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1. Bd. 2 - S. 175

1883 - Leipzig : Engelmann
§. 085. von der Reformation bis zum Zeitalter Ludwigs Xiv. 175 ist, zu bekämpfen und Armuth und Bescheidenheit zu preisen. Heftiger in seinen Angriffen, aber weniger vollendet in Form und Darstellung ist Erasmus Alberus, Erasmus der in seinen Fabeln eben so gegen Ablaßhandel, Klerus und Papstthum- wie gegen 11533. ‘ Wiedertäufer, Schwärmer, Sectirer und das Interim eifert. — Mehr aufs Weltliche und auf den Staat gerichtet erscheint die Satire in dem der griechischen Batracho-myomachie (§. 70) nachgebildeten Froschmäusler des Georg Rollenhagen (aus £2-1609 i dem Brandenburgischen). Sein Vorbild ist der Reinecke Fuchs und seine Absicht, mit : Lachen die Wahrheit zu sagen. Bröseldieb, der Sohn des Mäusekönigs Parteckfrefser, kommt an den Hos des Froschkönigs i Sehbolt Bausback, wird freundlich aufgenommen, erzählt den Fröschen Mancherlei vom Treiben I der Mäuse und läßt sich von den Fröschen erzählen. Bei einer Wasserfahrt auf dem Rücken des ! Froschkönigs kommt Bröseldieb ums Leben, was einen blutigen Krieg zwischen den Mäusen und Fröschen verursacht. Das Gedicht ist in drei Bücher getheilt. In dem ersten erzählt die Maus, | wie es in ihrem Staat zugehe, und scheint die Lehre begründen zu wollen, daß Alles seine natür-I liehen Feinde habe. In dem zweiten werden an die Fabel vom Könige der Frösche Unter« | suchuugen über die Vortheile der Republik, Aristokratie und Monarchie angeknüpft und dabei gelehrt, wie nothwendig es sei, den Storch (Kaiser Karl V.) und den Beißkopf (den Papst) fern zu halten. Das dritte behandelt das Kriegswesen in der epischen Darstellung der Kämpfe zwischen den Fröschen und Mäusen. — Anfangs mehr in der Art eines Thierepos gehalten, mit j treuem Anschmiegen an die Natur, nimmt das Gedicht im Verlauf immer mehr den Charakter | einer Satire an. Auch die Sammlungen deutscher Sprichwörter durch Johann Agricola, ”9^° den Mitverfasser des Interims (tz. 607), und durch S eb. Fran ck aus Donauwörth, Seb. Frans j einen vielseitigen Schriftsteller und Geschichtschreiber von Wiedertäuferischen Ansichten, f 1545’ j gehören in die Klasse der Volksliteratur dieser Zeit. Ihren Fußtapfen folgte der Heidel- - berger Jul. Wilh. Zinkgres durch seine Sammlung deutscher Witzreden, Sentenzen | und Anekdoten („Apophthegmata, scharfsinnige Sprüche der Deutschen"), die von Opitz ihrer vaterländischen Tendenz wegen gepriesen wurden. Auch als lyrischer Dichter - hat sich Zinkgref durch seine Lieder ausgezeichnet. §. 685. Religiöse Richtung der Literatur. Luthers Einfluß, i Die Volksliteratur mit ihrer derben Sprache, ihren formlosen Versen (Knittelversen) | ohne Silbenmaß, ihrem satirischen Muthwillen fand ihren Abschluß mit der Begründung | der Reformation in der zweiten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts. Durch diese I Begebenheit wurde der Sinn der Menschen mehr auf das Kirchliche und Religiöse ge-[ lenkt; der Volkshumor, der sich besonders gegen die vornehmen Stände, gegen Adel und j Klerus gewendet hatte, verlor seine Unbefangenheit und Naivetät und überließ dem i ernsteren Zeitgeiste das Feld. In der Wissenschaft wie in der Dichtkunst trat das ] Religiöse in den Vordergrund. Luther selbst bahnte den Uebergang. Eine aposto-\ Iifche Natur von volkstümlicher Kraft und Beredsamkeit hat er sowohl in seinen prosaischen Schriften (Streit- und Flugschriften, Predigten, Tischreden u. dgl.) und in seiner »Übersetzung der Bibel (§. 573), als auch in seinen Kirchenliedern ganz und gar $ Form und Charakter der Volksliteratur beibehalten, aber zugleich das religiöse Element als das Gebiet der schriftstellerischen Thätigkeit aufgestellt, und da er für die nächste I Folge in Allem Muster und Vorbild war, so kam die Dichtkunst wieder größtentheils in | die Hände der Geistlichkeit oder doch unter den Einfluß der Kirche und Religion. Die I Lyrik wendete sich fast ausschließlich dem Kirchenlied zu, das nunmehr den Meister» I gesang in sich aufnahm und das leichtfertige Volkslied verdrängte. Ueber ein Jahr-I hundert dichtete man im protestantischen Deutschland, wo die Bildung hauptsächlich ihren 1 Sitz hatte. geistliche Lieder zum Theil von großer Innigkeit und religiöser Wärme, !l meistens mit Benutzung der Psalmen des Alten Testaments und älterer Kirchengesänge, mitunter auch aus unmittelbarer religiöser Begeisterung. Zu den berühmtesten Dichtern solcher kirchlichen Lieder gehörten im protestantischen Deutschland Paul Gerhard und

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1. Bd. 2 - S. 177

1883 - Leipzig : Engelmann
§. 686. von der Reformation bis zum Zeitalter Ludwigs Xiv. 177 §. 686. Kirchenlied. Wir haben bereits (§. 573) erwähnt, wie das Anstimmen eines neuen Kirchenliedes häufig das Signal zur Einführung der Reformation geworden. Diese tiefe Bedeutung des religiösen Gesanges auf das Gemüth der Menschen erkannte die poetische und musikalische Natur des deutschen Reformators sehr bald; er machte darum den Deutschen Kirchengesang zu einem wesentlichen Bestandtheile des evangelischen Gottesdienstes und regte durch That und Wort zur Abfassung geistlicher Lieder an. Er übersetzte ältere lateinische Kirchengesänge, bearbeitete Psalmen und dichtete geistliche Lieder, wobei er den kühnen Schritt und den gedrungenen Ausdruck des mehr im Süden einheimischen Volklieds beibehielt und einfache, leicht faßliche Melodien theils selbst com-ponirte, theils den Hussiten entlehnte. Sein Beispiel und seine Anregung erweckte Nacheiferung. Dichter und Sänger, hingerissen von dem gewaltigen Geiste der Zeit, widmeten ihre Kräfte dem geistlichen Liede und bahnten dem Evangelium den Weg zum Volke, dessen Gemüth und Phantasie durch die neuen religiösen Gesänge mächtig ergriffen ward. Während man auf Reichstagen und in Religionsgesprächen über die evangelische Kirchenlehre stritt, führte das deutsche Kirchenlied mit seinen ernsten, einfachen Chorälen Taufende dem Evangelium zu. In Kirche und Haus, im stillen Kämmerlein und auf der lauten Gasse erschallten Psalmen und geistliche Lieder. Ein neuer Vslksgesang, an kunstloser Form und einfachem Bau dem alten Volkslied verwandt, aber mit religiösem Inhalt, in dem sich Zuversicht und heiteres Gottvertrauen aussprach, brach sich breite Bahn. Das Kirchenlied weckte in den Herzen des Volks religiöse Empfindung; es gab der Stimmung und dem Gefühle Ausdruck, es riß die Menge zur Begeisterung hin. Die ältesten und kräftigsten Lieder waren der Erguß einer augenblicklichen Empfindung, einer herrschenden Stimmung; sie waren Gelegenheitsgedichte, in denen sich häufig die kirchlichen und politischen Zustände der Zeit, die religiösen Meinungen, die geistigen Kämpfe abspiegelten. In der Noth erflehen sie Hülfe vom Himmel; in Kummer und Trübsal gewähren sie Trost durch Erweckung der Hoffnung und Zuversicht in Gott; im Glück athmen sie Gefühle des Dankes. Die ältesten Kirchenlieder ahmten in Ton und Haltung, ja nicht selten auch in der Melodie Volkslieder der Zeit nach, z. B.: „O Welt, ich muß dich lassen"; „Herzlich thut mich verlangen"; „Ach Gott vom Himmel sieh' darein!" u. a. m. Anfangs war die geistliche Dichtung vorzngsweise in den Händen der protestantischen Geistlichen (Erasmus Alberus, -j- 1553; Panl Speratus: „Es ist das Heil uns kommen her!"; Nie. Deeius: „Allein Gott in der Höh sei Ehr!"; Mich. Weiß, + 1540, der die Hussitischen Lieder übersetzte); als aber die religiösen Angelegenheiten so vorherrschend wurden, daß sie alle anderen Interessen und Gefühle zurückdrängten, versuchten stch Leute aus allen Ständen darin. Hatte dies einerseits die Wirkung, daß der Volksgesang durch das Evangelium geheiligt und geläutert ward, so führte es auch anderseits eine massenhafte Vermehrung der geistlichen Lieder herbei, wodurch dann bald eine Scheidung in eine gemüthlich weltliche und eine feierlich kirchliche Richtung eintrat. Die eine, mehr weltliche Gattung, als deren Vertreter üftic. Hermann (f 1561), Cantor in Joachimsthal, und Ringwaldt gelten können, lehnte sich an das Volkslied an und war mehr für das Haus als die Kirche geeignet, indem sie in traulichem, einfachem Tone die Empfindungen des Menschen bei den Wechselfällen des Lebens aussprach, stch allen Ständen anpaßte, auf alle Lagen einging ; die zweite, mehr feierliche und darum beim Gottesdienst angewendete Gattung schloß sich an die Psalmen an und wurde vorzugsweise von Gelehrten und Geistlichen gepflegt. Die schlichte und natürliche Uebertragung des ganzen Psalter von Bur kard Waldis wurde am Ende des Jahrhunderts durch die mehr kunstgerechte des Königsbergers Lob Wasser verdrängt, der zuerst von der lutherischen Bibelsprache abging und den Ueber-gang zu Opitz bildet. Auch im siebenzehnten Jahrhundert war das Religiöse noch so vorherrschend, daß das Kirchenlied ein Hauptbestandtheil der Dichtkunst blieb; doch nahm dasselbe in Ton und Behandlungsart verschiedene Gestalten an. Paul Gerhard aus Sachsen, eine Zeit lang Prediger in Berlin, folgte Luthers Vorbilde und bewahrte in seinem frommen Gemüthe die Heiterkeit, die j Zuversicht und das Gottvertrauen der ältern Lieder. „Als er sein Lutherthum in Berlin gefährdet sah, befahl er Gott seine Wege und wanderte ins Elend." Seine 120 Lieder in einfacher, Weber. Geschichte Ii. 12 Paul Gerhard 1607-76.

