. In der Stadt wohnen sehr viele Leute. Man sieht es schon auf den Straßen. Es gibt da Handwerker, Kaufleute, Beamte und Gelehrte, Richter und Lehrer, Ärzte und Apotheker. Die meisten Leute sind Fabrik- arbeiter. Nicht nur Sonntags, sondern auch am Werktage geheu viele feingekleidete Herren und Damen im Stadtwalde und in den Straßen spazieren. Im Dorf gibt es nur eine Kirche. Sie ist klein und heißt Dorfkirche. Ihr Geläut ruft alle Dorfbewohner am Sonntag zur Kirche. In der Stadt gibt es mehrere Kirchen mit hohen Türmen und vielen Glocken. Sie können aber nicht alle Einwohner der Stadt gleichzeitig fassen. Das Dors hat nur eine Schule mit wenigen Lehrern und Klassen. Es ist die Dorfschule. In der Stadt gibt es viele Schulen und viele Lehrer. Die Dorfschule ist klein, die Stadtschulen sind groß. Außer den Volks- schulen gibt es noch höhere Schulen. Welche? Die Dorfstraßen sind meist kurz, krumm, uugepflastert. Ohne Namen und Laternen. Bei Regenwetter sind sie schmutzig, abends duukel. Die Straßen der Stadt sind meist lang. Viele sind gepflastert und mit Bäumen geschmückt. Abends werden sie durch die Laternen und Schaufenster hell erleuchtet. Im Dorf ist es meist still auf den Straßen. Nur wenig Leute sind da. Hin und wieder fährt ein Wagen. Hunde bellen, Kinder spielen. In der Stadt herrscht reges Leben. Menschen kommen und gehen. Wagen, Räder, Autos fahren ununterbrochen auf dem Straßendamm. Die Dorfbewohner kommen Sonntags oft in die Stadt, um einzu- kaufen oder Vergnügen zu haben. Am Wochentage bringen sie ihre Er- zeugnisse zur Stadt. Die Städter machen Sonntags oft Ausflüge in das Dorf. Für Kranke ist es auf dem Dorfe oft besser als in der Stadt. Die Ruhe und frische Lust erquickt. Das Lärmen, der Rauch der Schornsteine und Fabriken hemmt die Gesundung. Das Leben aus dem Dorfe ist ein- sacher und billiger als in der Stadt. In der verkehrsreichen Stadt ist es gefährlicher für Kinder als auf dem Dorfe. Manche Leute baueu sich auf dem Lande, im Dorfe ein Landhaus und leben hier in Ruhe. Zur Sommer- zeit gehen viele Leute einige Zeit aufs Land zur Erholung. Reiche Leute wohnen oft im Sommer auf dem Lande und in der Winterzeit in der Stadt. Warum? In der Stadt ist es bequemer als auf dem Dorfe. Aufgaben!

16. Siebentes und achtes Schuljahr - S. 113

1910 - Halle a.S. : Schroedel
— 113 — Der Nachtwächter aber ging hinüber zum Schulmeister. Mit dem Knopf der Hellebarde stieß er an den Laden. „Ich bin's, macht auf!" „Wo brennt's?" rief der Schulmeister und öffnete den Laden. Da legte der Nachtwächter feine Arme dem Mann um den Kopf, neigte das Antlitz ihm an die Wange und flüsterte ihm ein Wort ins Ohr. Der Schulmeister zuckte zusammen; dann weinten beide Männer Brust an Brust. „Ich muß läuten, laß mich los," sagte endlich der Schulmeister. Aber sein Geselle war seiner nicht mehr mächtig. Gewaltsam machte sich der Greis frei, weckte seine Söhne und eilte zur Kirche hinauf, während der Nachtwächter sich wieder zum Pfarrhaus wandte. Seit vierzehn Jahren waren die Glocken stumm. Zum letztenmal hatten sie geläutet am Weihnachtsfeste nach der Nördlinger Schlacht. Dann schwie- gen sie, damit nicht die Mordbuben herbeigelockt würden. Und jetzt und jetzt schlugen sie wieder zusammen! „Was macht so?" fragten die Kinder. „Es läutet," sagten die Alten. „Steht auf, Kinder, 's ist Fried' im Land!" „Wer ist der Fried'?" fragten die Kinder, „nimmt uns der Fried' die Geiß weg, und schlägt er uns den Vater blutig?" „Schweigt, Kinder, und zieht euch an und betet!" „Tut der Fried' so sausen?" fragten die Kinder furchtsam. Aber die Mutter gab ihnen fürder keine Antwort. Da fingen sie an zu weinen und verkrochen sich, ein jedes in sein bekanntes Verstecklein und lauschten angstvoll dem fremden Getön. Übel klangen die Glocken. Die große war zersprungen. Gleich am Anfang des Krieges hatten die Mansfelder sie und die mittlere, die nicht mehr da war, zum Turm hinabgeworfen und mitgeschleppt. Die große fand man später im Walde. Aber auch so klang es den Alten wie Himmelsgeläute. Und doch war keine rechte Freude. Das Andenken an das erlittene Elend stand grausig auf. Jeder gedachte seines Verlustes, und die vielen Wunden der Seele bluteten alle zusammen. Starr sahen sich die Leute an, verstört standen sie auf der Gasse umher. Aber niemand zweifelte an der Wahrheit der Botschaft. 7. Von zwei Männern gestützt kam der alte Pfarrer die Straße herab. „Die Lore geht zum Nachtmahl," sagten sich die Leute. Viele schlossen sich an. Der Zug ging nach dem letzten Haus. Der Pfarrer trat mit dem Nachtwächter und dem ältesten Sohne des Schulmeisters in die Stube der Sterbenden. Ein Span wurde angezündet und an der Wand befestigt. Der Sigrist bereitete das Nachtmahltischlein am Bette der Kranken. Der Pfarrer beugte sich nieder, und wie ein starkes Deutsche- Lesebuch für Mittelschulen. Teil Hi A. 8

