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1. Freiburger Lesebuch - S. 81

1912 - Freiburg im Breisgau : Troemer
— 81 -- Geld. Im Breisacher Zug aber fahren die Blumenkinder vom Kaiserstuhl heim und freuen sich, daß der schwere lange Morgen zu Ende ist, der für sie schon kurz nach Mitternacht begonnen hat. Ans dem Münsterplatz ist's still geworden. Der Brunnen rauscht, und die Bächlein eilen lautlos durch ihre Kanäle. Jetzt sind die Kinder wieder allein Herr. Der Marktplatz ist zum Spielplatz geworden, am Gesimse des Brunnens hängen sie wie Frösche und platschen mit den Händchen im Wasser. Einige steigen sogar hinaus ans den Trog und blasen mit kräftigem Hauch in das eine der vier Rohre, so daß die anderen ihren Strahl weit hinaussenden und die am Brunnen spielenden Kameraden übergießen. Hinten in einer Nische des Münsters springen ein paar Mädchen über das „Hopsseil", indessen vorn ans den Steinfließen des Portals die Buben „Nibling" spielen und „Tanzknops" schlagen. Von drüben her, wo das Kornhaus steht, tönt lauter Kommandorns. Die Münsterplätzler Buben liegen mit den Herrenstrüßlern und Konviktsgäßlern im Krieg, und eben rückt eine Kolonne ab in den Kamps. Dämmerung senkt sich herab aus die Stadt. Draußen aus der Kaiserstraße lärmt und rauscht das Leben, als ob es keine Abendrnhe geben sollte. Droschken und Automobile, Lastwagen und elektrische Trams durchfahren die Fahrbahn, auf den Gehwege» drängt sich Arm und Reich in geschäftiger Eile. Hier aus dem Müusterplatz aber herrscht Abendfrieden und Stille. Vor den Häusern sitzen ans der niederen Fensterbank ein paar Nachbarn; ihre Kinder spielen am Bach. Die Wirte der Weinstuben stellen Tische, mit weißen Tüchern gedeckt, vor ihre Hänser. Unter Lorbeer-und Oleanderbäumeu sitzen die Bürger und trinken den köstlichen Landwein vom Kaiserstuhl und Glottertal und ans dem Markgräflerland. Fröhliche Studenten nehmen au anderen Tischchen im Freien Platz, lustig klingt von Zeit zu Zeit eines ihrer Lieder durch die Nacht. Ab und zu fährt noch ein Auto leise herein und bringt verspätete Gäste, au den Fenstern glänzen die Lichter auf, und in der milden Abendluft plaudern auf den Balkönen die Münsterplätzler miteinander. Aber nicht immer ist's so friedlich und angenehm da. Manchmal bläst der „Höllentäler" mit grimmiger Zugluft durch die Winkel und Ecken des Platzes und treibt die Plauderer und Weintrinker mit frostiger Hand in die Stuben zurück. Oben im durchbrochenen Helm des Münsterturmes braust und lärmt der Sturm wie ein riesiger unsichtbarer Eilzug der Lüfte, und in den Häusern am Platze stöhnt und seufzt er in den Kaminen wie ein unheimlicher Hausgeist. Wenn dann noch gar ein Regen einfällt, so mischt sich in all^den Lärm das klatschende Getöse der Münsterwasserspeier, die eine wahre Sündflut von Wassern auf das Pflaster niederprasseln lassen. In solchen Nächten ist es einsam auf dem unwirtlichen Platze, und nur der dunkle Körper des Münsterturmes, ans dem das Licht der Turmwächterstube friedlich herunterschimmert, gewährt dem Beschauer den Anblick seiner unerschütterlichen Ruhe. Droben aber, hoch über dem niederen 6

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1. Teil 1 - S. 199

1909 - Karlsruhe : Braun
199 Nr. 62. Waldvögel. Uogclvest. Rätsel. Ich kenne einen weiten Saal mit Säulen hoch und schlank, Viel Musikanten sitzen drin und spielen frei und frank. Auf grünen Polstern sitzt man da und hört in guter Ruh' Ganz ohne alles Eintrittsgeld froh dem Konzerte zu. Wie heißt er doch, der schöne Saal? Das sage mir geschwind Und rate hurtig, tvelches wohl die Musikanten sind! (Dieffenbach.) Die Sonne ist untergegangen, und die Nacht bricht herein. Still wird's auf den Straßen; die Menschen haben ihre Wohnnitgeit auf- gesucht, tlnd die Kinder sind nicht mehr bei ihren Gespieleit ans der Straße; sie sitzen mit den übrigen Hausgenossen aut Tische itiib ver- zehren das Abendbrot. Die Mutter strickt nach dein Essen Strümpfe für ihre Kinder; der Vater schreibt und rechnet, und die Kinder machen ihre Schulaufgabeit; nur das Möpschen hat sich hinter dem Ofen ein warmes Rnheplätzchen ausgesucht. Nnit sind die Kinder fertig, ein Weilchen plaudern sie noch; aber bald satten ihnen die Augen zu; der Sandmann ist da. Sie wünschen den Eltern gute Nacht und gehen zubette. Im Bette falten sie die Hände und sprechen ein Abendgebet. Dann schlafen sie ein. Bald wünschen sich auch die übrigen Halls- bewohner gute Nacht nnb legen sich zur Ruhe. Die Lichter siud nun erloschen, und tiefe Stille lagert über den Wohnungen der Menscheil. Still ist's nun auch in Feld und Wald. Die Tiere des Waldes haben ebenfalls ihr weiches Lager allfgesucht. Der Gesang der Waldvögel ist verstummt. Wo sind sie nun? (Neste). Sie haben auch ihre Wohnung aufgesilcht. Das Vöglein in dein Walde Das Kindlein in der Wiege, Schlüpft müde in sein Nest. Das schläft schon süß und fest. Das Nest ist die Wohnllilg der Vögel. Das Kind, das aus der Straße Plötzlich von einem starken Regen überrascht lvird, geht rasch ilach Hause; beim zu Hause findet es Schutz nnb Zuflucht vor dein Regenguß. Wo sucht der Vogel Schutz nnb Zuflucht vor Wind und Wetter? Das Nest ist seine Wohnuilg und sein Zilfluchtsort. Im Wald wohnen viele Vögel. Wie kann man diese Vögel heißen, weil sie im Wald wohnen? Waldvögel. Feldvögel. Stuben-

2. Theil 3 - S. 289

1861 - Hanover : Rümpler
- 289 154. Das Schloß Soncourt. Bon Chamisso. Gedichte. Leipzig 1831- S. 41. - Werke 3. Ausl. Leipzig 1852. Hi, 78- Ich träum' als Kind mich zurücke Und schüttle mein greises Haupt; Wie sucht ihr mich heim, ihr Bilder, Die lang' ich vergessen geglaubt? Hoch ragt aus schatt'gen Gehegen Ein schimmerndes Schloß hervor, Ich kenne die Türme, die Zinnen, Die steinerne Brücke, das Thor. Es schauen vom Wappenschilde Die Löwen so traulich mich an, Ich grüße die alten Bekannten Und eile den Burghof hinan. Dort liegt die Sphinx am Brunnen, Dort grünt der Feigenbaum, Dort, hinter diesen Fenstern, Verträumt' ich den ersten Traum Ich aber will auf mich raffen, Mein Saitenspiel in der Hand, Die Weiten der Erde durchschweifen Und singen von Land zu Land. Ich tret' in die Burgkapelle Und suche des Ahnherrn Grab, Dort ist's, dort hängt vom Pfeiler Das alte Gewassert herab. Noch lesen umflort die Augen Die Züge der Inschrift nicht, Wie hell durch die bunten Scheiben Das Licht darüber auch bricht. So stehst du, o Schloß meiner Väter, Mir treu und fest in dem Sinn Und bist von der Erde verschwunden, Der Pflug geht über dich hin. Sei fruchtbar, o theurer Boden, Ich segne dich mild und gerührt Und fegn' ihn zwiefach, wer immer Den Pflug nun über dich führt. 155. Rückkehr in die Heimat. Aus Hölderlin's Wanderer. Gedichte 3. Aufl. Stuttgart und Tübingen 1847. S. 148. Endlich kehr' ich zurück an den Rhein, in die glückliche Heimat, Und es wehen, wie einst, zärtliche Lüfte mich an, Und das strebende Herz besänftigen mir die vertrauten Friedlichen Bäume, die einst mich in den Armen gewiegt. Und das heilige Grün, der Zeuge des ewigen, schönen ^ Lebens der Welt, es erfrischt, wandelt zum Jüngling mich um. Seliges Land! kein Hügel in dir wächst ohne den Weinstock, Nieder ins schwellende Gras regnet im Herbste das Obst. Fröhlich baden im Strome den Fuß die glühenden Berge, Kränze von Zweigen und Moos kühlen ihr sonniges Haupt. Und wie die Kinder hinauf zur Schulter des herrlichen Ahnherrn, Steigen am dunklen Gebirg Vesten und Hütten hinauf. Friedsam geht aus dem Walde der Hirsch ans freundliche Tagslicht; Hoch in heiterer Luft siehet der Falke sich um. Aber unten im Thal, wo die Blume sich nährt von der Quelle, Streckt das Dörfchen vergnügt über die Wiese sich aus. Still ist's hier; kaum rauscht von fern die geschäftige Mühle, Und vom Berge herab knarrt das gefesselte Rad. Lieblich tönt die gehämmerte Sens' und die Stimme des Landmanns, Der am Pfluge dem Stier, lenkend, die Schritte gebeut, Colshvrn u. Gvedeke's Lesebuch Iii. jg • \

