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1845 -
Halle
: Anton
- Autor: Leo, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Unterrichtsanstalt
- Geschlecht (WdK): Jungen
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heit Gottes und altkluger Kritik sei — und daß nur da,
wo der Glaube hersche, Genügen und Fülle des Lebens zu
finden sei — aber er hatte sich auch altklug darein gefun-
den, daß er nun einmal mit seinem Leben in ein Zeitalter
altkluger Kritik falle, und hat dies Zeitalter in seiner äußer-
sten Trostlosigkeit und Leerheit dargestelt in seinem größten
Kunstwerke, eben in den Walverwandtschaften, in welchem
die Enkel lesen werden mit Bewunderung vor Göthes Mei-
schaft und mit Schauder vor der tiefen, geistigen Armut
und dem Unglük, in welchem einmal ihre Väter gelebt
haben.
Manchem meiner Leser wird dieser Ercurs ungehörig
erscheinen in einer politischen Geschichte, aber solche Schrift-
werke sind auch Taten, Taten die Zeugnis ablcgen von der
Zeit und auf diese oft mehr wirken als Schlachten — auch
erlösend wirken, denn sie machen klar und zeitigen. Und
welch ein Zeugnis, wenn die edelsten reichsten Genien
einer Nation sich von der Teilname an dem Schiksale der-
selben so zurükziehen wie Göthe tat — und Göthe nicht
allein; denn wenn wir von seiner Meisterhand das Bild
jenes Lebens am deutlichsten bewart sehen — alle anderen
Bilder jener Zeit stellen nur dasselbe geistige Elend dar.
Man gehe doch das Leben, wie es in den Jean - Paulschen
Romanen dargestelt ist, und die Zeit abspigelt, nach allen
Seiten durch, ob es nicht derselbe Moderduft, dieselbe
sitliche Verwesung, dieselbe Schwindsucht aller algemeinen
Interessen durch Privatempfindsamkeit und durch Privattu-
gend und Privatfrömmigkeit ist, die cs iiberal bezeichnete.
Allerdings in dem Wirken und Tun des früher in Jena sei-
nen Mittelpunct findenden Kreises, den nun teils der Krieg,
teils die neuen bayrischen Studienanstalten und die in Folge
von deren Einrichtung ergehenden Rufe zerstreut hatten, al-
lerdings hier finden sich schon wider Ahnungen dessen, was
ein Volk an seinen Erinnerungen, an den früheren Zeugnis-
sen seiner sillichen Kraft hat — Ahnungen, die in der Liebe
zu Volksliedern, in der neuerwachenden Freude an den Volks,
büchern, in der Begeisterung für ältere deutsche Litterarur und
Geschichte almälig erstarkten — noch aber war die Aussicht
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- Autor: Leo, Heinrich
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wenig zu bemerken. In bösem, eigennützigem Streite um-
stunden sie des Vaters Todbet, und haderten um die Tei-
lung der Hinterlaßenschaft. Deutschland hat später herbere
Tage — nie hat es eine tiefere sitliche Ernidrigung erlebt
als damals. Ja! nach einer Seite kan man sagen, daß
sie tiefer war als die sitliche Ernidrigung Frankreichs in
der Revolution, denn als jene berüchtigte Augustnacht Frank-
reichs Reichsbestand zusammenbrach, waren die zerbrechen-
den (wenigstens die die Zertrümmerung vorschlagenden und
einleitenden) zugleich selbst die am meisten opfernden —
in unserer deutschen Reichszertrümmerung hat niemand ge-
opfert, als wer sich bereits im Zustande politischer Ohn-
macht und Knebelung befand. Und doch — Ein mächtiger
Unterschid — ein Unterschid ist vorhanden, der möglich
machte, daß die deutsche Nation sich nach diesem Schlage
neu zu sitlicher Würde hat erheben können, wärend es bis-
her Frankreich unmöglich geblibcn ist, seine Schuld zu bü-
ßen — es ist der, daß selbst die am meisten zugreifenden
sich im Notstände, sich in dem Gcfüle, daß eine Zertrüm-
merung vorgehe, daß man nach jedem Balken der Rettung,
nach jedem Machtzuwachse im Tribe der Selbsterhaltung
greifen müße, befanden — daß man sich in einer Wirbel-
bewegung, in einem Tumult des Fallens befand, und also
im Grunde doch nur passiv sündigte, sündigte indem man
sich von Fremden treiben und versüren ließ. Lebenskraft
hatte einmal das alte Reich nicht mehr — Lebenskraft würde
auch nie ein analoges politisches Gebäude in jener drang-
vollen Zeit erhalten haben — da war cs eine Gnade Got-
tes, daß die Hälfte der Sünde der Tödtung des Ruches
dem Auslande zufiel, die andere Hälfte ein Act einer Art
Naturnotwendigkeit, einer Art sitlicher Gebundenheit war
— über deren Natur man hintennach Reue und Buße em-
pfinden, und in dieser Stimmung sich darüber sitlich er-
heben konte, ohne daß es nötig und möglich gewesen wäre,
das Gute, was der ganze Act in seinem Geleite flirte, wi-
der faren zu laßen. Von dem Friden zu Lunwilcr bis zunl
zweiten Pariser Friden — diesen ganzen Zeitraum Fan
man dramatisch als Acte der Sünde, Buße und Beßerung
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lischt Fregatte zwei französische Kauffarer; und Buona-
parte erklärte, um eine Repressalie zu ergreifen, alle in
Frankreich anwesende Engländer zwischen 18 und 69 Jah-
ren für Kriegsgefangene. Bei beiden Nationen war die
Stimmung in höchster Erbitterung.
Am 24tcn Mai drang General Mortier ron Ba-
tavien aus nach dem nördlichen Deutschland vor mit
15,900 Man und eccupirte Hannover. Schon am 5ten
Juni zog er nach der Convention von Süllingen in der
Stadt Hannover ein. Das ganze Land war in wenigen
Tagen in seiner Gewalt; 509 Kanonen, 10,090 Flinten
und ansehnliche Kriegskassen sielen ihm in die Hände.
Der Herzog von Cambridge schifte sich in aller Eile nach
England ein. General Walmoden behauptete Lauenburg
noch bis Anfang Juli. Am 5ten erhielt er eine ehrenvolle
Capitulation, welche auch diese Landschaft den Feinden
überließ. Nie ist die Schwäche, in welcher das deutsche
Reich am Ende seiner Tage dastund, schmälicher documen-
tirt worden, als da man, auf die Klage des Königes von
England als Kurfürsten von Hannover über diese Occupa-
tion seiner Reichslande, dieselben als eine Deutschland nicht
näher angehende Tatsache behandelte, und sich neutral hielt.