17. Neuzeit - S. 161

1897 - Leipzig : Wunderlich
— 161 — werden mit Hunden aufgespürt und mit dem Schwedentrunke und anderen Martern gepeinigt. Auf den meisten Dörfern hörte der Gottesdienst Wochen- oder monatelang auf, und es blieben dort so wenige Leute zurück, daß man selbst die Gestorbenen nicht mehr zur Erde bestatten konnte." 5. Die Verwüstung Deutschlands durch den dreißigjährigen Krieg. Jeder Krieg muß Verwüstungen und Verheerungen anrichten. Während der Schlacht kann der Soldat weder die Felder noch die Wiesen schonen. Die Rosse zerstampfen mit ihren Hufen die grünenden Saaten sowie die reifenden Ähren. Wenn Dörfer oder Städte erobert werden sollen, so ist es oft unvermeidlich, sie in Brand zu stecken, um den Feind darans zu vertreiben. Größer aber als alle diese notwendigen und unvermeidlichen Zerstörungen waren im dreißigjährigen Kriege die Verheerungen, welche die Soldaten aus Mutwillen oder aus Rachsucht oder teuflischer Zerstörungswut angerichtet hatten. Einen schrecklichen Anblick grausiger Verwüstung gewährte Deutschland, als endlich das langersehnte Wort: Friede! durch die deutschen Gaue eilte. Ein Zeitgenosse, der die Schrecken des unseligen Krieges mit erlebt hatte, schildert ihn uns folgendermaßen: Wie jämmerlich stehen nun große Städte! Da zuvor taufend Gassen gewesen sind, sind nun nicht mehr hundert. Wie elend stehen die kleinen Städte, die offenen Flecken! Da liegen sie verbrannt, zerfallen, zerstört, daß weder Dach, Gesparr, Thüren oder Fenster zu sehen sind. Wie sind sie mit den Kircken umgegangen? Sie haben sie verbrannt, die Glocken weggeführt, zu Kloaken, zu Pferdeställen und Marketenderhäufern gemacht und die Altäre besudelt. Ach Gott, wie jämmerlich steht's auf den Dörfern! Man wandert bei 10 Meilen und siehet nicht einen Menschen, nicht ein Vieh, nicht einen Sperling, wo nicht an etlichen Orten ein alter Mann und Kind oder zwei alte Frauen zu finden. In allen Dörfern sind die Häuser voller Leichname und Äser gelegen; Mann, Weib, Kinder und Gesinde, Pferde, Schweine, Kühe und Ochsen, neben- und untereinander von der Pest und vom Hunger erwürgt, voller Maden und Würmer, und sind von Wölfen, Hunden, Krähen und Raben und andern Vögeln gefressen worden, weil niemand dagewesen, der sie begraben, beklagt und beweint hat. So groß ist die Not gewesen, daß die Menschen sich angefallen, geschlachtet und gegessen haben, daß die Armen in den Schindergruben von Aas geschnitten, die Knochen zerschlagen und mit dem Marke das Fleisch gekocht, das schon voll Würmer gewesen. Deutschland liegt in Schmach, Jammer und Armut und Herzeleid; die viel tausendmal tausend armen jungen Seelen, so in diesem Kriege un-Th. Franke, Prakt. Lehrbuch der Deutschen Geschichte. 2. Teil. 11