3. Deutsche Prosa - S. 272

1900 - Gera : Hofmann
272 Ferdinand Gregorovius. Die Glocken läuteten eben und verhallten, da wir an den Strand fuhren, auf dem Ufer aber stand ein Fifchermädchen, die Holzbank haltend, welche sie gleich in die Wellen hineinschob, als das Boot landete, damit wir trockenen Fußes ans Land kämen. Wie ich ans Ufer sprang, auf dies seltsame Capri, das ich mir im Norden so oft vorgestellt hatte, fühlte ich mich gleich wie zu Hause. Alles war still und verschwiegen, kaum ein Fischer war zu sehen, nur ein paar badende Kinder an einer Klippe, ein paar Fifchermädchen am User, die Felsen ringsumher ernst und still. In eine wilde und zauberische Einsiedelei war ich einge- treten. Und nun ging es von der Marina gleich aufwärts an einem steilen und mühsamen Pfade zwischen Gartenmauern nach der Stadt Capri. Tritt man in dieselbe, über einer hölzernen Brücke und durch das alte Thor, so hat man gleich das originellste Bild von Frieden, Be- dürfnislosigkeit und Kindlichkeit vor sich. Denn dort sitzen über den steinernen Stufen der Kirche auf einem ganz kleinen Platze Bürger in ihren Festkleidern und plaudern, hier spielen Kinder mit lärmender Fröhlichkeit, und der Platz selbst sieht aus, als hätten sie ihn im Spiel aufgebaut. Die Häuser sind klein, mit platten und in der Mitte ge- wölbten Dächern; fast über jedes schlängelt sich ein Rebenstock. Durch enge Straßen, die niemals ein Wagen befuhr, geht man zur Locanda des Don Michele Pagano, vor welcher ein Palmbaum seine majestätische Krone erhebt. Auch hier glaubt man in die stillste Einsiedelei einzukehren, in eine Herberge für Pilger mit Stab und Muschelhut. Kaum waren wir in unser Zimmer eingezogen, als uns ein mur- melnder Gesang wieder auf die Gasse trieb. Es war Sonntag, und eine Prozession durfte nicht fehlen. Aber wie bizarr und fremd war ihr Anblick! Sie gingen, Männer und Frauen, jene in weißen Kapuzen, diese in weißen Schleiern, hinter dem Kreuz einher. Um die Kapuzen hatten sie einen grünen Kranz aus den Zweigen des Brombeerstrauchs gewunden, und auch der Strick auf der Schulter zeigte, daß es um Buße zu thun war, denn die Prozession galt der Traubenkrankheit. So zogen sie mit Gesang durch die Straßen, und so heidnisch sahen diese dornbekränzten Gestalten ans, daß es schien, es sei dies ein Zug von Baechuspriestern, die zu einem Tempel des Dionysos zogen. Fast alle Männer trugen diese Kränze und auch solche, welche nicht in der Kapuze der Brüderschaft gingen. Bor allem fiel mir der Kopf eines alten Invaliden mit silberweißem Haar und Bart auf, der unter dem Brombeerkranz ganz und gar wie ein Satyr aussah. Hinter den Männern Frauen und Mädchen in langen Schleiern. Weil nun die Gassen so enge sind, daß nur zwei Menschen nebeneinander Raum haben, so waren sie, wenn die Prozession sie durchschritt, von einer Wand bis zur andern erfüllt.

4. Europa - S. 75

1897 - Leipzig : Wunderlich
— 75 — Wir werfen einen Blick hinein. Buntbemalte Teller hängen an den Wänden, in der Ecke befindet sich ein ganz niederer Herd. In der Mitte der Küche sitzt das Gesinde des Wirtes auf der ebenen Erde und ißt mit hölzernen Löffeln das Mittagsmahl. Wir treten nun in die Gaststube. Sie ist ungedielt. An den Wänden hängen Heiligenbilder. Ans langen Bänken sitzen Bauern um einen großen Tisch herum. Sie sind auf der Fahrt nach Budapest begriffen und halten hier kurze Rast. Sie raucheu aus kurzen Thonpfeifen und sprechen dem roten Landwein tüchtig zu. Sie plaudern von dem Streite, der gestern hier in der Csarda getobt hatte. Bauern und Hirten waren in Streit gekommen, Knüttel und Peitschen durchsausten die Lust und machten blutige Köpfe, bis der Wirt mit seiner Flinte mitten hinein in die Wütenden sprang und sie auseinanderriß. Nachdem wir uns am roten, feurigen Ungar- wein gestärkt haben, besteigen wir unfern Wagen wieder, und weiter gehts dem Dorfe zu, aus dem die Bauern stammen, die wir in der Csarda trafen. Nach einstündiger Fahrt haben wir es erreicht. Es be- steht aus elenden Lehm- und Schilfhütten, die in breiten Gassen stehen. Von diesen Häusern gleicht eins dem andern. Zwei Fenster in der Vorderwaild schaffen Licht. Der kleine Giebel ist durch Maisbüschel verdeckt. Vor dem Hause steht eine hölzerne Bank; auf ihr fitzt abends der magyarische Bauer, raucht seine Pfeife und streicht seinen Schnurr- bart. Still und leer ist es in den breiten Gassen. Nur Gänse und Schweine zeigen sich. Die meisten Männer sind heute nicht daheim. Sie leiten einen mit Pferden und Ochsen bespannten Wagenzug nach Pest und bringen so die Erzeugnisse ihrer Felder, insbesondere den schweren Weizen, den sie erbaut haben, aus den Markt. Wir trafen einige von ihnen ja noch in der Csarda. Nach kurzem Aufenthalte setzen wir unsere Reise fort. Wiederum geht es hinaus in die weite Pußta. Der Boden ist jetzt etwas besser und zeigt stellenweise üppigen Graswuchs. Bald fahren wir vorüber an zahllosen Rinderherden, umkreist von zottigen, weißhaarigen Hunden und überwacht vom Gulyas sspr. Guljasch). Der Gulyas oder Rinderhirt ist beritten wie der Roßhirt und gleich abgehärtet wie dieser gegen die feuchte Kühle der Morgennebel, wie gegen die entsetzliche Hitze des Sommers. Wir treffen eine solche Herde am Brunnen. In langen Zügen trinken die Herden aus den bereits gefüllten Tränkrinnen, und die Hirteu wehren dem Stoßen und Drängen der dürstenden Tiere. Die Sonne neigt sich zum Sinken. Die Dämmerung breitet sich über die weite Fläche. Sieh, da leuchten helle Feuer auf und stechen grell vom nächtlichen Himmel ab. Wer entzündete sie? Die Hirten waren es. Sie häuften Schilf, Mist und dürres Gras zusammen und brannten es an, um sich Speck zum Nachtmahl zu bereiten und sodann bei der lodernden Flamme zu plaudern und zu spielen. Erst spät in der Nacht verglimmen die Feuer, und dann umfängt erquickender Schlaf