Aber wie wäre auch, nach der sitlichen Ernidrigung zu der
sich Deutschland in der Behandlung des Entschädigungsge-
schäftes verstanden hatte, Widerstand gegen irgend eine
Unbill, die dem Reiche widerfur, noch zu erwarten gewe-
sen ? — Betrachten wir diese Angelegenheiten etwas nä-
her ehe wir weiter dem Gange der algemeinen europäischen
Verhältnisse folgen.
Als Kaiser Franz den Friden von Lunwiler schloß,
war er von der französischen Regirung genötigt worden,
ihn zugleich für das Reich zu schließen, ohngeachtet er dazu
durchaus nicht vom Reiche Volmacht hatte *). Französi-
scher seits bestund man darauf; der Kaiser machte dem
Reichstage in Regensburg von dem geschehenen Anzeige am
Lltcn Febr. 1801 und erforderte ein Reichsgutachten, ob
*) Die folgende Darstellung vornämlich nach Eichhorn und Pfister.
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mit Yorks Armee vereinigt ward. Die Campagne der
Preuffen und Oestreicher hatte für dieses Jahr ein Ende.
Indem wir uns nun von der Betrachtung der Kriegs-
lauste an der Nord und Ostgrenze, die wir des Zusammen-
hanges wegen bis gegen Ende des Jahres verfolgen zu
müßen glaubten, zu Betrachtung der inneren Zustande zu-
rükwenden, glauben wir einige algemeine Bemerkungen
vorausschicken zu müßen.
Jedes Gemeinwesen, was nicht durch sitliche Gedan-
ken getragen wird und seine Haltung und Gestalt erhält,
wird durch mechanische Mächte, durch die äußere Gewalt
in irgend einer Art bestimt. Es beruht dann alles darauf,
daß die Klassen der Bevölkerung und die Individuen, welche
über die größte äußere Gewalt zu verfügen haben, auch als
die einflußreichsten, als die bestimmenden anerkant werden.
Ist dies nicht der Fal so entsteht durch die Natur der Sache
ein Kampf, der diese Anerkennung herbeifürt. Einen sol-
chen Kampf haben wir in der französischen Revolution
zu betrachten. Wir haben beim Beginne der Revolution
Frankreich bereits in sitlicher Verwirrung getroffen; die
Formen des öffentlichen Lebens hatten sich zum Teil aus
älteren Zeiten her fortgeerbt, indem aber seit Richelieus
und Ludwigs Xiv. Wirken der sitliche Geist, der früher
diese Formen erfült hatte, aus ihnen hatte weichen müßen,
war im Algemeinen auch die Fähigkeit, sich in ihnen sach-
gemäß zu bewegen, verschwunden. Weder der König wüste
in rechter Weise König; noch der Adel Adel zu sein; die
königlichen Diener waren von der Gesinnung, welche sie
als solche hätte begleiten müßen, größtenteils entblößt;
alle Verhältnisse waren karikirt, und so muste sich des Vol-
kes notwendig schon seit längerer Zeit eine arge Verwirrung
aller sitlichcn Begriffe, die sich am geistigsten in der Ver-
wirrung der Sprache, in der Unzucht des Wortes darstelt,
bemächtigen. Wir haben gesehen, wie aller Widerstand
gegen die Revolution, der successiv versucht ward, scheiterte,
scheitern muste — nicht weil er liberal unmöglich gewesen
wäre, sondern weil er für diese Menschen, die alles rechte
Maß, die das Wort — vor allen das Wort Gottes, was
Leo's Lchrb. d. Universalg. Bd. V.(2tc Auflg.) 12
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manche Manung an das Ende in den Weg gelegt. Wie
scheinbar unbedeutend auch, was damals von Gneisenau
und Scharnhorst in Preussen geschah, um das Land werhaft
zu machen für künftige Fälle, gehalten werden muste; wie
scheinbar teilnamlos diepreussische Regirung zu den nächsten
Planen Napoleons und seiner Gegner sich verhalten muste,
die Sorge war überal wach; und namentlich war cs der
verstorbene Grüner, der auch später, um den Franzosen
auszuweichen, Preussen verlaßen und ebenfals nach Böhmen
gehen muste, welcher gewissermaßen der Mittelpunct alles
dessen war, was man den französischen Spionerien im nörd-
lichen Deutschland unter der Hand entgegen sezte. Er spio--
nirte vilfach die französischen Spionerien aus, und mehr-
fach verschwanden französische Emissäre spurlos, ohne daß
es den französischen Agenten längere Zeit möglich war ihre
Gegner fester ins Auge zu faßen. Kurz! in den verschiden-
sten Lebenskrcifen fand der Haß gegen die fremden Unter-
drücker Anklang, Anklang in Seelen, die in irgend einer
Weise noch einen heldenmütigen Funken in sich bewart hatten
— und so kam es, daß sich die verschidcnsten Conspirationen
bildeten; oft in sehr kleinen vereinzelten Kreisen; zun eilen
weiter ausgedent; — die Fäden aller bedeutenderen Ver-
ftändnisse liefen in Böhmen, liefen in Prag zusammen.