2. Lehrbuch der Weltgeschichte - S. 815

1847 - Leipzig : Engelmann
Satirische Lehrpoesie. 815 Johann Nasus in Ingolstadt, einen gewesenen Schneidergesellen, zum Stkchblatt seines Witzes machte. Dahin gehören: ,,daö Iesuitenhütlei n," „der Bar- füßer Sekten- und Kutten streit," (worin Fischart die gereimte Erklärung eines Holzschnittes voll Laune und reicher Composition gibt, wie der heil. Francis- cus von den Stiftern der verschiedenen Sekten seines Ordens, den Capuzincrn, Minoriten, Observanten u. s. w. gemartert und zerrissen wird); ferner der Bie- nenkorb, dessen Inhalt und Sprachwitz man wieder aus dem Titel ersehen kann'): *) Bienenkorb bei h.rvm. Jmenschwarms, seiner Hummelzellen (oder Himmelszelten), Hurnauß- näster, Brämcngeschwürm und Wäspengetöß. Sampt Läuterung der h. röm. Kirchen Honigwaben: Einweihung und Beräucherung oder Fegfeuerung der Jmenstöcke: und Erlesung der Bullenblumrn, der Dekrctenkreuter, des Heybnischen Klosterhysops , der Suiter (Jesuiter) Säubisteln, der Saurbc- nischen Säubohnen, des Magisnostrischen Liripipefenchels und bei Jmenplatts der Plattinen, auch des Meßthaucs und H. Saffts von Wunberbäumen cot. oet. alles nach dem rechten Himmclsthau oder Manna justirt und mit Mcntzerkletten durchziert. Durch Jcsuwalt Pickhart, u. s. w. 5. Fabeln. Burkard Waldis (e. 1530) und Rollenhagen (1542—1609). §.37. Auch die äsopische Thier fabel, zu deren Bearbeitung Luther auf- forderte, wurde in dem Resormationszeitalter gleich dem Reinccke Fuchs auf die Zu- stände der Gegenwart in Kirche und Staat angewendet. Der erste, der sich mit Glück damit befaßte, war Burkard Waldis, ein gelehrter in der alten und neuen Literatur belesener und durch große Reisen praktisch gebildeter Mann voll ge- sunder Ansichten, Charakterstärke und patriotischer Gesinnung. Er benutzt die Fa- bel, um die Selbstsucht, die ihm die Quelle alles Uebels ist, zu bekämpfen und Armuth und Bescheidenheit zu preisen. Heftiger in seinen Angriffen, aber weniger vollendet in Form und Darstellung ist Erasmus Alberus (+ 1553), der in sei- nen Fabeln eben so gegen Ablaßhandel, Klerus und Papstthum, wie gegen Wie» dertäuser, Schwärmer, Sectirer und das Interim eifert. — Mehr aufs Weltliche und den Staat gerichtet erscheint die Satire in dem, der griechischen Batracho- myomachie (ß. 44) nachgebildeten Froschmäusler des Georg Rollenhagen (aus dem Brandcnburgischen). Sein Vorbild ist der Reinecke Fuchs und seine Ab- sicht, mit Lachen die Wahrheit zu sagen. Dar Gebicht ist in 3 Bücher getheilt. In dem ersten erzählt bic Maus, wie es in ihrem Staat zu- gehe und scheint die Lehre begrünben zu wollen, daß Alles seine natürlichen Fcinbc habe. In dem zwei- ten werben an die Fabel vom König der Frösche Untersuchungen über die Vortheile der Republik, Aristokratie und Monarchie angeknüpft und babei gelehrt, wie nothwenbig es sei, den Storch (Kai- ser Karl V.) und den B e i ß k o p f (den Papst) fern zu stalten. Das brittc behanbelt das Kriegswesen in der epischen Darstellung der Kämpfe zwischen den Fröschen und Mäusen. Noch verdient der Heidelberger Jul. Wilh. Zinkgref wegen seiner Samm- lung deutscher Witzreden und Anecdoten (Apophthegmata), die von Opitz ihrer vaterländischen Tendenz wegen gepriesen wurden, eine Erwähnung. Auch als lyri- scher Dichter hat sich Zinkgref durch seine Lieder ausgezeichnet. 6. Hans Sachs. Dramatische Dichtung. §.38. Hans Sachs. Hans Sachs, ein Nürnberger Schuster, ist einer der fruchtbarsten und vielseitigsten Schriftsteller dieser reichen, regsamen Zeit. Ge- Ziukgref 159, — 1635. Hans Sachs 1494 — 1576.

3. Bd. 2 - S. 35

1854 - Leipzig : Engelmann
Luthers Einfluß auf die deutsche Literatur. 35 §. 44. b) Kirchenlied. Wir haben bereits (Lehrb. §. 457.) erwähnt/wie das Anstim- men eines neuen Kirchenliedes häufig das Signal zur Einführung der Reformation geworden. Diese tiefe Bedeutung des religiösen Gesanges auf das Gemüth der Menschen erkannte der mit poetischer Natur begabte deutsche Reformator sehr bald; er machte darum den deutschen Kirchcngesang zu einem wesentlichen Bestandtheile des evangelischen Gottes- dienstes und regte durch That und Wort die Abfassung geistlicher Lieder an. Er übersetzte ältere lateinische Kirchengesänge, bearbeitete Psalmen und dichtete geistige Lieder, wobei er den kühnen Schritt und den gedrungenen Ausdruck des mehr im Süden einheimischen Volkslieds beibehielt und einfache, leicht faßliche Melodien theils selbst componirte, theils den Hussiten entlehnte. Sein Beispiel und seine Anregung erweckte Nacheiferung. Dichter und Sänger, hingerissen von dem gewaltigen Geiste der Zeit, widmeten ihre Kräfte dem geistlichen Liede und bahnten dem Evangelium den Weg zum Volke, dessen Gemüth und Phantasie durch die neuen religiösen Gesänge mächtig ergriffen ward. Wäh- rend man auf Reichstagen und in Religionsgesprächen über die evangelische Kirchenlehre stritt, führte das deutsche Kirchenlied mit seinen ernsten, einfachen Chorälen Tau- sende dem Evangelium zu. In Kirche und Haus, im stillen Kämmerlein und auf der lauten Gasse erschallten Psalmen und geistliche Lieder. Ein neuer Volksgesang, an kunst- loser Form und einfachem Bau dem alten Volkslied verwandt, aber mit religiösem Inhalt, in dem sich Zuversicht und heiteres Gottvertrauen aussprach, brach sich breite Bahn. Das Kirchenlied weckte in dem Herzen des Volks religiöse Empfindung; es gab der Stimmung und dem Gefühle Ausdruck, es riß die Menge zur Begeisterung hin. Die ältesten und kräftigsten Lieder waren der Erguß einer augenblicklichen Empfin- dung, einer herrschenden Stimmung; sie waren Gelegenheitsgedichte, in denen sich häufig die kirchlichen und politischen Zustände der Zeit, die religiösen Meinungen, die geistigen Kämpfe abspiegclten. In der Noth erflehen sie Hülfe vom Himmel; in Kummer und Trübsal gewähren sie Trost durch Erweckung der Hoffnung und Zuversicht in Gott; im Glück athmcn sie Gefühle des Dankes. Die ältesten Kirchenlieder ahmten in Ton und Haltung, ja nicht selten auch in der Melodie Volkslieder der Zeit nach, z. B. „O Welt ich muß dich lassen"; „Herzlich thut mich verlangen"; u. a. m. Anfangs war die geistliche Dichtung vorzugsweise in den Händen der protestantischen Geistlichen (Erasmus Alberus, st 1553; Paul Speratus: „Es ist das Heil uns kommen her! "; Nie. Decius: „Allein Gott in der Höh sei Ehr! "; Mich. Weiß, st 1540 , der die Hussitischcn Lieder übersetzte); als aber die religiösen Angelegenheiten so vorherrschend wurden, daß sie alle anderen Interessen und Gefühle zurückdrängten, ver- suchten sich Leute aus allen Ständen darin. Hatte dies einerseits die Wirkung, daß der Volksgesang durch das Evangelium geheiligt und geläutert ward, so führte es auch an- derseits eine massenhafte Vermehrung der geistlichen Lieder herbei, wodurch dann bald eine Scheidung in eine gemüthlich weltliche und eine feierlich kirchliche Richtung eintrat. Die eine, mehr weltliche Gattung, als deren Vertreter Nie. Hermann (st 1561), Cantor in Jvachimsthal, und Rin gw aldt gelten können, lehnte sich an das Volkslied an und war mehr für das Haus als die Kirche geeignet, indem sie in traulichem, einfachem Tone die Empfindungen des Menschen bei den Wechselfällen des Lebens aussprach, sich allen Ständen anpaßte, auf alle Lagen einging; die zweite, mehr feierliche und darum beim Gottesdienst angewendete Gattung schloß sich an die Psalmen an und wurde vorzugsweise von Gelehrten gepflegt. Die schlichte und natürliche Uebertragung des ganzen Psalter von Burk. W a l d i s wurde am Ende des Jahrhunderts durch die mehr kunstgerechte des Königs- berger Lvbwasser verdrängt, der zuerst von der lutherischen Bibelsprache abging und den Uebergang zu Opitz bildete. Auch im 17. Jahrh. war das Religiöse noch so vorherrschend, daß das Kirchenlied ein Hauptbestandtheil der Dichtkunst blieb; doch nahm dasselbe in Ton und Behandlungs- art verschiedene Gestalten an. Paul Gerhard aus Sachsen, eine Zeitlang Prediger in ^aul^ Berlin, folgte Luthers Vorbilde und bewahrte in seinem frommen Gemüthe die Heiterkeit, 1606-76, 3* $ |

