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1. Bilder aus Europa mit Ausschluss des Deutschen Reiches - S. 78

1890 - Gotha : Behrend
78 Bilder aus Ost-Europa. 4. Von allen Insekten der südrussischen Steppe erscheint keines in so nngehenern Massen, und keines tritt deshalb und wegen seiner ungemein großen Freßgier mit dem Menschen in so gefährliche Berührung, wie die Heuschrecke. Die Heuschrecken sind keineswegs eine alljährliche Plage der süd- russischen Steppe. Es giebt Jahre, wo sie ganz ausbleiben oder wenigstens sich nicht zu jenen verheerenden Wanderungen zusammen- finden. Ja, es giebt sogar ganze Perioden von Jahren, in denen sie nicht erscheinen, und dann eben solche Perioden, in denen sie jedes Jahr in größeren oder geringeren Massen zum Vorschein kommen. Wenn jemand in einer deutscheu Kolonie auf deren Gebiete oder in ihrer Nachbarschaft ein nahendes Heuschreckenheer entdeckt, so ist er verbunden, dies so schnell als möglich dem Schulzen der Kolonie auzu- zeigen. Dieser entbietet alsdann flugs die ganze Gemeinde, und als- bald bewaffnet sich alles mit Glocken, Kesseln, Flinten, Pistolen, Peitschen, Trommeln und andern Dingen, die knallen und schallen und vor deren starken Tönen die Heuschrecken fliehen. Als die Kaiserin von Ruß- land 1828 auf dem Landgute des Herrn Raynaud am Schwarzen Meere bei Odessa wohnte, wurden die Heuschrecken mit Trommeln aus den Gärten verscheucht. Wenn die Heuschrecken schon niedergefallen und nicht gar zu matt sind, so werden sie von den Tönen aufgescheucht; wenn sie aber noch fliegen, vom Niederlassen abgehalten und zum Höherfliegen gezwungen. Außer diesen klangreichen Dingen schleppen die Leute auch Stroh und alles, was brennend einen starken Rauch macht, mit sich. Denn den Rauch vertragen die Heuschrecken noch weniger als den Lärm; insbesondere fliehen sie den von Weinrebenzweigen. So ausgerüstet rücken die Kolonisten ins Feld und ergreifen nun verschiedene Maßregeln, je nach der verschiedenen Lage und Stellung, in welcher sie den Schwärm sinden. Hat er sich bereits auf dem Gebiete der Nachbarn niedergelassen und schreitet er nun beständig grasend gegen das Gebiet, das sie schützen wollen, vor, so machen sie schnell an den Grenzen herum kleine Feuer, die von besonderer Wirkung sind, wenn der Wind den Heuschrecken Rauch entgegenführt. Es gelingt ihnen dadurch oft, den betreffenden Wanderern eine andere Richtung zu geben oder sie wenig- stens zum Halten zu bringen. Können sie aber nicht schnell und scharf genug feuern, oder ist der Heuschreckenschwarm zu mächtig — sie liegen oft bis 10 Centimeter hoch — so geschieht es wohl, daß, wenn auch die vordersten halten, doch die Hinteren nachflattern, zu Taufenden ins Feuer fallen, das sie mit ihren Leichnamen auslöschen und dem Reste zum Weiterschreiten Bahn schaffen Finden die Leute den Schwärm schon auf ihren eigenen Feldern niedergelassen, so umzingeln sie ihn sogleich und machen rund herum ebenfalls kleine Feuer, um ihn zuvörderst in diefer Feuerkette zu fesseln und zum Anhalten zu bringen. Alsdann zünden sie kleine Stroh- bündel und andere Feuerbrände an und Wersen sie in den einge-

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1. Geographische Bilder aus allen Erdtheilen - S. 22

1878 - Danzig : Verlag und Druck von A. W. Kafemann
22 Bilder aus Europa. — Rußland. weise ins Wasser und retten sich flüchtigen Fußes. Aber auch viel nützliches Geflügel verbrennt sich dabei das Gefieder: Enten, die ihre Eier nicht ver- lassen wollen und aus ihrer Brut das Leben verhauchen, Reiher und Trappen, die dumm um das Feuer kreisen und wohl gar mitten in die Flamme hineinschießen. Trotz aller Verbote und Bestrafungen wiederholen sich diese Schilf- brände des Dnjestr und Dnjepr alljährlich so pünktlich, wie der Frühling und das Ergrünen der Bäume. Nach I. G. Kohl. 13. Die Heuschrecken in der südrussischen Steppe. Von allen Insekten der südrussischen Steppe erscheint keines in so ungeheuern Massen, und keines tritt deshalb und wegen seiner ungemein großen Freßgier mit dem Menschen in so gefährliche Berührung, wie die Heuschrecke. Die Heuschrecken sind keineswegs eine alljährliche Plage der süd- russischen Steppen. Es giebt Jahre, wo sie ganz ausbleiben oder wenigstens sich nicht zu jenen verheerenden Wanderungen zusammenfinden. Ja, es giebt sogar ganze Perioden von Jahren, in oenen sie nicht erscheinen und dann eben solche Perioden, in denen sie jedes Jahr in größeren oder geringeren Massen zum Vorschein kommen. Wenn jemand in einer deutschen Kolonie, auf deren Gebiete oder in ihrer Nachbarschaft ein nahendes Heuschreckenheer entdeckt, so ist er ver- bunden, dies so schnell als möglich dem Schulzen der Kolonie anzuzeigen. Dieser entbietet alsdann flugs die ;anze Gemeinde, und als- )ald bewaffnet sich alles mit Glocken, Kesseln, Flin- ten, Pistolen, Peitschen, Wanderheuschrecke. Trommeln Und andern Dingen, die knallen und schallen, und vor deren starken Tönen die Heu- schrecken fliehen. — Als die Kaiserin von Rußland 1828 auf dem Land- gute des Herrn Raynaud am schwarzen Meere bei Odessa wohnte, wurden die Heuschrecken mit Trommeln aus den Gärten verscheucht. — Wenn die Heuschrecken schon niedergefallen und nicht gar zu matt sind, so werden sie von den Tönen aufgescheucht; wenn sie aber noch fliegen, vom Niederlassen abgehalten und zum Höherfliegen gezwungen. Außer diesen klangreichen Dingen schleppen die Leute auch Stroh und alles, was brennend einen starken Rauch macht, mit sich. Denn den Rauch vertragen die Heuschrecken noch weniger als den Lärm; insbesondere fliehen sie den von Weinreben- zweigen. So ausgerüstet rücken die Kolonisten ins Feld und ergreifen nun verschiedene Maßregeln, je nach der verschiedenen Lage und Stellung, in welcher sie den Schwarm finden. Hat er sich bereits auf dem Gebiete der Nachbarn niedergelassen und schreitet er nun beständig grasend gegen das Gebiet, das sie schützen wollen, vor, so machen sie schnell an den Grenzen herum kleine Feuer, die von besonderer Wirkung sind, wenn der Wind den Heuschrecken Rauch entgegenführt. Es gelingt ihnen dadurch oft, den be- treffenden Wanderern eine andere Richtung zu geben, oder sie wenigstens zum Halten zu bringen. Können sie aber nicht schnell und scharf genug feuern, oder ist der Heuschreckenschwarm zu mächtig — sie liegen oft bis 10 Centimeter hoch — so geschieht es wohl, daß, wenn auch die vordersten halten, doch die hinteren nachflattern, zu Tausenden ins Feuer fallen, das

2. Geographische Bilder aus allen Erdtheilen - S. 23

1878 - Danzig : Verlag und Druck von A. W. Kafemann
Die Heuschrecken in der südrussischen Steppe. 23 sie mit ihren Leichnamen auslöschen und dem Reste zum Weiterschreiten Bahn schaffen. Finden die Leute den Schwarm schon auf ihren eigenen Feldern niedergelassen, so umzingeln sie ihn sogleich und machen rund herum eben- falls kleine Feuer, um ihn zuvörderst in dieser Feuerkette zu fesseln und zum Anhalten zu bringen. Alsdann zünden sie kleine Strohbündel und andere Feuerbrände an und werfen sie in den eingeschlossenen Haufen hinein, schienen und scheuchen darin herum, um ihn so, da er weder vorwärts schreiten, noch sitzen bleiben kann, zum Auffliegen zu zwingen. Glückt ihnen dies, oder fanden sie ihn gleich beim ersten Anzuge noch in der Luft, so beginnen sie nun ein Lärmen wie die Jagd des wilden Jägers. Einige haben große Tücher an Stangen gebunden, andere tragen brennende Strohwische an langen Fackelstäben in die Höhe. Sie wedeln, flaggen, schießen, jauchzen, trommeln, klingeln und bringen die ganze Atmosphäre in Aufruhr. Die erschreckten Heuschrecken, die vielleicht schon im Fallen begriffen waren, steigen dann wieder etwas höher, und indem die Leute, im lärmenden Tumulte über Thal und Hügel springend, ihnen beständig folgen, gelingt es ihnen nicht selten, den Schwarm über ihre Aecker und ihr Dorf schwebend hinwegzuführen. Haben sie das Meer oder einen Liman (Mündungsbusen) in der Nähe, so suchen sie ihn allmälig auf die Seite ins Wasser zu treiben. Führt ein starker Wind die Heuschrecken ins Meer hinaus, so tft es merkwürdig, daß sie, darin niederfallend, sich nicht in einer breiten Schicht darauf hinlegen, sondern sich pyramidenweise anhäufen, so daß, wo zuerst einige Millionen niederfielen, sich eben dahin auch die andern setzen, wie auf eine, gleichsam durch die Leiber der andern gebildete, trockene Insel. Indem sich oann alle auf solchen einzelnen Inseln anhäufen, bilden sie so verschiedene, im Meere schwimmende, gegen V2 Meter hohe Berge, die durch alle die sich anklammernden Beinchen und Gebisse fest zusammenhängen und mehrere Centimeter tief ins Wasser gehen. Ist ihnen der vom Lande wehende Wind stark entgegen, so werden diese Heuschrecken immer weiter ins Meer hinausgetrieben und kommen so allmälig um. Doch muß der Wind stark sein; denn können die Thiere ihm nur einigermaßen entgegenarbeiten, so kehren sie wieder um. Die, welche oben auf dem Trockenen der Insel sind, fliegen wieder auf und kommen gegen den Wind ans Land zurück. Die, deren Flügel genäßt sind, suchen sich schwimmend ans Ufer zu arbeiten; und kommen sie dazu, — die Heuschrecken haben, so wenig sie das Wasser lieben, doch ein zähes Leben und ertrinken nicht leicht, — so sitzen sie dann zu Millionen auf dem Sande des Ufers, schlagen mit den Flügeln, trocknen sich schnell und schließen sich dem Zuge der Uebrigen an. Die ertrunkenen werden ebenfalls allmälig ans Ufer getrieben, färben hier den Schaum der Brandung schwarz und bedecken den Rand des Wassers in langen Dämmen wie ausgeworfener Seedünger. Gelingt es nicht, auf die angegebene Weise den im Felde liegenden Schwarm in die Höhe zu bringen, was z. B. bei Regen oder auch nur bei feuchter Luft durchaus unmöglich ist, weil dann die Heuschrecke, matt am Boden liegt und kaum dem sie zertretenden Fuße ausweicht, so bleibt dann nichts anderes übrig, als die bereits bedeckten Aecker preiszugeben und so viele als möglich zu verderben, um wenigstens das Uebel zu mindern. In den Gärten zertritt und zerschlägt man sie auf alle mögliche Weise. Es ist kein Fuß und keine Hand in der ganzen Steppengegend, die nicht schon viele Tausende dieser Unholde gemordet hätte. Auf den Aeckern gebraucht man dazu großartigere Mordinstrumente, insbesondere Walzen und Dorn- schleifen. Die Walzen, wenn es nicht sehr schwere steinerne sind, sind von geringer Wirkung. Die Dornschleifenaber richtet man so ein: Man bindet

