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1. Bilder aus den deutschen Küstenländern der Ostsee - S. 454

1886 - Leipzig : Spamer
454 Königsberg. Ob außer den angeführten verderblichen geistigen Einflüssen noch körperliche Gründe für die wenigstens zeitweise wohl unleugbar vorhandene geistige Um- nachtung des unglücklichen Fürsten, ob namentlich darauf hinzielende Vergiftungs- versuche vorlagen, wird sich kaum entscheiden lassen. Sehr bestimmte Angaben von Zeitgenossen weisen darauf hin und wenigstens muß mit aller Entschieden- heit behauptet werden, daß die herrschsüchtige Clique, in deren Händen er sich befand, alles mögliche dazu that, ihn in diesem Zustande zu erhalten und eine mögliche Heilung zu verhindern. Ein geschickter Arzt, Johann Fortunatns, den Wilhelm Iv. von Kleve, dessen Tochter Marie Eleonore man dem jungen Fürsten, wie schon die Schatten des Wahnsinns sich über seinen Geist zu senken begonnen hatten, ein trauriges Opfer politischer Rücksichten, vermählt hatte, nach Königsberg schickte und der sich mit großer Zuversicht zu seiner Heilung anheischig machte, wurde sechs Wochen lang, da man sich von seiner Recht- gläubigkeit doch nicht überzeugt hätte und nicht sicher wäre, ob die versprochene Heilung auch mit der Hilfe Gottes unternommen werden und nicht ein Werk des Teufels fein würde, gar nicht zu dem Fürsten gelassen, bis endlich das An- dringen der Fürstin und der Bürgerschaft von Königsberg seine Zulassung er- zwang. Der Erfolg der Kur war überraschend günstig, der junge Fürst er- wachte wieder zur Teilnahme an den Freuden und Interessen des Lebens und fand Behagen an Lustritten und dem ritterlichen Spiel des Ringstechens. Aber nur um fo wütender eiferten die auf diesen Erfolg neidischen Königsberger Ärzte, die Prediger, die Regimentsräte gegen ihn. Erstere bewiesen in einem gelehrten Klagelibell, daß Fortunatus ein unwissender Landläufer ohne Kenntnis der Kraft der Medikamente sei, der nur mit Hilse des Teufels den Fürsten ge- sund machen wolle, die Prediger wiesen ihm ketzerische Meinungen nach, und die Regimentsräte verfehlten nicht, trotz des Widerspruchs des klevischen Gesandten, den gefährlichen Mann zu verbannen, natürlich mit dem gewünschten Erfolg; der Herzog, nicht stark genug, die ihn einschnürenden Bande zu zerreißen und sie doch aufs schmerzlichste empfindend, sank in den alten Zustand stumpfer Schwermut zurück, in dem er verblieb, bis ihn der Tod erlöste. Inzwischen ging die intolerante Pfaffenwirtschaft in Zänkereien und Ver- ketzerungen ihren Gang und es kann uns bei der Betrachtung dieses uuerquick- liehen Schauspiels nur in geringem Maße zur Befriedigung gereichen, daß gerade einer der unduldsamsten und stolzesten dieser sich unfehlbar dünkenden lutherischen Päpstlein, Heshnsins, der unerbittliche Glaubensrichter, selbst dem Vorwurf der Irrlehre erlag und, da er nicht widerrufen wollte, gestürzt und aus dem Lande verbannt wurde. Die Sache ist so charakteristisch für die in damaliger Zeit in religiöser Beziehung herrschende verkehrte Geistesrichtung, daß wir etwas dabei verweilen müssen. Heshusius hatte in einem zur Be- kämpfung der Ealvinisten geschriebenen Buche gesagt: „man dürfe nicht bloß in concreto sagen, der Mensch Christus sei allmächtig, allwissend und anzu- beten; sondern auch in abstracto sei es wahr, daß die menschliche Natur Christi allwissend, allmächtig und anbetenswert sei." Darüber höchste sittliche Entrüstung unter den übrigen Königsberger Kirchenlichrern, Morgenstern, Hofprediger Wedemann, Mörlin und andern, die den zweiten Teil der Behauptung für irrig und ketzerisch erklärten. Nun heftiger Krieg, der nicht bloß in giftigen gelehrten Streitschriften, sondern von den Kanzeln herab mit um so größerer Erbitterung

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1. Bilder aus den deutschen Küstenländern der Ostsee - S. 453

1886 - Leipzig : Spamer
Königsberg als Residenz der Hochmeister und der Herzöge von Preußen. 453 Obervormundschaft über ihn führen sollten. Bei seiner am 19. Juli des sol- genden Jahres auf dem Reichstage zu Lubliu erfolgenden Belehnung erhielten gemäß der schon seinem Vater erteilten Zusage der Markgraf Georg Friedrich von Ansbach und Kurfürst Joachim Ii. von Brandenburg die Mitbelehnung für den Fall, daß Albrecht Friedrich ohne männliche Erben stürbe; wohl nie- mand ahnte damals, welche unendlich wichtigen Folgen sich im Laufe der ge- schichtlichen Entwickelung an diese, wie es bei der Jugend und Gesundheit, deren sich Albrecht Friedrich damals erfreute, schien, ziemlich bedeutungslose Zeremonie knüpfen sollten. Der junge Fürst zeigte eine weit über seine Jahre gehende Klarheit des Blicks und Selbständigkeit des Willens; um so mehr suchten die zu Leitern seiner Jugend bestimmten Regimentsräte, um die Dauer ihrer eigenmächtigen Herrschaft besorgt, seinen aufstrebenden Geist gewaltsam niederzuhalten, ihn durch geradezu geflissentliche Kränkungen aufzubringen und zu knechten, worin sie von herrschsüchtigen und intoleranten Pfaffen unter dem Vorgeben, für die Rechtgläubigkeit des Fürsten wachen zu müssen, bestens unterstützt wurden. Nachdem einer der schlimmsten theologischen Eiferer, Mörlin, der von dem vorigen Herzog wegen offenbarer Unbotmäßigkeit des Landes verwiesen, dessen Rückberusung und Ernennung zum Bischof von Samland aber von den Regi- mentsräten erzwungen war, endlich mit Tode abgegangen, hegte Albrecht Friedrich den sehr verständigen Wunsch, die bischöfliche Würde in Preußen ganz eingehen zu laffen, was wesentlich zum Wohle des Landes beigetragen haben würde, und statt dessen den ehemaligen Hofprediger seines Vaters David Voit, einen friedlich und billig denkenden Mann, den einzigen im Lande, zu dem er wirklich Ver- trauen hatte, zum Vorsitzenden eines samländischen Kirchenrates zu ernennen. Wohl schon allein der Umstand, daß der junge Fürst gewagt, einen eignen Willen zu haben, genügte den Regimentsräten und der mit ihnen einverstan- denen Pfaffenpartei, unter denen sich besonders der pomesanische Bischof Venetus, der Hofprediger Wedemann und Benedikt Morgenstern, Pfarrer im Kneiphof, hervorthaten, sich entschieden dagegen zu erklären. Zum Bischof von Samland bestimmten sie einen seiner starren Rechtgläubigkeit, aber auch seiner trotzigen Zanksucht wegen berühmten, schon von verschiedenen deutschen Fürsten wegen des von ihm angezettelten Lärmes und Aufruhrs des Landes verwiesenen Priester Tilemann Heshusius, während sie zugleich David Voit ketzerischer Ansichten be- schuldigten und seine Amtsentsetzung und Landesverweisung verlangten. Lange sträubte sich der junge Fürst gegen diese empörenden Zumutungen, gab aber endlich mit äußerstem Widerstreben nach. Da er nun überdem Nachricht davon erhielt, daß die Regimentsräte damit umgingen, die Verlängerung ihrer Vor- mundschaft bis zu seinem dreißigsten Lebensjahre durchzusetzen, verfiel der von Natur heitere und aufgeweckte Herr in finstere Schwermut und stumpfes Hin- brüten, unterbrochen von einzelnen Zornausbrüchen bei Gelegenheit besonders empfindlicher Kränkungen, wie z. B. als der Landhofmeister Jakob Truchfeß die Unverschämtheit gehabt hatte, gegen den ausdrücklichen Willen des Fürsten den verhaßten Heshusius an die fürstliche Tafel zu führen. Dieses von ihnen selbst herbeigeführte Verhalten des Fürsten gab ihnen den Vorwand, ihn für nicht zurechnungsfähig zu erklären, um fo schärfer alle seine Schritte zu über- wachen und ihn von der Teilnahme an der Regierung völlig auszuschließen.