4. Lehrbuch der Weltgeschichte - S. 820

1847 - Leipzig : Engelmann
820 Die deutsche Volksliteratur im 15. und 16. Jahrhundert. 91 fjricoia. ser des Interims (Z.459) bekannte Johann Agrícola von Eisleben (f1566) vorangegangen war. Auch bei wissenschaftlichen Werken bedienten sich einige nicht dem Gelehrtenstande angehörige Män- ner der deutschen Sprache, wie Albrecht Dürer (§. 409) (Unterweystmg der Messung mit dem Zirkel und Richtscheit in Linien, ebenen und ganzen Corporen u. s. w.), Jakobböhme (§. 520) u. a., doch blieb bis auf T h v m a s i u s k§- 021) bei gelehrten und wissenschaftlichen Werken und Vortragen die lateinische Sprache die allein gültige. §. 44, b) Kirchenlied. Wir haben bereits (§. 425) erwähnt, wie das An- stimmen eines neuen Kirchenlieds häufig das Signal zur Einführung der Reforma- tion geworden. Diese tiefe Bedeutung des religiösen Gesangs auf das Gemüth der Menschen erkannte der mit poetischer Natur begabte deutsche Reformator sehr bald; er machte darum den deutschen Kirchengesang zu einem wesentlichen Bestandtheile des evangelischen Gottesdienstes und regte durch That und Wort die Abfassung geistlicher Lieder an. Er übersetzte ältere lateinische Kirchengesänge, bearbeitete Psal- men und dichtete geistliche Lieder, wobei er den kühnen Schritt und den gedrunge- nen Ausdruck des mehr im Süden einheimischen Volkslieds beibehielt und ein- fache, leicht faßliche Melodien theils selbst componirte, theils den Husstren ent- lehnte. Sein Beispiel und seine Anregung erweckte Nacheiferung. Dichter und Sänger, hingerissen von dem gewaltigen Geiste der Zeit, widmeten ihre Kräfte dem geistlichen Liede und bahnten dem Evangelium den Weg zum Volke, dessen Gemüth und Phantasie durch die neuen religiösen Gesänge mächtig ergriffen ward. Wäh- rend man auf Reichstagen und in Rcligionsgesprächen über die evangelische Kirchen- lehre stritt, führte das deutsche Kirchenlied mit seinen ernsten, einfachen Chorä- len Tausende dem Evangelium zu. In Kirche und Haus, im stillen Kämmerlein und auf der lauten Gasse erschallten Psalmen und geistliche Lieder. Ein neuer Volksgesang, an kunstloser Form und einfachem Bau dem alten Volkslied ver- wandt, aber mit religiösem Inhalt, in dem sich Zuversicht und heiteres Gottver- traucn aussprach, brach sich breite Bahn. Das Kirchenlied weckte in dem Herzen des Volkes religiöse Empfindung; es gab der Stimmung und dem Gefühle Aus- druck, es riß die Menge zur Begeisterung hin. Die ältesten und kräftigsten Lieder waren der Erguß einer augenblicklichen Em- pfindung, einer herrschenden Stimmung; sie waren Gelegenheitsgedichte, in denen sich häufig die kirchlichen und politischen Zustände der Zeit, die religiösen Meinun- gen, die geistigen Kämpfe abspiegelten. In der Noth erflehen sic Hülfe vom Him- mel; in Kummer und Trübsal gewähren sie Trost durch Erweckung der Hoffnung und Zuversicht in Gott; im Glück athmen sie Gefühle des Dankes. Anfangs war die geistliche Dichtung vorzugsweise in den Händen der protestan- tischen Geistlichen (Erasmus Alberus fl 1553; Paul S pera tus: „Es ist das Heil uns kommen her!"; Mich. Weiß -ß 1540, der die Hussitischen Lieder übersetzte); als aber die religiösen Angelegenheiten so vorherrschend wurden, daß sic alle anderen Interessen und Gefühle zurückdrängten, versuchten sich Leute aus allen Ständen darin. Dies hatte eine inassenhafte Vermehrung der geistlichen Lieder und eine Scheidung in eine gemüthliche weltliche und eine feierlich-kirchliche Richtung zur Folge. Die eine, mehr weltliche Gattung, als deren Vertreter Nie. Hermann (st 1561), Cantor in Joachimsthal, und Ringwaldt gelten können, lehnte sich an das Volkslied an und warmehr für das Haus als die Kirche geeignet, indem sie in traulichem, einfachen Tone die Empfindungen des Men- schen bei den Weel'sclfällen des Lebens aussprach, sich allen Ständen anpaßte, auf alle Lagen einging; die zweite, mehr feierliche und darum beim Gottesdienst angewendete Gattung schloß sich an die P sa l-

5. Bd. 2 - S. 30

1854 - Leipzig : Engelmann
30 Die deutsche Volksliteratur im 15. und 16. Jahrhundert. Wortspiele. Unter den vielen komischen Zügen liegt die Lehre, daß sich Niemand über seinen Stand erheben solle. *) „Der Wunder vnrichtige und spottwichtige Rechtshandel der Flöh mit den Weibern, vermehrt mit dem Lobe der Mücken und des Flohes Strauß mit der Laus" u. s. w. — Ein Floh klagt der Mücke sein Leid wegen der Verfolgung der Weiber; der Nechtshandel kommt vor Jupiter, die Weiber verthcidigen sich und erhalten ein günstiges Urtheil. Dieses von Derbheiten und Natürlichkeiten strotzende Schristchen wurde von den lachlustigen Zeitgenoffen mit der größten Begierde gelesen. b) Die burlesk-satirischen Schriften gegen die Mönchsorden und Jesuiten („Jesuwider, die Schüler des Ignaz Lugiovoll"), wobei er den Franziscaner Johann Nasus in Ingolstadt, einen gewesenen Schneidcrgesellen, zum Stichblatt seines Witzes machte. Dahin gehören: „das vierhörnige I esuiterhütlei n , " „ der Barfüßer Sekten- und Kutten streit," (worin Fischart die gereimte Erklä- rung eines Holzschnittes voll Laune und reicher Composition gibt, wie der heil. Fran- ciscus von den Stiftern der verschiedenen Sekten seines Ordens, den Eapuzinern, Minoriten, Observanten u. s. w. gemartert und zerrissen wird); ferner der Bienen- korb, eine Umarbeitung aus dem Holländischen, dessen Inhalt und Sprachwitz man wieder aus dem Titel ersehen kann *): *) Bienenkorb des h. röm. Jmenschwarms, seiner Hummelzellen oder Himmelszelten, Hurnauß- näster, Brämengeschwürm und Wäspengetöß. Sampt Läuterung der h. röm. Kirchen Honigwaben: Einweihung und Beräucherung oder Fegfeuerung der Jmenstöcke, und Erlesung der Bullenblumen, der Dekretenkreuter, des Heydnischen Klosterhvsops, der Suiter (Jesuiter) Säudisteln, der Saurboni- schen Säubohnen, des Magisnostrischen Liripipefenchels und des Jmcnplatts der Plattinen, auch des Meßthaues u. H. Saffts von Wunderbäumen oel. cet. alles nach dem rechten Himmclsthau oder Manna justirt und mit Mentzerkletten durchziert. Durch Zesuwalt Pickhart, u. s. w. 4) Das Ehezuchtbüchlein, eine satirisch-didaktische Schrift, in welcher sich neben vielen komischen und scherzhaften Zügen auch eine treffliche Abhandlung über Haus - und Familienleben befindet. In dieser schildert der größte deutsche Satiriker „mit Zartheit und Freisinnigkeit das Glück und den Frieden des häuslichen Lebens, die stille Eingezogenheit, die unermüdliche Thätigkeit, die ruhige Milde der wahren Haus- frau." — Wie Fischart in dem Ehezuchtbüchlein das Verhältniß der Ehegatten zu bessern sucht, so in seiner: „Anmahnung zu ch ri st l i ch er Kin d erz u ch t " das Verhalten der Eltern zu den Kindern. Auch in dieser kleinen Schrift sind goldene Worte enthalten. 5. Fabeln. Burkard Waldis (e.1530) und Rollenhagen (1542—1609). §. 37. Auch die äsopische Thiersabel, zu deren Bearbeitung Luther auffor- dcrte, wurde in dem Reformationszeitalter gleich dem Reinccke Fuchs auf die Zustande der Gegenwart in Kirche und Staat angewendet. Der Erste, der sich mit Glück damit befaßte, war Burkard Waldis, ein gelehrter, in der alten und neuen Literatur bele- sener und durch große Reisen praktisch gebildeter Mann voll gesunder Ansichten, Cha- rakterstärke und patriotischer Gesinnung. Er benutzt die Fabel, um die Selbstsucht, die ihm die Quelle alles Uebels ist, zu bekämpfen und Armuth und Bescheidenheit zu preisen. Heftiger in seinen Angriffen, aber weniger vollendet in Form und Darstellung ist Erasmus Alberus (st 1553), der in seinen Fabeln eben so gegen Ablaß- handel, Klerus und Papstthum, wie gegen Wiedertäufer, Schwärmer, Sectirer und das Interim eifert. — Mehr aufs Weltliche und auf den Staat gerichtet erscheint die Sa- tire in dem, der griechischen B a t va ch o m y o m a ch i e (§. 01.) nachgebildeten Frosch- mäusler des Georg Rollenhagen (aus dem Brandenburgischcn). Sein Vorbild ist der Reinecke Fuchs und seine Absicht, mit Lachen die Wahrheit zu sagen. Do>s Gedickt ist in drei Bücher gcthcilt. In dem ersten erzählt die Maus, wie es in ihrem Staat zugehe und scheint die Lehre begründen zu wollen, daß Alles seine natürlichen Feinde habe.

6. Handbuch für den deutschen Unterricht in den oberen Klassen der Gymnasien - S. 768

1872 - Köln : DuMont-Schauberg
768 Abriß der Literaturgeschichte. I Chroniken Platz machen, oder sich in prosaische Volksbücher auflösen lassen. Gegen Ende des Mittelalters scheint die Erinnerung an die alten Heldengedichte noch einmal frisch er- wacht zu sein; man suchte sie umzuarbeiten und namentlich in singbare Strophen zu setzen; so Kaspar von der Rön. Im Uebri- gen ging der epische Geist in Satire und Allegorie über; so das Narrenschiff von Brnnt, der Theuerdank von Kaiser Max, Reineke Fuchs. Der Meistergesang hielt sich ursprüng- lich ans Lyrische und Didaktische. Das 16 Jahrhundert bewegt sich hauptsäch- lich in Fabeln und Schwänken mit weitge- spreizter Form; von eigentlicher Würde der Kunst empfängt man keine Ahnung. Die hervorragenden Führer des Jahrhunderts sind Hans Sachs und Fischart. Die Gelehrten- poesie des 17. Jahrhunderts reichte für epi- sche Auffassung und Entfaltung nicht aus; sie haftete am Didaktischen und Gezierten. Und so trat denn Klopstock's Messias in jeder Hinsicht wie ein Heros hervor. Im Uebrigen hat die neue Zeit alle möglichen epischen Formen, gleichsam mit literarischer Pslichtmäßigkeit, angebaut; Fabel und Parabel, Allegorie und Satire, Beschreibung und Be- lehrrmg, Erzählung und Ballade, Legende und Idylle, kölnisches, idyllisches, romanti- sches und heroisches Epos. Der kleineren epischen Gedichte gibt es die Unzahl, beson- ders der schlechten prätentiösen Balladen, in denen sich der Mangel an Poesie hinter ge- reimter Rhetorik versteckt. Von größeren epi- schen Werken sind am bekanntesten: Klop- stock's Messias, Herder's Cid, Wieland's Oberon, Voß'ens Louise, Goethe's Hermann und Dorothea, Schulze's Cäcilia, Sonnen berg's Donatoa, Pyrker's Tunisias und als komisches Epos die Jobsiade. Klopstock aber ragt wie eilte Alpenhöhe hervor, und Lebens- quellen des Epos wie im Mittelalter sind noch nicht wieder geöffnet worden. §. 6. .Verlauf der lyrischen Poesie. Die lyrische Poesie in Verbindung mit epischen Stoffen, als Gesang auf Personen und Begebenheiten, war in Deutschland schon zur Römerzeit einheimisch. Aber auch das Ludwigslied aus dem 9. Jahrhundert trägt noch einensolchen Charakter. Einzig in seiner Art erscheint aus damaliger Zeit das Lied auf den heiligen Petrus (S. 13). Die eigent- liche Lyrik zeigt sich erst im 12. Jahrhundert, aber auch gleich mit einer Innigkeit und Wahrheit, einer Leichtigkeit und Anmuth, wie sie selten gefunden wird. Im Religiösen verbindet sich damit Schwung und Tiefe; im Uebrigen ist der Kreis, worin sie sich bewegt, ein enger; es ist hauptsächlich die Minne, d. h. die volle hingebende Liebe (davon der Nameminnesängersund die Natur. Diehaupt- formen sind Lied, Leich und Spruch (S. 88). Die Kirchenlieder heißen Leisen, Kyrleisen (von Kyrie eleison). An der Spitze der Lyrik steht Walther von der Vogelweide; es war aber Deutschland recht wie ein gesangreicher Dichterwald. Eine Auswahl von Minnelie- dern bietet die Manesse'sche Sammlung aus denr Anfange des 14. Jahrhunderts. Nach der Blütezeit des 13. Jahrhunderts erscheint die Lyrik: 1) in den Händen von gewerblichen Dichtern, die sich ein Geschäft aus der Dichtkunst machten und allmählich zu Pritschmeistern und Spruchsprechern herab- sanken; 2) als Eigenthum einer Zunft, der Meistersänger, die sie in ehrsamer Weise unter Meisterregeln brachten; 3) endlich als frisch sprudelnder Quell im Volke, woraus die so genannten altdeutschen Volkslieder hervorge- gangen. Mit dem Volksliede verwandt sind die volksthümlichen Kirchenlieder, welche seit dem 14. Jahrhundert sich mehren. Volks- gesang und Kirchenlied setzten sich auch im 16. Jahrhundert noch fort, und letzteres empfing einen neuen Antrieb durch die Reformatoren, welche für den Gottesdienst sich auf Deutschen Gesang angewiesen sahen. Im Uebrigen bietet ' das 16. Jahrhundert bei seinem einerseits satirisch-possenhaften und anderseits zerrissenen, lieblosen Charakter wenig Sinn für offene, freie Lyrik. Eben so wenig konnte das 17 . Jahrhundert mit seiner gelehrten Kunstpoesie die Quellen der reinen Lyrik öffnen. Balde mit seinen darstellungsreichen Lateinischen Oden und Spee mit seiner innigen Wahr- heit ragen über alle hervor. Im Uebrigen erstickten die guten Keime der ersten Schlesi- schen Dichterschule alsbald unter poetischen Aeußerlichkeiten. Auch das 18. Jahrhundert haftete anfangs noch zu sehr an dem poetischen „Machen", dem Gegentheile der wahren Lyrik; so in der moralisch-religiösen Richtung der Gel- lert'schen Schule, und so in den Tändeleien der Anakreontiker neben ihrem Odenschmieden auf Friedrich den Großen. Klopstock sprengte die Verhärtung; bei ihm spricht der Mensch, der ganze Mensch, aus der Fülle und Wahr- heit. In der Folgezeit ist es gerade die Lyrik, welche fast bei allen namhaften Dichtern in der einen oder anderen Weise zum schönsten Ausdruck gekommen, so daß aus der unüber- sehbaren Gesammtheit sich ein höchst gehalt- und formreicher lyrischer Blumengarten zu sammenstellen läßt. Aber eben so wahr ist es, daß sich durch die neuere Deutsche Lyrik zwei Grundfehler hindurchziehen: 1. der Mangel