Die Vereinzelung, die Zusammendrückung dieser Eonspira-
tionen aber in Norddeutfchland selbst hinderte jedes groß-
artige Wirken, vollends alles Gelingen — unser Volk ist
kein solches, dem irgend einmal durch geheime Verständnisse
zu helfen gewesen wäre, und es ist das (erkennen wir es
an!) eine schöne Seite in seinem Leben — es ist zu sehr
bei der Sache, zu wenig bei den Personen, und deshalb
zu sehr ohne feine geselschaftliche Warnemung; zu sehr ohne
jene zu heimlichem Wirken unerläßlichen Geistesgegenwart und
auch zu geldarm, um durch Conspirationen bei ihm vil erreichen
zu können. Sind deutsche Conspirationen auf kleine Kreise
bechränkt, so sind sie durch Mittellosigkeit erbärmlich ■— sind
sie in weiten Kreisen, so sind sie jederman ersichtlich. Bei
uns kan nichts ohne den offenen, guten, sitlichen Willen
des Volkes erreicht werden — aber daß in der Zeit der Not
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der Achtung, zu welcher später das sitliche Leben der Völ-
ker wider in der Wißenschaft gelangte, zeigten sich damals
in dem Interesse, mit welchem gebildete Kreise Volkslieder
aller Art, mit welchem sie solche Richtungen der dramati-
schen Poesie fremder Nationen aufnamen, wie sie ein tüchtiges
nationales Bewußtsein abspigeln, also vor allen Shakes-
peare's und Calderons Werke — oder solche ernste Poesie,
wie sie sich in Dante findet. Aller dieser Tendenzen be-
mächtigte sich einstweilen die junge romantische Poesie, die
zugleich gegen die Kotzebue-Jfflandische Ueberwäßerung
eine kräftige Reaction versuchte. Das Leben dieser auser
wälten Kreise der Nation verbreitete in immer weiteren
Ringen sein Licht nicht bloß durch Schriften der Einzelnen,
sondern besonders auch durch Zeitschriften, zu denen sich
mehrere der ausgezeichnetsten vereinigten. Seit 1705 hatte
Schiller mit Göthe, Herder, Jakobi und Fichte die Horen
herausgegeben; seit 1796 einen Musenalmanach. Die
Schlegel unternamen succesflv eine Reihe Zeitschriften. Die
algemeine jenaische Litteraturzeitung machte eine wirksame
Opposition gegen die seichte deutsche Bibliothek. Am mei-
sten aber, am kernhaftesten ward dieser Geist verbreitet durch
die, welche damals in Jena studirt hatten. Nach Jena
flüchtete man damals aus den Rheinlanden, aus den süd-
deutschen Landen seine Söhne, um sie vor den Wechseln
des Krieges sicher zu wißen. Aus dem olmehin bisher
sicheren Nordosten kamen junge Leute in Menge durch die
großen Namen, die sich an Jena und Weimar knüpften,
ungezogen — und wie sie wider hinausgieugen durch
Deutschland verteilte sich die Begeisterung für höhere wißen-
schaftliche Strebungen über das Land, und wekte tausende
aus dem Schlafe, wenigstens zur Opposition, die zeither
in philiströsen Kreisen sanft geruht hatten. — Wie wenig
aber doch die wißeuschaftliche Strebung auf die Dauer trö-
sten kan, wo Etat und Kircbe alles tröstende verloren ha-
den, wo die sillichen Fundamente, auf denen die mensch-
liche Geselschaft ruht, einbrechen, das beweist am Besten
Novalis. Er ist der personnisicirle Träger des Unglüks
und der sillichen Verwirrung jener Zeit. Keiner hat sie
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gefült wie er; keiner auch durch sein ganzes Sein so darr
gesielt wie er. Man versetze sich nur mit seinem Gemute
in die ganze Figuration jener Zeit und lese dann seine
Werke:
Was sollen wir auf dieser Welt
Mit unsrer Lieb und Treue?
Das Alte wird hintangestelt:
Was soll uns denn das Neue?
O einsam steht und tiefbetrübt,
Wer heiß und from die Derzeit liebt.
Was aber half alle geistige Aufregung, was half alle wis-
senschaftliche Widerbelebung der Nation ohne eine sitliche
Widerbelebung und Klärung? Sölten wir in der neueren
Geschichte das jammervolle Schiksal des alten Griechenlands
widerholen? — Die sitliche Widerbelebung hat uns Gott
geschenkt, durch das Unglük, was über Preussen herein-
brach — dies Unglük und seine Folgen haben Norddeutsch'
lands, haben des ganzen Deutschlands innerste Teile um-
gekert, baden einen sitlichen Boden bereitet auf dem der
Same, welchen Spaniens und Tirols tapfere Söhne ge-
streut, fruchtbar keimte, den Boden, auf welchem deut-
sches Nationalbewustsein wider zuerst einen festen Fuß der
Hofnung setzen konte — ja Preussen ist, es ist gerade in
seinem tiefsten Unglük eine feste Säule unserer neuen Volks-
ehren geworden, und diese tröstliche Einsicht hier in vor-
aus auszusprechen, mochte der Hand vergönt sein, die das
folgende Entsezliche niderzuschreiben hatte. Unmittelbar an
den Haugwitzischen Vertrag schloß sich die Entwickelung
des über Preussen hereinbrechenden Unglüks an. Anfangs
zwar schin alles sich vortreflich zu fügen. In Paris ange-
langt ward nämlich Haugwitz auf das Freundlichste em-
pfangen; und zugleich erfur die Besizname Hannovers
ohngeachtet einer Protestation dagegen von Seiten des
Grafen Münster nicht die mindeste Schwierigkeit; die nach
Hannover gekommenen englischen und die von England in
Hannover besoldeten deutschen Truppen schiften sich an-
fangs Jan. 1806 wieder ein; nur die schwedischen Trup-
pen zauderten das Land zu raumen. Algemach aber wech-
selte Napoleon („dieser, dieser, wenn man ihn mit Män-
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Göthes, ist zugleich für die Nation eine Schmachsäule zu
ewigem Andenken.
Betrachten wir das Leben, was sich in dieser Dich-
tung darstelt, so findet man das treueste Abbild der
geistigen Atmosphäre, in der sich in jener Zeit der größte
Teil der vornemern deutschen Welt bewegte. Für die
Nation kein Herz, für nationale Freiheit und Würde
kein Sin und an den Etat so wenig Gedanke als mög-
lich. Der Etat hatte in Deutschland seine sitliche Würde
verloren. Er erhielt überal die geistige Hauptdirection
vom Auslande, hatte keine selbstständigen Ehren und
gewärte keinen Trost. Die Folge war, daß ihn diejeni-
gen, die die Mittel hatten, sich ihr Privatleben auszu-
schmücken, nur ansahen, als einen zimlich gleichgültigen
Ramen, an den man sein Herz so wenig als möglich
zu hängen habe; der doch gut sei, in wiefern er im
Wesentlichen Ruhe und Ordnung erhalle und das auf-
recht, was man damals Gesittung zu nennen ansieng,
damit die Leute, die täglich ein Desert verzertcn, in
Sicherheit ihre Mandeln bei einem Glase Wein knacken
könten. Oeffentliches Unglük ward im Allgemeinen so
ruhig als möglich, ward als Etwas erfaßt, wobei man
Privattugenden ruhiger Reflexion und verständiger Wol-
tätigkeit oder Dankbarkeit zeigen könne. Auch zeigte sich
die algemeine Statsordnung noch dadurch woltuend, daß
es durch sie möglich ward, ausgezeichnetere Stellungen
in der Geselschaft zu gewinnen, Geheimerath zu werden
oder Oberst In dieser Weise sigurirte etwa noch der
Etat in den Rheinbundstaten Deutschlands — es war
mit Einem Worte die Satheit des Todes in die
öffentlichen Verhältnisse eingekert, und mit dieser Physiog-
nomie etwa blicken einen die Beziehungen an, welche je-
ner Roman beiläufig auf allgemeinere Verhältnisse nimt.