2. Lesebuch für unterfränkische Fortbildungsschulen - S. 111

1917 - München : Oldenbourg
111 darum sehr groß; in Berlin allein gab es vor einigen Jahren 500 anerkannte Kurpfuscher und dabei wird die Kurpfuscherei in großem Maß noch heimlich betrieben. Viele der Kurpfuscher sind verkommene Existenzen, die in ihrem ursprünglichen Beruf gescheitert waren, und so wird man sich nicht wundern, wenn man hört, daß in Berlin fast 1/3 der bekannten Kurpfuscher wegen Dieb- stahls, Unterschlagung, Betrugs u. dgl. vorbestraft sind. Der Aberglaube vieler Leute aber, solch ein Kurpfuscher könne unter Umständen mehr leisten als ein Arzt, wird nicht zum wenigsten durch die geschickte Reklame der Kur- pfuscher hervorgerufen. Aber nicht allein dadurch. Es ist merkwürdig, wie der Aberglaube der Menschen, wenn sie sich in einem kränklichen oder geradezu kranken Zustande befinden, zunimmt. Besonders gilt das von solchen Kranken, die an wirklich unheilbaren Krankheiten leiden. Manchmal wissen sie sogar selbst, daß ihre Krankheit unheilbar ist; aber da die Kurpfuscher gar nicht selten mit der Behauptung hervortreten selbst Krankheiten heilen zu können, die sonst als unheilbar gelten, kommen allmählich sonst vernünftige Kranke, die solchen Aberglauben in gesunden Tagen weit von sich gewiesen hätten, zu der Vorstellung, daß am Ende auf diese Art doch eine Heilung möglich wäre. Denn schließlich greift der Ertrinkende auch nach dem Strohhalm. Dazu kommt freilich noch die Anlockung durch Atteste. Manches dieser Zeug- nisse mag in betrügerischer Weise zustande gekommen, manches kann gerade- zu gefälscht sein, aber die Mehrzahl wird zweifellos von den Kranken in gutem Glauben ausgestellt. Für den Sachverständigen haben sie jedoch keinerlei Bedeutung. Manchmal wird nämlich den Kranken von den Kurpfuschern ein- geredet, daß sie an einer schweren, von ihren bisherigen Ärzten verkannten Krankheit leiden, während sie in Wirklichkeit eine ganz unbedeutende, oft von selbst heilbare Krankheit besitzen. Es ist natürlich nicht schwer durch irgend welche Mittel diese harmlosen Krankheiten zu beseitigen und die Kranken sind gern bereit ein Attest darüber auszustellen, daß sie nun tatsächlich ge- heilt sind. Ein andermal glaubt der Kranke, der Arzt müsse seine Krankheit, die monate- oder jahrelang schon besteht, in einigen Wochen heilen können; wenn das nicht eintrifft, ist er von der Behandlung des Arztes enttäuscht und hält sie für unrichtig. Er geht dann zu einem andern Arzt, und wenn er wieder nicht die erhofften Erfolge sieht, vielleicht wieder zu einem andern und schließlich fällt er den Kurpfuschern in die Hände. Inzwischen ist die Krankheit so lange behandelt worden, daß sie der Heilung nahe ist, und wenn der Kurpfuscher nicht gerade wieder schädlich auf sie einwirkt, kommt unter seinen Händen die endgültige Heilung zustande und die Kranken bilden sich ein, es sei das durch sein Mittel geschehen, und stellen ihm ein glänzendes Zeugnis aus. Schließlich gibt es die vielen eingebildeten Kranken, die häufig geheilt werden von irgend wem, wenn sie nur die Überzeugung haben, daß der Betreffende imstande sei sie zu heilen. Die Schädigung durch die Kurpfuscher ist eine doppelte. Einmal werden die Kranken an ihrer Gcsuudbeit dadurch geschädigt, daß die Mittel der Kur-

3. Bilder aus den deutschen Küstenländern der Ostsee - S. 455

1886 - Leipzig : Spamer
Königsberg als Residenz der Hochmeister und der Herzöge von Preußen. 455 geführt wurde, je weniger sich wohl irgend einer der Streitenden selbst bei diesen Deduktionen wirklich denken konnte. Der Streit über diese wichtige Glaubenswahrheit verbreitete sich über die Bevölkerung Königsbergs, ja der ganzen Provinz, welche sich in die Parteien der „Abstrakten" und „Konkreten" teilten und aufs wütendste, oft mit schlagenden Gründen bekämpften. Aber die „Konkreten", die Gegner des Heshusius, behielten die Oberhand und jener mußte, wie schon erwähnt, da die Geistlichen des Landes in ihrer Mehrheit seine Meinung für ketzerisch erklärten, das Feld räumen. „Abstrakte" und „Konkrete" blieben, wenigstens in Königsberg, bis in die Neuzeit beliebte, für besonders kräftig gehaltene Schimpfwörter und sollen sich als solche noch in dem Arsenal der dortigen Kuppelweiber, oder vielmehr Handelsfrauen, in der zweckmäßigen Vereinigung „abstrakte Kreet" erhalten haben. Am liebsten würden die Regimentsräte, da der Zustand des Herzogs hoff- nungslos blieb, die Regierung des Landes ganz in ihrer Hand behalten haben, doch dem widersetzten sich die Städte, welche die stets wachsende Macht des Adels mit sehr gerechtfertigtem Mißtrauen betrachteten, entschieden, und fo ge- lang es, da auch die Einwilligung Polens durch die dort stets wirksame Für- spräche einer stattlichen Geldzahlung gewonnen wurde, dem mitbelehnten Mark- grasen von Ansbach, Georg Friedrich, als Vormund die Regierung des Landes übertragen zu erhalten. Während feiner von 1577—1603 dauernden kräftigen und wohlmeinenden Regierung war er nicht ohne Erfolg bestrebt, den über- mächtig und übermütig gewordenen Adel in seine Schranken zurückzuweisen, und ihm gelang, was die Herzöge Albrecht und Albrecht Friedrich vergebens versucht, die Bischofswürde in Samland und Pomesanien abzuschaffen und da- mit den unleidlichen geistlichen Hochmut, der sich so verderblich gezeigt, einiger- maßen zu dämpfen. Auch gab er das Beispiel, das von Preußens Fürsten später wiederholt nachgeahmt wurde, ihrer Religion wegen verfolgten Flücht- lingen — Niederländern, welche Philipp Il und Albas bigotter Eifer aus dem Vaterlande vertrieben — Aufnahme und Schutz zu gewähren und dadurch dem Lande ruhige und fleißige Bürger zuzuführen. Als er im Jahre 1603, ohne Nachkommenschaft zu hinterlassen, starb, erhielt der zweite Mitbelehnte, Johann Friedrich, Kurfürst von Brandenburg, die Reichsverweserfchaft über Preußen und behauptete sie ungeachtet des trotzigen Widerstrebens des Adels, der die Vereinigung Preußens mit Brandenburg aus allen Kräften zu hintertreiben versuchte, da er die Geneigtheit Polens durch das gewohnte Mittel gesichert hatte. Dasselbe gelang nach seinem 1608 er- folgten Tode seinem Sohne Johann Siegmund durch die energische Unterstützung der Städte, welche den adligen Mitständen gegenüber entschieden auf seine Seite traten, wenn auch erst nach Überwindung großer Schwierigkeiten und unter Übernahme mancher lästigen Bedingungen; und als nun am 27. August 1613 Herzog Albrecht Friedrich im 66. Jahre feines leidenvollen Lebens starb, ver- einigte er unzertrennlich Preußen mit den brandenburgischen Marken. Trotz vieler Umstände, die einen kräftigen Aufschwung lähmten, geschah unter der Regierung der Herzöge in Preußen manches für eine gedeihliche Ent- Wickelung des Landes. Eine ziemliche Anzahl Städte wurde in dieser Zeit gegründet, meistens an schon bestehende Ordensburgen sich anlehnend, oder er- warben Stadtgerechtigkeit, so Tilsit. Jnsterburg. Angerburg, Goldap, Lötzen,