7. Geschichte der neueren und neuesten Zeit - S. 158

1858 - Weimar : Böhlau
158 welches in der vorigen Periode sich entwickelt, in dieser blüht und wieder sinkt. Die Formen des Meistergesangs waren streng, aber schwerfällig und geschmacklos. Die Regeln der Tabulatur beschränkten sich auf gram- matische und mechanische Correktheit. Der Versaccent wurde nicht be- achtet. Der Inhalt war ohne Poesie, die Meistergesänge welke Lita- neien. Die Vorzüge des Volksliedes bestehen in dem tiefen und natur- wahren Gefühl und in der lebendigen Plastik, aber es fehlt ihm der Standpunkt einer höheren Lebensbetrachtung. Mag nun darin zum Theil seine liebliche Naivität bestehen, so schließt es sich doch dadurch streng von den höheren Gattungen der Kunstpoesie aus. Das deutsche Volks- lied war nur das Lied der unteren Stände. Die höhere Bildung konnte ihm keine Vorzüge mittheilen, ohne es zu verderben. Auf das Volkslied übten die Fortschritte der Wissenschaft keinen Einfluß. Das bedeutendste, großartigste Erzeugniß der Lyrik des sechzehnten Jahrhunderts ist das evangelische Kirchenlied; dieses ist das lebendigste Zeugniß für den lebendigen Glauben der evangelischen Kirche. Die Reformation spricht in dem Kirchenlied ihr Bekenntniß klar und unerschrocken aus und ver- theidigt daffelbe mit frohem Siegesmuthe gegen alle Anfechtung der Pa- pisten und deß eignen Fleisches. Die Reformation machte die Erlangung des Heils in Christus zu der eigenen Herzensangelegenheit eines jeden Einzelnen und riß die Scheidewand zwischen Klerus und Laien nieder; sie war eine volksmäßige Erscheinung und bewirkte eine volksmäßige Ge- staltung der Kirche. Die Reformation bediente sich der entwickelungs- fähigen Volkselemente, welche sie vorfand, und auch des volksmäßigen Gesanges, durch den sie ihre Glaubensartikel wie mit lebendigen Buch- staben in die Herzen aller ihrer Glieder einschrieb. Das evangelische Kirchenlied war nicht nur dem Inhalt, der Darstellung und der äußeren Form nach volksmäßig, sondern es war auch insofern ein heiliges Volkslied, weil es, kaum gedichtet, sofort vor allen Thüren gesungen wurde, in alle Kirchen und alle Häuser eindrang, und ganze Städte wie mit einem Schlage durch das Kirchenlied für den evangelischen Glauben gewonnen wurden. Nur bei einigen dem südwestlichen Deutschland angehörigen Dich- tern zeigt sich der Einfluß der lateinischen Poesie. Sie versuch- ten die Versmaße der Alten und der romanischen Poesie auch für die deutsche Sprache zu benutzen und machten den Anfang zur Ausbildung einer weltlichen Gelehrtenpoesie. Es sind dieses besonders Paul Me- lissus und Georg Rudolf Weckherlin. Wir haben (Band Ii. S. 561) erzählt, daß die Anfänge des Dra- ma's sich aus den geistlichen Schauspielen entwickelten. Allmälig hatten diese sich den berüchtigten Esels- und Narrenfesten genähert. Der feier- liche Ernst war dem Frohsinn gewichen, das Schauspiel war aus der Kirche auf das Volk übergegangen. So entstanden die Fastnachts- spiele. Das Gefühl der Kraft und der Freiheit, welches die jungen Bürgerschaften erfüllte, trieb zu frohen Unterhaltungen. Ein Haufen junger Leute führte, ohne Buch und Kostüm, von einem gastlichen Hause zum andern wandernd, die' Schwänke auf, welche die Poeten dem Volke erzählten, und man war der Verzeihung gewiß, wenn man es auch etwas zu grob trieb. In diesem Zustande fand Hans Sachs die dramatische Poesie. Er verfaßte eine Menge Tragödien und Komödien, die er nur

8. Neuzeit - S. 388

1894 - Halle a.S. : H. Peter
— 388 - stammt. Einen mächtigen Einfluß auf die Kriegsführung hat das 1845 Zündnadelgewehr hervorgebracht, das 1845 Dreyse zu Sömmerda in der Provinz Sachsen erfand, und dem ein nicht geringer Anteil an den preußischen Erfolgen von 1866 zuzuschreiben ist. Neben den hier aufgezählten Erfindungen aber giebt es noch eine fast unerschöpfliche Menge von solchen, welche weniger in die Augen springender Natur sind, obgleich sie in ihrer Gesamtheit eine gar nicht gering anzuschlagende Bedeutung für die Entwickelung unserer heutigen Industrie und unserer ganzen wirtschaftlichen Verhältnisse besitzen. Die Dichtkun ft, in den Händen der Meistersänger ohnehin zur bloßen Reimerei herabgesuuken, verstummte mit dem Ausgange des Mittelalters fast gänzlich, wenigstens soweit sie weltlicher Natur war. Nur das Kirchenlied bildete den Gegenstand regen poetischen Schaffens, Dank der aufmunternden Thätigkeit Martin Luthers, der die tiefe Einwirkung des religiösen Gesanges aus das Gemüt des Menschen sehr wohl erkannte und ihm deshalb eine nicht unwichtige Stelle im evangelischen Gottesdienste anwies. Er selbst übersetzte eine Reihe älterer lateinischer Kirchengesänge, bearbeitete verschiedene Psalmen und dichtete zugleich mehrere frei empfundene geistliche Lieder, wobei er den einfachen Bau und die kunstlose Form des heimischen Volksliedes anwandte und leicht faßliche Melodien teils selbst komponierte, teils anderswo entlehnte. Sein Beispiel erweckte zahlreiche Nachahmer, und so entwickelte sich im 16. Jahrhundert ein neuer Volksgesang, dem bisherigen ähnlich, aber mit religiösem Inhalt, um in überaus wirksamer Weise dazu beizutragen, die Reformation in den deutschen Landen zu verbreiten und zu befestigen. Zu den geistlichen Liederdichtern jener Zeit gehören Pauk Speratus, der als Bischof in Preußen starb, Nikolaus Decius, Pfarrer in Stettin, Michael Weise, Pfarrer der böhmischen Brüder zu Landskrone, Nikolaus Herr mann, Kantor in Joachimsthal, B a rth o lo-mäus Ningwaldt, Pfarrer zu Lengefeld in der Mark, Philipp Nicolai, Pfarrer in Hamburg, und Nikolaus Seluecker, Profeffor und Superintendent in Leipzig. Auch im 17. Jahrhundert beherrschten die religiösen Ideen das gesamte Leben in solchem Maße, daß das geistliche Lied einen Hauptbestandteil der deutschen Dichtung ausmachte; doch nahm dasselbe in Ton und Behandlungsweise bereits vielfach eine von der früheren abweichende Gestalt an. Der bedeutendste der 1006 damaligen kirchlichen Sänger war Paul Gerhard, geboren zu bis ^ Gräfenhainchen in der Provinz Sachsen und zuerst Pfarrer zu 1670 Mittenwalde und dann zu Berlin, wo er unter dem großen Kurfürsten fein Amt niederlegen mußte, um bald nachher einen