Geistige Lebensmotive sind in der Beziehung zu Volk und
Vaterland in jenem Romane gar keine, und das war
das Bild im Ganzen der höheren Geselschaft, so weit sie
ihre Bildung dem vorigen Jahrhunderte verdankt hatte.
Diese höhere Geselschaft hatte vor der französischen Revo-
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wir gesehen. Auch ist bereits erwä'nt worden, daß der so
ohne allen Grund und ohne alle Form des Rechts aus fei*
nem Lande vertribene Kurfürst von Heßen ebenso wie der
Herzog von Braunschweig von Böhmen und Oels aus fort»
wärend mit ihren Erblanden Verbindungen unterhalten hat-
ten. Seit dem Beginne der östreichischen Rüstungen für
den Krieg, dessen Eräugnisse zulezt dargestelt wurden, er-
hielten die Absichten der in Böhmen lebenden norddeutschen
Fürsten und Herren festere Zile — und die Art des Kamp-
fes in Spanien schin einigermaßen als Vorbild auch für
eine Erhebung des nördlichen Deutschlands gelten zu kön-
nen. Alle diese Vorbereitungen musten in tiefstes Geheim-
nis gehült bleiben, solte irgend ein Erfolg zu erwarten sein;
denn die Art des Volkes und Landes begünstigte doch in
der Tat Unternemungen dieser Gattung weniger als in den
Alpen. Auch war das Verhältnis ein anderes. In Tirol
fülle sich das gemeine Landvolk von Alters her stolzer, wer-
Hafter; und fülle auch den sitlichen Bruch, der durch die
bairische Negierung in sein Leben gekommen war, unmittel-
barer, drückender. Baiern und Tiroler hatten schon seit
Jahrhunderten als Volksstamme an ihren Grenzen in einem
kleinen Kriege gegenseitiger Abneigung gelebt; die Verwal-
tungsämter waren bis dahin in Tirol fast alle in den Hän-
den des landsaßigen Adels und der einheimischen städtischen
Behörden; — über ganz Norddeutschland dagegen, mit
Ausname etwa der westfälischen Stiftslande, war die Ver-
waltung, und namentlich war sie es in Heßen und Braun-
schweig in hohem Grade in den Händen eines Beamteten-
standes, der hinsichtlich seiner Subsistenz vornämlich auf
seine Besoldung verwisen, schon lange, lange ein von der
Regierung völlig abhängiges Leben in einer gewissen Ge-
schäftsroutine und bei mediocren, philiströsen Vergnügungen
gefürt, in diesen engen Interessen sich an persönliche Be-
deutungslosigkeit, zum Teil an eigentliche Bedientengesin-
nung gewönt hatte. Diese Leute dankten großen Teils Got,
wenn es ihnen gelungen war, bei der neuen westsälingischen
Regirung wider ein Aemtchen zu erhalten; sie füllen sich
zu selbstständiger Ernärung zu ungeschikt oder zu arm —
und
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in Königsberg am 12len Juli abgeschloßeit, und sagte die
Räumung aller nach dem Friden preussisch bleibenden Pro-
vinzen zu bis zum Iten October, aber nur wenn bis dahin
alle seit dem Isten Nov. 1806 aufgelegten und noch rük-
siändigen Contributionen bis dahin abgetragen seien. Allein
diese Contributionen, welche preussischer Seits auf 10 Mil-
lionen Franken angeschlagen wurden, sezten die Franzosen
auf 112 Millionen Franken an, und steigerten den Ansaz
nachher am 8ten Sept. 1808 noch auf 140 Millionen; und
als von diesen 120 Millionen bezalt waren, wurden den-
noch Stettin, Küstrin und Glogau noch in der Art besezt
gehalten, daß Preussen die Besatzungen zu verproviantiren
hatte. Auch das freie Danzig behielt französische Besatzung.
Wie groß auch das Unglük war, was Preussen ge-
troffen, und dessen Umfang man nun erst ganz übersehen
konte, als der Fride geschloßen war, und man in ihm nur
einen kleinen Teil des alten Gebietes und diesen durch den
Krieg verwüstet, und noch längere Zeit teilweise von Fein-
den militärisch besezt, zurükerhielt — durfte man doch frei
anfatmen, wenn man anders in der Nidergeworfenheit durch
das eigne Unglük auch noch Gefül behalten hatte für die
würdigere sitlichere Stellung in die man gekommen war.
Der Verlust des Krieges hatte zugleich die Erwerbungen
durch den Neichsdeputationshauptschluß sämtlich und Han
nover umfaßt — man war ten Gew in aus den früheren
sitlich benachteiligenden Pacten loß, und Deutschland, die
politische Basis auf der sich das neue Preussen erheben
muste, war nicht nur versöhnt durch die Buße, die es
Preussen hatte bringen sehen, sondern war zugleich tatsäch-
lich davon überzeugt worden, daß Preussens Macht eine
seiner festesten Säulen sei, daß Preussen mächtig auszu-
statten, einst seine politische Aufgabe sein müßc, wenn es
selbst sicher stehen wolle. Preussen hat nachher jene ver-
lornen Territorien und mehr zurükerhalten aber in ganz
anderer Stellung und Weise als durch den Rcichsdeputa-
tionshauptschluß und durch die Transaction mit den Frem-
den — es hat sie zurükerhalten als Sigeslohn gerechten
Krieges, als Ausstattung zur mächtigen Waffenwache für
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L’Europe pendant le consul.it ct l'einpire ilc Kapoicon par M. Capufi- §. 4.
gue. tome Ix.-Xviii. Bruxelles. 1840. 1811. zu"är°Rük-
Gcfchichre der Kriege i» Europa seit dem Jahre 1792 als Folge der Skatsver- (n 5on ^»6-
anderung in Frankreich unter König Ludwig Xvi. Bd. 7 — 9. Berlin. kau.
1831 —1839 8.
Geschichte des Prcussischeu States (von Manso) 2ter und 3ter Bd. Frankfurt
a. M. 1819. 2». 8.