3. Hilfsbuch für den Unterricht in der Erdkunde - S. 332

1885 - Halle : Anton
332 Afrika. Schnupfen und Lederhosen-Nähen die Zeit verbringen, sind sie nur die übrige Stunde einigermaßen in Bewegung. Obgleich in der Jugend an- .^4 Li mutige Erscheinungen, werden sie durch solch' große Unthätigkeit mit der Zeit zu den schwerfälligen Gestalten, als welche die holländischen Frauen von jeher bekannt stnd. -— 4) Es giebt jedoch unter den Boeren auch Aus- nahmen, die wahre Wunder von mannigsaltiger Thätigkeit sind. Denn da zur gehörigen Ausbildung eines Boers erforderlich ist, daß er sich im Not- falle selbst hilft, so schneidert er, macht seine Stube, sein Riemenzeug, ist Zimmermann, Maurer, Tierarzt, Schmied, Müller u. f. w. und besitzt in seiner Werkstatt alle Gerätschaften, die für solche Zwecke nötig sind. In der That ist solche allseitige Geschäftigkeit das wirkfaniste Mittel, dnrch das man in der Kolonie schnell vorwärts kommen kann. Es giebt daher nur Wenige, die ihre Thätigkeit ausschließlich auf die Viehzucht beschränken und nicht zugleich ein Nebengeschäft betreiben. Nach Kreisch mar. 4. Die Heuschreckenplage im Kaplande. 1. Das Nahen der Gefahr. 2. Der Abtrieb der Heuschrecken. 3. Der Einfall derselben. 1) Wenn im Kaplande heißer, trockener Nordwind lange Zeit stetig geweht hat, so rechnen die Boeren mit ziemlicher Gewißheit auf das Erscheinen von Heuschreckenschwärmen. Dann türmt der Boer rings um sein Saatfeld Düngerhaufen auf, oder grünes Buschwerk, feuchtes Stroh, kurz allen Unrat, durch dessen Verbrennung ein dicker Dampf erzeugt wer- den kann. Tagelang harrt er in ängstlicher Spannung. Da endlich ent- deckt sein geübtes Ohr ein Sausen, wie das eines Sturmes, obgleich in der unteren Luftschicht völlige Windstille herrscht. Wie ein dünner Rauch breitet es sich über den Horizont und „Springhähne, Hoho! Menschen heraus!" erschallt der hastige Ruf. — 2) Alles, was Beine hat, läuft nun und — sind die Felder fern — springt auf die Pferde und jagt dem Saatfelde zu. Einige tragen Feuerbrände, große Peitschen und Schollen schmauchenden Mistes, andere zinnerne Waschbecken oder Blechtöpfe; alles eilt, Juug und Alt, Mann und Frau, Schwarz und Weiß. Schnell werden Stroh und Düngerhausen in Brand gesteckt; dicke Rauchwolken steigen empor; alles klappert, schreit und rasselt, und dazwischen tönt es wie Flintenschüsse von den langen Ochsenpeitschen. Die Felder sind gar bald in dicken Rauch ein- gehüllt und der Erfolg scheint solchen außerordentlichen Anstrengungen auch zu lohnen; denn nur einige kleine Schwärme der fraßgierigen Insekten fallen in die Saat. Mürrisch teilt der Boer ein paar Hiebe rechts und links unter sie aus. Schaden werden sie thnn, allein von keiner Be- dentung, denn der große Schwärm zog ja weiter. — 3) Endlich bricht die Nacht herein. Düster glühen die Feuer und leuchtende Rauchwolken steigen noch immer empor; neue Brennstoffe werden aufgetürmt und dann begiebt sich der Boer mit den Seinen nach Hause. Mit dem ersten Schimmer des Tages ist das ganze Personal wieder auf den Beinen; aber man muß sich aus dem Hause hinansschauselu, denn fußhoch liegen die Heuschrecken um das Gehöft herum, erstarrt von der Kälte der Nacht. Hastig schreitet der Boer auf das Feld, um nach dem Stande der Dinge zu sehen. Aber wie ist ihm denn heute früh? Das kahle Brachfeld liegt ja ans der rechten Seite und heute — liegt es auf der linken. Wandelt er im Schlaf oder ists noch zu dunkel? Armer Teufel! — er begreift:

4. Europa - S. 79

1860 - Hannover : Pockwitz
7ñ Die kleinen, mitten im Grase liegenden Gehöfte und Dörfer, die ohne Scheu- nen immer all' ihr Stroh, Heu und Korn in Ordnung und Unordnung um sich herum liegen haben, sind mit reißender Schnelligkeit entzündet und in glimmende Kohlenhaufen verwandelt. Die Dächer oer Crdwohnungen, die gewöhnlich aus al- tem, halbvermodertem Schilf bestehen, glimmen wie Zunder mit stinkendem Dampfe weg und sinken in die Höhlung ein, die häuserhohen Strohs und Heuhaufen rauchen mit gigantischen Rauchsäulen empor. Entdecken die Leute noch bei Zeiten den Brand, so umziehen sie schnell ihre Wohnungen und Kornhaufen mit einigen Furchen und zernichten das Gras rund umher, um dem Brande so Grenzen zu stecken. Die zahlreichen Heerden der Steppen werden durch solche Steppenbrände nicht wenig in Aufruhr und Schrecken gesetzt. Sie werden, da die Flammen mitunter wunderbare Streifzüge machen und von drei und vier Seiten zu gleicher Zeit her- anrücken, von ihnen völlig eingeengt, so daß Hirten und Thieren nichts übrig bleibt, als mitten durch das Feuer hindurchzusetzen. Das geht dann nicht ohne mancherlei unangenehme Vorfälle ab, und unter Umständen wird nicht nur manches Haar, sondern auch manches Leben dabei versengt, wenn zum Beispiel die dummen Thiere schnurstracks in brennende Gebüsche hineinrennen. Gewöhnlich kann man mit dem Winde ganz sicher dicht hinter der vorschreitenden Flammenlinie herreiten, denn Gluth laßt sie wenig im Rasen zurück; doch muß man sich immer dabei in Acht nehmen, denn neckisch schlägt zuweilen die Flamme rückwärts an Roß und Reiter empor und versengt ihnen alle Haare unv Flaumen, wie eine Köchin der gerupften Henne. Es geschieht dies Abbrennen der Steppe natürlich, je nach der Beschaffenheit des Bodens, häufiger oder seltener. Manche Steppenherren lassen es alle vier bis fünf Jahre regelmäßig geschehen. Ebenso wie auf der hohen Steppe das Gras, werden auch an den Flüssen hin die großen Schilswaldungen angezündet. Freilich ist es verboten, dies zu thun, bei Strafe der Verbannung nach Sibirien, weil diese Schilfbrände nicht so gut beauf- sichtigt werden können, wie die Steppenbrände, und Vieles dabei in Rauch aufgeht, was geschont werden sollte; allein dennoch, Sibirien und allen seinen Schrecknissen zum Trotz, lodern überall die Flußthäler kurz nach der Schneeschmelze in Feuer- flammen auf. Dniestr und Dniepr sieht man oft in langen Strecken hin von ro- them Schein erleuchten, als wenn statt des Wassers Feuer im Thal flösse. Die Gründe zum Abbrennen des Schilfes sind hauptsächlich zweierlei: erstlich das Ver- treiben der Wölfe, die sich so zahlreich in den Schilfwaldungen versammeln, als wenn sie eben nichts als große Ratten wären, und dann zweitens, um dem jungen aufsprossenden Schilfe Luft zu geben, das von dem alten, welches noch so von Sonne, Wind und eigener Altersschwäche gebleicht und verstümmelt dasteht, in seinem Wachß- thume behindert wird. 57. Die Heuschrecken. Von allen Insekten erscheint keines in so großer Anzahl, keines zeigt solche Freßgier und ist dem Menschen ,so schädlich, als die Heuschrecke. Es giebt in den Steppen von Südrußland hauptsächlich zwei Arten von Wanderheuschrecken, eine kleine, anderthalb Zoll lange, und eine große von zwei Zoll Länge. — Beide sind gleich gefräßig und gleich gefürchtet, und beide entstehen aus Eiern, welche das Weibchen im August und September mit der Bohr- und Eierröhre in die lockere Erde legt. — Dieses Thier bohrt int^ß keinesweges mit dieser äußersten Spitze seines Leibes allein, sondern auch mit dem Leibe selbst. Es dient jene Röhre dem ganzen bohrenden Leibe nur gleichsam als erhärtete Stahljpitze. Wenn das Loch endlich soweit ist, als es ihr ihre Kräfte und der Zustand des Bodens zu machen erlaubt, so legt sie 50 bis 70 Eier hinein und verwendet zu dieser ganzen emsigen Arbeit zwei bis drei Tage. Alsdann ermattet sie und giebt, wenn sie so ihr Werk vollendet, ihren Geist auf, Die Eier der Heuschrecke sind weiß, an Form und Größe denen der Ameisen ähnlich, und alle mit einer weißen klebrigen Masse zu einem Haufen oder Neste zierlich verbunden. Zieht man sie aus dem Loche hervor, so bilden sie ein zusammenhängendes Klümpchen, wie die Eiernester einer Spinne. Die Eier liegen den ganzen Herbst und Winter über, bis spät in den Frühling, wo dann zu Ende April oder Anfang Mai die Jungen herauskriechen. Im Frühling, also bei den ersten recht warmen Tagen, kriechen die jungen Heuschrecken aus und erscheinen alsbald in großer Menge. Wie viele Millionen Mutter fielen nicht im