9. Lehrbuch der Weltgeschichte - S. 821

1847 - Leipzig : Engelmann
Luthers Einfluß auf die deutsche Literatur. 821 men an und wurde vorzugsweise von Gelehrten gepflegt. Die schlichte und natürliche Uebcrtragung dcs ganzen Psalter von Burk. Waldis wurde am Ende des Jahrhunderts durch die mehr kunstge- rechte des Königsberger Lobwasser verdrängt, der zuerst von der lutherischen Bibelsprache ab- ging und den Uebergang zu Opitz bildete. Auch im 17, Jahrh, war das Religiöse noch so vorherrschend, daß das Kir- chenlied ein Hauptbestandtheil der Dichtkunst blieb; doch nahm dasselbe in Ton und Behandlungsart verschiedene Gestalten an. Paul Gerhard aus Sachsen, eine Zeitlang Prediger in Berlin, folgte Luthers Vorbilde und bewahrte in seinem from- men Gemüthe die Heiterkeit, die Zuversicht und das Gottvertrauen der ältern Lie- der. „Als er sein Lutherthum in Berlin gefährdet sah, befahl er Gott seine Wege und wanderte ins Elend." Seine 120 Lieder in einfacher, kräftiger Sprache wa- ren „eine helle Stimme des christlichen Volksgesangs in allen Beziehungen des Menschenherzens zur Gottheit." (,,Befiehl du deine Wege"; „Sollt ich meinen Gott nicht singen;" „Wach auf mein Herz und finge"; „O Haupt voll Blut und Wunden", u. a.). Dagegen gingen Andere auf Tauler und die Mystiker zu- rück, führten das alte Bild von Christus als einem Bräutigam und der Seele als Braut in unzähligen Wendungen durch, und verbanden mit einem Reichthum von Bildern und sinnlichen Anschauungen eine Weichheit des Gefühls, die hie und da in's Süßliche und Mattherzige überging. Dazu gehört der katholische Liederdichter Friedrich von Spee und der von ihm angeregte Johann Scheffler, genannt Angelus Silesius, der später zur katholischen Kirche übergetretene Verfasser des Cherubinischen Wandersmanns, einer Sammlung geistlicher Sprüche und Sinngedichte. Eine dritte Gattung wurde von den schlesischen Dichtern ausge- bildet, die eine vollendetere Kunstform anstrebten, dabei aber entweder, wie Opitz, das tiefere religiöse Gefühl und den frommen Sinn der ältern Zeit entbehrten, oder, wie der schwermüthige von harten Schicksalsschlägen heimgesuchte Andr. Gry- phius, die Heiterkeit und Zuversicht eines Luther und Gerhard fallen ließen, die Erde als ein Jammerthal ansahen und ihre Phantasie mit Grab- und Kirchhoss- betrachtungen füllten („Kirchhossgedanken"). Paul Gerhard 1606— 76 S v ec 1501 — 1635. Angelus Silesius 1624—74 Auch Neumark (f 1681 „Wer nur den lieben Gott läßt walten"), Paul F l emming („In allen meinen Thaten"), der platte Johann Rist, und der seichte Schmolke dichteten Kirchen- lieder. Um die Mitte des 18. Jahrh, erlitt das Kirchenlied eine wesentliche Verän- derung, indem man ihm eine feinere Gestalt und gebildetere Sprache verlieh und an die Stelle der alten Einfalt Würde und Schwung setzte. Der berühmteste unter diesen Dichtern ist der kirchlich-fromme Geliert, in dessen Liedern, die bis auf den heutigen Tag den Hauptbestandtheil der protestantischen Gesangbücher bil- den, religiöses Gefühl und ein gottergebenes Gemüth, aber weder die alte Freudig- keit und gesunde Kraft, noch die Stärke und Lebendigkeit der gläubigen Empfin- dung, wie bei Luther und Paul Gerhard sich vorfinden. Durch Klopstock kam auch in das Kirchenlied ein höherer Flug und ein feierlicherer Ton, die dasselbe aber nur dem Herzen des Volkes noch mehr entfremdeten.

10. Die neuere Zeit - S. 68

1892 - München [u.a.] : Buchner
— 68 — des Krieges wurde die satirische Dichtung und der (abenteuerliche) Prosaroman weiter gepflegt. Der Meistersang hatte mit Haus Sachs in Nürnberg (1494—1576), dem äußerst fruchtbaren Dichter von Gesängen, Schwänken, Fastnachtsspielen, Legenden und Zeitgedichten, seinen Höhepunkt erreicht. Das Kirchenlied, das Luther erneuert hatte, fand besonders im 17. Jahrhundert viele Pflege; die Not des Lebens wandte in der Zeit des großen Krieges die Gemüter zu Gott; von protestantischer Seite sind Paul Fleming ,(f 1640) und Paul Gerhardt (f 1676) *, von katholischer der Jesuit Spee (f 1635), der Bekämpfer der Hexenprozesse, und S ch ess ler (Angelus Silesius + 1677) als Dichter religiöser Lieder zu nennen. Die Wiedererweckung der kun st mäßigen deutschen Dichtung im Anschluß an antike Muster ging vom protestantischen Norden aus und knüpft sich an den Namen des Schlesiers Martin Opitz (1597—1639), dessen Bestrebungen von anderen (Dach, Zesen, Rist) geteilt und fortgesetzt wurden; im Jahre 1624 erschien Opitzens Buch „Von der deutschen Poeterei". Um dieselbe Zeit wurden an verschiedenen Orten nach italienischem Vorbilde Gesellschaften oder Akademien zur Ausbildung der Sprache und zur Hebung der Dichtkunst gestiftet, fos 1617 die fruchtbringende Gesellschaft zu Weimar. Diese Ansätze zu neuen Blüten der deutschen Dichtung wurden durch den Krieg verkümmert, aber nicht zerstört, so wenig wie die Anfänge des deutschen Dramas, welche gleichfalls in die Zeit vor dem großen Krieg fallen. Die Neigung zur derben volkstümlichen Satire warfchon dem ausgehenden Mittelalter eigentümlich; in den Tierfabeln, den Fastnachtsspielen, selbst in den Predigten der Bettelmönche trat diese Richtung hervor; in dem „Narrenschiff" (1494) des Straßburger Ratsherrn Sebastian Br ant hatte sich die Satire gegen die Laster und Gebrechen aller Stände gerichtet; im Geiste Brants verfaßte seit 1570 der aus Mainz gebürtige (kalvinistische) Johann Fischart seine satirischen Gespräche, sowie den satirischen Heldenroman „Gargantna", eine Nachahmung des gleichnamigen französischen Werkes, vergl. S. 42). Die Verderbnis der Sitten im Zeitalter des 30jährigen Krieges weckte diese satirische Richtung aufs neue; dahin gehörten außer den oben erwähnten ßogau (f 1655), Mo sch er o sch :(t 1669), Grimmelshausen (f um 1680), auch die Lustspiele des Schlesiers Andreas Gryphius (t 1664). c) Die hohe Blüte der bildenden Künste in Deutschland zu Anfang des 16. Jahrhunderts fand nur in der Architektur und im Kunstgewerbe eine Fortsetzung, bis der Krieg auch auf diesem Gebiete lähmend wirkte. Die deutsche Malerei hatte nach Dürer (t 1528) und Holbein d. I. (f 1543), sowie dem an künstlerischer Begabung schon nachstehenden Lukas Krauach (f 1551} keine Meister vou Bedeutung mehr auszuweisen; auch brachte die Reformation keinen neuen Kirchenstil hervor, da es sich weniger um den Bau von Kirchen als um die Änderung und Vereinfachung des Kultus handelte. Dagegen entstanden zahlreiche 1 Den Frieden ersehnte er in den Versen: „Schließ zu die Jammerpforten und lafc cm allen Orten auf so viel Blutvergießen die Friedenssiröme fließen!"

11. Bd. 2 - S. 36

1854 - Leipzig : Engelmann
36 Neuere Literatur. Syee 1591- 1635. Angelus Silesius 1624-74 die Zuversicht und das Gottvertrauen der altern Lieder. „Als er sein Lutherthum in Ber- lin gefährdet sah, befahl er Gott seine Wege und wanderte ins Elend." Seine 120 Lieder in einfacher, kräftiger Sprache waren „eine Helle Stimme des christlichen Volksgesangs in allen Beziehungen des Menschenherzens zur Gottheit." („Befiehl du deine Wege"; „Sollt ich meinen Gott nicht singen"; „Wach auf mein Herz und singe"; „O Haupt voll Blut und Wunden" u. a.) Dagegen gingen Andere aus Tauler und die Mystiker zurück, führten das alte Bild von Christus als einem Bräutigam und der Seele als Braut in unzähligen Wendungen durch, und verbanden mit einem Reichthum von Bildern und sinnlichen Anschauungen eine Weichheit des Gefühls, die hie und da ins Süßliche und Mattherzige überging. Dazu gehört der katholische Liederdichter Friedrich von Sp ee („Trutz Nachtigall") und der von ihm angeregte Johann Sch esfler, genannt Ange- lus Silesius, der später zur katholischen Kirche übergetretene Verfaffer des „Che- rubinischen Wandersmanns", einer Sammlung geistlicher Sprüche und Sinn- gedichte, nicht ohne Tiefe des Gefühls und dichterischen Schwung. Die Verschiedenheit der Gesinnung und Schreibart, die sich in den übrigen Schriften des zelotischen Conver- titen Joh. S ch efsl er von der sanften Mystik des Angelus Silesius kundgibt, hat neuere Forscher zu der Meinung geführt, daß jener heftige Feind des Protestantismus nicht der Verfasser des „Cherubinischen Wandersmann" sei. — Eine dritte Gattung wurde von den sch lefischen Dichtern ausgebildet, die eine vollendetere Kunstform anstrebten, dabei aber entweder, wie Opitz, das tiefere religiöse Gefühl und den frommen Sinn der älteren Zeit entbehrten oder, wie der schwermüthige, von harten Schicksalsschlagen heim- gesuchte Andr. Gryphius, die Heiterkeit und Zuversicht eines Luther und Gerhard fallen ließen, die Erde als ein Jammcrthal ansahen und ihre Phantasie mit Grab - und Kirchhofsbetrachtungen füllten („Die Herrlichkeit auf Erden, muß Staub und Asche werden"). Auch N eum ark (s-1681 „Wer nur dm lieben Gott läßt walten"). Paul Fleming („In allen meinen Thaten"), der fruchtbare, einen feierlichem Ton anstimmende Johann Rist und der seichte Schmolle dichteten Kirchenlieder. Um die Mitte des 18. Jahrh. erlitt das Kirchenlied eine wesentliche Veränderung, indem man ihm eine feinere Gestalt und gebildetere Sprache verlieh und an die Stelle der alten Einfalt Würde und Schwung setzte. Der berühmteste unter diesen Dichtern ist der kirchlich-fromme Gcllert, in dessen Liedern, die bis auf den heutigen Tag den Haupt- bestandtheil der protestantischen Gesangbücher bilden, religiöses Gefühl und ein gotterge- benes Gcmüth, aber weder die alte Freudigkeit und gesunde Kraft, noch die Stärke und Lebendigkeit der gläubigen Empfindung, wie bei Luther und Paul Gerhard sich vorfinden. Durch Kl o p stock kam auch in das Kirchenlied ein höherer Flug und ein feierlicherer Ton, die dasselbe aber nur dem Herzen des Volkes noch mehr entfremdeten. Dritter Abschnitt. Neuere Literatur. A. Die Periode der Nachahmung. §. 45. Charakter d er Zeit. Der dreißigjährige Krieg, der das deutsche Staats- ^ rcefen fremden Einwirkungen preisgab, begründete auch in der Literatur die Herrschaft ss