4. Teil 2 - S. 143

1882 - Leipzig : Brandstetter
im 16. und 17. Jahrhundert. 143 junges Kindlein ohne der Eltern Verwahrung sich nicht vor einer Otter hüten kann, also kann der gemeine Mann schwerlich ohne seines Lehrers und Predigers treue Erinnerung urteilen allerlei Sekten und Korruptelen, welche also schön geschmückt sind, daß auch die Auserwählten, wo es möglich wäre, könnten dadurch verführt werden." Den Fürsten ward das Treiben der Geistlichen endlich zu arg, und wiederholt, wenn auch mit wenig Erfolg, erließen sie strenge Mandate gegen das Eifern und Streiten, namentlich auf den Kanzeln. Kurfürst August von Sachsen verbot in einem Mandat vom Jahre 1566 das Lästern und Verdammen auf der Kanzel aufs strengste; aber sein Sohn Christian I. mußte dasselbe 1588 in einem Ausschreiben wieder in Erinnerung bringen. In diesem Ausschreiben wird das Gezänk und Ärgernis auf den Kanzeln mehr auf die persönlichen Leidenschaften der Geistlichen zurückgeführt, als auf den Eifer um Gottes Ehre. Man greife seine persönlichen Widersacher mit lästerlichen und schmählichen Worten an, schließe sie aus der christlichen Gemeinschaft aus und verdamme sie; dadurch würde der Widerpart zu gleichen Maßregeln gereizt, und des ärgerlichen Gezänkes und Gebeißes sei kein Ende. Die Spaltungen, die dadurch erregt, die Hemmungen, die der Ausbreitung der Reformation dadurch bereitet, der Schaden und Nachteil, den die evangelische Kirche davon hätte, das alles liege ja klar am Tage. Das Predigtwesen war zur Zeit, da Luther auftrat, in zu traurigem Verfall, als daß da ein rascher Wandel möglich gewesen wäre. Es lag fast ausschließlich in den Händen der unwissenden Bettelmönche, die aus Kanzeln, Märkten und öffentlichen Plätzen predigten. Und nicht etwa die Texte der heiligen Schrift legten sie ihren Predigten zu Grunde, sondern man beschäftigte sich mit den Subtilitäten der Scholastiker, mit der Ethik des Aristoteles, mit Heiligenlegenden, mit der Widerlegung und Verdammung der Ketzer. „Handelten auch nicht einen einigen Spruch in der Schrift, ja die Heilige Schrift war gar zugedeckt, unbekannt und begraben," hören wir Luther klagen. Ein damaliger Prediger bewies dem Volke das Tanzen als Teufelskunst mit folgendem Schluß: „Der Teufel sagt (Hiob 1,7): Ich habe das Land umher durchzogen, d. i. ich bin rund herumgegangen. Das Tanzen geschieht rund herum, der Teufel aber gehet rund herum, folglich ist das Tanzen vom Teufel". Abgeschmackt und lästerlich waren die Fragen, die man in den Predigten auszuwerfen liebte, z. B. ob Gott auch Sünde thun könnte, wenn er wollte? ob er dasjenige wissen könne, was er doch nicht weiß? ob es ihm möglich sei, die menschliche Natur weiblichen Geschlechts anzunehmen? u. ä. In der Osterpredigt hatte der Prediger nach alter Gewohnheit das sogenannte Ostergelächter anzubringen; da waren die Prediger am gesuchtesten, die nach der sauren Fastenzeit am Osterfest das Volk am besten lachen zu machen wußten durch Erzählungen wie die folgende: „Als Christus an die Vorburg der Hölle kam, hatten zwei Teufel ihre langen Nafen als Riegel hinter die Pforte gesteckt; als er aber mit dem Kreuz anstieß und Thür

5. Lebensspiegel für Landleute - S. 610

1844 - Darmstadt : Ollweiler
610 jeden Ton mir einfach. Welche unermeßliche Uebereinstimmung und Genauigkeit muß also in der Bildung der Gehörgänge und Nerven stattfinden! Der zarteste, von keinem menschlichen Auge erkennbare Unterschied würde Verwirrung erzeugen müssen. So finden wir in der That bisweilen, daß Personen, welche sehr bestimmt und leise hören, das Nahe wie das Ferne, doch die Klänge nie in ihrer ganzen Reinheit vernehmen. Dieß erhellt besonders, wenn sie sich vorsetzen, solche im Gesänge nachzuahmen. Das falsche Gehör scheint aus einer geringen Abweichung in den innern Bildungen beider Gehörwerkzeuge zu entstehen, und es würde verschwinden, wenn sie den Ton nur mit einem einzigen Ohre hören könnten. Wenn gleich manche Thiere den Menschen in Ansehung der Stimme übertreffen, so ist doch die Sprache ein Vorzug des Men- schen. Er theilt mit keinem andern ihm bekannten Geschöpfe das Vermögen, sich durch willkührlich geschaffene Klänge die feinsten seiner Empfindungen, die erhabensten seiner Vorstellungen mitzu- theilen. Er verrichtet Wunder, die er selbst nicht in ihrer Möglich- keit vollkommen begreifen kann. So wie Gott auf wunderbare Weise den menschlichen Geist in den Staub des Erdensterns ein- kleidete, so hüllt der Mensch den Gedanken, diese geistige Frucht des in ihm vorhandenen Göttlichen, tu irdische Luft, und sendet ihn in dieser Hülle, Wort genannt, dem horchenden Sinne des Mitbrnders zu. Die Luft verrinnt am Ohre 'desselben, der Leich- nam des Gedankens stirbt, aber das Geistige dringt über in den Geist des Mitbruders, und vermählt sich demselben. Dieß heißt Sprache. 655. Allwissenheit. Einst war ein Mönch, berühmt durch Wissenschaft, Als Prediger durch seiner Rede Kraft. Auf seines Klosters flacher Zinne lag Er im Gebet; es neigte sich der Tag. Und vor ihm dehnte sich das weite Thal Mit Stadt und Land im letzten Son- nenstrahl. O könnte doch mein Blick, — so rief er aus, — Durchdringen jede Schlucht und jedes Haus! O hörte doch mein Ohr ein jedes Wort, Das rings gesprochen wird an jedem Ort! Wär' ich allwissend — nein! durch- schauend nur, Durchhorchend die umgebende Natur, Wie anders wirkte meine Predigt dann, Die jetzt nur arm und schüchtern lallen kann! Erkennend jede Sünde, jedes Leid Der Menge, die sich gläubig um mich reiht, Wie würd' ich treffen dann ihr tief- stes Herz, Es heilen von der Erde Schmutz und Schmerz! Und alles Volk ver Erde drängte sich, Rath, Trost und Heilung suchend, dann um mich. — Als er' so sprach in stolz demüth- gem Sinn, Da ward er einer Stimme plötzlich inn, Die aus derhöhe zu ihm niederklang Und seinen Geist mit diesem Ruf durch- drang: Erschließen will ich deinem Aug' und Oht Die ganze Welt, doch prüfen dich zuvor. Erst sei die kleine Stadt vor dir enthüllt Mit Allem, was verborgen sie er- füllt. -

6. Aus dem Altertum, dem Mittelalter und der Reformationszeit bis zum Dreißigjährigen Kriege - S. 115

1903 - Leipzig : Dürr
Der Islam und seine weltgeschichtliche Bedeutung 115 vielleicht einen Blick von einem bedeutenden Manne zu erhaschen." Das ganze Buch besteht aus 114 (116) Abschnitten, Suren genannt, und ist Richtschnur für Glauben und Leben, für Sitten und Gebräuche, für die verschiedensten Verhältnisse und Einrichtungen; es ist nicht frei von gemeinen Gedanken und Ausdrücken; es ist reich an kühnen Bildern, an poetischen, rhythmischen Stellen, an phantastischen Ideen. Und doch ist ihm eine gewisse Genialität nicht abzusprechen; die Echtheit und Natürlichkeit ist ihm wie ein Stempel aufgedrückt. Muhammed, der ernste feurige Mann, ringt mit dem Gedanken, ringt mit dem Ausdruck, und bei der Tiefe und Größe seiner Gedanken kann er den entsprechenden Ausdruck oft nicht finden. Das ist der Charakter des Korans, der Urkunde der mnhammedanischen Religion. Ii. Die Glaubens- und Sittenlehre des Islam nach dem Koran. a) Glaubenslehre: Die Lehre von Gott ist streng monotheistisch. „Allah akbar, Gott ist groß." Nur Gott allein hat die Macht zu schaffen und zu zerstören, und er ist nur einer. Die Götzen existieren nicht, ihnen zu dienen ist Torheit; die Bilder derselben im Heiligtum zu Mekka müssen vernichtet werden, nur Allah ist anzubeten und zu verehren. Seinem Willen muß sich der Mensch unterwerfen, und diese Unterwerfung, „Islam", ist die höchste Forderung der Religion; denn Allah ist allmächtig, allwissend und allgütig, er ist nicht bloß Herr der sinnlichen Welt, sondern auch der geistigen. Da mit der Einheit Gottes auch seine Geistigkeit und Unendlichkeit von Muhammed gelehrt wurde, so ist jede bildliche oder symbolische Darstellung des höchsten Wesens unmöglich. — Der alles umfassende Gott muß sich natürlich den Menschen offenbaren, und als seine Offenbarungsorgane erwählt er sich die Propheten. Muhammed ist der Prophet im wahren Sinne, der höchste und letzte aller Propheten. Auch Adam, Noah, Abraham, Moses und Jesus waren Propheten, und ihre Gotteserkenntnis wird wohl gewürdigt; aber Muhammed hat die höchste Wahrheit, die von seinen Vorgängern nur teilweise und getrübt erkannt wurde, den Menschen verkündigt. Dem Bedürfnis der großen Masse, deren Vorstellungswelt von einer Mehrzahl von göttlichen Wesen erfüllt ist, kommt der Islam mit der Lehre von den Engeln entgegen, welche als Boten Gottes seinen Willen ausführen. Die bedeutendsten und. wichtigsten sind die vier Erzengel, Gabriel, der die göttlichen Offenbarungen den Menschen vermittelt, Michael, der die Schlachten des Glaubens schlägt, Azrail, der Todesengel, und Jsfrahil, der Engel der Auferstehung, der am jüngsten Tage die Posaune blasen wird, die beiden