Uistory ok tlit: ie nr in the peninsula and in the South of France from the
yenr 1807 to the ycar 1814 by W. F. 1*. Kapier vol. 1 — 3. Paris
1839. 1840. 8.
Schwedische Geschichte unter Gustav Iii. vorzüglich oder unter Gustav Iv. Adolf
von F. M. Arndt. Leipzig >839. 8.
.Hintcrlaßenc Werke des Generals Earl von Elausewip über Krieg und Krieg-
sürnng. 7tcr Band (der Feldzug von 1812 in Russland). Berlin 1838. 8.
Als Napoleon seine Gewalt in eine kaiserliche ver-
wandelt hatte, war Frankreich im Inneren beruhigt; durch
eine einfache, militärisch erganisirte Administration mecha-
nisch zusammengehalten, zu jeder Bewegung nach außen
geschikter als man bis dahin diese Eigenschaft an irgend
einem europäischen State gekant hatte. Das Reich war
durch eine Reihe Republiken gegen Osten geschüzt. Oeft-
reich schin noch von den früheren unglüklichen Feldzügen
erschöpft. Der einstige treue Verbündete Oestreichs in den
Kämpfen mit Frankreich, Spanien, war nun im Inneren
ohne gerechte Ordnung der Administration, ohne sitliche
Achtung und Kraft der Regirung, und hinsichtlich seiner
äußeren Verhältnisse war das Land Napoleon durch enge
Bündnisse untergeordnet. Das deutsche Reich war durch
die Anordnungen des Reichsdepntationshauptschlußes aus
allen Fugen gerißen, und wenn einige deutsche Staten auch
noch sich in gemeßcner Entfernung von Frankreich hielten,
hatte französische Bildung und Administration doch den
me sten so imponirt, daß sie sie wirklich für das Höhere hiel-
ten. Einige knüpfte eigner Vorteil, knüpften namentlich
die Interessen der Unterdrückung der Reichsritterschaft und
anderer kleiner Reichsstände, in welcher man die fridlichen
Eroberungen des Reichsdeputationshauptschlußes fortsezte,
und für deren Schuz man eines auswärtigen Anhaltes be-
durfte, an des neuen Kaisers Winke. Polen war politisch
vernichtet, und was sich in der Nation noch ckräftig regte,
sah sehnsüchtig cbensals auf Napoleon, der schon in den
italienischen Feldzüge eine polnische Legion errichtek, und
1845 -
Halle
: Anton
- Autor: Leo, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Unterrichtsanstalt
- Geschlecht (WdK): Jungen
T
636
lichkeit wider zu be wären, zu stärken, in das Recht ihrer
herschenden Stellung einzuweisen. Da verblaßen und ver-
bleichen alle angelernten Mantren, und der ursprüngliche
Character bricht mit neuer Kraft aus den Geburtswehen
wie ein neugebornes Kind hervor, damit sich das Leben des
Volkes verjünge und einen neuen Anlauf neme zu unver-
wüstlichem Dasein.
Erkennen wir das Glük, einem Volke anzugehören
wie das deutsche ist —- einem Volke was mit tapferem,
keuschem Sinne zuerst sein Land in Besiz genommen und
es in jeder kommenden Not und Verwirrung so behauptet
hat, weil es immer wider flüchten konte zu dem tapferen,
keuschen Sinne der Ahnen! — erkennen wir das Glük,
einem Volke anzugehören, welches ein warer, ein gebore-
ner Adelsman ist unter den Völkern dieser Erde!
— erkennen wir dies Glük und benedeien das Andenken der
Vorfaren, die das Land mit ihrem Blute getränkt, um es
uns und bei seiner alten Art zu erhalten! Möge uns nie
etwas entsezlicher erscheinen als das Unglük, das sitliche
Unglük und der Fluch, der die Generation treffen wüste,
die einmal das reine Erbe der Väter schmachvol im Stiche
gelaßen! — Auch die Väter allerdings haben gesündigt,
wie ja auch der Gerechte täglich sündigt siebenmal — aber
noch hat unser Volk aus jeder schmachvollen Lage sich wider
erhoben — und aus der schmacl volsten am glanzvolsten.
Haben wir nun in Tirol und in dem Zuge des Her-
zog Wilhelm Formen des alten Lebens mit neuer frischer
Kraft aus dem südlichen Deutschland hervorbrechen sehen,
so glaube darum niemand, daß das nördliche in jenem Jahre
ganz ohne die Fähigkeit gewesen wäre, änliches zu erzeugen
— äußere Umstände brachen allerdings noch die Entwickelung,
die in vollem Glanze wenige Jahre später hervortrat; —
aber die verunglükten Ansätze zu änlichen Erscheinungen dür-
fen wir auch in dieser Zeit nicht mit Stilschwcigen übergehen.
Wie Herr von Stein von Königsberg aus Verbin-
dungen im nordwestlichen Deutschland unterhalten, wie er
sie zu erweitern gesucht, wie er in Folge dieser Unterne-
mungen zur Flucht nach Oestreich genötigt worden, haben
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438
allein und schnel über Preußens Stellung entscheiden, und
ließ ihm, obwol sich derselbe mit unzureichenden Vermach-
ten entschuldigte, gar keine Zeit — sondern nur die Wal
zwischen Krieg und Friden. So drängte er ihn leicht da-
hin, daß er noch an demselben Tage mit ihm einen Ver-
trag abschloß, welcher, wenn man ihn bloß äußerlich be-
trachtete, vorteilhaft für Preussen erschin, in der Tat aber
diesem State alle sitliche Basis in der öffentlichen Meinung
Deutschlands rauben muste. Wie hatte ein Haugwitz auch
sitliche Mächte in Anschlag bringen sollen!