5. Charakterbilder aus Afrika - S. 92

1891 - Leipzig : Hinrichs
92 Die Heuschreckenplage. Hoho! Menschen heraus!" erschallt der hastige Ruf. — d) Alles, was Beine hat, läuft nun und — sind die Felder fern — springt auf die Pferde und jagt dem Saatfelds zu. Einige tragen Feuerbrände, große Peitschen und Schollen schmauchen- den Mistes, andere zinnerne Waschbecken oder Blechtöpse; alles eilt, Jung und Alt, Mann und Frau, Schwarz und Weiß. Schnell werden Stroh und Düngerhaufen in Brand gesteckt; dicke Rauchwolken steigen empor; alles klappert, schreit und rasselt, und dazwischen tönt es wie Flintenschüsse von den langen Ochsenpeitschen. Die Felder sind gar bald in dichten Rauch eingehüllt, und der Erfolg scheint solche außerordentlichen An- strengungen auch zu lohnen; denn nur einige kleine Schwärme der freßgierigen Insekten fallen in die Saat. Mürrisch teilt der Boer ein paar Hiebe unter sie aus. Schaden werden sie thnn, aber von keiner Bedeutung, denn der große Schwärm zog ja weiter. — c) Endlich bricht die Nacht herein, düster glühen die Feuer, und leuchtende Rauchwolken steigen noch immer empor; neue Brennstoffe werden aufgetürmt, und dann begiebt sich der Boer mit den Seinen nach Hanfe. Mit dem ersten Tages- grauen ist alles wieder auf den Beinen; aber man muß sich aus dem Hause hinausschaufeln, denn fußhoch liegen die Heu- schrecken um das Gehöft herum, erstarrt von der Kälte der Nacht. Hastig schreitet der Boer auf das Feld, um nach dem Stande der Dinge zu sehen. Aber wie ist ihm denn heute früh? Das kahle Brachfeld liegt ja auf der rechten Seite und heute — liegt es auf der linken. Wandelt er im Schlaf oder ist's noch zu dunkel? Armer Teufel! — er begreift: er steht auf den- selben Feldern, wo am vergangenen Abend noch die üppigste Ernte prangte, und heute? Könnte er für jedes grüne Gras- blättchen ein Goldstück empfangen, er würde es nicht aufzufinden vermögen. Auf dem kahlen Felde findet er nur eine Kruste schrotender Heuschrecken, die jetzt noch die Reste der Halme ab- fressen. Das Schlimmste ist noch, daß, wo sie einfallen, sie sofort ihre Eier legen, so daß bei Beginn der nächsten Regen- zeit unzählige Mengen junger Tiere aus dem Boden kriechen und flügellos weiterhüpfend abermals alles zerstören. Übrigens fressen Ochsen, Pferde, Schafe und Ziegen sie mit Gier, und alle Eingeborenen So-Asrikas halten Heuschrecken für eine Deli- katesse, die sie in Hansen sammeln und geröstet oder gedörrt verzehren. _

6. Deutsches Lesebuch für ein- und zweiklassige Schulen - S. 459

1908 - Halle a.S. : Schroedel
459 Bucht, durch das die Ruder des Bootes uns drängen; schnell sinkt die Dunkelheit nieder auf das schöne Land — — aber ich kenne doch noch eins, wo’s besser ist: in der lieben, einzigen Heimat! Nord, Süd, Ost, West, daheim ist das Best’! Heims. (Durchgesehen von Dr. M. Hayakawa aus Tokio.) 292. Die Heuschreckenplage in Südafrika. 1. Wenn in Südafrika lange Zeit heißer, trockner Nord- wind geweht hat, so rechnen die Buren mit ziemlicher Gewißheit auf das Erscheinen von Heuschreckenschwärmen. Dann türmt der Bur rings um sein Saatfeld Düngerhaufen auf oder grünes Buschwerk, feuchtes Stroh, kurz allen Unrat, durch dessen Ver- brennung ein dicker Dampf erzeugt werden kann. Tagelang wird in ängstlicher Spannung gewartet; endlich entdeckt das geübte Ohr ein Sausen wie das eines Sturmes, obgleich in der untern Luftschicht völlige Windstille herrscht. Wie ein dünner Rauch breitet es sich über den Horizont und „Springhähne, Hoho! Menschen heraus!" erschallt der hastige Ruf. 2. Alles, was Beine hat, läuft oder — sind die Felder fern — springt auf die Pferde und jagt dem Saatfelde zu. Einige tragen Feuerbrände, große Peitschen und Schollen schmauchen- den Mistes, andre zinnerne Waschbecken oder Blechtöpfe; alles eilt, jung und alt, Mann und Frau, Schwarze und Weiße. Schnell werden Stroh und Düngerhaufen in Brand gesteckt; dicke Rauch- wolken steigen empor; alles klappert, schreit und rassolt, da- zwischen tönt es wie Flintenschüsse von den langen Ochsen- peitschen. Die Felder sind gar bald in dichten Rauch einge- hüllt; der Erfolg scheint die Anstrengungen auch zu lohnen; nur einige kleine Schwärme der freßgierigen Insekten fallen in die Saat. Mürrisch teilt der Bur ein paar Hiebe unter sie aus. Schaden werden sie tun, aber von keiner Bedeutung; denn der große Schwarm zog ja weiter. 3. Endlich bricht die Nacht herein, düster glühen die Feuer, leuchtende Rauchwolken steigen noch immer empor, neue Brenn- stoffe werden aufgetürmt, und dann begibt sich der Bur mit den Seinen nach Hause. Mit dem ersten Tagesgrauen ist alles wieder auf den Beinen; aber man muß sich aus dem Hause hinausschaufeln; denn fußhoch liegen die Heuschrecken um das Gehöft herum, erstarrt von der Kälte der Nacht. Hastig schreitet

7. Bilder aus Europa mit Ausschluss des Deutschen Reiches - S. 79

1890 - Gotha : Behrend
Die südrussischen Steppen. 79 schlossenen Haufen hinein, schießen und scheuchen darin umher, um ihn so, da er weder vorwärts schreiten noch sitzen bleiben kann, zum Auf- fliegen zu zwingen. Glückt ihnen dies, oder fanden sie ihn gleich beim ersten Anzüge noch in der Lust, so beginnen sie nun ein Lärmen wie die Jagd des wilden Jägers. Einige haben große Tücher an Stangen gebunden, andere tragen brennende Strohwische an langen Fackelstäben in die Höhe. Sie wedeln, flaggen, schießen, jauchzen, trommeln, klingeln und bringen die ganze Atmosphäre m Aufruhr. Die erschreckten Heuschrecken, die vielleicht schon im Fallen begriffen waren, steigen dann wieder etwas höher, und indem die Leute, im lärmenden Tumulte über Thal und Hügel springend, ihnen beständig folgen, gelingt es ihnen nicht selten, den Schwärm über ihre Äcker und ihr Dorf schwebend hinwegzuführen. Haben sie das Meer oder einen Liman (Mündungsbusen) in der Nähe», so suchen sie ihn allmählich auf die Seite ins Wasser zu treiben. Führt ein starker Wind die Heuschrecken ins Meer hinaus, so ist es merk- würdig, daß sie, darin niederfallend, sich nicht in einer breiten Schicht darauf hinlegen, fondern sich pyramidenweise anhäufen, so daß, wo einige Millionen niederfielen, sich eben dahin auch die andern setzen, wie auf eilte, gleichsam durch die Leiber der audern gebildete, trockene Insel. Indem sich dann alle auf solchen einzelnen Inseln anhäufen, bilden sie so verschiedene, im Meere schwimmende, gegen 1/2 m hohe Berge, die durch all die sich anklammernden Beinchen und Gebisse fest zusammen- hangen und mehrere Centimeter tief ins Waffer gehen. Ist ihnen der vom Lande wehende Wind stark entgegen, so werden diese Heuschrecken immer weiter ins Meer hinausgetrieben und kommen so allmählich um. Doch muß der Wind stark sein; denn können die Tiere ihm nur einigermaßen entgegenarbeiten, so kehren sie wieder um. Die, welche oben auf dem Trockenen der Insel sind, fliegen wieder auf und kommen gegen den Wind ans Land zurück. Die, deren Flügel genäßt find, suchen sich schwimmend ans Ufer zu arbeiten; und kommen sie dazu, — die Heuschrecken haben, so wenig sie das Wasser lieben, doch ein zähes Leben und ertrinken nicht leicht, — so sitzen sie dann zu Milli- ouen auf dem Sande des Ufers, schlagen mit den Flügeln, trocknen sie schnell und schließen sich dem Zuge der übrigen an. Die ertrunkenen werden ebenfalls allmählich ans Ufer getrieben, färben hier den Schaum der Brandung fchwarz und bedecken den Rand des Waffers in langen Dämmen wie ausgeworfener Seedünger. ^ Gelingt es nicht, auf die angegebene Weise den im Felde liegenden schwärm in die Höhe zu bringen, was z. B. bei Regen oder auch nur bei feuchter Luft durchaus unmöglich ist, weil dann die Heuschrecke matt am Boden liegt und kaum dem sie zertretenden Fuße ausweicht, so bleibt dann nichts anders übrig, als die bereits bedeckten Äcker preiszugeben und so viele als möglich zu verderben, um wenigstens das Übel zu mindern. In den Gärten zertritt und zerschlägt man sie auf alle mög- liche Weise. Es ist kein Fuß und keine Hand in der ganzen Steppen- gegend, die nicht schon viele Tausende dieser Unholde gemordet hätte.