5. Enthaltend die vierte Stufe: Europa - S. 301

1872 - Glogau : Flemming
— 301 — und es rollen die Schollen im Haidegrund, und meine Sporen stacheln es wund, und die Peitsche in meiner linken Faust laut knallend um seine Hüfte saust: — So zähmet der Janko das wilde Roß, und jubelnd umringt mich der bunte Troß. C. Beck (Janko, der ungarische Roßhtrt). 9. Das Ungarrößlein. „Ungarrößlein, Ungarrößlein, weh, ach weh, mit dir ists aus, muß dich nun zum Tode führen, führen nach des Freimanns Haus. Warst so treu seit sieben Jahren mein Gefährte Tag und Nacht, hast mit mir durchstürmt, durchbrauset manche kecke Reiterschlacht. Ach, und nimmer zu erretten bist du von des Siechthums Noth, und, o bittre Schmach, vom Henker muß nun werden dir der Tod." Also jammert, tiefe Furchen auf der Stirne, der Husar; gleich, als ob es ihn verstände, schaut das Roß ihn an fürwahr. Schwankt sodann gesenkten Hauptes langsam hinterm Reiter fort, bis sie beide, still und traurig, stehen an dem grausen Ort! Heftig lärmt und pocht der Reiter dort den Freimann aus dem Haus, und doch schauderts ihn, als dieser tritt zur Niedern Thür heraus. Und er flieht in aller Eile, um das Grause nicht zu sehn; plötzlich aber bleibt er wieder, ohne es zu wollen, stehn. Und er horcht. — Nur tiefe Stille, kaum im Winde rauscht die Saat, und aufs Neu', gleich einem Mörder, eilt er hin auf ödem Pfad. „Wohl schon naht dein kalter Würger dir, mein muthiger Wallach, streichelt dich, indeß dein Auge schaut dem Herrn, dem flüchtgen, nach. Jetzt umfaßt er deine Mähne, ach, schon zuckt zum Stoß die Faust!" Horch, was ist's, das hinterm Reiter plötzlich kommt dahergebraust? Leichte Hufe hört er schlagen schallend auf das Kiesgestein, 's ist ein Roß, im tollsten Jagen fliegt's heran den Straßenrain. Und zurück der Reiter blicket, Himmel! — 's ist sein eignes Roß, schon im Hals die Todeswunde, draus das Blut, das Leben floß. „Nehmt dies Roß und macht es schnelle!" l Hoch den Kopf, im Flug die Mähne, spricht zu ihm der Reiter dann, sprengt's mit letzter Kraft herbei; blickt noch einmal auf das treue dem's im Leben treu gewesen, Thier und flieht, so rasch er kann. dem ist's auch im Tod noch treu. Schnauben hört er noch sein Rößlein, gleich als sagt' es: fahre wohl! doch sein Aug' nicht mag er wenden, ist ja auch von Thränen voll. Seht, schon hat es den Husaren eingeholt in hast'gem Lauf, ach, da stürzt es hin zur Erde, und nicht wieder steht es auf. Bei dem todteu Rößlein aber steht noch dieser lang' und weint, weint, als wäre ihm geschieden eben jetzt der treuste Freund. I. N. Vogl.

6. Teil 2 = 4., 5. u. 6. Schulj - S. 289

1912 - Halle a.S. : Schroedel
schon Abend! Sieh, die Sonne ist schon ganz feuerrot geworden; nicht lange wird's dauern, und sie geht in das Wasser hinunter. Ach, das wird hübsch aussehen! Vielleicht spiegelt sie sich auch im Wasser, und dann haben wir zwei Sonnen, eine deutliche und eine wackelige. Und dann kommen die beiden immer dichter zusammen, und zuletzt laufen sie vor Freude ineinander, und dann ist's wieder eine Sonne. Und die wird immer kleiner und eckiger; nun noch ein ganz kleines Stück — da! weg ist es. Nun wird's bald dunkel; dort oben schimmert schon ein Sternlein. Das guckt nun wohl auch zu Hause ins Fenster und sieht zu, wie die Mutter den Tee einschenkt. Ja, deine Tasse bleibt heute im Eckschrank stehen, du bist nun auf dem großen Wasser; und wenn du auch gern wolltest, nach Hause hinlaufen kannst, du doch nicht. Aber du bist ja ein mutiges, lustiges Kind; du wirst diese Nacht schön schlafen, als wenn du zu Hause in deinem Bette lägest. Hör, jetzt wird mit der Glocke geläutet! Wir sollen hinunterkommen zum Essen. Da wollen wir's uns noch recht gemütlich machen und mit den anderen Reisenden sprechen und zuhören, wenn sie was erzählen... 6. Ja, das war recht schön beim Essen. Und so gemütlich warm, wie's da unten war! Nur gut, daß wir unsere Mäntel mitgebracht haben; es ist schon recht frisch geworden. Und dunkel ist's geworden! Und mit Him- mel sind schon viele Sterne. Bald wird's Nacht werden. Siehst du drüben das helle Licht? Das kommt von einem Leuchtturm. Wo der steht, da ist nun das Land, da sind die Häuser, und da wird jetzt bei der Lampe ge- lesen, gearbeitet und erzählt. Wie weit das doch von uns weg ist! Ja, wir sind ganz allein hier auf dem Wasser. Wir wollen uns so einen großen Zeugstuhl nehmen; darin kann man so sitzen, als wenn man liegt. Und da wollen wir den kleinen Leuchtturm angucken und die Sterne, und zu- hören wollen wir, wie die große Dampfmaschine unten im Schiff bum- mert und zittert. Die steht nun gar nicht still; den ganzen Tag und die ganze Nacht, in einem fort drehen sich die Räder und schieben die Stangen hin und her. Und oben auf der Brücke steht der Kapitän und wacht die ganze Nacht, daß wir ruhig schlafen können. Und so geht die Reise weiter, immer weiter. Fritz Gansberg, 169. Im Zeebade. 1. Ferienzeit und verreisen! Gibt es etwas Schöneres auf der Welt? Der erste Ferientag ist da! Nun heißt es Koffer packen und Wäsche zu- sammenlegen und den Wagen bestellen und alles zurechtmachen für die Abreise. Die Eisenbahnzüge sind überfüllt, und nach allen Winden fahren Väter und Mütter und Kinder hinaus in die weite Eotteswelt. Sie wollen auf Berge steigen und durch Wälder wandern, Städte besehen, Ver- Niedersächsisches Lesebuch für Mittelschulen Teil Ich 1913. lg

7. Für Oberklassen - S. 78

1893 - Altenburg : Bonde
78 Kiitsel. Ein Glöcklein ist mir wohlbekannt, Es schimmert hell im ganzen Land; Aus Silber scheint es dir gegossen, Doch ist es aus der Erd' entsprossen. Mit einem Klöppel ist's verseh'n, Doch hörte niemand sein Getön. Auch ist's auf keinem Turm gehangen, Es kann nur in der Tiefe prangen. 85. Frühlingsglocken. 1. Schneeglöckchen thut läuten! Was hat das zu bedeuten? — Ei, gar ein lustig Ding! Der Frühling heut' geboren ward, Ein Kind der allerschönsten Art; Zwar liegt es noch im weißen Bett, Doch spielt es schon so wundernett. D'rum kommt, ihr Vögel, aus dem Süd Und bringet neue Lieder mit! Ihr Quellen all', Erwacht im Thal! Was soll das lange Zaudern? Sollt mit dem Kinde plaudern! Was hat das zu bedeuten? — Frühling ist Bräutigam, Macht Hochzeit mit der Erde heut' Mit großer Pracht und Festlichkeit. Wohlauf denn, Nelk' und Tulipan, Und schwenkt die buntehochzeitfahn'! Du Ros' und Lilie, schmückt euch fein, Brautjungfern sollt ihr heute sein! Ihr Schmetterling' Sollt bunt und flink Den Hochzeitreigen führen, Die Vögel musizieren. 3. Blauglöckchen thut läuten! Was hat das zu bedeuten? Ach, das ist gar zu schlimm! Heut' Nacht der Frühling scheiden muß, D'rum bringt man ihm den Abschiedsgruß, Glühwürmchen zieh'n mit Lichtern hell, Es rauscht der Wald, es klagt der Quell, Dazwischen singt mit süßem Schall Aus jedem Busch die Nachtigall, Und wird ihr Lied Sobald nicht müd', Ist auch der Frühling schon so ferne; Sie hatten ihn alle so gerne. 86. Die Blüte des Kirschbaums. Sieh' dir einmal die Blüte des Kirschbaums an! Gewiß wird dir die Kirsche noch einmal so gut schmecken, wenn du sie mit Verstand ge- nießest, das heißt, wenn du weißt, wie es zugegangen ist, daß aus dem Knöpfchen, grün wie Gras, ein Schüsselchen, weiß wie Schnee, und eine Kugel, rot wie Blut, wird. Die Kirschblüte ist ein neugieriges und lebenslustiges Geschöpf. Mit allzeit offenen Augen will sie sehen, was rings um sie her vorgeht, und will mit allezeit offenem Munde Luft und Sonnenschein, Regen und Tau schlucken. Darum versteckt sie sich nicht unter ihre Spiel- und Hausgenossen, die Blätter, sondern setzt sich ans ein Stühlchen, das zwar