Preussen solté Anspach an Baiern, den Rest von
Cleve mit Wesel und Neufchatel an Frankreich abtreten *),
und dafür zur Abrundung des Baireurhischen von Baiern
einen Bezirk von 20,000 Seelen erhalten; so wie von
Frankreich das Zugeständnis, Hannover und die übrigen
fridlich in Besiz genommenen Länder des befreundeten Kö-
niges von England in Deutschland, als Eroberung behal-
ten zu dürfen. — Von alle dem, was Haugwitz auf diese
Weise verhandelte, wüste man in Berlin nichts; dachte
anfangs, als der Großfürst Constantin nach der Schlacht
von Austerliz nach Berlin kam, und Dolgorucki Namens
Alexanders Anerbietungen machte, noch an Krieg; dann
wenigstens an eine würdige Stellung als vermittelnde
Macht. Als Haugwitz am 25ten December nach Berlin
zurükkam, ward sein Vortrag anfangs mit algemeiner In-
dignation ausgenommen. Zwar war zwischen den Erwer-
bungen, wie man sie durch den Reichsdeputationshaupt-
schluß gemacht, und zwischen dieser fridlichen Eroberung
Hannovers im Grunde wenig Unterschid; allein die äuße-
ren Umstände, unter welchen die leztere zu Stande kom-
men solté, erschinen überaus demütigend, und legten nun
die Einsicht nahe, daß wenn man so sich von aller Achtung
bestehenden Rechtes entferne, bald überhaupt nichts mehr
feststehen werde, als die Macht des Stärkeren; daß Treue
und Glaube, durch welche auch Schwächere in ihrer Ver-
bindung stark sind, bald aufhören müßten eine verbindende
’) Manso Geschichte des prcussischen States, ll. 99.
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437
fachen mit ihm unterhandeln, sondern venvis ihn einstwei-
len an Talleyrand nach Wien. Hier angekommen hatte
Haugwitz die Nachricht von Napoleons Sige, von der
Russen Rükzuge und der Geneigtheit Oestreichs zum Friden
aus erster Hand; er erhielt sie unter Eindrücken, wie sie
da entstehen mußten, wo man sich von den Truppen des
sigreichen Imperators umgeben sah. Preussens Politik
hatte sich schon die lezten Jahre hindurch nicht mehr durch
algemeinere Interessen, sondern durch die Aussichten auf
einzelnen Gewin bestimmen laßen. An eine sitliche Begei-
sterung, welche Characterfestigkeit und in schwierigen Lagen
den richtigen Tact mänlichen Handelns gibt, war bei ei-
nem halbvcrbrauchten, weichlichen Manne wie Haugwitz
war, nicht zu denken. Er wenigstens wüste sich in dieser
Lage nicht anders als durch ein völliges Wechseln der Rolle
zu helfen, wie Napoleon ganz richtig vorausgesehen hatte.
Als er am 15ten December bei Napoleon, der wider nach
Wien gekommen war, Audienz erhielt — an demselben
Tage, an welchem Preussen den früheren Planen zu Folge
den Krieg beginnen solle, wenn der Kaiser der Franzosen
nicht alle Bedingungen der Potsdamer Allianz eingehe, ver-
schwig er alle diese Bedingungen und beklagte sich nur
Namens Preussens wegen der Rücksichtslosigkeit, mit wel-
cher man es, das Frankreich so lange befreundete Land,
behandelt habe. Napoleon seinerseits fand auch seine Rech-
nung dabei, es nicht zum Bruche kommen zu laßen, denn
noch war der Fride mit Oestreich nicht abgeschloßcn; der
Erzherzog Karl war mit seiner Armee wirklich angekvm-
men; Böhmen war noch so gut wie unberürt; Russland
hatte erst einen verhältnismäßig sehr geringen Verlust er-
litten. Der Beitrit Preussens hätte weit im Westen seinen
Rücken bedroht — kurz! Napoleon sah sich wenn Haug-
witz entschiden auftrat, sich durch die doch nur scheinbare
Gefahr, welcher Schlesien ausgesezt schin, nicht imponiren
ließ, und dem öftreichischen Kabinette neuen Mut zum
Kriege cinzuflößen verstund, in gefährdetster Lage — aber
er wüste, mit wem er zu tun hatte; er gieng also auf
Haugwitzens Bemmen ein, wolte aber möglichst mit ihnr
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572
seph wider unterworfenen Ortschaft ward ein Militärge-
richt ohne Appellation installirt um über Verräterci zu rich-
ten d. h. alle treuen Spanier zu verurteilen. Die Admi-
nistration ward durch Decrete auf französischen Fuß herge-
stelt, die Geistlichkeit zu Contributionen gezwungen, um
den Finanzen ein wenig aufzuhelfen, und dann ward am
16len Februar eine algemeine Eidesleistung befohlen, die
nur dazu dienen konte schwache Characrere vollends sitlich
zu verwirren. So hielt man nun eine Zeitlang die beiden
nördlichen Dritteile des Plateaulandes von Spanien nider,
warend ringsum, in Catalonien, in den südlichen Provin-
zen und in Portugal der wildeste Volkskrieg dauerte; denn
die Spanier sahen, und mit Recht, die Franzosen nicht an-
ders als unsere alten deutschen Vorfaren die eingedrungenen
Römer nur als Räuber und Mörder an, die unbefugt in ihr Land
gefallen, und übten die Moral, die unser schönes Lied singt:
Schlagt sie todt! das Weltgericht
Fragt euch nach der Ursach nicht!
Eine etwas beßere Wendung für die nationale Sache
nam der Krieg, als Sir John Cradock, der eine Zeitlang
das Obercommando der englischen Armeen in Portugal ge-
fürt, aber zuletzt das höchste Mistrauen der Portugisen er-
regt hatte, abgerufen ward, und Sir Arthur Wellesley ge-
gen Ende April an seine Stelle trat. Schon die bloße Er-
scl einung dieses Mannes, zu dem in Portugal das größte
Zutrauen herschte, richtete aller Mut auf. Wir können
seinen Anordnungen und den Bewegungen seiner Armee
nicht ins Einzelne folgen. Zwar in Asturien konte sich Ro-
mana, der hier wider mit den Franzosen den Kampf ver-
suchte, auch nun nicht halten, aber die Reste des Wider-
standes im nordwestlichen Spanien erhielten doch durch die
veränderte Haltung des englischen Oberbefelhshabers in
Portugal alle einen Stüzpunct. Eine Zeitlang hielt dann
Wellesley seine Truppen in dem Lager von Abranles bis
Ende Juni hin, ohngeachtet er vor Begirde braute, selbst
nach Spanien vorzudringen. Er halte gegen Ende Juni nur
22,000 Man unter seinem Befelhe, denn die Armee hatte
sehr durch Krankheiten verloren. Ueberdies feite es an
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- Autor: Leo, Heinrich
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417
schwigen, weshalb sich Russland einer Sache anneme, zu
der es keine Beziehung habe. Buonaparte ward geradezu
persönlich beleidigend in dem, was er durch Talleyrand an
das russische Kabinet gelangen ließ. Russland verlangte
nur um so entschidener die Befreiung Neapels von sranzö-
sischen Truppen, die Restitution des Königes von Sardi-
nien und volständigere Entschädigung der Nassau - oranischen
Familie. Endlich verließ der russische Geschäftsträger Paris,
ohne noch das neue Kaisertum aüerkant zu haben. Alle
russischen Erklärungen waren an den Chef der französischen
Regirung gerichtet gewesen. König Gustav von Schweden
verweigerte die Anerkennung geradezu; Oestreich schin die
Veränderung in der Regirungsform Frankreichs einfach als
Tatsache zu nemen; Preussen erkante die neuen kaiserlichen
Ehren an. Die von Frankreich politisch abhängigen Staten
musten sie natürlich anerkennen; und daß Ludwig Xviif.