12. Die Neuzeit - S. VII

1882 - Leipzig : Hirt
Inhalt. Einleitung. Seilt 1. Charakter und Gang der Weltgeschichte der Neuzeit......1 2. Gang der deutschen Geschichte insbesondere...... . . 4 Die Geschichte der Neuzeit. 1. Periode. Vom Beginn der Reformation bis zum Beschlu der englischen Revolution. 15171689. (Kampf um religise Freiheit.) I. Zeitatter der Reformation. Erstes Kapitel: Rckblick auf die Vorbereitung der Reformation. 1) Reichsznstnde. 3. Idee des spteren Kaisertums, weltlicher Einflu des Papstes. Stndische Reformbestrebungen, allgemeine Ghrung im Reiche . . 7 4. Gewaltthtiaes Streben nach Selbstndigkeit in der Ritterschaft, Selbsthlfe der Städte, drohende Aufstandsversuche der Bauernschaft 9 2) Zustnde in der rmischen Kirche. 5. Notwendigkeit einer Reform; Stellung des Papsttums, weltliches Treiben der Ppste.................12 6. Die Kirchenlehre in ihrer Abweichung von evangelischer Einfachheit, eine dogmatische Begrndung der Hierarchie........15 7. Kultus und kirchliches Leben: Ceremoniendienst und Unwissenheit, Wundersucht und Zauberwesen, uere Werkheiligkeit und Sitten-verfall; tiefere Regungen...............17 3) Reformatorische Bewegungen in Literatur und Kunst und auf kirchlichem Gebiete. 8. Satirisch-kritische Richtung der deutschen Poesie und Volksliteratur. Humanismus und Renaissance.............20 9. Fortsetzung: Erasmus von Rotterdam und Johann Reuchlin . . 23 10. Reformatorische Richtung der Mystik in der Kirche; biblische und nationale Opposition gegen die alte Kirche: Vorlufer der Reformation 25

13. Geschichte des deutschen Volkes und des deutschen Landes - S. 400

1839 - Stuttgart : Literatur-Comptoir
Man hat der Reformation außer dem, daß sic Deutschland politisch gespalten habe, noch den Vorwurf gemacht, daß sie eine Feindin der Künste sei, weil ihr Sinn und Wesen adziehe von dem, was Phantasie und Gemüth erquicke oder starte. Man hat darin ihr wohl zu viel gethan. Sie trat nur der religiösen Uebertrei- dung entgegen, die nicht selten mit der Kunst und dem Kunstwerke verbunden wurde. Die geistlichen Komödien, welche auch die Jesuiten aufzuführen nicht unterließen, die Processionen, wo oft in seltsamer Mischung Gott und Jscharioth, Christus und ein Duzend Marien, Augustin mit dem Knebelbart und die Erzengel seltsam gekleidet auftratcn, hören auf, während höchstens einige protestantische Schüler noch ein den Alien entlehntes Stück, vielleicht selbst in der Ursprache auf- führen; auch hörte nun das Erbauen jener Dome und Kathedralen mit ihren herr- lichen Altären, halbem Tages-, halbem Kerzenlichte, mit jenen Statuen und Bil- dern, mit jener Pracht des Gottesdienstes, jener das Gemüth ergreifenden Liturgie auf; aber auch ein einziger und einfacher Altar hat schon Tröstungen genug, und eine schmucklose Kanzel treu und würdig des Auferstandencn Lehre verbreitet. Nicht das Meßopfer in fremder Sprache, sondern Gesang, Gebet und Predigt, Alles in der Muttersprache, sind die Hauptstücke des protestantischen Gottesdienstes, und auch der Protestant hat Meister in der heiligen Redekunst aufzuweisen. Hatte frei- lich kein protestantischer Fürst eine Capelle, wie die Herzoge von Baiern, in der auch schon „sechs castrirte Buben" Vorkommen, unter Senffl dem Schweizer, Or- lando Lasso, und Singspiele, welche Gatti und Massimo Trojano leiteten: so hatte doch Johann Friedrich 1542 eine Singerei zu Thorgau, und Luther selbst veran- staltete musikalische Unterhaltungen. Der deutschen geistlichen Dichtkunst brach er die Bahn und veranstaltete 1524 das erste Gesangbuch von 43 Liedern mit Noten für drei Stimmen. Dichtete er doch der Königin Maria von Ungarn sogar ein Lied mit den Anfangsbuchstaben ihres Namens. Kirchenlieder dichretcn noch P. Spretter (Speratus), Matthcsius, I. Jonas, Selneccer u. A. Den langweilig gewordenen Meistersängern gab die Reformation einen neuen dichterischen, religiö- sen Impuls; Hans Sachsens (des Nürnberger Schuhmachers 1494—1576) erstes Lied von 6048 Liedern und Meistergesängen war ein Lob der Gottheit. Von seinen 208 Komödien und Schwänken wurden manche in Nürnberg aufgcführt und in an- dere Städte verschrieben. Auch das protestantische Augsburg erneuerte 1534 seine Mcistcrsängerschule durch eine Zunftvcrfassung. Sonst zeichnen sich noch als Dichter aus: Burkard Waldis (s 1554) init seinem neuen Acsop, Alberus, der kirchliche Thorheiten und Mönchsftrciche witzig geißelt, Ringwald (s 1596) und gegen Ende des Zeitraums Georg Rollenhagen in seinem Froschmäusler, Magdeburg 1595. Nicht zu leugnen ist, daß durch die Reformation die deutsche Sprache sehr geho- den, besonders der obersächsische Dialect zur Schriftsprache wurde. Auch die Bildhauer- und Malerkunst war damals noch kcinesweges untergegangcn. Welche gefeierte Namen bieten nicht Nürnberg in der erster» mit seinem Adam Kraft, Veit Stoß, Peter Bischer, Jamnitzer, Wohlgemuth, Dürer als Malern und Kupferstechern, mit seinen Zeitgenossen Bäuerlein und seinen Schülern Burgk- maier, Schäufclein, Schorcl u. A., Augsburg mit seinem Hans Holbein, Wit- tenberg und Weimar mit den Cranachs, Vater und Sohn, dar. Dagegen vermißt man den Einfluß, welchen die Reforination auf Sitten und Denkungsart ihrer Zeitgenossen hätte haben sollen, öfters schmerzlich; doch muß man dabei bedenken, daß alte eingewurzelte Uebel, Sinnlichkeit, Aberglauben, wie dicke Nebel nicht dein ersten Sonncnblicke zu weichen pflegen. Noch dauerten auch bei den Protestanten die scheußlichen Herenprozesse, gegen welche noch kein Jesuit Spce und kein Thomasius ausgetreten waren, in ungeheurer Anzahl fort. Unter Julius und Heinrich Julius von Braunschwcig wurden um 1590 zu Wolfenbüttel

14. Deutsche Dichtung in der Neuzeit - S. 417

1893 - Trier : Lintz
417 2. Die Parabel, eine poetische Erzäh- lung, in welcher eine sittliche oder religiöse Wahrheit von höherer Bedeutung durch eine erdichtete Begebenheit aus dem Leben per Menschen veranschaulicht wird. Wird die Erzählung aus der Mythenwelt oder aus anderen Kreisen ideeller Wesen ent- nommen, so wird die Parabel zur Para- mythie. Werden hingegen personifizierte Begriffe als handelnd eingeführt, so ent- steht eine Alllgü-L-i-e^.. Die Darstellung verlangt nicht die Kürze und Gedrungen- heit der Fabel, wohl aber eine dein Gegen- stände und dem Zwecke der Dichtung an- gemessene edlere und gehobenere Sprache. Die Parabel und die Paramnthie wurden von Herder in die deutsche Dichtung ein- geführt, die letztere zugleich durch ihn be- gründet. Anmerkung. In das Gebiet der Pa- rabel gehören Schillers „Teilung der Erde", „Pegasus im Joche", Göthes „Der Schatzgräber"; eine Paramythie ist Herders „Das Kind der Sorge"; Alle- goricen sind Schillers „Mädchen aus der Fremde" und Göthes „Zueignung". 3. Die Satire ist ein Gedicht, in wel- chem die Laster, Thorheiten und Schwächen der Menschen, als der Idee schöner Mensch- lichkeit widersprechend, in heiterer und dann oft ironischer, oder aber in ernster, stets aber in einer von Witz und Laune be- lebten Darstellung gegeißelt werden. Tritt die Schilderung der Verkehrtheiten hinter der im Dichter erregten Empsindung zurück, so muß die Satire der lyrischen Gattung zugezählt werden. Anmerkung. Satiren (oder didaktische Gedichte) in Briefform nennt man poe- tische Episteln. Ii. Die knrihcbe Poesie. 1. Die Lyrik ist die Poesie der Empfin- dung , und Subjektivität der Charakter lyrischer Darstellung. Der Dichter kann nun seiner Empfindung unmittelbar durch Worte Ausdruck verleihen; da aber jede Empfindung durch Vorstellungen hervorge- rufen wird, auch selbst wieder neue Vor- stellungen hervorruft, so kann der Dichter seine Empsindung auch mittelbar zum Aus- druck bringen, indem er die Vorstellung selbst zur Grundlage seiner Dichtung macht. Anmerkung 1. Als Poesie der Empfin- dung ist die Lyrik der Musik nahe ver- wandt, weshalb sie denn auch von jeher der Musik entgegen gekommen ist und in kunstmäßiger rhythmischer Gliederung und Buschmann, Iii. 2. durch den Wohlklang des Sprachmate- rials sich der Musik angepaßt hat. Anmerkung 2. Der ruhigen Breite des in der Vergangenheit weilenden Epos steht in der lyrischen Poesie die durch das Augenblickliche der gegenwärtigen Stimmung gebotene Kürze entgegen. j 2. Die Stoffwelt der Lyrik ist so groß wie die Empsindung selbst mit ihren tau- senderlei Farben und Stufen; aber nur dann wird die Empsindung des Dichters ein ästhetisches Interesse beanspruchen können, wenn sich in ihr allgemein menschliche In- teressen wiederspicgeln oder wenn die Eigen- tümlichkeit des inneren Lebens, welches der Dichter uns vorführt, von ungewöhnlicher Bedeutung ist. 1. Das Dird. 1. Das kchrt den Gattungscha- rakter der Lyrik als der Poesie der Em- psindung am deutlichsten hervor. Es drückt in einer einfachen, leicht hinfließenden und sangbaren Form eine einzelne bestimmte ; Empsindung aus. 2. Man unterscheidet geistliche und weltliche Lieder. Die ersteren schildern Gefühle, welche aus dem Bewußtsein un- seres Verhältnisses zur Gottheit hervor- gehen; die letzteren solche, deren Grundlage irdische Lebens- und Herzensverhältnisse bilden. Eine besondere Art des Liedes ist j das Volkslied. Lieder nämlich, welche dem Gesamtcharakter des Volkes entsprechen, durch schlichte Einfachheit und Natürlich- keit, durch Wahrheit der Empsindung und Gemütstiefe sich auszeichnen, werden leicht zum Gemeingute der ganzen Nation, mögen sie nun von dichterisch begabten Leuten aus dem Volke selbst ausgehen, deren Namen unbekannt geblieben sind, oder von kunst- mäßigen, der geistig gebildeten Welt un- gehörigen Dichtern, deren Namen bekannt geworden sind. ; Anmerkung. Unter den weltlichen Lie- dern unterscheidet man: Naturlieder, patriotische Lieder, Liebeslieder, Gesell- schaftslieder u. a. m., ferner: Soldaten-, Reiter-, Studenten-, Handwerker-, Jäger-, Fischer-, Kinderlieber u. dgl. 2. Die Gde und die Hymne. 1. Die Ode ist ein lyrisches Gedicht, in welchem die höchsten menschlichen Ideale, Religion und Vaterland, Freundschaft und Liebe, Freiheit und Tugend, in begeistertem Aufschwung dichterischer Empsindung be- I sungen werden. Kühne Übergänge in den 27