8. Theil 1 - S. 391

1875 - Leipzig : Brandstetter
391 und Silber fallen mit gutem Klange in die Näpfe, und die Aermsten scheinen die bereitwilligsten Geber zu sein. Es scheint immer Jahrmarkt zu sein, so groß ist die Zahl der Buden und Zelte. Nach der Seine zu macht die Schaulust der Eßlust Platz- Auf glühenden Kohlenbecken oder scharf geheizten Oefen werden papier- dünne Waffeln und improvisirtes Krausbrod oder in Fett schmorende Kar- toffeln und duftende Bratwürste oder die stets beliebten Cotelettes zuge- richtet, der kalten Speisen und des unentbehrlichen Salates zu geschweigen. Obst von allen Sorten und Gebäck in allen Formen, in Körben umher- getragen. Wein, Bier und Kaffee fehlen nicht. Doch begnügen ffch Viele mit Cpcy, einem aus Wasser und Süßholz bereiteten Getränk, dem bis- weilen ein Ausguß von Citronenschale beigemischt ist. Mit Einbruch der Nacht erscheinen überall Lichter und Lampen, nah gerückte Reverberes säumen beide Seiten der großen Fahrstraße ein. Kein Verkäufer ist so arm, er zündet ein Lichtchen an; auch vor dem Geiger und Flötenbläser brennt eins zu seinen Füßen. — Die Marionettentheater und alle Schau- stellungen schmücken sich mit weißem und buntem Lichte, je nach Verhältniß ihrer Größe und der Zahl ihrer Gäste. Die drei großen Cafs's aber, die zugleich Restaurationen sind, hängen ihre prächtigen Lampenguirlanden aus, oder es erscheint ein gewaltiger Adler mit gebreiteten Flügeln in Brillantenschmuck, und aus den blumengeschmückten Pavillons erschallen lockend die Stimmen der Sänger und Sängerinnen, das Lachen und Ge- plauder der Menge einen Augenblick unterbrechend. Paris und die Blague. Ich schlug den Mantel fester um die Schultern, denn der Wind blies kalt aus Nordwest und fegte mir den Sprühregen in's Gesicht, da ich, um nach der Passage de l'opera zu gehen, den Pont au Change vom Palais de Justice her passirte. Nichts treibt mehr zur Eile an als solch' feuchtes Januarwetter, dessen unbehagliches Zwitterwesen uns am Winter irre werden läßt; man möchte, wie der Meister in Maria Magdalena, zur Natur sagen: ich verstehe die Welt nicht mehr. Aber indem ich den Platz du Chatelet kreuzte, wurde unwillkürlich meine Aufmerksamkeit durch eine dichte Gruppe angezogen, die sich unweit der Siegessäule um ein mit zwei Schimmeln bespanntes Fuhrwerk drängte. Es war ein Wagen mit zwei Abtheilungen, wie man ihn wohl im Gefolge von Kunstreitern sieht, der vordere Theil ein Mittelding zwischen einem Kutscherbocke und einer kleinen Tribüne, von der herab ein Mann im schwarzen Frack die Menge haranguirte. Oben, auf der Imperiale des Gefährtes, schlug ein kleiner, in eine Hanswurstjacke gesteckter Bube die Trommel und gab damit den Tact und Grundton für zwei erwachsenere Musikanten in ähnlichem Coftüm an, die aus ausgedienten Blechinstrumenten ohrenzerreißende Stu- dien trieben. Ihre künstlerischen Bemühungen wurden mit glänzendem Erfolg gekrönt, denn sie machten, trotzdem daß die Lust mit Wasserdampf

9. Teil 2 - S. 108

1914 - Leipzig [u.a.] : Teubner
108 Neue Strömungen 3. Der rechte Frühlingstag. Das ist der rechte Frühling nicht, wenn alle Welt von: Frühling spricht. Der Frühling ist ein holdverstohlen getauschtes Wort, mit Herzenspochen 5 von zwein am Gartenhag gesprochen, ein Händedrücken süß verhohlen, gleich einem Bande, das im Spiel, drin es dem liebsten Kind entfiel, geheimnissroh in Jugendhast io eine beseligte Hand erfaßt, die ihre Wonne nun verborgen entgegenträumt dem nächsten Morgen. Der Frühling ist ein süß erschrocken, kaum grüßendes Vorübergehn, i5 ein göttlich stilles Auferstehn schon früh vorm Schall der Osterglocken. Und was kein Lied erklären mag, das ist der rechte Frühlingstag. 4. Psyche. O komm, Geliebte! So bat ich flüsternd und bedachte nicht, daß du bei mir seist. 5 Denn es umfließt mich von allen Seiten wie Duftgewand die verweilende Stunde: das bist ja du, io dein geliebter Odem, deine Gegenwart. Nun stille, stille, daß nicht ein Lispeln, ein Beben der Lippen i5 das Heilige störe und es entfliehe; nur unbeleidigt blühet es ewig. 5. Elysium. Und ist's mit dieser Welt hemm, und komm' ich ins Elysium: meiner Ahne Haus muß mit hinein, sonst mag ich nicht darinnen sein. Hinter dem Hause muß am Hag 5 die Sonne lagern den ganzen Tag, daß golden durch der Blätter Luken wie Engelsbacken die Kürbis gucken, daß die Nachbarn wieder herüberschaun, die Arme aufgestemmt am Zaun, io wie sie am Sonntag aus den Pfeifen lassen die blauen Wolken schweifen; lustige Mägde ziehen am Haus in weißer Schürze den Weg hinaus; und draußen schütteln am Gartensaum 15 wir Buben den frühsten Birnenbauni. So sei es im Elysium, sonst scher' ich mich den Teufel dmm. 6. Glückliche Seelen. Frisch treibt's der Gesell auf dem Zimmerplatz und drüben am Rain sein flinker Schatz. Die Balken, die wollen gezimmert sein und gebleicht die Linnen im Sonnenschein. Und heimlich im Baum ihr Nestlein baut 5 die emsige, selige Finkenbraut; ihr Bräutigam aber jubelt drein, als säng' er sein Herz in die Welt hinein. Und droben weiß es der himmlische Tag, was die Seelen da unten entzücken mag. io 7. In der Kirschenblüt'. Draußen am Platz in der Kirschenblüt' beim Bronnen hat mich geherzt mein nicht zu singen und sagen. sschatz, Ach wie herrlich im Sonnenschein 5 rauschte derquell!—Daß dich Gott behüt', trink ihn, selige Kirschenblüt', samt der Sonne ins Herz hinein; goldene Früchte wirst du tragen, wo draußen am Platz io in der Kirschenblüt' beim Bronnen mich hat geherzt mein nicht zu singen und sagen. sschatz,