7. Hilfsbuch für den Unterricht in der brandenburgisch-preußischen Geschichte für höhere Lehranstalten und Mittelschulen - S. 17

1886 - Halle a. S. : Verl. der Buchh. des Waisenhauses
V. Preußen unter besonderen Herzögen 1525—1618. 17 eine Universität, zu Königsberg 15-14 (Albertina); Georg Sabinus 1544 war ihr erster Rektor. — Große Unzufriedenheit im Lande erregte der Einfluß, den der Theologe Andreas Osiander auf den Herzog ausübte, und die Begünstigung der Anhänger seiner Lehrmeinnngen. Da das Land überdies über harten Steuerdruck zu klagen hatte, so wurde die Erbitterung gegen den Herzog bald allgemein. Sie wurde noch gesteigert, als der Herzog in die Hände eines fremden Abenteurers Paul Skalich fiel, der ihn zu den schlimmsten Willkürhandlungen verleitete. Endlich schickte der Polenkönig, von den Unzufriedenen angerufen, eine Kommission ins Land. Skalich selbst war entflohen, aber drei seiner Anhänger, darunter Joh. Funke, der Beichtvater des Herzogs, wurden hingerichtet und die Regierung des Landes ganz in die Hände des Adels gegeben. 1568 starb Herzog Albrecht ties gebeugt. 2. Albrecht Friedrich 1568—1618. 1568 Albrecht Friedrich war noch unmündig, als sein Vater starb. Die schroffe Behandlung, die der .junge Fürst durch selbstsüchtige und hochfahrende Räte, welche die Regierung führten, und durch zanksüchtige Geistliche zu erfahren hatte, machte ihn scheu und trübsinnig. Er verfiel allmählich in eine geistige Krankheit, die durch widersinnige Heilmittel noch verschlimmert wurde, so daß er nie zu einer selbständigen Regierung gekommen ist. Im Jahre 1572, unmittelbar vor dem völligen Ausbruche der Geistesstörung, wurde er mit Maria Eleonore von Jülich-Cleve vermählt. Da aus dieser Ehe nur Töchter hervorgingen, so war Preußens nächster Erbe des Herzogs Vetter Georg Friedrich von Brandenburg-Ansbach. Um das Herzogtum durch die Mißwirtschaft der Regimentsräte nicht ganz zerrütten zu lassen, ging der Markgraf selbst nach Preußen und erlangte trotz des Widerstrebens der Regimentsräte und des Adels vom Polenkönige die Vormundschaft über den kranken Herzog und die oberste Verwaltung des Landes. Georg Friedrich war ein tüchtiger und gewissenhafter Fürst. Er schlichtete die kirchlichen Streitigkeiten in Preußen, hob die Universität, ordnete die Finanzen und stellte die Ordnung im Lande wieder her. r 1603. Da mit ihm die fränkische Linie der Hohenzollern ausstarb, so ging das Erbrecht auf Preußen und die Vormundschaft über Albrecht Friedrich auf den brandenburgifchen Kurfürsten Joachim Friedrich über und nach dessen Tode 1608 auf feinen Nachfolger Johann etgtsmund; beide Fürsten waren des Herzogs Schwiegersöhne. M Nach deut Tode Albrecht Friedrichs 1618 erbte Johann Sigismund das leis Herzogtum Preußen und vereinigte es mit der Mark Brandenburg. 1) S. die genealogische Tabelle. Lohmeher u. Thomas, brandenb.-preuß. Gesch. 2

8. Das fünfte Schuljahr - S. 138

1901 - Langensalza : Schulbuchh.
138 geborne".) Jesus war zwar dieser Meinung nicht, wie aus der Heilung des Blindgebornen hervorgeht, aber gerade an diesem Kranken er- kannte er sofort, daß hier die Sünde das Grundübel sei. (Jedenfalls war die Krankheit durch ausschweifenden Lebenswandel entstanden.) Wann nur kann die Krankheit gehoben werden? Wenn die Ursache, also die Sünde, beseitigt wird. Inwiefern faßt Jesns das Übel bei der Wurzel an? Als was sehen die anwesenden Pharisäer diese Worte an? Inwiefern wären sie das anch, wenn sie ein Mensch spräche? Sünde kann nur durch Gott vergeben werden; wer sie ver- geben will, hält sich für Gott, den er dadurch lästert. Wodurch sucht Jesus zu beweisen, daß er Sünde wirklich vergeben kann, also Gott ist? Warum erscheint die Heilung schwieriger als die Sündenver- gebung? „Dir sind deine Sünden vergeben" kann jeder sagen, weil man keinen sichtbaren Erfolg der Worte erwartet, während bei Worten, eine Heilung betreffend, der Erfolg den Worten folgen muß. Vertiefung (mit Anwendung). I. Wer bedarf der Heilung? Inwiefern gleichen wir alle dem Gichtbrüchigen? Sündenkrank- heit. — Beweise, daß wir geistig gichtbrüchig sind. 1. Wir können unsere geistigen Glieder (Erkennen, Fühlen, Wollen) nicht recht gebrauchen, da sie durch die Sünde gelähmt, gebunden sind. 2. Wir können Jesu nicht nachfolgen. (Ich glaube, daß ich nicht aus eigner Vernunft noch Kraft an Jesum Christum meinen Herrn glauben oder zu ihm kommen kann.) 3. Wir müssen uns zu ihn, führen lassen. (Durch den heiligen Geist.) 4. Die Sünde raubt uns alle Freuden des Lebens. 5. Der Gichtbrüchige wird im Hinblick auf seine Sünde mit angst- erfülltem Herzen vor dem Herrn gelegen haben, so werden uns einst am jüngsten Tage unsere Sünden mit Furcht und Schrecken er- füllen, wenn wir vor dem Herrn stehn. Merkt: Alle Menschen brauchen Vergebung der Sünden. Anwendung. Mein Hauptgesuch auf Erden Soll die Vergebung werden, So wird mein Tod nicht schlver.

9. Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 305

1900 - Essen : Baedeker
305 Da selbst nach längerem Aufenthalt unter Wasser das Leben oft noch nicht vollständig erloschen ist, so haben Wiederbelebungs- versuche häufig Erfolg, wenn sie nur mit Ruhe und Ausdauer ange- stellt werden. Oft tritt erst nach stundenlangen Bemühungen durch sogenannte künstliche Atmung Erfolg ein. Sie besteht hauptsächlich darin, dass durch geeignete Bewegungen der Brustkorb des Verun- glückten zusammengedrückt und ausgedehnt wird, wodurch Luft in dessen Lungen eintritt, bis sich endlich wieder selbständige Atem- bewegungen einstellen. Die künstliche Atmung wird auch bei tiefer Bewusstlosigkeit und Scheintod oft mit Nutzen angewandt. Mehr als alle Anweisungen zur ersten Hilfeleistung ist es wert, wenn man an einem Lehrgang teilnimmt, wie ihn Samaritaner- vereine in grösseren Städten häufig veranstalten. Nach Aug. Gerber und Fried, von Esmarch. Aufg. Benenne die wichtigsten Teile des menschlichen Knochengerüsts! — Was weifst du über das spezifische Gewicht und von welchen Körpern ist es dir bekannt? *202. Ein berühmter Arzt. Unter.den hervorragenden Männern Berlins war zu Anfang des 19. Jahr- hunderts der „alte Heim" eine nicht minder bekannte und volkstümliche Persönlichkeit als der alte Blücher. In einem Trinkspruche nannte ihn einmal der greise Feld- marschall seinen lieben Kollegen, den Feldmarschall unter den Ärzten. Vom Kops bis zur Fußspitze war Heim Arzt, und sein sittlicher Charakter hatte sich gänzlich mit seiner Berufsarbeit verschmolzen. So war Heim in demselben Sinne Arzt wie Blücher Soldat. Selten hat ein Arzt so durch sein bloßes Erscheinen, durch seine Persönlichkeit gewirkt und dadurch zur leiblichen und geistigen Heilung des Kranken beigetragen, wie Heim; selten ist aber auch so viel Verstand und Gemüt in einer Person vereinigt gewesen wie bei ihm. Der königlich-preußische Geheimrat und Doktor der Arzneikunst, der von hoch und niedrig verehrte und geliebte Arzt Ernst Heim, dem alljährlich Tausende von Thalern zuflössen, war der Sohn eines armen Landpredigers im Meiningenschen, der seine liebe Not hatte, seine sechs Söhne ehrlich durch die Welt zu bringen. Ernst hatte in seiner Jugend allerlei Krankheiten zu überstehen, so daß er in seinem zwölften Jahre noch nicht sicher lesen konnte. Der Vater hielt seine Söhne streng, forderte von ihnen, daß sie alle häuslichen und ländlichen Arbeiten verrichteten, und bereitete sie selbst znm Gymnasium vor. Als sechsjähriger Knabe sah Ernst einen Arzt, der einen großen, mit goldenen Tressen eingefaßten Hut trug. „So ein Mann möchtest du werden!" dachte Ernst; aber der Vater wollte davon nichts wissen. „Wie kannst du Doktor werden! Du fürchtest dich ja vor jeder Spinne!„ sagte er, „ein richtiger Doktor muß Spinnen essen können." Bald nachher kam der Knabe eiligst zum Vater gelaufen; er hatte ein mit Spinnen belegtes Butterbrot in der Hand, biß wacker hinein und rief freudestrahlend: „Siehst du, Vater, jetzt kann ich Spinnen essen. Jetzt darf ich doch Doktor werden?" Als einst die Brüder ans eine fremde Katze den Verdacht geworfen hatten, sie hätte Küchlein ans dem Pfarrhofe geraubt, fingen sie das Tier mit Schlingen, töteten es und wollten es heimlich begraben. Dies gab aber Ernst nicht zu, bevor er nicht das Tier gründlich zerlegt hatte, um dessen Körperbau kennen zu lernen. Für einen Geistlichen und Gelehrten hielt der Pfarrer seinen Drittältesten für zu leicht und flüchtig; deswegen willigte er endlich ein, daß Ernst Medikus wurde. „Zn einem Quacksalber schickst du dich noch am besten," meinte er, „da kannst du den Hein ecke, Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen. 20