8. Geographische Bilder aus allen Erdtheilen - S. 24

1878 - Danzig : Verlag und Druck von A. W. Kafemann
24 Bilder aus Europa. — Rußland. an einen 3 Meier langen Baumstamm so viele und große Dornbüsche, als daran sitzen mögen, beschwert dann den langen Schweif mit Steinen und Balken, spannt zwei Pferde vor, und dann gehts über den Acker hin und her. Die Heuschrecken werden dabei nicht nur gedrückt, wie beim Walzen, sondern auch gerollt und geschleift und um so sicherer umgebracht. Natür- lich ist bei diesem Verfahren nicht mehr daran zu denken, oie Frucht zu retten. Allein man sorgt doch für den Nachbar und für's nächste Jahr,, da die Heuschrecken sich dadurch mindern und am Eierlegen gehindert werden.. Die Heuschrecken wissen, daß sich in den Gärten 6er Dörfer vieles findet, was ihnen besonders mundet. Sie erkennen dieselben von weitem und lassen sich daher bei den Dörfern vorzugsweise nieder. Man kann sich denken, in welchen Schrecken und in welche Beängstigung ein solch' armes, von einem Heuschreckenschwarm überfallenes Dorf geräth. Alles wie bei einem Schneeflockengestöber von gierigen kleinen Ungethümen umhüllt und umschwärmt! Himmel und Erde verschwinden! Die Dächer, die Mauern, der Boden sind mit krabbelnden Geschöpfen bedeckt, und die Lust ist uner- meßbar tief damit erfüllt! Alles rauscht, klappert, zischt und schnurrt! Man muß alle Thore und Oefinungen verschließen und verstopfen; denn sie fallen in Massen in die Schornsteine hinein, und schlagen wie Hagel an die Thüren und Fenster. Mehrere Male strömte ein solches Heuschrecken- heer in die Stadt Odessa herein und bedeckte Dächer, Straßen und öffent- liche Plätze. Da fiel es zappelnd und zuckend in die Töpfe der Küchen,, lebendig und zischelnd auf die Kornböden und Hausräume und flatterte in ungethümen Gestalten und schreckhaften Figuren in die eleganten Zimmer der Reichen. Ist nun ein Heuschreckenschwarm so in das Dorf selbst und seine Gärten eingedrungen, so löst sich die ganze Verbindung der Treiber auf, und jeder eilt mit feinen Kindern und Knechten' in seine Wein- und Ge- müsegärten, das Eigene zu retten, jagt und scheucht, soviel er kann, — die Kinder führen diesen kleinen Krieg am besten, — und unterhält kleine Feuer um die Beete, Bäume und Pflanzen herum, die man vorzugsweise gerne schützen möchte. Vieles wird verjagt oder getödtet, das meiste aber hleibt, wüthet und frißt. Es giebt in den südrussischen Steppen hauptsächlich zwei Arten von Wanderheuschrecken, eine kleine, 4 Centimeter lange, und eine große von 5a/2 Centimeter Länge. Die Speisen der Heuschrecken bilden alle grünen Blätter, welche auf der Flur oder in den Gärten wachsen, und ebenso alle grünen, weichen Zweige, die nicht allzu holzig sind, das Gras der Steppe, die Blätter der Bäume, selbst die oberen Enden der weichen Wurzeln. Ihre Freßgier verschont gar nichts, macht die Schilfrohre und Maisstümme zu Stumpfen, und die grünenden Sommerbäume zu Winterbaum-Gerippen. Fallen die Heuschrecken auf Kornfelder, und find diese noch nicht gelb und hart, so fressen sie alles mit Stumpf und Strel, Aehren und Halm rein weg. Die Leute haben in solchen Fällen schnell das Korn umgehauen, um noch etwas zu retten. Aber die Heuschrecken fraßen auch die auf dem Boden liegenden Halme fast unter der Senfe weg, und diese sckwanden so schnell, daß es unmöglich war, auch das Allergeringste heimzubringen. — Wenn die Frucht schon fast reif ist, so thun sie ihr wemg Schaden. Da sie am häufigsten zu Ende des Juli und August kommen, so finden sie auch die meisten Fruchtarten schon reif und eingeerntet. Es stehen dann ge- wöhnlich nur noch Mais, Hirse, Buchweizen und einige andere Früchte. Nach Kohl.

9. Enthaltend die vierte Stufe: Europa - S. 220

1872 - Glogau : Flemming
— 220 — bewürfen, vergnügt er sich in tanzenden Bewegungen und treibt pantomimische Spiele. Auch Amphibien fehlen der Steppe nicht. Kröten kommen nach jedem Regen in so erstaunlicher Menge hervor, daß die Bewohner behaupten, es regne Kröten. In den Schilfwaldungen giebt es viele Schlangen. Oester werden die Steppen von ungeheuren Wanderhaufen Heuschrecken heimgesucht, die, wenn es nicht gelingt, sie durch Lärmen und Schreien und Schießen und den Rauch angezündeter Stroh- und Misthaufen abzuwehren oder sich ein Wind erhebt, der sie vertreibt, weite Flächen fußhoch bedecken und alles Grüne bis auf die Wurzel in wenigen Stunden abfressen, so daß die ganze Körnerernte verloren geht und das Vieh Wochen lang Noth leidet. Auch durch Schorn- steine und Fenster fallen sie in die Häuser, und es wird von ihren dichten Massen aus den Straßen ganz dunkel. — Ein schweres Geschäft haben in der Steppe die Tabuntschiks, die Hirten, die die halbwilden Pferdeheerden, deren es hier sehr viele giebt, auf dem Gutsgebiete zusammen zu halten, vor Dieben,Wölfen, Gewittern zu beschützen haben. Sie tragen einen aus brauner Schafwolle gewebten Mantel, an den oben eine weite Kapuze genäht ist, die über Mütze,Kopf und Gesicht gezogen wird und worin nur süraugen,Mund und Nase eine Oeffnung bleibt. In der Haud hält der Mann eine lange Peitsche mit kurzem dickem Stiel und eine lange Schlinge, an deren einem Ende ein eiserner Ring zum Durchziehen des andern Endes befestigt ist. Mit diesen beiden Waffen hält er die ganze, oft gegen tausend Köpfe starke Heerde zusammen und fängt die Verlaufenen ein. Besonders gefährlich sind den Pferden die An- griffe der Wölfe. Wenn sie in ganzen Rudeln heranrücken, schließen die Pserde eine ordentliche Phalanx und greifen sie mit solcher Wuth und Heftigkeit mit Gebiß und Vorderfüßen an, daß viele der räuberischen Bestien ins Gras beißen müssen. Der Tabuntschik haust Tag und Nacht auf dem Pferde und muß sich gewöhnen, Regen und Sturm, Schneegestöber und Gluthhitze gleich- müthig zu ertragen. Besser sind die Ochsen- und Schafhirten der Steppe daran, die auf ihren Wanderungen beständig Wagen mit sich führen, mit denen sie sich nur hier und da auf kurze Zeit ansiedeln. So die nomadischen Mongolenhirten, die mit ihren viele Tausende zählenden Heerden oft die schönen grasreichen Viehweiden heimsuchen, ihre leichten Wanderzelte in der Steppe aufschlagen und wenn der Boden abgegrast ist, weiter ziehen. Doch halten kleinrussische Grundbesitzer in ihren Steppenländereien auch stehende Schaf- und Rinderheerden zu vielen tausend Stück. Von den fetten Ochsen ist besonders der Talg ein wichtiger Handelsartikel, von dem jährlich aus Rußland für 70 Mill. Rubel ausgeführt wird. Das Getreide läßt man von den Hufen der Pferde ausdreschen. — Dörfer haben die Steppen wenig, sie liegen gewöhnlich mitten im Steppenrasen, umgeben von Heu- und Stroh- Haufen; mehr finden sich einzelne zerstreute Gehöste, deren Dächer mit Schilf gedeckt. Diese wie jene gehen nicht selten zu Grunde dnrch Steppenbrände. Damit verhält es sich so. Im Frühjahr, sogleich nach dem Wegschmelzen des Schnees, kommt es öfters vor, daß die Bewohner, um den Graswuchs zu ver- bessern, die Steppe abbrennen, denn unter dem weggebrannten Grase sprießt schnell neues hervor. Aber die Sache ist nicht ohne große Gefahr. Das Feuer nimmt oft einen der Berechnung entgegengesetzten Weg, überspringt die ge- zogenen Gräben und Furchen, geht, durch den entstehenden Sturmwind ver-