dagegen protestirte achtete Napoleon nun so gering, daß
er die Protestalien im Moniteur abdrucken ließ. Auch die
Opposition alter, abstracter Republikaner, als deren Mu-
sterexemplar Carnot angesehen werden konte, hatte nun in
Frankreich nur sehr geringe Bedeutung. Sie machte sich
fast nur in unbeachteten Raisonnements Luft, wenn man
sich auch im Ganzen erst almälig wider an einen Hof und
dessen Auftreten gewönte, und von den sitlichen Gedanken
die einer Monarchie ihre wäre Stütze gewären so entfernt
war, daß man in dem neuen Kaisertume am Ende auch
nichts als eine neuausgedachte fornida des Gemeinwe-
sens sah.
Kurze Zeit nachdem der Senat Napoleon zum Kai-
ser ernant hatte, begannen die gerichtlichen Acte zu Been-
digung der Angelegenheiten Morcaus's, Cadoudals und
ihrer Freunde. Napoleon lag daran, daß Moreau von
den Richtern zum Tode verurteilt würde — um einerseits
dadurch dessen Freunde in der Armee einzuschüchtern, an-
drerseits Gelegenheit zu haben, durch eine Begnadigung
als großmütiger Feind aufzutreten. Mit allen Verfürun-
gen, Drohungen und Versprechungen ließ er die Beisitzer
Leo's Lchrb. d. Univcrsnlg. Bd. V. (2te icufig.) 27
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- Autor: Leo, Heinrich
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541
das erste Manifest an die Spanier, worin er sich ihnen als
König ankündigte. Am 20ten Juli hielt er seinen pracht-
vollen Einzug in Madrid. Ein Teil des spanischen Adels,
der wenn auch persönlich den Fremden nicht ergeben, doch
wärend aller dieser Vorgänge in Bayonne oder Madrid an-
wesend gewesen war, befand sich in einer Art Gefangen-
schaft und muste gleich den französisch-gesinten den neuen
König bei seinein ersten Auftreten umgeben. Cevallos ward
Minister der auswärtigen Angelegenheiten, die natürlich
ganz von Napoleons Winken abhiengen, und der Herzog
del Infantado ward Gardechef. Eine Art Constitution, in
welcher altspanische Titel und Namen auf neufranzösische
Einrichtungen übertragen wurden, solle die Nation beruhi-
gen; die Geistlichkeit schin durch die Erklärungen hinsichtlich
der katholischen Kirche zufriden gestellt. Wärend aber die
Regirung zuerst unter dem Jnfanten Antonio, dann unter
Murat, dann unter Joseph fortgegangen war, hatten die
Nachrichten über die Vorgänge in Bayonne bei der Nation
den Grund alles gemeinsamen Handelns mit der Regirung
zerschlagen. Durch die statgehabtcn Abdankungen sah jeder
Spanier sich in seinen guten Rechten verlezt; durch die Art,
wie diese Abdankungen stat gehabt, sah sich die Nation in
ihrer Ehre gekränkt. Zwischen dem 26ten und 30ten Mai
hatte der Kampf in allen Teilen Spaniens durch einzelne
Reactionen gegen die neue französische Domination bereits
begonnen. Wo die Franzosen oder dann des neuen Königes
Beamtete die alten Einrichtungen des Königreiches nicht
respectirten, fanden sie allenthalben Widerstand; namen sich
sonst dem Volke gcneme Behörden ihrer an, so verloren
sie sofort alle sitliche Macht. Einzelne vorneme Spanier, die zu
den Franzosen hielten, wurden vielfach ermordet, zuweilen
vom Volke zerrißen. Von allen Seiten sagte man der Junta
in Madrid den Gehorsam auf. Als Joseph nach seinem
Einzuge in Madrid von dem Rate von Castilien den Hut-
digungseid verlangte, hatte derselbe die Künheit, ihn zu
verweigern. Der Marquese de Solamo y Socoro, Gene-
ralcapitan von Cadix, erhielt von einer Localjunta, die sich
in Sevilla für Andalusien gebildet, bereits den Krieg gegen
1900 -
Hamburg
: Boysen
- Autor: Stoll, Hermann
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Geschlecht (WdK): koedukativ
— 4° —
ins Gericht ging. Aber dann schilderte er auch kühn und gross die unverwüstliche Kraft und Majestät des deutschen Wesens, und die Gedemütigten riss er wieder mit sich empor. Im gleichen Sinne wie Schleiermacher und Fichte schrieb Arndt (Geist der Zeit). Er zog zu Felde wider unsere Vielherrschaft, die zur Allknechtschaft geworden, wider die unweise Gerechtigkeit der Deutschen, die das Veraltete gewissenhaft verschone, bis die Fremden damit aufräumen, und vor allem wider die übergeistige, überzärtliche Bildung, die da wähne, dass Kriegsruhm wenig, dass Tapferkeit zu kühn, dass Männlichkeit zu trotzig und Festigkeit beschwerlich sei. Nahe bei Berlin, in der Hasenheide, gründete Jahn den ersten öffentlichen Turnplatz, um die verloren gegangene Gleichmässigkeit in der menschlichen Bildung wiederherzustellen. Er fand vielen Zuspruch, und an den grossen Turntagen scharten sich oft gegen 2000 junge Leute um den Turnvater Jahn, der es verstand, die Jugend in Zucht zu nehmen und ihr einen ehrlichen Abscheu gegen alle Schlaffheit und Verzärtelung einzuflössen.
Was Scharnhorst einmal gesagt hatte, dass in jener trüben Zeit das Volk wieder mit sich selbst bekannt werden müsse, das geschah jetzt: Künstler und Gelehrte vertieften sich in die Herrlichkeit der alten Dichtung, Sage und Geschichte und suchten emsig, was dem deutschen Volke aus alter Zeit geblieben war, um daraus neue Kraft und Hoffnung zu schöpfen.