10. Theil 7 - S. 519

1807 - Berlin : Duncker & Humblot
519 nahm. Jene übergaben, als der schwächere Th ei/, den Staaten von Holland eine Vorstellung (Re- monftrantie) und baten, daß man sie in einer rechtmäßigen Synode hören, und wenn kein Ver, ein möglich wäre, ihren Gegnern wenigstens Still- schweigen auflegen möchte. Dagegen überreichten die Gomaristen eine Contraremonstrantie, worin sie jene Mamelucken und Teufel nannten, und sie mit den Cananitern verglichen, die Gott zu vertilgen befohlen, und mit den Baalspfaffen, die Elias geschlachtet habe. Seitdem nannte man die beiden Parteien Remonstranten und Contra- remonstranten. Der Streit erhielt eine solche Wichtigkeit, daß der König Jacob I. von Eng- land, den solche Sachen sehr interessirten, sich darein mischte, und den Nachfolger des Arminius (er selbst war schon gestorben) in einem Schrei- den an die Staaten des Feuers würdig erklärte. Die Stadt Rotterdam hatte damals einen jungen, sehr gelehrten und klugen Pensionär (Agenten) Namens Hugo de Groot, gewöhn- lich Hugo Grotius genannt. Auf den Rath dieses Mannes erließen die Staaten von Holland tm Jan. 1614 ein Edict, worin sie den Predigern befahlen, den Streit über die Vorherbestimmung auf keine Weise mehr unter das Volk zu brin- gen, und sich mit einander in Liebe und Einig- keit auszugleichen. Die Remonstranten unter- warfen sich dieser billigen Verordnung sogleich,

11. Bd. 2 - S. 62

1785 - Leipzig : Crusius
6s Iv. 9. Besondre Lehren Gott heißt selig, und zwar von Ewigkeit z» Ewigkeit, weil jede Absicht, welche gelungen ist oder ge- lingen wird, und welche nicht gereuen kann, einen Geist gewiß vergnügt; mw weil Gottes Allvaterab- sicht im Wohlthun ihm, dem Allwissenden und All- mächtigen, gelingt, und in Ewigkeit gelingen wird. 9) Besondre Lehren voll der Vorsehung. /Lottes allwissende, allmächtige, allväterliche Absicht, Das, was künftig erfolgen wird, zu bewirken, oder erfolgen zu lassen, das Nichterfolgende aber nicht zu wirken oder zu verhindern, heißt feine Vorsehung. Ein guter menschlicher Regent oder Vater sorgt für das Beste der Seinigen, so gut wie er kann, ohne seines Thuns Wirkung an einem jeden Einzelnen, und auf jeden künftigen Augenblick, zu wissen ; er sorgt nach Regeln, die er sich machen kann, ohne die Er- kenntniß der einzelnen Personen, Wirkungen und Zei- ten zu haben. Aber die göttliche Kenntniß des Gan- zen, oder seine Allwissenheit, ist von der Erkenntniß aller und jeder einzelnen Dinge nicht unterschieden, weil die Kenntniß des Ganzen sonst nicht Allwissenheit seyn würde. Gott bewickt also das Beste der ganzen lebendigen Welt, mit der genauesten Kenntniß eines jeden einzelnen Weltgliedes, oder kleinsten Würmchens. Kurz, Gottes Vorsehung ist im allerhöchsten Grade pünktlich. Alles Glück und Unglück, aller Zufall kömmt von Jehova (bey welchem kein Zufall ist) durch Mittel- ursachen, die wir nicht kennen. Sie predigen uns, daß

12. Geschichte der neueren Zeit für höhere Unterrichtsanstalten und zum Selbstunterrichte Gebildeter - S. 99

1839 - Leipzig : Gebhardt & Reisland
Die Reformation. 99 den römischen Kkrchenfürsten. Die Darstellung des Christenthums in dem Leben war sein Ziel, Arbeit, Mühe, Jammer und Armuth war ihm als Preis geworden. Fast seltsam stellen sich die Menschen und die Zustände dar, als der Kampf ausgebrochen. Eine bedeutende Anzahl protestanti- scher Fürsten, Pfalz, Brandenburg, Pommern, die ein so großes Gewicht in die Wagschale des Kampfes zu legen vermocht hätten, sie nebmen an der Schilderhebung der Schmalkaldener keinen Antheil und doch steht der Protestantismus aus dem Untergange. Moritz von Sachsen hat am l 9. Juni 1546 sogar einen Bund mit dem Kaiser ge« 1546 schlossen. Die katholischen Fürsten und Stände rasten in diesem Streite ebenfalls, obwohl ein Sieg derschmalkaldener leicht den ganzen Ka- tholicismus in Deutschland gefährden kann. Und beinahe eben so selt- sam wie diese Fürsten und Stände erscheinet auch Kaiser Karl V. Der Kampf, welcher ausgebrochen, ist in der That von ihm begon- nen worden, obwohl er mit der Hand die Waffen nicht zuerst erho- den. Es kann derselbe um keiner andern Sache willen, als damit die Protestanten wider in die Katholicität hineingezwungen würden, angefangen sein. Dennoch scheinet er zu wollen, daß der Krieg so wenig als möglich das Ansehen eines Glaubenskrieges erhalte. Er spricht die Acht über die Häupter des Bundes, Johann Friedrich von Sachsen und Philipp von Hessen, aus am 20. Juli 1546. Er 1546 sagt allerdings, er ächte sie, weil das Concil von ihnen verworfen, weil seinen Bestrebungen, den Kirchenfrieden herzustellen, von ihnen widerstanden. Er ächtet sie aber auch, weil sie dem Reiche ungehorsam und den Landfrieden gebrochen. Es scheint dabei, als wolle er das Erstere in den Hintergrund und das Andere in den Vordergrund stel- len. Als er in dem Kampfe selbst siegt, schlägt er auf den Protestan- tismus selbst gar nicht gewaltsam. Was indessen in dem Benehmen des Kaisers seltsam erscheinen kann, erklärt sich doch weit leichter, als daß die andern protestantischen Fürsten in Ruhe verharren. Karl V. will offenbar einen Streit mit dem Volke vermeiden, weil er meinet, daß derselbe so unnöthig sei. Es komme nur darauf an, die protestantischen Fürsten und Stände zu nöthigen, wieder katho- lisch zu werden. Durch diese müsse dann auf die Gelehrten und die Prediger, durch die wiederum aus das Volk gewirkt werden. Anders als so, anders als allmälig lasse sich die Reformation nicht wieder niederwerfen. Wenigstens glaubt er, zwischen die Franzosen und die Osmanen in die Mitte gestellt, könne er sie nicht anders nieder- werfen. Die Schmalkaldener aber verstehen den Krieg nicht zu führen. Sie ziehen in dem Süden des Reiches hin und her ohne einen ent-