10. (Sechstes und siebentes Schuljahr) - S. 409

1913 - Frankfurt am Main : Diesterweg
werden; dann aber erscheinen sie wieder so massenhaft, daß sie eine furchtbare Plage bilden. Tag für Tag kommen dann große Schwärme über die Steppe dahergeflogen. In der Ferne erscheint ein solcher Schwarm dem Beschauer wie ein über die Gegend ziehender Rauch; rasch nähert er sich, schon lassen sich einzelne Vorläufer erkennen, und plötzlich muß der Steppenwanderer das Gesicht mit beiden Händen vor dem Anpralle der Tiere beschützen oder ihnen den Rücken zuwenden. Sie fliegen immer mit dem Winde. „Alle Mittel, einen fliegenden Heu- schreckenschwarm abzuwehren," erzählt ein Steppenreisender, „sind völlig erfolglos. So befand ich mich gerade in einem russischen Dorfe, als ein Heuschreckenschwarm, die Sonne verfinsternd, dahergezogen kam. Die Dorfbewohner, jung und alt, waren sogleich bei der Hand, durch Lärm aller Art das Einfallen der Heuschrecken in ihr Dorf abzuwenden. Man trommelte, lärmte mit kupfernen kesseln, trompetete, schlug mit Sensen- blättern zusammen, erhob allerlei Geschrei und machte einen wahren Höllenspektakel; den Heuschrecken war das alles aber ganz gleichgültig. Sie fielen in dichten Massen über das Dorf her, und nach kurzer Zeit war alles, was da grünte, spurlos verschwunden." Aber nicht nur die fliegenden, sondern auch die flügellosen Heuschrecken verwüsten schon das Land. Millionen solcher eben aus den Eiern gekrochenen Heuschrecken schließen sich zu einem ungeheuren Zuge zusammen, der langsam dahinzieht. Züge von 10 Meilen Länge und 2 Meilen Breite sind schon beobachtet worden. Ein solcher Zug zog neun Tage lang über die Felder und Gürten eines in der Steppe gelegenen Gutes hinweg. Jede Abwehr war vergeblich. Auch Mauern konnten die gefräßigen Tiere nicht aufhalten; auf der einen Seite krochen sie hinauf, auf der anderen ließen sie sich hinunterfallen, und dann ging es weiter. Als der Zug vorbei war, da war in Steppe, Feld und Garten alles Grüne bis auf die letzte Spur verzehrt, so daß man nicht mehr erkennen konnte, was vorher dagestanden hatte. Wenn die Bauern das Herannahen eines solchen schrecklichen Zuges wahrnehmen, so mähen sie ihr Getreide oft grün und unreif ab, um nur etwas zu retten. Der Zug der Tiere bewegt sich nur langsam vorwärts und hält jede Nacht Rast. Während dieses Ziehens häuten sich die Tiere mehrmals und bekommen endlich, am Ende ihrer Metamorphose, Flügel. Nun erheben sie sich in die Luft, trennen sich in einzelne Schwärme und fliegen mit dem Winde dahin; zuweilen werden sie auch vom Sturme in ungeheurer Menge auf das Meer oder auf große Seen getrieben, wo

11. (Sechstes und siebentes Schuljahr) - S. 443

1914 - Frankfurt am Main : Diesterweg
werden; dann aber erscheinen sie wieder so massenhaft, daß sie eine furchtbare Plage bilden. Tag für Tag kommen dann große Schwärme über die Steppe dahergeflogen. In der Ferne erscheint ein solcher Schwarm dem Beschauer wie ein über die Gegend ziehender Rauch; rasch nähert er sich, schon lassen sich einzelne Vorläufer erkennen, und plötzlich muß der Steppenwanderer das Gesicht mit beiden Händen vor dem Anpralle der Tiere beschützen oder ihnen den Rücken zuwenden. Sie fliegen immer mit dem Winde. „Alle Mittel, einen fliegenden Heu- schreckenschwarm abzuwehren," erzählt ein Steppenreisender, „sind völlig erfolglos. So befand ich mich gerade in einem russischen Dorfe, als ein Heuschreckenschwarm, die Sonne verfinsternd, dahergezogen kam. Die Dorfbewohner, jung und alt, waren sogleich bei der Hand, durch Lärm aller Art das Einfallen der Heuschrecken in ihr Dorf abzuwenden. Man trommelte, lärmte mit kupfernen kesseln, trompetete, schlug mit Sensen- blättern zusammen, erhob allerlei Geschrei und machte einen wahren Höllenspektakel; den Heuschrecken war das alles aber ganz gleichgültig. Sie fielen in dichten Massen über das Dorf her, und nach kurzer Zeit war alles, was da grünte, spurlos verschwunden." Aber nicht nur die fliegenden, sondern auch die flügellosen Heuschrecken verwüsten schon das Land. Millionen solcher eben aus den Eiern gekrochenen Heuschrecken schließen sich zu einem ungeheuren Zuge zusammen, der langsam dahinzieht. Züge von 10 Meilen Länge und 2 Meilen Breite sind schon beobachtet worden. Ein solcher Zug zog neun Tage lang über die Felder und Gärten eines in der Steppe gelegenen Gutes hinweg. Jede Abwehr war vergeblich. Auch Mauern konnten die gefräßigen Tiere nicht aufhalten; auf der einen Seite krochen sie hinauf, auf der anderen ließen sie sich hinunterfallen, und dann ging es weiter. Als der Zug vorbei war, da war in Steppe, Feld und Garten alles Grüne bis auf die letzte Spur verzehrt, so daß man nicht mehr erkennen konnte, was vorher dagestanden hatte. Wenn die Bauern das Herannahen eines solchen schrecklichen Zuges wahrnehmen, so mähen sie ihr Getreide oft grün und unreif ab, um nur etwas zu retten. Der Zug der Tiere bewegt sich nur langsam vorwärts und hält jede Nacht Rast. Während dieses Ziehens häuten sich die Tiere mehrmals und bekommen endlich, am Ende ihrer Metamorphose, Flügel. Nun erheben sie sich in die Luft, trennen sich in einzelne Schwärme und fliegen mit dem Winde dahin; zuweilen werden sie auch vom Sturme in ungeheurer Menge auf das Meer oder auf große Seen getrieben, wo

12. Europa - S. 80

1860 - Hannover : Pockwitz
80 Herbste mit ihrer Eierlast nieder, und jede legt doch viele derselben: wie viele Junge sind also da! Die Jungen haben Anfangs keine Flügel, sogleich aber rasche Füße zum Marschieren. In den erste» Tagen nähren sie sich stille in ihrer Nachbarschaft, bald gewinnen sie an Stärke und an Zahl, und es stoßen Haufen zu Haufen. Sie fressen ihre Umgebung, vielleicht ein öoes, grasreichee Steppenfeld, wo Niemand sie bemerkte und störte, kahl, oder sie werden aus den Gärten verscheucht und begeben sich nun auf die Wanderung. Es rafft sich Alles auf und rllschelt über und neben einander weg. Die Thiere gehen immer in einem geraden Striche und lassen sich durch nichts aufhalten. Sie schreiten über die Dächer der Erdwohnungen weg und klimmen über die Zäune und selbst an nicht allzusteilen Mauern binauf. Sie schreiten mitten durch die Dörfer und weichen weder Menschen, noch Thieren, noch Wagen aus. In großer Masse stürzen sie die steilen Ufer des Meeres hinab. Der Marsch dieser kriechenden jungen Heuschreckenheere ist noch weit gefürchte- ter, als der Flug der alten, Denn theils ist es nicht möglich, sie aufzuscheuchen, und es giebt kein Mittel, sie zu vertreiben, theils fressen sie weit gieriger, als die Alten, da sie zu ihrem Wachsthume mehr bedürfen. Dazu fallen ihre Wanderun- gen in die schönste Zeit der jungen Frucht und des jungen Grases, das sie ganz mit Stuinpf und Stiel wegfressen. Jedoch bleiben sie nur in kleinen Bezirken und kommen nicht weit, denn ein großes Heer kann in einem Tage kaum mehr, als eine halbe Stunde von der Stelle kommen. In drei bis vier Wochen sind die jungen Heuschrecken völlig ausgewachsen, haben nach 4—5 Woche» auch vollkommen ausgebildete Flügel erhalten und fangen alsdann an, sich zu erheben. Sie schwärmen nun durch das Land hin und her, so- wohl im Juni, als auch im August, ja bis Mitte September hinein. Sie machen dabei ein beständiges Geräusch mit den Flügeln, welches, wenn es von der ganzen Masse zugleich geschieht, wie das Rauschen des Windes durch die Pappelbäume klingt. Bei schönem heiterm Wetter fliegen sie sehr hoch, bei trübem Wetter jedoch fliegen sie viel niedriger. Sie fliegen bei Tage und bei Nacht, besonders wenn die 'Nächte schön warm und mondhell sind, wie sie im Juli und August auf den hohen Steppen gewöhnlich sind. Auch in solchen Nächten fliegen sie sehr ho ch. Später als 12 Uhr flattern sie nicht. Des Morgens erheben sie sich erst um 8 oder 9 Uhr, wenn der Thau vom Grase und von ihren Flügeln abgetrocknet ist, von ihrem Nachtlager. Sie fliegen immer in so großer Masse, vap der Schatten, den eine Heuschreckenwolke wirft, so stark ist, daß er an heißen Sominertagen angenehm kühlt. Man sieht nicht eine Spur von Sonne hindurch. Eigen ist das Zusammen- halten dieser Thiere. Denn wenn auch viele unterwegs auf mancherlei Weise getrennt werden, so bleibt doch immer die Hauptmasse beisammen, und selbst die Nachgebliebe- nen raffeil sich wieder auf und schließen sich ihr von Neuem an. Es sieht überall, wo die Heuschrecken einmal Rast und Mittag hielten, nicht anders aus, als wie auf einem Schlachtfelde. In dem Geraufe und Gereiße beim Fressen, sowie selbst im heftigen Herab- und Nebeneinanderfallen sind viele flügellahm- oder auf andere Weise verwundet, ja selbst von andern Heuschrecken gebissen worden. Andere haben, indem ihnen die Norgänger Alles weggefressen, keine Speise erhalten und halten nun noch hungrig Nachtisch. Haben diese sich nun ebenfalls satt gefressen und sich etwas erholt, so schließen sie sich sobald als möglich an einem andern großen vor- übergehenden, oder ihnen begegnenden Haufen an. Was ihre Anzahl betrifft, so ist sie natürlich sehr verschieden, denn es streifen oft kleinere Heerden von wenigen Millionen herum, dann aber wieder unsäglich große Armeen. Die Leute sprechen von einer Stunde langen und einer Viertel- stunde breiten Streifen, die sie mit Heuschrecken bedeckt gesehen haben. Man muß erschrecken, wenn man diese Zahl von Thieren denkt, die, wie die Russen sagen, ein Gebiß wie die Pferde und eine Freßgier wie die Wölfe haben. Die Speise der Heuschrecken bilden alle grünen Blätter und ebenso alle grünen, weichen Zweige, das Gras der Steppe, die Blätter der Bäume, das Getreide, das Schilf und selbst die obern Enden der weichen Wurzeln. Das Knistern der rasch zerbisseneil Halme und das Schütteln der Flügel, das beim Fressen nicht aufhört, bringt ein Geräusch hervor, welches ganz dem gleicht, das eine Heerde rupfender Schafe macht. 58. Die Kalmücken. Die Kalmücken (zwischen dem asorvschen Meere und Astrachan) gehören wie die Buräten in der Nähe von Irkutsk zu dem niongolischen Stamme und bekennen t