15. Deutsche Geschichte bis zum Westfälischen Frieden - S. 140

1908 - Halle a.S. : Buchh. des Waisenhauses
140 Das Zeitalter der religiösen Kiimvfe. 1519 -1648. Vorbild gewesen in der wirtschaftlichen Bodennutzung, hatte die wissenschaftlichen Studien und den wissenschaftlichen Unterricht gepflegt, sie hatte Kunst und Kunsthandwerk gefördert und entwickelt. Aber wie sie das Leben I /j ^ . ,1. ■ itxj, des Menschen von der Wiege bis zum Grabe in ihre Obhut nahm, so wollte :— sie es auch leiten und beherrschen. Als eine Herrin ordnete sie nicht |||j: filhi ' iüur das religiöse Empfinden und Glauben; sie beherrschte nicht minder das fl geistige Leben: das wissenschaftliche Denken, vor allem die scholastische i Philosophie, stand ebenso wie die Phantasie des Künstlers in ihrem Dienst. Insbesondere dem Staat gegenüber erhob sie den Anspruch, ihn zu beherrschen; und indem sie sich mit dem Fürstentum im Kampfe gegen das Kaisertum verband, hat sie mit dazu beigetragen, den politischen Zusammenhalt der deutschen Nation zu zerstören. Andererseits war ein großer Teil des Klerus, seit die Kirche die Weltherrschaft gewonnen hatte, stark verweltlicht: die äußeren Interessen der Macht und der Finanzen waren immer wichtiger geworden; das kirchliche Leben wurde veräußerlicht, z. B. das Bewußtsein von der Notwendigkeit der Buße durch die Ausbildung des Ablaßwesens vielfach abgeschwächt; das ungeistliche Leben eines Teiles der Geistlichkeit, u. a. auch mancher Päpste, gab zu berechtig-Jijjjm tem Tadel Anlaß. ^Neuzei?" ®em Mittelalter gegenüber wird die Neuzeit durch ein Doppeltes gekennzeichnet. Es ist einerseits das Bestreben, die Staatsgewalt Der moderne von dem hemmenden Einfluß der mittelalterlichen Bildungen zu befreien, ihr zur Herrschaft zu verhelfen und ihre Wirksamkeit über immer weitere Gebiete auszudehnen; so hat die Neuzeit den nationalen Kultur-staat geschaffen, zunächst in der Form des Absolutismus. Es ist anderer-Individuum* skits das Bestreben, das Individuum von den es umgebenden Schranken zu befreien, ihm zur Freiheit des religiösen Glaubens, des sittlichen Handelns, des wissenschaftlichen Denkens und künstlerischen Schaffens, endlich des wirtschaftlichen Erwerbs, kurz zur Entfaltung einer freien Persönlichkeit zu verhelfen. Dieser individualistische Charakter der neuen Zeit hat zeitweise zu Ausbrüchen eines ungezügelten Subjektivismus geführt, der keine objektiven Gesetze für sein Denken und Handeln anerkennen wollte; auf der anderen Seite aber entwuchs ihm die Reformation, die Entstehung der modernen Wissenschaft, die voraussetzungslos an die Erforschung des Natur- und Geisteslebens heranzutreten suchte, endlich auch die Entstehung der modernen K u n st. Zur Ausdehnung der Bildung aber auf weite Volksschichten hat eine Buchdrucker- Erfindung des 15. Jahrhunderts in ungeheurem Maße beigetragen: die kunstum Erfindung der Kunst des Buchdrucks mit beweglichen, metallenen

16. Deutsche Geschichte bis 1648 - S. 205

1902 - Hannover-List : Carl Meyer (Gustav Prior)
205 auf deren hchstem das Christuskind mit der Weltkugel thront. Eine Flle plastischer Gestalten ist berall angebracht, und diese zeigen schon durchaus den Charakter der Renaissance, während das architektonische Gerst noch grtenteils der Gotik angehrt. Nach Lbke und F. Wagner. 2. Die deutsche Poesie. Das gehobene nationale Leben und die freudige geistige Ttigkeit, die von der Reformation hervorgerufen waren, dauerten auch in der zweiten Hlfte des 16. Jahrhunderts noch fort. In allen Gebieten herrschte die Freude am Schaffen und Wirken, am Er-werben und Genieen, wodurch jene Zeit der Wiedergeburt so weit der die vergangenen Jahrhunderte emporragte, in ungeschwchter Kraft und Frische sich erhielt und noch manche herzerfreuende Frucht zur Reife brachte." Durch feine Bibelbersetzung hatte Luther zugleich die neuhoch-deutsche Sprache geschaffen, ihr Seele und Leben eingehaucht und sie zum Gemeingut der Deutschen gemacht. Wenngleich die neue Lehre das poetische Schaffen wenig anregte und die Dichtkunst ihres volkstmlichen Wesens nach und nach ganz entkleidete, so sand doch die Lyrik in dem Kirchenliede, der lieblichen Blte der Reformation, um biefe Zeit ihren Hhepunkt. (Luther, Nie. Decius, Paul Speratus, Justus Jonas, Paul Eber, Johann Matthesins, Nie. Hermann, Selneccer, Helmbold, Nicolai, Herberger.) Dem Volkslieds war diese Zeit der Schulgelehrsamkeit und Dogmatil wenig gnstig, doch wurde es durch Sammlungen vor dem vlligen Untergange bewahrt. Der Meistergesang, der an die Stelle des Minne-gesanges getreten war und in den alten Reichsstdten Nrnberg, Ulm und Straburg eine Sttte gefunden hatte, ging jetzt auch zu Ende. Trotz Hans Sachs in Nrnberg (14941576) konnte er zu keinem rechten Leben und Einflu mehr gelangen. Dagegen gewann das Drama (Schul-komdien, Fastnachtsspiele von Hans Sachs) greren Umfang, und die Shakefpearfchen Dramen bten bedeutenden Einflu auf die kunst-geme Umgestaltung der Dramatik. Die Lehrdichtung, die vor der Reformation in den Satyrikern Sebastian Brant (Narrenschiff) und Thomas Murner (Narrenbefchwrung) fo bedeutende Vertreter gehabt hatte, leistete nichts Bedeutendes mehr; hher erhob sich'die erzhlende Prosa durch Fischart (1590) in dessen Geschichtsklitterung", welches Werk Zeugnis ablegt von der Sprachgewandtheit und dem Witze des Verfassers. Die Schwankdichtungen waren beliebt, und eine prosaische Volksliteratur erschien in den Volksbchern (Genoveva, Haimonskinder, Siegfried, Ge-schichte vom Doktor Faust, vom ewigen Juden u. a.). Die Vorliebe zu sprichwrtlichen Redensarten fhrte zu Sprichwrtersammlungen von Joh. Agricola und Sebastian Franck, der auerdem in feiner Kosmo-

17. Bd. 2 - S. 179

1883 - Leipzig : Engelmann
H. 687. von der Reformation bis zum Zeitalter Ludwigs Xiv. 179 vornehme, theils hochgeborne, theils hochgelehrte Mitglieder Beinamen aus dem Pflanzenreich trugen, was zu Affectationen und lächerlichen Spielereien führte; die von Zesen gebildete deutschgesinnte Genossenschaft (gegründet 1643), die in ihrem Eifer für Sprachreinheit (Purismus) sich zu unsinniger Verdeutschung von Fremdwörtern verleiten ließ; der von den Nürnberger Dichtern Harsdörfer und Klai 1644 gestiftete Pegnitzer Blumenorden, dessen Mitglieder Hirtennamen führten; der von Joh. 9tijt 1656 gegründete Schwanen. erden an der Elbe u. a. Zu Vorbildern nahmen die deutschen Dichter besonders den schwülstigen, bilderreichen Italiener Marini (§. 673) und die glatten französischen Schriftsteller, von denen sie die schleppende „heroische" Versart, den Alexandriner, sowie die Regeln der Sprach - und Dichtkunst entlehnten. Von dieser Zeit an blieb über ein Jahrhundert die in Darstellung und Form vollendete, aber kalte und steife Literatur der Franzosen Muster und Vorbild der deutschen Dichtung. — Selbst das Studium der altklassischen Literatur war für die deutsche Poesie dieser Periode unheilvoll, indem man nur ihre Kunstregeln befolgte und ihre Formen nachahmte, aber für den hohen Geist derselben kein Verständniß hatte. Kraft, Freiheit und Selbstgefühl gehen diesen Dichtern gänzlich ab; sie kriechen vor allem Vornehmen und spenden den hochgebornen Schützern und Gliedern des fruchtbringenden Ordens endlose Lobpreisungen und Schmeicheleien. In der Poesie dieser Zeit herrscht der Gattung nach die Lyrik, dem Inhalt nach das Religiös e vor; und so künstlich und geziert diese Dichter in ihren meisten Erzeugnisien waren, im Kirchenlied hielten sie sich an die überlieferten Beispiele und blieben daher volksthümlich und herzlich. Der Hauptsitz ist nicht mehr wie früher der Süd e n, sondern der protestantische Norden; die zwei einzigen süddeutschen Dichter von Bedeutung, der Würtemberger Weckherlin (f 1653), ein kräftiger Odendichter (Trauergedicht auf Gustav Adolf), und der erwähnte Heidelberger Zinkgref lebten an protestantischen Höfen. Opitz und Paul Flemming. Der Schlesier Martin Opitz wurde durch drei Dinge „Vater und Wiederhersteller der Dichtkunst", 1) weil er die herabgekommene Poesie wieder zu Ehren brachte. Während der Reformation war das weltliche Volkslied verstummt, Gelehrte hatten sich der Poesie bemächtigt und ihre Gedanken gewöhnlich in lateinische Verse gekleidet; die weltliche Dichtkunst war Bänkelsängern und Gelegenheitspoeten anheimgefallen und ganz in Verachtung gerathen. Es war daher ein großes Verdienst, daß Opitz, der als Mitglied des Palmenordens und als gelehrter, gebildeter Mann in hohem Ansehen stand und mit den bedeutendsten Gelehrten des Auslandes, wie Heinsius, Hugo Grotius (§. 648. 669), de Thou u. A. befreundet war, seine Kräfte der deutschen Poesie zuwandte und dadurch den gesunkenen Dichterstand wieder hob. 2) Weil er eine neue, auf die Gesetze des Alterthums gegründete Kunst form schuf und 3) weil er, auf dem Boden des Humanismus stehend, die altklassische Literatur als Vorbild empfahl und zu dem Zweck die Antigone des Sophokles und andere griechische und lateinische Werke übersetzte. Vertraut mit den Werken des Alterthums und mit den modernen Dichtungen des Auslandes, war Opitz der Schöpfer einer neuen poetischen Kunstform, indem er den Tabulaturen der Meistersänger eine auf den Grund der antiken Dichtungen aufgebaute Poetik entgegensetzte („von der deutschen Poetem", 1624), den bisher üblichen Knittelvers durch eine geregelte Metrik verdrängte und durch das Gesetz, daß der Accent eine Silbe lang mache, und daß man im deutschen Verse mit Hebung und Senkung eben so regelmäßig abwechseln müsse, wie im antiken mit Länge und Kürze, die neue Prosodie begründete. — Wie hoch auch Opitz bei den Zeitgenossen in Ansehen stand, so war er doch weder durch seinen Charakter, noch durch seine Dichtungen eine bedeutende Erscheinung. Durch Schmeicheln und Kriechen wußte er sich die Gunst der Vornehmen zu erwerben und benutzte dann seinen Einfluß, um mittelmäßige und geringe Talente zu heben und durch sie gelobt und verherrlicht zu werden, aus seinen Reisen drängte er sich zu den Gelehrten des Auslandes und bediente sich ihres Namens zur Erhöhung seines Ruhms. Er ward in den Adelstand erhoben (von Boberfeld) und weithin gepriesen, und doch sind seine poetischen Erzeugnisse von geringem Werth. Ohne Schwung, Phantasie und Tiefe der Empfindung legte er auf die Vollendung der Form, auf die Reinheit und Glätte der Sprache und des Versbaues, auf witzige, überraschende Wendungen das größte Gewicht; seine Poesie ist eine Poesie des Verstandes, die, verglichen mit der