13. Die Ohnmacht des Reiches und der Aufstieg der Hohenzollern - S. 105

1916 - Berlin : Union Dt. Verl.-Ges.
— 105 — i st persönliche Freiheit und Grundbesitz; 2. Recht der Steuerbewilligung und Mitwirkung an allen Landesangelegenheiten. — Indem nun Preußen 1466 durch den Frieden von Thorn ein polnisches Lehen wurde und damit als dritte Staatsgewalt den König von Polen erhielt, wuchs die Macht der Stände von neuem. Zwischen den beiden anderen Staatsgewalten stehend, verstanden sie es ausgezeichnet, ihre Rechte zu mehren. Auf allen Gebieten des staatlichen Lebens erlangten sie das Mitbestimmungsrecht; ohne ihren Rat und ohne ihre Zustimmung konnte nichts, was das Land betraf, vollzogen werden. Zusammensetzung und Arbeit des preußischen Landtags. Der Anspruch auf Mitwirkung in allen Landesangelegenheiten aus eigenem Recht kam nur denjenigen Einsassen zu, die auf freien Grundbesitz, gestützt in einem freien Vertragsverhältnis zur Landesherrschaft, standen. Das waren 1640 die freien ländlichen Grundbesitzer, adelige und nichtadelige, und die städtischen Körperschaften. Die nichtadeligen Grundbesitzer hatten nur das aktive Wahlrecht, die adeligen und die städtischen Körperschaften auch das passive. Der Landtag war gegliedert in drei Kurien, zwei adelige und eine städtische. Die Stände sollten grundsätzlich auf allen Tagungen die Angelegenheiten des ganzen Landes vertreten, sie brachten auch die Anliegen der nichtvertretenen Einwohner vor, ihre Steuerbewilligungen waren für alle Bewohner des Landes verbindlich. Aber in Wirklichkeit waren beide Stände, Adel und Städte, viel zu sehr von einseitigen Klasseninteressen beherrscht, als daß sie in sachlicher Weise für das Wohl des Landes hätten eintreten können. Im Grunde verfocht jeder Stand nur sein eigenes Bestes gegen den Fürsten und den anderen Stand. So trieb Königsberg als Handelsstadt die Politik, die es für sich für gut hielt, ohne alle Rücksicht auf die kleineren mit ihm zu derselben Kurie gehörenden Städte. Konnte eine Landesvertretung, die seit beinahe zwei Jahrhunderten gewöhnt war, das Wohl des Standes über das Wohl des Ganzen zu stellen, überhaupt noch zum Wohle des Ganzen wirken? Der preußische Adel als Inhaber der vollziehenden und richterlichen Gewalt. „Den wichtigsten Erfolg auf politischem Gebiet errang der Adel dadurch, daß er in den Zeiten der schwachen Monarchie unter Herzog Albrecht und seinem Nachfolger die obere und mittlere Landesverwaltung und Justiz in seine Hände brachte, indem er sich den alleinigen Zutritt zu den Stellen der Regimentsräte, der Landräte und Amtshauptleute zu sichern wußte, dann die meisten Stellen beim Hofgericht, den Vorzug in der Besetzung aller übrigen Ämter, in der Verpachtung von Domänen und beim Erwerb erledigter Lehngüter. Es kam die privatrechtliche Anschauung auf, daß alle Ämter des Landes, große und kleine, dem Adel zustünden als beneficien, daß ihre Besetzung keineswegs ein jus regale des Landesherrn sei. Da mit den Stellen der Regimentsräte und der Hauptleute auch die Verwaltung der Domänen, die etwa ein Drittel des Grund und Bodens

14. Bilder aus den deutschen Küstenländern der Ostsee - S. 456

1886 - Leipzig : Spamer
456 Königsberg. Oletzko. Natürlich gewann Königsberg als Residenz der Landesfürsten sehr an Bedeutung und der Wohlstand der Bürger nahm dadurch zu, obwohl gewiß nicht in gleichem Maße mit dem von dem fürstlichen Hofhalt, wie im Privat- leben entwickelten Luxus. Unter dem Herzog Albrecht freilich herrschte Spar- samkeit und Mäßigkeit im Hofhalt: aber unter seinem Sohne, während der vormundschaftlichen Regierung des Markgrafen Georg Friedrich von Ansbach, werden die Hoffestlichkeiten höchst glänzend und schwelgerisch. Bei einem Gast- mahl, das den polnischen Abgesandten gegeben wurde, wurden 115 verschiedene Gerichte aufgetragen. Es gingen während der Anwesenheit dieser Herren in Königsberg in jeder Woche 66 Faß Bier und 14 Ohm rheinischer Wein, andrer Getränke nicht zu gedenken, 30 Ochsen und im Verhältnis andres zahmes und wildes Getier auf. Auch im Privatleben herrschte übertriebener, zum Teil höchst geschmackloser Luxus. Es war die Zeit der ungeheuren Hosen, von denen ein Paar 120 Ellen Zeug und darüber erforderte, und fast ebenso riesiger Halskragen. Weder obrigkeitliche Verordnungen, noch die heftigen Predigten der Geistlichen gegen die „unchristlichen" Hosen, „diese wahre Erfindung des Teufels", halfen sonderlich dagegen. Erfreulicher waren die in jener Zeit üblichen Volksbelustigungen, Mummen- schanze (Maskenbälle), Fastnachtsspiele, Wasserturniere der Schützengilde, Auf- züge der Zimmerleute, bei denen sie ihre blanken Beile in die Höhe warfen und geschickt wieder auffingen, und andre, da sie von dem fröhlichen Behagen des Bürgers Zeugnis ablegten. So begrüßten die Fleischer Königsbergs das neue Jahrhundert 1601 mit einem festlichen Aufzuge. Sie hatten eine Wurst von 1005 Ellen Länge und 885 Pfund Gewicht verfertigt, die in feierlichem Zuge von 104 wohlgeputzten Gesellen unter Begleitung von Fahnenträgern, Trommlern und Pfeifern durch die Straßen der Stadt bis vor das Schloß ge- tragen wurde. Ihnen schloß sich das Bäckergewerk mit acht mächtigen „Striezeln" und sechs riesenhaften „Kringeln" an. Nachdem 130 Ellen der Riesenwurst von dem Fürsten huldvoll angenommen waren, wurde das übrige in fröhlichem Gelage, selbstverständlich mit vielen Tonnen trefflichen Löbenichter Bieres hinab- gespült, verzehrt. Der Große Kurfürst und die ostpreußischen Staude. Wir haben ge- sehen, wie die eigensüchtige Beschränktheit der ostpreußischen Stände und die Herrschsucht der Regimentsräte vielfach den wohlmeinenden Absichten der Herzöge entgegenarbeiteten. Auch ein fo kräftiger Monarch wie Friedrich Wilhelm der Große Kurfürst hatte schon in der Zeit der so äußerst schwierigen Verwickelungen, die der Krieg zwischen Johann Kasimir von Polen und Karl Gustav von Schweden mit sich brachte, nur durch zähe Festigkeit, verbunden mit kluger Mäßigung von den Ständen die unumgänglich notwendige Beihilfe zu der Machtentfaltung er- halten können, die ihm eine geachtete Stellung zwischen den beiden feindlichen Mächten sicherte. Der glänzende Erfolg seines ebenso staatsklugen wie ener- gischen Handelns, das ihm im Vertrage zu Labiau den 20. November 1656 und im Frieden zu Oliva den 3. Mai 1660 die Anerkennung der völligen Unabhängigkeit Preußens von der polnischen Oberherrlichkeit sicherte, hätte, sollte man meinen, jedem weiteren Widerstreben der Stände ein Ende machen sollen. Weit gefehlt! Adel und Städte Preußens sahen in der Befreiung des