13. Vaterländische Bilder aus Ungarn und Siebenbürgen - S. 24

1858 - Leipzig : Spamer
24 Land und Leute. Da des eingeernteten Getreides so viel ist, Arbeiter zum Ausdreschen aber mangeln, so, muß sich der Ungar meistentheils mit dem Austreten des Getreides durch Pferde behelfen, denn die Wirkungen der verschiedenen landwirthschaftlichen Vereine und Lehranstalten, so wie die der Pester Produeten-Ausstellung dringen nur langsam in den Bauernstand ein, den die Fruchtbarkeit seines Landes etwas sorglos macht, so daß ihn der Verlust beim Getrcidecrgebniß wenig schmerzt. Unter freiem Himmel muß der Ungar sein Hea und Stroh in hausähnlichen Haufen aufbewahren, nachdem er das Getreide auf den Tretplätzen von Körnern befreit hat. Einen solchen Tretplatz ebnet der Bauer entweder auf seinem Acker und stampft ihn mit Lehm fest, oder er macht deren mehrere um seinen Wirth- schaftshof (szallas oder tanyaj zurecht, wohin er das Getreide von den umliegen- den Feldern zusammenbringt. Sogleich nach dem Schneiden des Getreides beginnt das Austretcn, welches auf großen Gütern bis tief in den Herbst hinein dauert. Aus den Boden werden die ausgebundenen Gctreidemassen gelegt, und mehrere leicht zusammengekoppelte Pferde darauf getrieben, welche der Knecht oder Slovak durch Leine und Peitsche im Kreise um sich herum zu traben zwingt. Anfangs stellen sich die Pferde ungeberdig an, der ungewohnte unsichre Boden, die ausspringen- den Körner machen sie stutzig, sie bäumen, wollen fliehen, aber der gewandte Knecht läßt sie nicht aus dem vorgeschriebenen Kreise heraus. Nach und nach er- müden sie, traben geduldiger um ihren Lenker und werden dann von einem frischen Haufen Austreter abgelöst. Inzwischen sind die Bunde wiederholt gewendet, und wenn sie ausgetreten zu sein scheinen, so entfernt man sie, um frische Bunde, mit den Aehren nach außen gekehrt, aufzulegen, dann die Spreu wegzufegen und die Körner in Säcke zu füllen. Aehnliche Art zu dreschen findet man in den Steppen Rußlands. Das Stroh und Heu baut man zu kolossalen Schobern von 20—30 Klaftern Länge auf, bringt die Brodfrucht in Kornmagazinen oder in Fruchtgruben (vsrem) unter, welche bouteillenartig in die Erde gegraben sind und 150—200 Metzen, d. h. Scheffel, aufnehmen können. Zuvor füttert man diese Gruben mit Stroh aus, zündet es an und unterhält das Feuer 2—3 Tage, damit es der Grube mehr Festigkeit giebt und ihr den Erdgeruch nimmt. Dann schüttet man das Getreide hinein, stampft die Oeffnung mit Lehm zu und setzt einen Erd- hügel darauf. Aehnlich verfahren die Jazygen auf ihren so fruchtbaren Pußten, die alle Arten von Getreide erzeugen, und deren fette Weiden von Schweine-, Pferde - und Rinderherden wimmeln. Da es ihnen aber an Holz fehlt, so müssen sie es durch Rohr, Stroh und Mist ersetzen oder sich der Pflanze Kore bedienen. Diese Jazygen sind seit langer Zeit zu Magyaren geworden, so daß das Vater- unser in ihrer Sprache ihnen unverständlich geworden ist; dabei haben sie sich so sehr an das ländliche Leben gewöhnt, daß ihre 19 Ortschaften nur Markt- flecken bleiben.

14. Teil 2, Oberstufe, Teil 1 - S. 231

1901 - Kiel : Lipsius & Tischer
Iv. Aus der weiten Welt. 231 11t). Heuschreckenzüge in der südrussischen Steppe. #s war der 28. Juli und die Ernte im vollen Gange. Doch tmr selten begrenzten bestellte Felder die Straße; so fern der Blick reichte, dehnte sich die weite, braungrüne Steppe. Kein Baum, kein Haus zu sehen am ganzen Horizont; nur hier und da erheben sich aus der Ebene kreisrunde, be- raste Hügel, etwa 4 m hoch, zuweilen ein doppelt so hoher und großer im Kreise der andern. Es sind sogenannte Tatarengräber oder vielmehr alte Grabstätten der längs des Dnjepr aufwärts wandernden Völker, die Mittel- europa überfluteten, und sie sehen genau so aus wie die Hünengräber im nördlichen Deutschland. Mittlerweile war es auf dem Bocke unsers Wagens lebendig geworden; mit heftigen Gebärden unterhielten sich seine beiden Insassen; endlich wandte Jlia sich herum und suchte das Auge seines Herrn, indem er mit ausgestrecktein Arme in die Ferne deutete. Mein Freund bog sich aus dem Wagenfenster, aber rasch fuhr er zurück. „Die Heuschrecken!" rief er so laut, daß ich zusammen- schrak. Ich sah hinaus — es war nichts zu erblicken als am Saume des Horizonts eine lange, schwarze Wolke. „Das sind sie!" sagte mein Begleiter. „Unmöglich," erwiderte ich; „was Sie sehen, mag der Rauch eines großen Brandes sein, weiter nichts." „O, ich kenne sie leider nur zu gut," fuhr der Freund fort. „Dort der Zug ist keiner von den größten, aber seine acht bis zehn Werst ist er sicherlich lang. Was meinst du, Jliuschka, mein Söhnchen," rief er auf russisch zum Wagenschlag hinaus, „was bedeutet jener dunkle Strich dort vor uns?" „Heuschrecken," antwortete der Bauer. „Heuschrecken" bekräftigte der Postillon und pfiff seinen Pferden. Kopfschüttelnd lehnte ich mich hinaus und blickte unverwandt nach der finstern Wolke; sie schien festzustehen am Himmel, hier und da sah man deut- lich kleine Flatterwölkchen sich davon ablösen. Es war ein bänglicher Anblick: wie ein schweres Gewitter stand es dort im Süden vor uns, fast war's nicht zu glauben, daß ein Jnsektenschwarm solch einen Vorhang weben könne vor das helle Licht des Tages. Die Überzeugung durch den Augenschein war uns vorbehalten. Nicht lange waren wir gefahren, da wies Jlia eifrig zur Rechten. „Sie sind hier gewesen," sagte mein Freund; „halt, Kutscher!" Wir stiegen aus. Ein großes Hirsefeld lag hart an der Straße, aber nur noch erkennbar an den zahllosen grünen Stoppeln und an hier und da zerstreuten unreifen Rispen. Als wir den Acker betraten, erhob sich überall darauf ein Flittern und Schwirren; Tausende von Heuschrecken sprangen und flogen vor unserer Annäherung behend auf, das Sonnenlicht funkelte auf ihren glänzenden Vorderflügeln. Das ganze Feld war total abgeschrotet; die ungeheure Masse des noch grünen Getreides war verschwunden bis auf wenige Fahnen mit milchigen Körnern auf der Erde. Dagegen war die letztere bis einen Finger hoch bedeckt mit dem Auswurf der Heuschrecken, trockene Körper

15. Bilder aus Europa mit Ausschluss des Deutschen Reiches - S. 69

1890 - Gotha : Behrend
Die südrussischen Steppen. 69 flügel als Zuflucht gegen Habicht und Falken dient, schneidet sich vom Birnbaum den Peitschenstiel, wenn er mit schnellem Gespann die Steppe durchjagen will, bestreut mit duftendem Gras den Fußboden seiner Wohnung, schmückt mit ihm Spiegel und Wagen, bereitet sich aus Steppengewächsen die würzige Kräutersuppe, steckt dem Pferde einen Blumenbüschel hinters Ohr, hängt gewürzhafte Pflanzen in Bündeln an der Zimmerdecke auf, nagelt ein Balsambouquet über die Thür, bekränzt mit Gras und Blumen die Heiligenbilder, befestigt rings an Wand und Hausgerät kreuzweis Lavendel- und Balsamstränßchen, von denen er von Zeit zu Zeit einige Zweige abrupft, um sie zu kauen. Das Steppengras ist ja sein Erhalter und Ernährer, da es seine Herde weidet, und bunte Steppenblumen flechtet seine Tochter sich täglich ins dunkle Haar. Er hat ja nur die Steppe, die ihm alle Bedürfnisse befriedigen muß, von der ihm alles lieb und wert ist. Der Birnbaum und der Mongolenhügel sind seine Wegweiser, an beide knüpfen sich seine Erinnerungen und Sagen, der Schlehdorn giebt ihm Blüten und Früchte, giebt ihm den Stachel zum Ochsenstecken und den Zinken zu seiner Egge, mit welcher er die Heuschrecken zerfleischt und zerstückelt, den Schlehdorn besingt er im Liede, das Steppengras feiert er im schwermütigen Gesange; der Steppe verdankt er den Reichtum seiner Sprache, seine Beschäftigung, seine Poesie, seine Erhaltung. An ihr Leben, an ihre Veränderungen knüpft er sein Leben, sein Denken und Dichten; mit Steppengras feiert er sein Pfingsten, seine Heiligtümer. Mit dem Frühlinge erwacht auf der Steppe aber auch ein reiches Tierleben, welches sich hier in Freiheit entwickelt und tummelt, denn wenn auch des Morgens und Abends graue Nebel aus den feuchten Schluchten aussteigen, fo bleibt die Steppe selbst voll ungetrübten Sonnenscheins, weben und spielen schimmernde Lichtwellen um die Krautblätter, fließen im zitternden Wogenfchlage über die grünen Gras- ebenen und reichen als duftiger Streifen weit hinaus über den Rand ferner Bodenerhebungen. Jetzt huschen zierliche Erdhäschen durch das Krautgestrüpp, spielen und tändeln miteinander im Sonnenschein, jagen sich durch ihre Löcher in den Hängen der Thäler, die sie meilenweit unterhöhlt haben, lassen hier und dort ihr melancholisches Zirpen ver- nehmen, richten sich neugierig empor, wenn sie einen Menschen erblicken, fliehen, richten sich langsam von neuem auf und schlüpfen behend in ihr Erdloch, wenn sie Gefahr sehen. Klagend wiegt sich der Kiebitz in Schwärmen über den Weiden, jagen silberweiße Falken; weiden auf kahlen Strichen Trappenhorden, die der listige Kosak nicht selten be- schleicht, kreisen Adler in den Lüsten, fliegen Geier nach gefallenen <Äteppentieren, schreit der Wiedehopf, speist das Birkhuhn Wurzeln und Larven, ziehen Schwärme von wilden Tauben rauschend hin und wieder, denen Habicht und blutrote Falken folgen, schleicht der Wolf den Herden nach, wandert die numidische Jungfrau bedächtig durch das Gras, als ob sie die beiden Federlocken hinter dem Ohre zu verletzen und ihren Schwanenhals anzustrengen fürchte. Während die graugelbe Lerche in den Lüften schwebend singt, die Biene summend die Blumen-