18. Kulturbilder aus Deutschlands Vergangenheit - S. 229

1890 - Leipzig : Gräbner
29. Die Folgen des dreißigjährigen Krieges. 229 Das Wort, das der Kaiser Ferdinand Ii. gesprochen: „Lieber über eine Wüste herrschen, als über ein Land voll Ketzer", war schrecklich in Erfüllung gegangen. In manchen Gegenden gab es keine Menschen mehr, um die Leichen zu begraben; Hunger und Pest hatten ganze Strecken entvölkert. Von Kursachsen nach Berlin ging ein Eilbote einen Tagesmarsch, ohne ein einziges Haus anzutreffen. Die Bilder der Hungersnot, welche stellenweise infolge der Verwüstung des Landes und der Überfüllung der Städte herrschte, sind schrecklich. Als in der mörderischen Schlacht bei Nördlingen (1634) ein Turm von den Belagerern eingenommen war und abgebrannt wurde, stürzten sich hungernde Weiber über die halbgebratenen Leichname der Feinde und trugen Stücke davon für ihre Kinder nach Hause. Neben der furchtbaren Hungersnot wütete die Pest und das Schwert des mordgierigen Kriegers unter deu Einwohnern. Bei der Zerstörung Magdeburgs kamen 30000 Menschen ums Leben. Die Grafschaft Henneberg in der Mitte Deutschlands halte in der letzten Hälfte des Krieges von 60 000 Einwohnern ca. 40 000 verloren; von 12 000 Häusern waren 8000 niedergebrannt. In Berlin, das damals 6000 Einwohner zählte, lagen 200 Häuserstellen wüste; andere waren nur zum Teil erhalten. In Böhmen und Mähren verschwanden 1000 Dörfer gänzlich, sodaß man von vielen ihre Stätte nicht mehr weiß; in Württemberg waren 40000 Häuser verbrannt. Die Einwohnerzahl Deutschlands war nach dem Kriege von 18 Millionen auf 8 Millionen herabgesuukeu. Zwei Jahrhunderte sind nötig gewesen, um die Wunden, die der unselige Krieg Deutschland geschlagen hatte, ganz wieder zu heilen. Handel und Gewerbe waren durch die endlosen Kriegszüge, die Deutschland von einem Ende bis zum andern durchtobteu, in ihrer Blüte geknickt. Die Unsicherheit der Landstraßen durch umherziehende Banden bewirkte, daß der inländische Handel ganz daniederlag. Die einst so mächtige Hansa sank auf die Städte Hamburg, Lübeck und Bremen zusammen. Wismar hatte bis zum Jahre 1632 einen Schaden von 200000 Thalern; innerhalb 6 Jahren war daselbst kein Anker gelichtet worden. In Handel und Gewerbe.

19. Lesestoffe aus allen Teilen der Geschichte - S. 165

1910 - Münster i. Westf. : Schöningh
— 165 — Tage, sobald die Flecken von den Armen oder Schenkeln, wo sie zuerst erschienen, über den übrigen Leib sich verbreiteten. Anfangs hatten die Aerzte ihre Kunst versucht, bald aber verkündigte sich die Pest als ebenso unheilbar wie reißend, und alle Sorge für die Rettung anderer verlor sich in der um das eigene Leben: denn nicht bloß Annäherung an die Kranken, sondern schon Berührung dessen, was ihnen gehört hatte, pflanzte das Gift fort, und oft sah man alle Bewohner eines Hauses, bis auf die Haustiere, hinter dem zuerst Angesteckten dahinsterben.^ Da wurden viele von großer Todesangst ergriffen, und Nachbarn, Freunde, Verwandte vermieden und flohen einander, ja selbst Eltern verließen ihre sterbenden Kinder. Andere, die entweder einen heitern, fröhlichen Sinn für das beste Verwahrungsmittel oder das Schicksal für unvermeidlich hielten und den kurzen Augenblick des Daseins aus angenehme Weise genießen wollten, gaben sich ungeschent allem möglichen Sinnengenuß hin. Totengebräuche und Feierlichkeiten hörten aus; die meisten starben ohne Sakramente dahin; die Leichen aber wurden aus Karren fortgeführt und zu Hunderten in große Gruben geworfen. An manchen Orten, wo die Träger und Totengräber gestorben waren, mußte auch dies unterbleiben, und die Luft das Amt der Erde verwalten. Zwei fahrende Schüler, die von Bologna nach Böhmen gingen, kamen durch einige Städte und Flecken, in denen gar feine Menschen mehr angetroffen wurden; die Kranken lagen in den Häusern verlassen und starben ohne Hilfe. In Wien sollen an einem Tage nennhnndertund-fechzig, nach einem andern Zeugen sogar zwölfhundert Personen gestorben sein. An einigen Orten rechnete man aus hundert Einwohner nur zehn, an andern gar nur fünf lleberlebende. Ueberhaupt sollen zwei Fünfteile der Bevölkerung Europas von dieser Seuche hinweggerafft worden fein. Mehrere Zeitbücher deuten durch ihr plötzliches Aufhören in diesen Jahren auf den Tod ihrer Verfasser. Auch der italienische Geschichtsschreiber Johann Villani wurde eines dieser Opfer. Nur von Königen, Fürsten und Stadthäuptern starb keiner, sondern diese sannen vielmehr aus Kriege und Eroberungen. Papst Klemens zu Avignon saß in seinem Zimmer bei immerwährendem Kaminfeuer und ließ niemanden vor sich: denn die Aerzte waren uneinig, ob die Pest aus einem unregelmäßigen Lauf der Gestirne oder aus Verderbnis der Luft entstanden fei. Andere aber schrieben alles dem Willen Gottes zu. Da nun bei Menschen keine Hilfe war, wandte sich das verzweifelnde Volk an den Himmel. Wahrscheinlich ans Veranlassung kirchlicher Bnßzüge erwachte die schon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts entstandene und wieder verschwundene Schwärmerei der Geißler oder Flagellanten. 57. (viitc Stadtfehde im 15, Jahrhundert. G. Freytag, Bilder aus der deutschen Vergangenheit, 2. 23d., 1. Abt. 8. Aufl. Leipzig 1874. Der Tag, an welchem eine gefährliche Fehde angesagt wurde, war der Schreibstube des Rates eine Zeit großer Arbeit. Die Absage geschah