15. Theil 1 - S. 350

1867 - Altona : Schlüter
Menschen am nützlichsten sei. Die Kuh sprach: Von mir hat er die süße Milch, den wohlschmeckenden Käse und die Butter, welche ihm das Oel ersetzt. Das Pferd sprach: Ich bin das Segel und der Wagen und der Fittig des Reiters. Das Schaf: Ich gehe nackt und bloß, damit er gekleidet sei. Da kam der Hund zu ihnen. Den blickten sie verächtlich von der Seite an, als ein unnützes, mit ihnen nicht zu vergleichendes Thier. Aber der Herr, welcher dem Hunde folgte, rief ihn freundlich zu sich, streichelte und liebkos'te ihn. Da das die andern Thiere sahen, murrten sie, und das Pferd faßte sich ein Herz und fragte: Warum thust du also, Gebieter? Sind wir deiner Aufmerksamkeit nicht würdiger, als dieses unnütze Thier? Aber der Herr streichelte seinen Hund noch freundlicher und sprach: „Dieser hat, treu und kühn, mein geliebtes Söhnlein gerettet aus rauschenden Waßer- fluten; sollte ich nun sein vergeßen können?" 250. Verhalten gegen Thiere. Kein Thier ist gleichgültig gegen das Stöhnen eines anderen Thieres seiner Gattung; kein Pferd tritt auf einen lebendigen Körper, wenn es nicht muß — und Krieger, die verwundet auf dem Schlachtfelde gelegen haben, können nicht beschreiben, wie möglichst behutsam die Pferde selbst im Schlachtgetümmel über sie hingegangen sind! — Wie oft aber gibt der Mensch so manchem Thiere den Tod ohne Noth, oder verursacht ihm aus Bosheit und Grausamkeit Schmerzen und Leiden. Der geplagte Mensch kann Vorstellung thun, er kann bitten, kann wenigstens weinen, wenn ihm wehe geschieht, und die Menschlichkeit müßte ganz von der Erde gewichen sein, wenn er seinen Gebieter nicht wenigstens durch Thränen zuweilen erweichen sollte. Womit soll aber das übernommene und schmachtende Thier über Menschenhärte und Grausamkeit klagen? Das gutmüthige Pferd hat nicht einmal eine klagende Stimme — seine Leiden müßen erst zahllos gewesen sein, ehe sie an ihm sichtbar werden. — Wie wird es einst mit der Verantwortung aussehen, wenn der an den Thieren verübte menschliche Unfug zur Sprache kommt? Der treffliche Rechtslehrer Hommel sagt: «Den geringsten Wurm, der uns nicht beleidigt hat, ohne Ursache umzubringen oder zu martern, ist nicht weniger Sünde, als in Jähheit des Zorns einen Menschen, der uns geschadet hat, zu tödten. — Da der Allmächtige für alles Vieh mit be- sonderer Sorgfalt wacht und seine unendliche Güte Alles, was lebt, be- glücken will: so liegt am hellen Tage, daß solcher Absicht sich nur ein Bösewicht widersetzen könne, und daß Gott die frevelhaften Zerstörer seiner Meisterstücke haße; hingegen ihm gefällig sei, wenn man sich gegen die Thiere eben so, als gegen die Menschen barmherzig erweise. Diejenigen, so mit henkerischer Seele zur Plage der Geschöpfe erzogen sind, sind Teufel und keine Menschen.« Ohne Seufzer kann es freilich eben so wenig, als ohne Sterben, auch für die Thiere in dieser Welt, abgehen: aber die Menschen sollten doch die Fälle der unabänderlichen Nothwendigkeit sorgfältiger von Anwandlungen des übermüthigen Muthwillens u. s. w. unterscheiden, und nicht für einerlei halten, ob ein Eilbote ein Pferd todt reitet oder ob dies von einem muth- willigen Vergnügungssüchtigen geschieht. Es ist unerläßliche Menscheupflicht,

16. Geschichtsbilder aus der allgemeinen und vaterländischen Geschichte - S. 189

1899 - Gera : Hofmann
189 kämpfte vornehmlich die Lehre von der Tradition, der Heiligenverehrung, der weltlichen Macht des Papstes, vom Ablaß, der Brotverwandlung und der Ohrenbeichte. Seine Lehren wurden als ketzerisch (irrgläubig) verdammt; er selber aber starb unangefochten auf seiner Pfarre. Später ließ der Papst seine Gebeine ausgraben, verbrennen und in die Winde streuen. 59. Der böhmische Reformator Johannes Hus. 1. Der begeisterte Prediger in Prag. Johannes Hus war Professor an der Universität Prag, Prediger an der Bethlehemskirche und Beichtvater der Königin Johanna. Er war streng gegen sich, wohl- wollend gegen andere, rein von Sitten und Meister, des Wortes. Sein Freund Hieronymus machte ihn mit Wiclefs Schriften bekannt, und er vertiefte sich in diese. Mit mutigem Eifer bekämpfte er die Miß- stände in der Kirche. Die wahre Kirche war für ihn die Gemeinschaft der Christen, die mit Christo im Glauben und mit den Brüdern in der Liebe verbunden sind. Nicht den Papst, sondern Christus hielt er für das Haupt der Kirche. Die Heilige Schrift erklärte er für die einzige untrügliche Richtschnur der Lehre. Als die deutschen Lehrer der Universität eine Verdammung dieser Grundsätze durch- setzten und darauf die Rechte der Deutschen von den Böhmen verkürzt wurden, brach zwischen den Deutschen und Böhmen auf der Universität ein heftiger Zwiespalt aus, der damit endete, daß viele deutsche Studenten mit ihren Lehrern auswanderten und zur Gründung der Universität Leipzig Veranlassung gaben (1400). Dem Hus wurde das Predigen untersagt und endlich der Bann über ihn ausgesprochen. Er ging in seine Heimat und wirkte durch Schriften, Haus- und Feldpredigten. 2. Der verurteilte Ketzer in Konstanz. Die Verwirrung in der Kirche hatte inzwischen durch die gegenseitige Bekämpfung der drei Päpste den höchsten Grad erreicht. Da erhob sich immer lauter der Wunsch nach einer Reformation der Kirche an Haupt und Gliedern. Endlich kam ein freies Konzil (Kirchenversammlung) in Konstanz am Bodensee zustande. Hunderte von Fürsten, Tausende von Geistlichen und 1414 ungezählte Scharen Neugieriger strömten herbei. Auch einer der Päpste, Johann Xxiii., kam mit 600 Anhängern aus Italien. Auf der Reise durch die Schweiz stürzte er mit dem Pferde und rief zum Entsetzen der Umstehenden: „Da lieg' ich ins Teufels Namen; wäre ich doch in Italien geblieben!" Konstanz verglich er mit einer Grube, in der man Füchse fängt. Das Konzil forderte zunächst die Abdankung der drei Päpste. Johann dankte ab, in der Hoffnung, seiner Willfährigkeit wegen als alleiniger Papst gewählt zu werden. Als dies aber nicht geschah, entfloh er in Ritterkleidung und legte Verwahrung ein gegen seine Abdankung. Er wurde aber zurückgeholt und wegen grober Verbrechen schimpflich abgesetzt. Sodann ging das Konzil an die Ausrottung der Ketzerei. Hus war im Vertrauen auf einen Geleitsbrief des Kaisers Sigismund nach Konstanz gekommen. Doch schon nach einigen Wochen brachten ihn die Väter des Konzils zur Haft. Den Kaiser beschwichtigten sie damit,

17. Lehrbuch zur Kenntniß der verschiedenen Gattungen der Poesie und Prosa für das weibliche Geschlecht, besonders für höhere Töchterschulen - S. 41

1877 - Stuttgart : Heitz
41 Allmächtig ist der Herr! Wohin wir Menschen sehn — Er thront in tausend Zelten, Und Mhriaden Welten Sind seine Wohnungen. Allmächtig ist der Herr! Sein Blick schon Machtgebot. Wenn Gottes Augen winken — Die Sonnenheere sinken In Abgrund und in Tod. Allgütig ist der Herr! Er schaut mit Gnadenbliü' Zu seinen Kindern nieder; Nur er giebt Tröstung wieder Im herben Mißgeschick. Allwissend ist der Herr! Er kennet jedes Herz; Es soll sich ihm ergeben Im Tode und im Leben, In Freuden und im Schmerz. Allmächtig ist der Herr! Ihm wölbt sich Ambraduft; Ihm jubeln alle Felder; Ihm singen alle Wälder; Ihm jauchzen Fels und Kluft. Allmächtig ist der Herr! Strahlt, Welten, seinem Ruhm! Preist ihn, ihr Himmel alle! Cherub-Gesang erschalle In seinem Heiligthum: Allmächtig ist der Herr! 4. Oie Dithyrambe. An den Festen des Weingottes Bacchus wurden wilde Ge- sänge gesungen, in denen der Gott und sein Geschenk, der Wein, gepriesen wurde. Sie zeichneten sich, weil Dichter und Sänger im Zustande trunkener Begeisterung waren, durch den wildesten Schwung der Phantasie, und daher auch durch ein rasches, sich nicht immer gleichbleibendes Metrum aus. Solche Gesänge wurden