16. Bilder aus der Länder- und Völkerkunde, wie auch aus der Physik der Erde - S. 494

1858 - Osnabrück : Rackhorst
494 Sie hatte, wie gewöhnlich, gänzliche Mißernten in den tiefen Regionen und Hungersnoth zur Folge. Die Heuschrecken kamen aus dem Süden wolkenartig geflogen. Sie verbreiteten sich zuerst über Costarica und Nicaragua und erschienen erst ein halbes Jahr darauf in San Salvador, Honduras und Guatemala. Wenn diese geflügelten Schwärme sich der Erde nähern, so verbreiten sie ein eigenthümliches schwirrendes Geräusch. Nur einzelne kleinere Schwärme verirrten sich in die höhern Andes- regionen von 4 —5000 Fuß Höhe und besuchten selbst die Hoch- ebene von Guatemala, zogen sich aber bald wieder von dort in die tiefem, wärmern Regionen zurück. Es erneuern sich da- von drei Generationen in jedem Jahr und die junge Brut bleibt drei Monate lang kriechend und hüpfend auf Büschen und Bäu- men, bis sie Flügel bekommt und ausgewachsen ist. Dann er- heben sich die Heuschrecken plötzlich in großen Schwärmen, rau- schen hoch in der Luft über den Urwald hin und lassen sich fast immer nur an gelichteten Stellen nieder; denn sie lieben mehr die Culturpflanzen, als die wilde Waldvegetation und nehmen mit letzterer gewöhnlich erst vorlieb, wenn sie eine Plantage rein abgefressen haben. In unabsehbaren Massen von vielen tausend Millionen sahen wir diese Orthopteren (Geradeflügler) während des Som- mers 1854 in den Llanos und Wäldern des Staates Guate- mala zwischen Esquintla und Itapa. Alle versuchten Mittel des Schreckens wie der Zerstörung, durch Trommeln, Schellen, Ge- wehrsschüsse, oder durch Anlegen von Gräben und Anzünden großer Feuer konnten die dortigen Mais- und Zuckerpflanzungen nicht retten. Die Heuschrecken ließen sich auf ihrem Verheerungs- zug nicht aufhalten, und die Millionen, welche man tödtete, wurden durch nachrückende Millionen zehnfach wieder ersetzt. Sie waren noch ungeflügelt, und in diesem Alter bewegen sie sich mehr gehend, als hüpfend. Die Annäherung ihrer Colonne ver- kündet ein Geräusch auf den Blättern der Büsche, welches ganz ähnlich einem fallenden Platzregen ist. Nur wenn sie durch das Kommen eines schweren Körpers einige Gefahr merken, erheben sie sich in starken Sprüngen, um dann wieder ruhig ihres We- ges zu ziehen. Wir haben solche Wandercolonnen beobachtet, die eine Breite von 300 — 400 Fuß und eine Länge von einer Diertelmeile hatten. Entlaubte Bäume und Büsche bezeichneten ihren Weg. An einigen Stellen drängten sie sich in den dichte- sten Massen zusammen und bildeten da ein scheußliches Gewim- mel von vielen Hunderttausenden.

17. Bd. 2 - S. 498

1903 - Langensalza : Greßler
498 Gegenden ist die Plage selbst am Tage unbeschreiblich. Je trockener die Jahreszeit und der Wald, desto massenhafter erscheinen die kleinen Garapaten, Baumläuse von spinnenförmigem Ansehen, die sich bei der geringsten Berührung eines Busches an die Kleider des Wanderers fest- setzen und in die Haut einfressen. Auch die Tiere haben von den Insekten schwer zu leiden. Die blut- saugenden Fledermäuse sind in den Llanos die Plage der Herde und der Schrecken der Hacienda-Besitzer. In den Grasebeneu von Guanacaste im Staat Costa Rica kommt eine große Erdspinne vor, die alljährlich Hunderte von Pferden durch ihren Biß am Fuß tötet, welcher Eiterung erregt, und infolgedessen die Pferde ihre Hufe verlieren. Nicht so stetig ist in diesem Lande die furchtbare Erscheinung der Wanderheuschrecken. Man rechnet zweimal in jedem Jahrhundert auf ihren Besuch. Wenn sie aber einmal da sind, so sehen sie ihre Verheerungen drei bis vier Jahre hintereinander fort, und ver- schwinden dann plötzlich aus unbekannten Ursachen, nachdem sie der Anwendung aller menschlichen Zerstörungsmittel getrotzt hatten. Diese Plage stellte sich leider während unseres Besuches in Mittel-Amerika in den Jahren 1853 und 1854 ein. Sie hatte, wie gewöhnlich, gänzliche Mißernten in den tiefen Regionen und Hungersnot zur Folge. Die Heuschrecken kommen aus dem Süden wolkenartig geflogen. Sie verbreiten sich zuerst über Costa Rica und Nicaragua und er- scheinen erst ein halbes Jahr darauf in San Salvador, Honduras und Guatemala. Wenn die Schwärme dieser geflügelten Loknsiden sich der Erde nähern, so verbreiten sie ein eigentümlich schwirrendes Geräusch. Nur einzelne kleinere Schwärme verirrten sich in die höheren Andesregionen von 1250 bis 1570 Meter und besuchten selbst die Hochebene von Guatemala, zogen sich aber bald wieder von dort in die tieferen wärmeren Gegenden zurück. Es erneuern sich davon drei Generationen in jedem Jahr, und die junge Brut bleibt drei Monate lang kriechend und hüpfend auf Büschen und Bäumen, bis sie Flügel bekommt und ausgewachsen ist. Dann erheben sich die Heuschrecken plötzlich in großen Schwärmen, rauschen hoch in der Luft über den Urwald hin und lassen sich fast immer nur an gelichteten Stellen nieder; denn sie lieben mehr die Kulturpflanzen, als die wilde Waldvegetation, und nehmen mit letzterer gewöhnlich erst vorlieb, wenn sie eine Plantage rein abgefressen haben. In unabsehbaren Massen von vielen tausend Millionen sahen wir diese Orthopteren während des Sommers 1854 in den Llanos und Wäldern des Staates Guatemala zwischen Esquintla und Jtapa. Alle versuchten Mittel des Schreckens wie der Zerstörung durch Trommeln, Schellen, Gewehrschüsse oder durch Anlegen von Gräben und An- zünden großer Feuer konnten die dortigen Mais- und Zuckerpflan- znngen nicht retten. Die Heuschrecken ließen sich auf ihrem Ver-