10. Teil 3 = 6. u. 7. Schulj - S. 139

1911 - Breslau : Hirt
139 und übertrieben sie manchen: klingen, sie werden dennoch beinahe übertroffen von der wahren und wirklichen stunde, die der alte Lehrer mit der Hornbrille laut und vernehmlich vorliest, so oft wieder ein neuer Sieg errungen ist. 2. Heute sind nicht blosz Mädchen und Frauen am Brunnen versammelt, nein, auch Männer und Burschen genug. Sie kommen noch herbeigelaufen aus den Türen, Alte und Junge, selbst Lahme und Krüppel; denn hoch oben auf der Tonne steht wieder der Lehrer und liest mit weitschallender Stimme: Der Königin Augusta, Berlin. Vor Sedan, 2. September, y22 Uhr nachmittags. Die Kapi- tulation, wodurch die ganze Armee in Sedan kriegsgefangen, ist soeben mit dem General Wimpffen abgeschlossen, der an Stelle des verwundeten Marschalls Mac Mahon das Kommando führt. Der Kaiser hat nur sich selbst mir ergeben, da er das Kommando nicht führt und alles der Regentschaft in Paris überlätzt. Seinen Aufenthaltsort werde ich bestimmen, nachdem ich ihn gesprochen habe in einem Rendezvous, das sofort stattfindet. Welch eine Wendung durch Gottes Führung! Wilhelm. So las der Lehrer. Da war's zuerst ganz still über der Ver- sammlung; nur der Brunnen rauschte im beifälligsten Gemurmel. 3. Aber jetzt bricht's um so lauter los, ein allstimmiger Jubelruf! Die Buben schreien: Rapolium gefangen! Die Mädchen kreischen: Die Franzosen sind alle geworden! — Die Besonnenen wollen's noch einmal hören. Es ist zu groß und zu köstlich, dies teure Königswort; man kann sich gar nicht satt daran hören, so echt königlich, weil es so demütig, so gläubig ist. Da werden Augen feucht, die es lange nicht geworden. Da wallen Herzen auf, die sonst nichts aus der alltäg- lichen Ruhe bringt. „Binder," ruft der alte Lehrer, „Kinder, die Hüte herunter! Zuerst Gott die Ehre!" Und nun stimmt er an: „Run danket alle Gott!" — und sie stimmen alle ein. Das ist ein Singen und ein Klingen aus tiefster Brust. Und der Brunnen rauscht dazu wie Orgelton, und ein Vogel hoch oben in der Linde schmettert drein wie der Zimbelstern30, wenn sie in der Kirche singen: „Wie schön leucht't uns der Morgenstern!" — „Kinder," hebt der Lehrer wieder an, „zuerst dem himmlischen und nun dem irdischen König die Ehre, dem Teuern und Einzigen, unsern: lieben Herrn Wilhelm! Er lebe hoch mit seinem ganzen Hause!" — Und wieder schallte es hin aus tief bewegten Menschenherzen, wieder rauschte der Brunnen, wieder schmetterte das Vöglein. —

11. Abt. 1 - S. 13

1886 - München : Oldenbourg
12. Kind und Kuckuck. — 13. Plaudere nicht in der Schule! 13 Nummer zwei: zwei feine Ohren, Daß mir nichts kann geh'n verloren; Nummer drei: ein lauter Mund, Der da spricht aus Herzensgrund, Aber auch nichts eher sagt, Bis der Lehrer hat gefragt, Daß ich auch, wenn ich bin brav, Spielen kann und ruhig schlaf'! 12. Kind und Kuckuck. Mag heute nicht in die Schule hinein, kann hier draußen viel lustiger sein, muß da still sitzen imb stumm; hier hüpf' ich munter im Grase herum! So sagt das drollige Bübchen dort, will eben die Bücher werfen fort. Da ruft der Kuckuck vom Bauin ihm zu: „Thu' das nicht, mein lieber Junge, du! Ich wollte auch nicht fleißig sein; nun muß ich im- mer dasselbe schrei'n. Geh' gern in die Schule, und werde du klug; zum Hüpfen und Spielen hast Zeit genug!" 13. Plaudere nicht in der Schule! Stille, stille, mäuschenstill, weil's der Lehrer haben will; denn die Kinder sind noch klein, müssen immer folgsam sein. Gute Kinder folgen gern, und das Plaudern bleibet fern; darum schweiget, habet acht; höret, was der Lehrer sagt!

12. Teil 4 = Kl. 5 u. 4 - S. 184

1918 - Bielefeld [u.a.] : Velhagen & Klasing
184 Pate, „das ist schon so was! Der Wurm raucht Tabak! Spring, Bub'!" — Und wir liefen die entgegengesetzte Seite des Berges hinunter. Gegen Abend kamen wir in die Niederung, doch — entweder der Pate war hier nicht wegkundig, oder es hatte ihn die Neugierde, die ihm zuweilen arg zusetzte, überlistet — anstatt in Maria-Schutz zu sein, standen wir vor einem ungeheuern Schutthaufen, und dahinter war ein kohl- finsteres Loch in den Berg hinein. Das Loch war schier so groß, daß darin ein Haus hätte stehen können, und gar mit Fleiß und Schick aus- gemauert; und da ging eine Straße mit zwei eisernen Leisten daher und schnurgerade in den Berg hinein. Mein Pate stand lange schweigend da und schüttelte den Kopf. Endlich murmelte er: „Jetzt stehen wir da. Das wird die neumodische Landstraße sein. Aber derlogen ist's, daß sie da hineinfahren!" Kalt wie Grabeslust wehte es aus dem Loche. Weiter hin gegen Spital in der Abendsonne stand an der eisernen Straße ein gemauertes Häuschen; davor ragte eine hohe Stange, auf dieser baumelten zwei blut- rote Kugeln. Plötzlich rauschte es an der Stange, und eine der Kugeln ging wie von Geisterhand gezogen in die Höhe. Wir erschraken daß. Daß es hier mit rechten Dingen nicht zuginge, war leicht zu merken. Doch standen wir wie festgewurzelt. „Pate Jochem," sagte ich leise, „hört Ihr nicht so ein Brummen in der Erden?" — „Ja freilich, Bub'," entgegnete er, „es donnert was! es ist ein Erdbeben." Da tat er schon ein kläglich Stöhnen. Auf der eisernen Straße heran kam ein kohlschwarzes Wesen. Es schien anfangs stillzustehen, wurde aber immer größer und nahte mit mächtigem Schnauben und Pfustern und stieß aus dem hochgehobenen Rachen gewaltigen Dampf aus. Und hinterher — „Kreuz Gottes!" rief mein Pate, „da hängen ja ganze Häuser d'ran!" Und wahrhaftig, wenn wir sonst gedacht hatten, an die Lokomotive wären ein paar Steirerwäglein gespannt, auf denen die Reisenden sitzen konnten, sahen wir nun einen ganzen Marktstecken mit vielen Fenstern heranrollen, und zu den Fenstern schauten lebendige Menschenköpfe heraus, und schrecklich schnell ging's, und ein solches Brausen war, daß einem der Verstand still- stand. Da hub der Pate die beiden Hände empor und rief mit ver- zweifelter Stimme: „Jessas, Jessas, jetzt fahren sie richtig ins Loch!" Und schon war das Ungeheuer mit seinen hundert Rädern in der Tiefe; die Rückseite des letzten Wagens schrumpfte zusammen, nur ein Lichtlein davon sah man noch eine Weile, dann war alles verschwunden, bloß der Boden dröhnte, und aus dem Loch stieg still und träge der Rauch. Mein Pate wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß vom Angesicht und starrte in den Tunnel hinein. Dann sah er mich an und fragte „Hast du's auch gesehen, Bub'?" — „Ich hab's auch gesehen." — „Dann kann's keine Blenderei gewesen sein," murmelte der Jochem.

13. Lesebuch für städtische und gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 4

1910 - Wittenberg : Herrosé
4 liederlich Sprichwort. Laßt ihr das Holz wachsen; das ist ein Segen Gottes, wenn's wächst. Aber eure Schulden laßt nicht wachsen; denn sie wachsen euch bankerott. Anfangen ohne Schulden ist ein großer Segen; fortsetzen ohne Schulden ist ein noch größerer; -endigen ohne Schulden ist der größte. Aber ich habe auch Leute -gekannt, die mit Schulden anfingen und das wurde auch zum Segen; denn sie strebten, dieselben zu bezahlen, weil sie die Qual der Schulden fühlten, und hüteten sich vor neuen. 4. Behaltediefreudeimhause! Das klingt selt- sam, und doch ist's gar viel wert. Es ist keine Freude erquickender als die, an der Frau und Kinder teilnehmen. Auch der Handwerks- mann und der treue Arbeiter soll und muß seinen fröhlichen Tag einmal haben, aber nur keinen blauen Montag. Wenn man am Sonntag in der Kirche gewesen ist, gebetet und in Gottes Wort ge- lesen hat, so ist der Nachmittag nicht entweiht, wenn der Hausvater sich mit Frau und Kindern eine unschuldige Freude gönnt im Hause oder durch einen Gang ins Freie. Geht er aber allein ins Wirts- haus, so trägt er die Freude aus dem Hause fort. W. ortet. 4. Die Macht des Gebets. Ich hatte spät das Dorf erreicht, der stille Mond ans Fenster schleicht, er leuchtet mit gar fahlem Schein der Schenke in die Stub' hinein; er sitzt am rauhen Boden fest, betrachtet Zimmer sich und Gast'. Unheimlich sah es drinnen ans, ich wünschte fast, wär' wieder drauß'i Ein toller Lärm, ein Toben, Fluchen, ein sündhaft freches Gottversuchen! Bei Würfeln, Wein und Kartenspiel gedenket ntan des Herrn nicht viel. Ich war schon hoch herabgekommen vom Felsgebirg, von Wald und Schlucht, hatt' müd' die Herberg' hier ge- uomnteu — das Schiffleiu drängt zur sichern Bucht. Wie blühet draußeu Lenzesschimmer, wie tönt ein Lied in Feld und Flur der neuerstaudenen Natur; wie singt die Lerche, rauscht der Quell, wie friedlich dort, wie klar und hell — und wie so anders hier im Zimmer! Drei wilde Gesellen, von Antlitz rauh, die Stirne gefurcht, das Auge schlau und jeder Zug von Schuld entstellt die hatten sich zum Spiel gesellt. Die Karten gehn von Hand zu Haitd, bald ist des Zorues Glut entbrannt, und was das Spiel nicht tut — der Wein trägt Gift genug ins Herz hinein. „Und ivas ist Trumps?" — „Ha! diese sticht!" Bald wieder in tollen Lärmen bricht der pflichtvergessene helle Haus', setzt manchen derben Fluch uoch drauf. „Eiu böses Wetter schlag' hinein, wenn dieser Stich nicht mir soll sein!" Und schon um eines Groschens willen sah ich vom Winkel dort, dem stillen, den einen von den drei Gesellen rollenden Auges, sluchbereit, als gäb' es keine Ewigkeit, sich drohend mit dem Messer stellen. Da plötzlich ändert sich die Szene! Wie festgebannet stehen jene, als eine Magd, geschäftig, rege, in treuem Dienste niemals träge, des Wirtes Abendsnppe bringt,

14. Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde - S. 155

1863 - Essen : Bädeker
155 erdröhnte jener fürchterliche Donner wieder, unv zusammenbrach ein Stück von der Wand unseres Kerkers. Frei von den Ketten, flog ein Theil von uns, in einzelne Steine zerstückelt, heraus, ich mit, aber vom Schreck wurde der eine hierhin, der andere dorthin geworfen. Mir war Hören und Sehen vergangen. Als ich wieder zur Besinnung kam, sah ich Männer vor mir stehen, die hielten Lampen in der Hand und waren in Leinwand von schwarzer Farbe gekleidet. Aus dem Kopfe trugen sie einen grauen Filzhut ohne Krempen, und einige von ihnen hatten spitze Eisenstäbe und Hämmer. Der Schein ihrer Lichter machte es so hell, daß ich mich nun auch umsehen konnte, wo ich denn eigentlich war. Ich lag noch immer unter der Erde, aber in einem großen, hohlen Felsenraume, in dem ein Haus gewiß Platz gehabt hätte. Meines Gleichen lagen noch viele aus dem Boden des Felsengewölbes. Nicht lange, so stellten sich die schwarzen Männer längs der Felswand auf, das spitze Eisen in der einen Hand, den Hammer in der andern. Das Klopfen ging von neuem los, indem sie nach dem Takte mit dem Hammer auf das Eisen schlugen und dadurch Löcher in die Felswand bohrten. Als diese tief genug waren, füllten sie dieselben mit Pulver an, verschwanden plötzlich und versteckten sich in Felsengängc. Einige Augenblicke war es todtenstill, doch bald blitzte das Pulver auf, und rasch folgte der Donner hinterdrein. Eine Menge Gefangene prasselten wieder aus ihrem Gefängnisse heraus. Das ging Tag für Tag so fort. Eines Tages lud uns ein Mann in einen Karren und fuhr uns in einem unterirdischen Felsengange ent- lang, der sehr schmal und so niedrig war, daß sich der Mann etwas bücken mußte. Dieser Gang führte nach einem andern Gange, der höher und breiter war, als der erste. Hier floß Wasser hell und klar, and auf dem Wasser stand ein Kahn, der uns aufnahm. Der Mann setzte sich mit seiner Lampe auf uns, und wir fuhren so in dem dunkeln Gange lange Zeit fort. Du hast neulich hier am Nähtische deiner Gespielin auch von einer Wasserfahrt erzählt, aber bei meiner Fahrt wäre es dir gewiß etwas unheimlich geworden; denn da drunten blühet kein Vergißmeinnicht an dem Wasser, da singt keine Schwalbe, da schwimmt kein Fischlein munter auf und ab. Dumpf rauschte das Wasser unter dem Kahne, und stieß er an die Felsenwände, so dröhnte rs hohl, wie in einem Grabe. Ich weiß nicht mehr, wie lange wir fuhren. Endlich hielt der Kahn an. Ein großer Eimer kam an einem Seile wie in einem Brunnen herunter; in diesen wurde ich mit mehre- ren meiner Gefährten geladen, und der Eimer dann in die Hohe ge- wunden. Unser Kahn muß recht tief unter der Erde gestanden haben; denn es währte lang, ehe wir ans Tageslicht kamen. Bei unserer Ausfahrt geleitete uns anfangs der Schein des Lichtes im Kahn, aber bald ging es ganz im Dunkeln weiter. Ich wünschte mir im Stillen ein „Glück auf!", wie ich's oft von den Männern gehört hatte, wenn sie zu Tage fahren wollten. Allmählig stng es an zu dämmern, und mit jedem Schritte höher, wurde es Heller und Heller, bis uns das Sonnenlicht ganz beschien.

15. Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde - S. 155

1864 - Essen : Bädeker
155 erdröhnte jener fürchterliche Donner wieder, und zusammenbrach ein Stück, von der Wand unseres Kerkers. Frei von den Ketten, flog ein Theil von uns, in einzelne Steine zerstückelt, heraus, ich mit, aber vom Schreck wurde der eine hierhin, der andere dorthin geworfen. Mir war Hören und Sehen vergangen. Als ich wieder zur Besinnung kam, sah ich Männer vor mir stehen, die hielten Lampen in der Hand und waren in Leinwand von schwarzer Farbe gekleidet. Auf dem Kopfe trugen sie einen grauen Filzhut ohne Krempen, und einige von ihnen hatten spitze Eisenstäbe und Hammer. Der Schein ihrer Lichter machte es so hell, daß ich mich nun auch umsehen konnte, wo ich denn eigentlich war. Ich lag noch immer unter der Erde, aber in einem großen, hohlen Felsenraume, in dem ein Haus gewiß Platz gehabt hätte. Meines Gleichen lagen noch viele auf dem Boden des Felsengewölbes. Nicht lange, so stellten sich die schwarzen Männer längs der Felswand auf, das spitze Eisen in der einen Hand, den Hammer in der andern. Das Klopfen ging von neuem los, indem sie nach dem Takte mit dem Hammer auf das Eisen schlugen und dadurch Löcher in die Felswand bohrten. Als diese tief genug waren, füllten sie dieselben mit Pulver an, verschwanden plötzlich und versteckten sich in Felsengänge. Einige Augenblicke war es todtenstill, doch bald blitzte das Pulver auf, und rasch folgte der Donner hinterdrein. Eine Menge Gefangene prasselten wieder aus ihrem Gefängnisse heraus. Das ging Tag für Tag so fort. Eines Tages lud uns ein Mann in einen Karren und fuhr uns in einem unterirdischen Felsengange ent- lang, der sehr schmal und so niedrig war, daß sich der Mann etwas bücken mußte. Dieser Gang führte nach einem andern Gange, der höher und breiter war, als der erste. Hier choß Wasser hell und klar, und auf dem Wasser stand ein Kahn, der uns aufnahm. Der Mann setzte sich mit seiner Lampe auf uns, und wir fuhren so in dem dunkeln Gange lange Zeit fort. Du hast neulich hier am Nähtische deiner Gespielin auch von einer Wasserfahrt erzählt, aber bei' meiner Fahrt wäre es dir gewiß etwas unheimlich geworden; denn da drunten blühet kein Vergißmeinnicht an dem Wasser, da singt keine Schwalbe, da schwimmt kein Fischlein munter auf und ab. Dumpf rauschte das Wasser unter dem Kahne, und stieß er an die Felsenwände, so dröhnte rs hohl, wie in einein Grabe. Ich weiß nicht mehr, wie lange wir fuhren. Endlich hielt der Kahn an. Ein großer Eimer kam an einem Seile wie in einem Brunnen herunter; in diesen wurde ich mit mehre- ren meiner Gefährten geladen, und der Eimer dann in die Höhe ge- wunden. Unser Kahn muß recht tief unter der Erde gestanden haben; denn es währte lang, ehe wir ans Tageslicht kamen. Bei unserer Auffahrt geleitete uns anfangs der Schein des Lichtes im Kahn, aber bald ging es ganz im Dunkeln weiter. Ich wünschte mir im Stillen ein „Glück auf!", wie ich's oft von den Männern gehört hatte, wenn sie zu Tage fahren wollten. Allmählig fing es an zu dämmern, und mit jedem Schritte höher,wurde es Heller und Heller, bis uns das Sonnenlicht ganz beschien.

16. Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde - S. 163

1872 - Essen : Bädeker
163 erdröhnte jener fürchterliche Donner wieder, und zusammenbrach ein Stück von der Wand unseres Kerkers. Frei von den Ketten, flog ein Theil von uns, in einzelne Steine zerstückelt, heraus, ich mit, aber vom Schreck wurde der eine hierhin, der andere dorthin geworfen. Mir war Hören und Sehen vergangen. Als ich wieder zur Besinnung kam, sah ich Männer vor mir stehen, die hielten Lampen in der Hand und waren in Leinwand von schwarzer Farbe gekleidet. Auf dem Kopfe trugen sie einen grauen Filzhut ohne Krempen, und einige von ihnen hatten spitze Eisenstäbe und Hämmer. Der Schein ihrer Lichter machte es so hell, daß ich mich nun auch umsehen konnte, wo ich denn eigentlich war. Ich lag noch immer unter der Erde, aber in einem großen, hohlen Felsenraume, in dem ein Haus gewiß Platz gehabt hätte. Meines Gleichen lagen noch viele auf dem Boden des Felsengewölbes. Nicht lange, so stellten sich die schwarzen Männer längs der Felswand auf, das spitze Eisen in der einen Hand, den Hammer in der andern. Das Klopfen ging von neuem los, indem sie nach dem Takte mit dem Hammer auf das Eisen schlugen und dadurch Löcher in die Felswand bohrten. Als diese tief genug waren, füllten sie dieselben mit Pulver an, verschwanden plötzlich und versteckten sich in Felsengänge. Einige Augenblicke war es todtenstill, doch bald blitzte das Pulver auf, und rasch folgte der Donner hinterdrein. Eine Menge Gefangene prasselten wieder aus ihrem Gefängnisse heraus. Das ging Tag für Tag so fort. Eines Tages lud uns ein Mann in einen Karren und fuhr uns in einem unterirdischen Felsengange ent- lang, der sehr schmal und so niedrig war, daß sich der Mann etwas bücken mußte. Dieser Gang führte nach einem andern Gange, der höher und breiter war, als der erste. Hier floß Wasser hell und klar, und auf dem Wasser stand ein Kahn, der uns aufnahm. Der Mann setzte sich mit seiner Lampe auf uns, und wir fuhren so in dem dunkeln Gange lange Zeit fort. Du hast neulich hier am Nähtische deiner Gespielin auch von einer Wasserfahrt erzählt, aber bei meiner Fahrt wäre es dir gewiß etwas unheimlich geworden; denn da drunten blühet kein Vergißmeinnicht an dem Wasser, da singt keine Schwalbe, da schwimmt kein Fischlein munter auf und ab. Dumpf rauschte das Wasser unter dem Kahne, und stieß er an die Felsenwände, so dröhnte rs hohl, wie in einem Grabe. Ich weiß nicht mehr, wie lange wir fuhren. Endlich hielt der Kahn an. Ein großer Eimer kam an einem Seile wie in einem Brunnen herunter; in diesen wurde ich mit mehre- ren meiner Gefährten geladen, und der Eimer dann in die Höhe ge- wunden. Unser Kahn muß recht tief unter der Erde gestanden haben; denn es währte lang, ehe wir ans Tageslicht kamen. Bei unserer Auffahrt g-eleitete uns anfangs der Schein des Lichtes im Kahn, aber bald ging es ganz im Dunkeln weiter. Ich wünschte mir im Stillen ein „Glück auf!", wie ich's oft von den Männern gehört hatte, wenn sie zu Tage fahren wollten. Allmählig flng es an zu dämmern, und mit jedem Schritte höher, wurde es Heller und Heller, bis uns das Sonnenlicht ganz beschien. 11*

17. Teil 2 - S. 123

1914 - Leipzig [u.a.] : Teubner
Gottfried Keller: Gedichte 123 25 Es will vielleicht betäuben die Nacht den uralten Schmerz? Und an noch ältere Sünden denkt wohl ihr reuiges Herz? Ich möchte mit ihr plaudern, 30 wie man mit dem Liebchen spricht — umsonst: in ihren: Grame sie sieht und hört mich nicht! Ich möchte sie gern befragen und werde noch immer gestört: 35 ob sie vor meiner Geburt schon wo meinen Namen gehört? Sie ist eine alte Sibylle und kennt sich selber kaum; sie und der Tod und wir alle 40 sind Träume von einem Traum. Ich will mich schlafen legen, der Morgenwind schon zieht; — ihr Trauerweiden am Kirchhof, summt mir n:ein Schlummerlied! 2. Abendregen. Langsam und schimmernd fiel einregen, in den die Abendsonne schien; der Wandrer schritt auf schmalen Wegen mit düstrer Seele drunter hin. 5 Er sah die großen Tropfen blinken im Fallen durch den goldnen Strahl; er fühlt' es kühl aufs Haupt ihm sinken und sprach mit schauernd süßer Qual: „Nun weiß ich, daß ein Regenbogen io sich hoch um meine Stirne zieht, den auf dem Pfad, so ich gezogen, die heitre Ferne spielen sieht. Und die mir hier am nächsten stehen und wer mich wohl zu kennen meint, sie können selber doch nicht sehen, wie er versöhnend ob mir scheint. So wird, wenn andre Tage kamen, die sonnig auf dies Heute sehn, um meinen fernen, blassen Namen des Friedens heller Bogen stehn." 3. Stiller Augenblick. Fliehendes Jahr, in duftigen Schleiern streifend an abendrötlichen Weihern wallest du deine Bahn; siehst mich am kühlen Waldsee stehen, wo an herbstlichen Uferhöhen zieht entlang ein stummer Schwan. Still und einsam schwingt er die Flügel, tauchet in den Wasserspiegel, hebt den Hals empor und lauscht; taucht zum andernmale nieder, richtet sich aus und lauschet wieder, wie's im flüsternden Schilfe rauscht. Und in seinem Tun und Lassen will's mich wie ein Traum erfassen, als ob's meine Seele wär', die verwundert über das Leben, über das Hin- und Widerschweben lugt' und lauschte hin und her. Atme nur in vollen Zügen dieses friedliche Genügen einsam auf der stillen Flur! Und hast du dich klar empfunden, mögen enden deine Stunden, wie zerfließt die Schwanenspur! 4. Aus der Feueridylle. (Ein einsamer Bauernhof brennt in der Nacht nieder: „auch der Poet, er watschelt mit hinaus".) a) (Viii.) Welch lieblich Wunder nimmt mein Auge wahr? dort fließt ein Brünnlein, gar so frisch und klar; ein holzgeschnitzter Meergott gießt den Trank in eine ausgehöhlte Eichenbank.

18. Das dritte Schuljahr - S. 318

1898 - Langensalza : Schulbuchh.
318 7. Die Gesetze bestehen zum Schutze des Lebens, der Gesundheit und des- Eigentums der Bewohner. 8. Ilm alles in der Stadt in Ordnung zu halten, bezahlen die Bürger Steuern- der tscinuitürt. Ich lieb' das schöne Örtchen, Wo ich geboren bin; Hier blüht mein junges Leben, Von Lieben rings umgeben, In immer heiterm Sinn. Wie lieb ist mir dies örtchen, Wie freue ich mich sein! Wenn ich im Fernen stehe Und seine Häuser sehe. Entzückt nenn' ich's dann mein. O. guter Vater droben, Beschütz' den Heimatort Und segne ihn mit Frieden! Viel Gutes sei beschieden Der Heimat fort und fort! p. Kamp. 11. Der Marktplatz. Mitten in der Stadt ist meist ein großer, freier Platz. Auf dem ist's aber nicht so still und ruhig wie auf dem Kirchhofe. Vom frühen Morgen bis zum späten Abende sieht man ein geschäftiges Treiben; ja, an manchen Tagen kann man kaum durch das Gewühl der Men- schen, das da hin- und herwogt. Das ist der Marktplatz. An seinen Seiten stehen in der Regel die größten und schönsten Häuser, und das Rathaus erhebt sich gewöhnlich in der Mitte derselben. In den Häusern befinden sich viele Kaufläden und zu gewissen Zeiten werden sogar auf dem Markte selbst auch Buden aufgestellt, damit die Leute beim Einkäufen alles recht hübsch bei einander haben (Jahr- markt). Da kommen dann die Leute nicht bloß ans der Stadt, sondern auch vom Lande herbei und kaufen und verkaufen, soviel sie nur immer können. Die Mutter aber vergißt gewiß nicht, etwas mitzubringen, was den Kindern Freude macht. Mitten auf dem Markte steht ein Brunne n. Es ist ein Röhr- brunnen. Das Wasser läuft von selbst heraus und plätschert Tag und Nacht, und es sieht gar schön aus, lvenn die Strahlen der Sonne in dem Hellen Wasser sich spiegeln. Sein Wasser kommt aus der Quelle, die vor der Stadt auf dem Berge entspringt. (Wo?) Bon hier führen Röhren unter der Erde das Wasser nach der Stadt. Da die Quelle viel höher gelegen ist als der Marktbrunnen, so muß natürlich das Wasser von selbst ans ihm hervorstießen. Nach Lüben und Nacke.