18. Bd. 2 - S. 34

1854 - Leipzig : Engelmann
Arnd 1555 — 1621. Tschudi. Avcnti- ims. Sebast. Frank. Agricola. 34 Die deutsche Volksliteratur im 15. und 16. Jahrhundert. und des für das kirchliche Leben der Protestanten so wichtigen Kir ch enlied es. Seinein apostolischem Geiste verfaßte Bibelübersetzung (Lehrb. §.457.), die in die Hände des Volks überging und eine beispiellose Verbreitung erlangte, wurde ebenso die Grundlage der Sprache wie der evangelischen Gesinnung. Tiefes religiöses Gemüth, Kernhaftigkeit des Ausdrucks, Wärme und Kraft der Sprache beurkundeten eine innere Seelenverwandt- schaft des Uebersetzers mit den gottbegeisterten Verfassern der alt- und neutestamentlichen Schriften und verliehen dem Bibelwerke aus Jahrhunderte ein gesetzgebendes Ansehen für deutsche Sprache, wie für deutsche Denkweise und für deutsches Gefühl. Nächst der Bibel waren Luthers didaktische Werke, wozu seine Predigten, seine Katechismen, eine Anzahl Trostschriften, Tischreden u. dergl. m. gehören, sowie Briefe und Gutachten, Streit- und Flugschriften für deutsche Sprachbildung von höchster Bedeutung. Diese letztern waren in der Regel der Erguß einer kräftigen, von Religiosität und Vaterlandsliebe durchdrungenen Gesinnung, so sehr auch hie und da der Feuereifer des Reformators sich in leidenschaftlichen Ausfällen kund gab und die Kraft seiner Natur ihn zu zornigen, derben, ja rohen Aeußerungen fortriß. Charakter und Bildung der Zeit waren derb und rauh; wie sollte Luther, in dessen Natur sich alle Vorzüge und Fehler jener kräftigen Zeit vereinigt fanden, fein und gesittet erscheinen? Von der Art sind seine Streitschriften gegen König Heinrich Viii. von England, gegen Heinrich von Braunschweig ,,w ider H an s W orst" (Lehrb. 8- 483.) und die zornige Flugschrift wider die räu- berischen und mörderischen Bauern (Lehrb. §. 461). Zu den besten in gemäßigter Sprache verfaßten Streitschriften gehört die Aufforderung ,,An den christlichen Adel deutscher Nation von des geistlichen Standes Besserung" und „von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche" (Lehrb. §. 454). Luthers Streitschriften wurden von den zanksüchtigen Theologen der Reformations- zeit nur zu sehr nachgeahmt und überboten, indeß seine religiöse Tiefe und Innigkeit und seine bibelfeste Sprache unter dem Streit über uncrklärbarc Glaubenssätze und symbolische Rechtgläubigkeit (Lehrb. §. 561.) zu Grundeging, bis die in gemüthlicher und herzlicher Rede abgefaßten vier Bücher vom wahren Christenthum von Joh. Arnd und die Wirksamkeit Sp e n e r's und der P i c t i st e n (Lehrb. §. 656.) der deutschen Nation die lu- therische Bibelsprache und mit ihr die Gcfühlswärme und freie Schriftforschung Zurückgaben. — Die durch Luther begründete deutsche Prosa kam bald in G cschichtswerken und in einzelnen wissenschaftlichen Schriften zur Anwendung. Zwar blieb für die ern- stere Geschichte auch im 16. und 17. Jahrh. die lateinische Sprache noch die ge- wöhnliche, wie wir aus Sleidanus, Thuanus, Grotius (Lehrb. §. 551.), Scckendor f's Reformatronsgeschichte u. a. ersehen; aber neben dieser gelehrten Geschichte wur- den gleichzeitig h ist orische W erke in d er V o lkssprach e bearbeitet, die, ivenn sie gleich durch die unkritische Darstellung und mancherlei fabelhafte Zusatze für die Geschichts- forschung von geringer Bedeutung sind, doch als Volksbücher wegen ihrer gemüthlichen und ansprechenden Sprache und Erzählung hohen Werth haben. Von der Art sind die Schweizer Chronik von Aegidius Tschudi (1505 —1572), die bayerische Chronik und die Chrouika vom Ursprünge des alten Teutschlands von dem Bayern Tnrnmeyr von Abensberg (Aventinns; st 1534) und die Chronik«, Zcytbuch und Geschichtbibel von Anbegyn bis 1531 von dem vielverfolgten Wiedertäufer S e b a st i a n Frank (1500 — 1545); auch die etwas rohe Selbstbiographie des bekannten fränkischen Ritters Gütz vonverlichingen(ch 1562; Lehrb. §. 460.) verdient eine Erwähnung. Derselbe Sebastian Frank gab auch eine Sammlung deutscher Sprüchwürter nebst Erklärung ihres Sinnes („Schöne weise herrliche Clugreden und Hofsprüch") heraus, worin ihm der als Mitverfasser des Interims (Lehrb. §. 491.) bekannte Johann Agricola von Eisleben (ff 1566) vorangegangen war. Auch bei wissen- schaftlichen Werken bedienten sich einige nicht dem Gelehrtenstande angehörige Männer der deutschen Sprache, wie Albrecht Dürer (Lehrb. §. 441.) (Untcrweysung der Messung mit demzirkel und Richtscheydt in Linien, ebenen und ganzen Corporen u. s. W-), Jakvbböhme (Lehrb. §. 552.) u. A., doch blieb bis auf T h o m n si u s (Lehrb. §, 656.) bei gelehrten und wissenschaftlichen Werken und Vorträgen die lateinische Sprache die allein gültige und gebräuchliche.

19. Geschichte des Altertums - S. 196

1905 - Halle a.d.S. : Buchh. des Waisenhauses
196 Aus der römischen Literatur. quatus als der Sohn eines Freigelassenen (er selbst war also frei- geboren). Um seinem Sohne eine ausgezeichnete Erziehung zu teil werden zu lassen, zog der Vater nach Rom. Zu seiner weiteren Ausbildung ging der junge Horaz nach Athen (um 45), wo er von M. Brutus für seine Sache gewonnen wurde. Von ihm zum Tribunus militum ernannt, focht Horaz in der Schlacht bei Phi- lippi (42) mit. Damit hatte seine kriegerische Laufbahn ein Ende. Nach Rom zurückgekehrt und begnadigt, kaufte er sich die Stelle eines Quästorenschreibers. Durch seine Satiren und Epoden be- kannt geworden, wurde er von Vergil und L. Varius dem Mäcenas vorgestellt, durch den er ein Landgut im Sabinerlande zum Geschenk erhielt und mit Augustus bekannt gemacht wurde. Er starb am 27. Nov. 8 v. Chr., kurz nach Mäcenas. Die frühesten Gedichte sind die Satiren und Epoden, die i. J. 30 abgeschlossen wurden. In den Satiren (sermones „Plaude- reien“; so nennt Horaz auch seine Episteln) ist er ein Nach- folger des C. Lucilius, beschränkt aber seine Kritik der öffentlichen Zustände mit Rücksicht auf die Zeitverhältnisse auf soziale und literarische Gegenstände. Nach ihrem Inhalte mit ihnen gleich- artig sind die Epoden1; in ihnen zeigt er sich als Nachahmer des Archilochos. Von den Oden (carmina) gab Horaz die ersten drei Bücher i. J. 24, das vierte i. J. 13 heraus. Seine Vorbilder in diesen Gedichten sind die griechischen Meliker, besonders Alkaios und Sappho („aeolium od. lesbium carmen“). Das Carmen sae- culare ist gedichtet für die Säkularfeier des Jahres 17. Das erste Buch der Episteln, die mit den Satiren den allgemeinen Charakter teilen, aber das Erzeugnis einer reiferen Altersstufe sind, erschien i. J. 20, das zweite Buch (Epist. 3 de arte poe- tica an die Brüder Piso) in den letzten Lebensjahren des Dichters. Seine Gedichte wurden frühzeitig Schulbuch (vgl. Epist. I, 20, 17). 1) So wohl von den Grammatikern genannt; Epode hieß ein Gedicht, in dem auf einen längeren Vers ein kürzerer (inysog sc. arc/og) folgte; dann paßt diese Bezeichnung für Epode 11, 13 und 17 nicht; Hör. selber nannte diese Gedichte iambi.

20. Geschichte der Neuzeit - S. 2

1891 - Neubrandenburg : Nahmmacher
— 2 — Streit mit dem Inquisitor von Hoogstraten und den Dominikanern von Köln. Epistolae virorum obscurorum. 1465 geb. b. Desiderius Erasmus (von Rotterdam). Herausgabe des neuen Testaments in griechischer Sprache. 1488. c. Ulrich von Hutten, geb. zu Steckelberg, wegen seiner lateinischen Schriften von Maximilian I. zu Augsburg gekrönt, schrieb später Deutsch. I. Weriode. Zeitaller der Reformation. A. Deutschland. Allgemeine Gährung. 1) Kirche. Die großen Konzilien, zur Reformation der Kirche an Haupt und Gliedern berufen, erfolglos. Widerspruch gegen das Treiben der Geistlichkeit allgemein, besonders zum Ausdruck gebracht in der deutschen Volksliteratur, die in satyrischer Weise gegen die kirchlichen Zustände kämpft. a. Sebastian Brant. Narrenschiff. b. Johann Fischart. Bienenkorb des heiligen römischen Jmenschwarms. c. Thomas Murner. Schelmenzunft und Narrenbeschwörung. Ihm fälschlich zugeschrieben: ä. Eulenspiegel. 6. Reineke Fuchs. 2) Das Reich. Kaisertum eingeschränkt durch die Reichsstände, bestehend aus a. Kurfürsten (7), b. Fürsten (geistliche und weltliche Bank), c. Städte (51).