18. Anschaulich-ausführliches Realienbuch - S. 255

1884 - Braunschweig : Wollermann
- 255 - chen, in welchem sich innerhalb 14 Tagen die Fliege entwickelt. Da in einem' Sommer 4—5 Bruten auskommen, so darf man sich über die große Anzahl der Fliegen im Spätsommer nichl wundern. Es würden ihrer noch viel mehr sein, wenn nicht die Singvögel Millionen von Maden und Fliegen verzehrten. Zweiflügler: Stubenfliege, graue Fleischfliege, Rinderbremse, Mücke. — Sie haben 2 häutige, durchsichtige Vorderftügct, statt der Hinterflügel schwingkolben und einen Saug- oder Stechrüssel. 69. Die grüne Keuschrecke. 1. Warne und Gestalt. Die Heuschrecke heißt in manchen Gegenden Graspferd, Grashüpfer oder auch Heupferd. Zu der Bezeichnung „Pferd" ist das Tier durch seinen Kopf getaugt, welcher mit seinen vortretenden Lastern etwas Ähnlichkeit mit einem gezäum- ten Pserdekopfe hat. Derselbe trügt 2 Fühler, welche rückwärts gebogen sind und fast die ganze Körperläuge erreichen. Da das Tier am liebsten auf der Wiese weilt, so erklären sich daraus leicht die Zusätze „Gras" und „Heu." Den Namen „Hüpfer" verdient das Tier im vollsten Maße, denn cs ist imstande, mit seinen langen Hinterbeinen Sprünge zu machen, die das 50— loofache der eignen Leibeslange ausmachen. Den Namen „Heu- schrecke" hat es von seinem Gezirpe, denn „schrecken" heißt so viel als schreien, schwirren, knurren. Der Leib der Heuschrecke endigt mit einer Scheide, vermittelst welcher sie ihre Eier in eine Erdhöhle legt. Die Oberflügel liegen im Zustande der Ruhe dachförmig und bedecken die beiden häutigen, längsgefalteten Ünterflügel. Mit diesen allein vermag das Tier zu fliegen und seine weiten Sprünge zu unterstützen. 2. Musik. An schönen Sommertagen zirpt und geigt es überall auf der Wiese und im Gebüfch. Die Männchen der grünen Laubheuschrecke haben nämlich auf ih- rem rechten Flügel ein tamburinartiges Instrument. Das ist eine ausgespannte Haut, welche von hervorspringenden Adern eingefaßt und unter dem Namen „Spiegel" be- kannt ist. Indem sie nun mit einer querliegenden, rauhen Ader des linken Flügels über die vorspringenden Ränder jenes Instruments hinwegstreichen, entsteht der schrille, zirpende Ton. So bringt auch das Heimchen seinen schrillenden Ton durch das Rei- den der starkgeaderten Flügeldecken übereinander hervor, wobei es beliebig mit der rechten und linken Flügeldecke abwechseln kann. Bei der grauen Feldheuschrecke sind die Flügeldecken mit vielen Längsadern versehen, von denen eine besonders kantig hervortritt. Diese Kante streicht das Männchen mit den scharfen, gezähnten Hinter- schenkeln, wie ein Geigenspieler mit dem Bogen die Saiten. Dadurch werden die Flü- gelhäute in Schwingungen versetzt und geben einen schrillen, zirpenden Ton von sich. 3. Vermehrung. Im August legt das Weibchen die Eier in kleinen Klümpchen an Gras- und andre Pflanzenstengel oder schiebt sie unter die Erde. Damit dieselben während des Wmters keinen Schaden leiden, überzieht sie das Tier mit Schleim. Dann stirbt das Insekt. Aus den Eiern entwickeln sich im nächsten Frühjahre kleine, Zügellose Tiere, die sich mehrmals häuten und bis zum August vollständig ausge- wachsen sind. In warmen Sommern vermehren sie sich sehr stark; kaltes, regnerisches Wetter dagegen vernichtet die junge Brut. In manchen Jahren erscheinen sie in sol- cher Zahl, daß sie zur größten Landplage werden. 4. Zie Wanderheuschrecken kommen besonders im südlichen Asien, im nördlichen Afrika, in Südrußland, Spanien und Frankreich vor. In Deutschland haben sie sich nur selten sehen lassen. Sie ziehen gewöhnlich in solcher Zahl heran, daß sie gleich Wolken die Sonne verfinstern. Wo sie niederfallen, da ist in kurzer Zeit Laub, Gras und Kraut vernichtet. Die Landleute ziehen dann sänitlich hinaus und zünden große 8euer um ihre Feldmark herum an, um durch den Rauch den nahenden Schwarm abzuhalten. Auch durch Lärmen, Trommeln, Pfeifen, Tücherschwenken sucht man die bösen Gäste zu vertreiben; oft ist jedoch alle Mühe vergebens. Zuweilen bedecken sie das Land, als wäre ein schwarzer Mantel darüber gebreitet. Dann zieht man große balzen oder Dornschleifen über sie hinweg und sucht sie dadurch zu töten; denn die dritte ist doch nicht mehr zu retten. In Afrika rösten die Eingebornen die Heuschrecken

19. Bilder aus Europa mit Ausschluss des Deutschen Reiches - S. 80

1890 - Gotha : Behrend
80 Bilder aus Ost-Europa. Auf den Äckern gebraucht man dazu großartige Mordinstrumente, ins- besondere Walzen und Dornschleifen. Die Walzen, wenn es nicht sehr schwere steinerne sind, sind von geringer Wirkung. Die Dornschleifen aber richtet man so ein: Man bindet an einen 3 m langen Baum- stamm so viele und große Dornbüsche, als daran sitzen mögen, beschwert dann den langen Schweif mit Steinen und Balken, spannt zwei Pferde vor, und dann geht's über den Acker hin und her. Die Heuschrecken werden dabei nicht nur gedrückt, wie beim Walzen, sondern auch gerollt und geschleift und um so sicherer umgebracht. Natürlich ist bei diesem Verfahren nicht mehr daran zu denken, die Frucht zu retten. Allein man sorgt doch für den Nachbar und fürs nächste Jahr, da die Heu- schrecken sich dadurch mindern und am Eierlegen gehindert werden. Die Heuschrecken wissen, daß sich in den Gürten der Dörfer vieles findet, was ihnen besonders mundet. Sie erkennen dieselben von weitem und lassen sich daher bei den Dörfern vorzugsweise nieder. Man kann sich denken, in welchen Schrecken und in welche Beängstigung ein solch armes, von einem Henschreckenschwarm überfalleues Dorf gerät. Alles wie bei einem Schneeflockengestöber von gierigen kleinen Ungetümen um- hüllt und umschwärmt! Himmel und Erde verschwinden! Die Dächer, die Mauern, der Boden sind mit krabbelnden Geschöpfen bedeckt, und die Luft ist unermeßbar tief damit erfüllt! Alles rauscht, klappert, zischt und schnurrt! Man muß alle Thore und Öffnungen verschließen und verstopfen; denn sie fallen in Massen in die Schornsteine hinein und schlagen wie Hagel an die Thüren und Feuster. Mehrere Male strömte ein solches Heuschreckenheer in die Stadt Odessa herein und bedeckte Dächer, Straßen und öffentliche Plätze. Da fiel es zappelnd und Zuckend in die Töpfe der Küchen, lebendig und zischelnd auf die Korn- böden und Hausräume und flatterte in Ungetümen Gestalten und schreck- haften Figuren in die eleganten Zimmer der Reichen. Ist nun ein Heuschreckeuschwarm so in das Dorf selbst und seine Gürten eingedrungen, so löst sich die ganze Verbindung der Treiber auf, und jeder eilt mit seinen Kindern und Knechten in seine Wein- und Gemüsegärten, das Eigene zu retten, jagt und scheucht, soviel er kann, — die Kinder führen diesen kleinen Krieg am besten, — und unterhält kleine Feuer um die Beete, Bäume und Pflanzen herum, die man vor- zugsweise gerne schützen möchte. Vieles wird verjagt oder getötet, das meiste aber bleibt, wütet und frißt. Es giebt in den südrussischen Steppen hauptsächlich zwei Arten von Wanderheuschrecken, eine kleine 4 cm lange und eine große von 51/2 cm Länge. — Die Speisen der Heuschrecken bilden alle grünen Blätter, welche auf der Flur oder in den Gärten wachsen, und ebenso .alle grünen, weichen Zweige, die nicht allzu holzig sind, das Gras der Steppe, die Blätter der Bäume, selbst die oberen Enden der weichen Wurzeln. Ihre Freßgier verschont gar nichts, macht die Schilfrohre und Maisstämme zu Stumpfen und die grünenden Sommerbäume zu Winterbanm-Gerippen.

20. Theil 1 - S. 403

1876 - Langensalza : Greßler
403 von denen er von Zeit zu Zeit einige Zweige abrupft, um sie zu kauen. Das Steppengras ist ja sein Erhalter und Ernährer, da es seine Heerde weidet, und bunte Steppenblumen flechtet seine Tochter sich täglich ins dunkle Haar. Er hat ja nur die Steppe, die ihm alle Bedürfnisse befriedigen muß, von der ihm Alles lieb und Werth ist. Der Birnbaum und der Mongolenhügel sind seine Wegweiser, an beide knüpfen sich seine Erinnerungen und Sagen, der Schlehdorn giebt ihm Blüthen und Früchte, giebt ihm den Stachel zum Ochsenstecken und die Zinken zu jener Egge, mit welcher er die Heuschrecken zerfleischt und zerstückelt, den Schlehdorn besingt er im Liede, das Steppengras feiert er im schwermüthigen Gesänge; der Steppe verdankt er den Reichthum seiner Sprache, seine Be- schäftigung, seine Poesie, seine Erhaltung. An ihr Leben, an ihre Veränderungen knüpft er sein Leben, sein Denken und Dichten; mit Steppengras seiert er sein Pfingsten, seine Heiligthümer. Mit dem Frühlinge erwacht auf der Steppe aber auch ein reiches Thierleben, welches sich hier in Freiheit entwickelt und tum- melt, denn wenn auch des Morgens und Abends graue Nebel aus den feuchten Schluchten aufsteigen, so bleibt die Steppe selbst voll ungetrübten Sonnenscheins, weben und spielen schimmernde Licht- wellen um die Krautblätter, fließen in zitterndem Wogenschlage über die grünen Grasebenen und reichen als duftiger Streifen weit hinaus über den Rand ferner Bodenhebungen. Jetzt huschen zier- liche Erdhäschen durch das Krautgestrüpp, spielen und tändeln mit einander im Sonnenschein, jagen sich durch ihre Löcher in den Hängen der Thäler, die sie meilenweit unterhöhlt haben, lassen hier und dort ihr melancholisches Zirpen vernehmen, richten sich neu- gierig empor, wenn sie einen Menschen erblicken, fliehen, richten sich langsam von Neuem auf und schlüpfen behend in ihr Erdloch, wenn sie Gefahr sehen. Klagend wiegt sich der Kibitz in Schwärmen über den Weiden, jagen silberweiße Falken; weiden aus kahlen Strichen Trappenhorden, die der listige Kosak nicht selten beschleicht, kreisen Adler in den Lüften, fliegen Geier nach gefallenen Steppen- thieren, schreit der Wiedehopf, speist das Birkhuhn Wurzeln und Larven, ziehen Schwärme von wilden Tauben rauschend hin und wieder, denen Habicht und blutrothe Falken folgen, schleicht der Wolf den Heerden nach, wandert die numidische Jungfrau be- dächtig durch das Gras, als ob sie die beiden Federlocken hinter dem Ohre zu verletzen und ihren Schwanenhals anzustrengen fürchte. Während die graugelbe Lerche in den Lüften schwebend singt, die Biene summend die Blumenfelder durchirrt, das Heimchen an fan- diger Stelle zirpt und der Kibitz wehklagt, tönt Tag und Nacht der schaurige Unkenruf aus allen feuchten Thälern, wimmelt es auf lockernden Flächen von Kröten, in feuchten Niederungen von bunt- schillernden Eidechsen, in den Flußthälern von Schlangen. In den 26*