18. Die deutsche Kultur - S. 171

1907 - Leipzig : Brandstetter
schule wurde die Reformation. Die verdeutschte Bibel sollte die alleinige Richtschnur des Glaubens und Lebens bilden. Dieser Grundsatz machte die Autist des Lesens notwendig und schloß für das Volk die allgemeine Verpflichtung in sich, elementare Lehranstalten zu besuchen. Luther sah mit seinen Mitarbeitern ein, daß ihr Werk nur durch die Bildung des Volkes zum Sieg gelangen, und daß gutes Völkerregiment nur durch christliche Kinderzucht in Haus und Schule begründet werden könne. In verschiedenen Schriften, besonders aber in dem Sendschreiben ,,An die Bürgermeister und Ratsherren aller Städte Deutschlands" forderte Luther die Errichtung von höheren und niederen Schulen für Knaben und Mädchen in Städten und auf dem Lande. „Darum will es dem Rat und der Obrigkeit gebühren", heißt es in dem Sendschreiben, „die allergrößte Sorge und Fleiß auf das junge Volk zu haben. Nun liegt einer Stadt Gedeihen nicht allein darin, daß man große Schätze sammele, feste Mauern, schöne Häuser, viele Büchsen und Harnische zeuge, sondern das ist einer Stadt bestes und allerreichstes Gedeihen, Heil und Kraft, daß sie soviel feiner, gelehrter, vernünftiger, ehrbarer, wohlgezogener Bürger hat, die können danach wohl Schätze und alles Gut sammeln, halten und recht brauchen." Den Schulzwang forderte Luther mit folgenden Worten: „Ich halte aber, daß auch die Obrigkeit hie schuldig ist, die Untertanen zu zwingen, ihre Kinder zur Schule zu halten. Denn sie ist wahrlich schuldig, die Ämter und Stände zu erhalten, daß Prediger, Juristen, Pfarrer, Schreiber, Ärzte, Schulmeister u. dgl. bleiben; denn deren kann man nicht entbehren. Kann sie die Untertanen zwingen, so da tüchtig dazu sind, daß sie müssen Spieß und Büchsen tragen, auf die Mauern laufen, und andres tun, wenn man kriegen soll; wie viel mehr kann und soll sie die Untertanen zwingen, daß sie ihre Kinder zur Schule halten." Den schlechten Zustand der Schulen hatte Luther schon als Knabe in Mansfeld und Magdeburg kennen gelernt, wo er „Armenschüler" (Partekenhengst) war. Er freute sich, daß überall verbesserte Bildungsstätten entstanden mit den Worten: „Der Teufel merkt ja den Braten wohl, daß sein Reich gemindert werden müsse, wenn die Geistesbildung gedeiht." Luthers Mahnungen verhallten nicht ungehört. Seine Donnerworte weckten schlafende Gewissen, sein gewaltiges ©ottoertrauen stärkte müde Hände. Bei den Schulvisitationen machte er auf grobe Mißstände aufmerksam, durch die Übersetzung der Bibel, durch Einführung seines Gesangbuches und seines Katechismus förderte er den Unterrichtsbetrieb. Eifrige Unterstützung fand Luther in seinen Bestrebungen bei seinem Freunde Melanchthon. Dieser war der Ordner und Leiter des gesamten Gelehrtenschulwesens im protestantischen Deutschland. Wo man eines Professors für eine Universität, eines tüchtigen Lehrers 171

19. Drittes Lesebuch - S. 4

1861 - Trier : Leistenschneider [u.a.]
4 schenherz so klein und doch auch da zieht Gott hinein. O halt das deine fromm und rein, so wählt er's auch zur Wohnung sein, und kommt mit seinen Himmelsfreuden, und wird nie wieder von dir scheiden. 7. Der brave Offizier. Der berühmte und gelehrte Prediger Pater Franziskus Hunolt, Priester aus der Gesellschaft Jesu, erzählt uns in seinen bekannten Predigten ein gar schönes Beispiel, worin er nachweist, wie lohnend die öftere Erinnerung an Gottes Allwissenheit sei. „Ein Edelmann von hohem Range," so schreibt dieser große Prediger, „hatte bei seinem Herrn und Kaiser Kriegsdienste genommen und sich zum Hauptmanne emporgeschwungen. Im Kriegsgetümmel aber vergaß er der heiligen Pflichten seiner Religion nicht; im Gegentheil suchte er sich um so inniger an seinen Gott anzuschließen, je gefährlicher sein Stand und die damaligen unheilvollen Zeiten waren. Er suchte sich einen eigenen Gewissensrath und Beichtvater ans den ehrwürdigen Vätern der Gesellschaft Jesu aus und vertraute ihm seinen Seelenzu- stand ganz vollkommen an. Einmal gestand er aufrichtig, er habe noch nie eine schwere Sünde wider Gott begangen, und als er gefragt wurde, durch welches Mittel, er seine Seele so rein bewahrt hätte — bei so großen und vielen Gefahren, die doch der Kriegerstand mit sich brächte, gab er zur Antwort, er habe von seiner christlich frommen Erziehung her, welche er im herzoglichen Collegium zu Parma unter geistlicher Leitung empfing, sich tief in's Gedächtniß eingeprägt die Erinnerung: „Gott sieht dich," nie habe er sie vergessen. Bei allen Versuchungen zum Hasse, zur Rache, zum Raube, zur Unlauter- keit rc. habe er stets durch diesen Gedanken gesiegt: „Gott sieht dich!" Bei jeder Anfechtung habe er zu sich selbst gesprochen: „Wenn seine kaiserliche Majestät hier zugegen wäre und zuschauen würde, so würde ich gewiß diese und jene abscheuliche That mir nicht erlauben: sollte ich dann wohl jetzt Böses thun, da ich ja gesehen werde von der allwissenden und höchsten Majestät Gottes? O das kann, das darf, das will ich nicht thun!" Durch solche und ähnliche fromme Gedanken siegte der brave und wackere Ossizier nicht nur über sich selbst, sondern auch gar oft über seine Feinde. Denn er gestand es offen, daß ihm eben dieser Gedanke an Gottes Allwissenheit im Kampfe eine unaussprechliche Herzhaftigkeit eingeflößt habe, indem er oft bei sich dachte: „Der allmächtige Gott ist hier zugegen; er sieht meine Gefahr, in die mich mein Amt und Beruf versetzt; er sieht meine Noth, die ich leide; er kann, er wird mir beistehen!" — O wie schön! Sollten nicht auch wir mit diesem frommen Krieger uns durch den Gedanken an Gottes Allwisienheit rüsten und stärken, so oft uns die böse Lust zur Sünde reizen will? Sollten nicht auch wir mit einem gleichen Der-

20. Bd. 1 - S. 108

1835 - Eisleben : Reichardt
108 Portugal. Farbe sind, und an denen eine große flache Kapuhe befestigt kst. Besonders großer Aufwand wird hier, selbst unter den niedern, ja dienenden Klassen, mit Diamanten getrieben. Den Großen ist ein vollständiger Juweelenfchmuck gänzlich unentbehrlich. Frauen und Mädchen, die in guter Gesellschaft leben, müssen wenigstens einen Kopfputz von Diamanten haben. Ein Fremder, der zu Lissabon im Theater von S. Carlos einer großen Oper beiwohnte, erzählt hiervon: „ich war erstaunt über die vielen Juweelen, womit die Damen geschmückt waren. Biele trugen in den schönen schwarzen Haaren, an Hals, Brust und Handen eine so große Menge der herrlichsten Brillanten, daß man von dem unbeschreiblichen Feuer, welches von ihnen ausströmte, beinahe geblendet wurde." Män- ner und Frauenzimmer heirathen sehr jung, und beide Theile sind sich gewöhnlich gleichgültig oder kennen sich gar nicht, da die El- tern größtentheils allein diese Verbindungen schließen. Die Hoch- zeitsfeierlichkeiten, besonders bei höhern Standen, nehmen gar kein Ende und sind mit ungeheuren Ausgaben verknüpft. Höchst aus- fallend ist die Ungeselligkeit aller Stande. Kommt ja ein größerer Zirkel von beiden Geschlechtern zusammen, so sitzen die Damen in einem Zimmer zusammen, aller aufgeweckten Unterhaltung entbeh- rend; die Herren unterhalten sich gewöhnlich in einem andern Zim- mer. Steife Etikette herrscht bei solchen gesellschaftlichen Zirkeln. Nach aufgehobener Tafel geht es zur Siesta. Gesellschaftliche Spiele sind etwas Unerhörtes; die meiste Zeit wird dem Karten- spiele gewidmet. Diese Ungeselligkeit wirkt höchst nachtheilig auf die geistige Bildung der Portugiesen, und wie sollte diese überhaupt in einem Lande aufkommen, in welchem fast niemand Freund der Lecture ist und die Censur mit der lächerlichsten Strenge jedes Wort streicht, das nur entfernt auf Religion oder Politik hindeu- tet? Man muß die wenigen erbärmlichen Zeitungen lesen, die in Lissabon herauskommen, und man wird begreifen, wie es möglich ist, daß ein ganzes Volk so äußerst unwissend in allem bleiben kann, was in der Welt und in seiner Nahe vorgeht. Mit dem Sinken des politischen Zustandes Portugals ist auch die wissen- schaftliche Bildung in Abnahme, und die gelehrten Wissenschaften finden immer weniger Theilnahme. Eine einzige Universität be- steht im Lande, mit welcher das Königl. Kollegium der Künste ver- bunden ist. Außerdem giebt es mehrere andere gelehrte Schulan- stalten, die aber »so wie die niedern Schulen, unter dem Einflüsse der Geistlichkeit sich befinden, und meistens in elendem Zustande sind. Lissabon. Das äußerst merkwürdige und zerstörende Erd- beben vom Jahre 1755 verbreitete sich über eine ungeheure Lan- derstrecke. Es scheint unter dem Atlantischen Ozean seinen Ursprung genommen zu haben, und die Gewässer dieses Meeres erlitten eine eben so heftige Erschütterung, als das Festland. Es durchlief den größten Theil der Erdtheile Europa, Asien und Amerika, und wurde