20. Das Zeitalter der Reformation, Das Jahrhundert des großen Krieges, Das Zeitalter der unumschränkten Fürstengewalt - S. 174

1900 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
174 Eine Chronik von Stendal berichtet: „Anno 1636 bis 1638. Nachdem durch den fortwährenden Krieg alles ausgezehrt und vollends auf dem Lande und Felde zertreten oder auch die Saat in Zeiten verhindert worden war, galt endlich der märkische Scheffel Roggen zu Stendal und anderen Orten bis 21/2 Reichsthaler. Viele Leute aßen die wilden Feldrüben und andere Wurzeln aus der Erde, machten Eckern, Kohlstauden und Kleien zusammen und aßen das für Brot. O, wie waren da der Armen so viel! Etliche vom Lande hereingeflüchtete Leute, Junker, Prediger und Bauern, nachdem sie ihre Kleider und übrigen Kleinode für Brot hingegeben, starben verschmachtet und verhungert oder an der Pest dahin. Auch Soldaten, die im Quartier lagen, starben vor Hunger, und etliche aßen das Aas von Pferden u. dergl. Hierüber liefen noch vollends ans dem Lande hinweg, welche von der Pest übrig geblieben waren. Und kam es so weit, daß auf zwei, drei, vier Meilen kaum ein Landprediger zu bekommen war, bis acht oder zwölf Dörfer wieder einen nahmen. O, wie manches Kind ist zu der Zeit in den Wäldern von fremden Predigern getauft worden, etliche wohl auch ohne Taufe gestorben. Etliche Dörfer und Kirchen wurden so gar in diesem Kriege verwüstet, daß fast nichts zu sehen, ob in hundert Jahren Leute daselbst gewöhnet. Also liefen die Leute voneinander, und blieb kaum der zehnte Teil Menschen übrig,, nachdem sie sich hernach wieder einbanden." Der Superintendent Backmeister zu Güstrow entwirft von den Leiden, feiner Heimat folgendes Bild: „Wieviel heiße Klagen vernimmt man nicht über tyrannische Bedrückung, über unaufhörlichen Raub, über maßlose Erpressungen, über den Mord von Edlen und Unedlen, über Niederbrennen von Höfen und Dörfern, über Wegtreibung des Viehes, über Abschneiden von Nasen und Ohren und andere schändliche Verbrechen! Man schaudert, zu berichten von dem, was an Kirchen und Geistlichen, ja selbst an den Gebeinen der Entschlafenen ist verübt worden. Denn in diesem Kriege, wo das Soldatengesindel jede Furcht Gottes von sich abgeworfen hat, richtet sich der räuberische Angriff in der Regel zuerst aus die Kirchen. Gewaltsam werden dieselben erbrochen, trotz des Flehens der Prediger ausgeplündert und in Pferdeställe verwandelt; die Kanzeln werden umgestürzt, die Kirchenstühle zerschlagen, die Fußböden, um nach verborgenen Schützen zu suchen, aufgebrochen, die kirchlichen Gewänder