19. Vaterländische Bilder aus Ungarn und Siebenbürgen - S. 52

1858 - Leipzig : Spamer
52 Naturleben an der Theiß. tenjägers; desto lauter aber ist's am Morgen und Abend im Schilf. Tausend- stimmig quaken Frösche beim Sinken des heißen Sommertages bis hinein in die kühle Nacht, dazu lärmen zahllose Schwärme von Staaren, schreien und zwitschern Sperlinge, kreischen Regenpfeifer, klagen Kibitze, lassen Rohrdommeln ihren hohlen Klageton hören, schießen Rudel von Enten aus dem Schilfdickicht behend hervor, steht der graue Reiher lauernd am sumpfigen Ufer, fischen klappernde Pelikane, schießen Schwalben über die trübe Wasserfläche und die säuselnden Schilfhäupter, um unter tanzenden Mückenschwärmen eine Verheerung anzurichten, blöcken drü- den in der Ferne von der Weide herüber Heerden langgestreckter Rinder oder gal- lopiren im Uebermuth lange Züge unbändiger Füllen mit hochgehobenem Schweife die Wiese entlang. Ein großes buntes Naturleben entfaltet sich an den Ufern der Theiß, welches aber eine ganz andere Färbung,erhält, wenn der Mond sein geisterhaftes Silberlicht über Schilf und Strom gießt, wenn weiße Nebel aufsteigen, wie ein Schleier um die grünen Rohrwaldungen sich legen, dann plötzlich hier und da zerreißen, und so daß der Silberschein des Mondes auf die dunkeln Futhen fällt,. Noch malerischer wird die Scene, wenn von Ferne lodernde Hirtenfeuer leuchten, wenn das Schilf flüstert und rauscht, der Strom glitzert und flimmert, halb verwehtes Hundebellen und verlorne Menschenstimmen von den Pußten herüber klingen, wenn ein Nachen leise über den Fluß gleitet und eine lange Spur silbern schillernden Wassers zurückläßt, wenn ein aufgescheuchter Vogel im Ried aufschreit, die Eule schaucrlich-kreischend durch die stille Luft zieht und Fische plätschernd emporschnellen. Lange könnte man sitzen, träumen und Lieder dichten an dem malerischen Ungarnflusse, könnte dem Haschen und Jagen der Hechte und Karpfen zuschauen, der Flucht der behenden Schleien, der Stirlen und Hausen, den Bewegungen der ungestümen Störe, der unbeholfenen Krebse, den muntern Dills und wie die Wasserbewohner alle heißen, welche durch einander schwimmen, hier lauschen, dort flüchten, hier mit einander spielen, dort in lautlosem Kampfe um Leben und Tod mit einander streiten. Neben diesem stummen Treiben der Fische lärmt und schreit es am Tage aus tausend Vogelkchlen und der Sonnenstrahl bildet, wenn er durch die wankenden Schilfhalme dringt, tausend glänzende Lichteffecle; Hell und Dunkel ringen mit einander, die Wellen schaukeln auf und ab, und helle Lichtfunken beleuchten bald ein geducktes Wasserhuhn, bald eine blühende Rohr- kolbe, bald ein schwimmendes Nest, bald die Leiche eines Wasscrvogels. Drüben aber am Strande glänzen wie geschmolzenes Gold die Fenster eines einsamen Kirch- leins oder schimmern die niedrigen weißen Häuser mit ihren grünen Jalousien unter Akazienbäumen zwischen freien Stellen des Uferschilfes herüber, während auf dem meilenbreiten Ried Störche klappern und Falken jagen oder Reiher heiser krächzend aus dem wogenden Schilfe in Spirallinien emporsteigen. Theißwasser zieht der Ungar jedem andern vor, Theißschilf deckt seine Hütte, Theißfische sind seine Lieblingsspeise, Geflügel der Riede sind die Jagdbeute, welche er in stillen Nächten auf sicherem Kahne beschleicht, an der Theiß genießt er die Farbenpracht des Sonnenauf- und Unterganges. Da umfließt goldner

20. Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1 - S. 271

1911 - Bielefeld [u.a.] : Velhagen & Klasing
4. Das nächste Jahr brachte die erste Ernte, neue Ansiedler und der entstehenden Ortschaft einen Namen; denn da der erste Bebauer den Namen Walter führte, so nannte man nach ihm den Platz Waltersrode, und also heißt das Dorf bis auf den heutigen Tag. Im Laufe der Zeit verschwand nun der Urwald bis auf einige wenige alte Riesenbäume, die man zum Wahrzeichen stehen ließ, ganz aus der Ebene des Tales, und nur von den Bergen und steilen Hängen schaute er noch finster hin auf den einstigen Schauplatz seiner Größe und alleinigen Herrschaft. Anstatt seiner breitete sich dort ein bunter Teppich verschiedenfarbiger Felder und saftig grüner Wiesen aus. An dem Bache entlang zog sich die Dorfstraße, und an dieser lagen saubere Häuser, mit hübschem Schnitzwerk verziert, umgeben von Gärten, in denen Raute, Lavendel, Salbei und andere Würz- pflanzen dufteten, in denen Mohn und Lilien, brennende Liebe und Gelb- veigelein blühten und sich strotzende Küchengewächse üppig ausbreiteten. Hinter den Häusern aber im Grasgarten schimmerten im Frühling silbern und rosig die Obstbäume und standen im Herbste gebeugt von goldenen und blauen Früchten. Am höchsten Punkte des Dorfes streckte nun aus dem Schatten uralter Eichen eine Kirche ihr spitzes Türmlein hervor, und an den stillen Sommerabenden hörte man statt des rauhen Gebrülls der wilden Tiere ein friedliches Läuten, das Dengeln von Sensen und das fröhliche Geschrei spielender Kinder. Nur der Bach blieb bei diesem Wechsel der Dinge immer derselbe und rauschte durch Dorf und Wiesen mit demselben Geplätscher dahin, wie einst durch den unberührten llrwald. Er sah die endlose Kette mensch- lichen Daseins an sich vorübergleiten und dahinfließen wie seine eigenen Wellen, die ewig neu und ewig dieselben waren. Er sah die Kinder an seinen Ufern spielen, wie sie Kanäle und Mühlen bauten mit) Krebse und Forellen griffen. Er sah gebräunte Männer auf die Arbeit ziehen, in- des sich die Frauen in Haus und Garten fleißig regten. Er sah an seinem Rande gebrechliche Greise träumend in der Sonne sitzen, zu deren Füßen neue Kinder die alten Spiele übten, und so flössen die Wellen und die Jahre unablässig dahin. Dieses friedliche Leben ward nur unter- brochen durch solche Ereignisse, für deren Fernbleiben allsonntäglich auf der Kanzel gebetet wird, und denen das Menschengeschlecht doch nie und nimmer entrinnen kann. Es kamen Kriegsläufte, in denen sich die kristall- klaren Wellen des Baches mit Blut färbten; es kam eine Feuersbrunst und verzehrte die Häuser des halben Dorfes; eine Pestilenz, ausgebrütet in den Sümpfen der Länder gegen Sonnenaufgang, wanderte herbei, leerte die Häuser und füllte den Kirchhof; Mißwachs und sein scheußliches Kind, Hungersnot, zehrten an den Gebeinen der Dorfbewohner — doch alles über- wand die unverwüstliche Kraft des Lebens, und so blüht und gedeiht der freundliche Ort Waltersrode bis auf den heutigen Tag.