Achim von Arnim und Clemens Brentano Hessen eine Sammlung alter Lieder erscheinen, des Knaben Wunderhorn. Da erfuhr die Welt, wie reich das alte Deutschland an dichterischer Kraft gewesen, welche Fülle von Liebe und Sehnsucht, von Mut und Schelmerei in den kunstlosen Liedern der Studenten und Jäger und Wanderburschen niedergelegt war. Dann gab v. d. Hagen in Berlin die Nibelungen heraus, und die mächtigen Gestalten Siegfrieds und Brunhilds und Kriemhilds zeugten davon, dass unser Volk 600 Jahre vor Goethe schon einmal eine grosse Zeit der Dichtung erlebt hatte. Die Gebrüder Jakob und Wilhelm Grimm zogen im Lande umher und sammelten die alten Volksmärchen: Däumling und Hans im Glück, Dornröschen und Sneewittchen; und die Gebrüder Boisseree suchten emsig nach alten deutschen Gemälden und Bildwerken. Dabei fand Sulpiz Boisseree einige der alten Risse des Kölner Domes wieder auf, und frohen Mutes entwarf er die Zeichnungen für sein grosses Domwerk.
Goethe fühlte sich von ’dem politischen Treiben der Zeit abgestossen. Er sah in Napoleon nicht den Feind seines Vaterlandes, sondern den grossen Mann. Aber gerade jetzt, mitten im Niedergang der Nation, erschien sein Faust. Zündend schlug das Gedicht ein. Hier war deutsches Leben so schön und wahr dargestellt wie nirgend; jeder Deutsche fühlte sich beglückt, dass dieser Dichter unserem Volke angehöre, und so hat auch Goethe die grosse
1845 -
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- Autor: Leo, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 2
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Wkra und trib Barclay de Tolly zurük; Murat drängte
General Sacken. Lestocq muste sich nach Neidenburg zu-
rükziehen. Am 26ten lagerte Buxhövden, der von Ostro-
lenka aufgebrochen war in Makow, Bennigsen bei Pultusk.
Lestocq ward nun gemeinschaftlich von Ney, Bernadotte,
und Bessiores zuriikgetriben. Davoust und Lannes stunden
vor Pultusk; Soult in Ciechanowc; und Murat und Au-
gereau rüktcn gegen Golymin vor. Bei Pultusk kam es zu
einem harten Treffen. Kamensky, fast 80 Jahre alt, war
von dem ersten Unglük, was seine Truppen gehabt hatten,
und von körperlichen Schmerzen, die ihn bei vilem Reiten
überfielen, so von Sinnen gebracht, daß er am 26ten das
Heer verlaßen, und den Befelh zu algemeinem Rükzuge
hinterlaßen hatte. Bennigsen folgte der Anordnung nicht,
weil man bei weiterem Rükzuge und bei dem eintretenden
Tauwetter alle Artillerie eingebüßt haben würde. Er hatte
fast alle bisher zurükgedrängten Corps bei Pultusk verei-
nigt, und schlug den Angrif, welchen Davoust und Lannes
leiteten, zurük. Auch Murat und Augereau wurden bei
Golymin von Gallizin nachdrüklich zurükgewisen. Von früh
10 bis Abends 8 Uhr schlug man; aber die Russen vehaup-
teten ihre Stellung. Da inzwischen Buxhövden und An-
repp widerholten Befelhen Kamcnskys zum Rükzuge nicht
in änlicher Weise ungehorsam gebliben waren wie Bennig-
sen, und sich ohne diesen weiter zu unterstützen zurükzogen,
muste auch Bennigsen um Mitternacht den Abzug seiner
Truppen anordnen. Ohne Kamenskys Wansin, wenn
Bennigsen und Gallizin gehörig unterstüzt worden wären,
wären die Franzosen in eine entschidene Niterlage ver-
wickelt worden. Beite feindliche Heere waren durch die
Anstrengungen der lezten Tage erschöpft, und es trat eine
kurze Zeit der Ruhe ein. Die beiden russischen Heere un-
ter Buxhövden und Bennigsen zogen sich an den Ufern des
Narew nach der russischen Grenze. Napoleon kerte wider
nach Warschau zurük, und ordnete eine neue Rcgirungs-
behö'rde für Polen an. Aus Frankreich zogen neue Trup-
pen nach; die neuen polnischen Bewafnungen wurden im-
mer volstä'ndiger hergestelt. Massena, der den Briganten-
1867 -
Berlin
: Vahlen
- Autor: Müller, David
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Unterrichtsanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
- Geschlecht (WdK): Jungen
318
Deutsche Dichtung und Wissenschaft. § 529—530.
11. Deutsche Dichtung und Wissenschaft.
§ 529. Obwohl, wie oben (§ 513.) gezeigt, in allen Theilen Deutschlands
ein neues, geistig frisches Leben begonnen hatte und mancher aufgeklärte, wohl-
wollende Fürst seinen Unterthanen, die durch einen langen Frieden beglückt
wurden, Bildung und Gedeihen zu stiften bereit war, erschienen doch die gröbsten
Mißbräuche oder Rückschritte neben den freudigsten Entwicklungen. So war
Oestreich, nach den kurzen übereilten Versuchen Josephs, aus die alten Bahnen
zurückverfallen und von Deutschland in seinen politischen Interessen und geistigem
Leben abgeschlossener als je. So schien auch Preußen nach kurzem, glanzvollem
Aufleuchten wieder in seinen Verfall getreten: kurz— die deutsche Nation schien
kaum besser berathen, als zur Zeit der Angriffe Ludwigs Xiv., jetzt, wo aber-
mals eine große Probezeit zu bestehen war. Und dennoch war es ganz anders
geworden in dem deutschen Volk; dennoch konnte man jetzt wieder, und vielleicht
mehr als je zuvor, von einer deutschen Nation reden. Wohl waren es die
Glanzthaten Prinz Eugens, des großen Kurfürsten und vor Allem Friedrichs
des Großen geìpesen, die diese Wirkung hervorgebracht: aber ihnen an die Seite
traten jetzt die Thaten der deutschen Geisteshelden, welche dem deutschen Volke
ein neues Bewußtsein seiner Zusammengehörigkeit wie seines Adels unter den
Nationen der Welt erschufen. Der deutsche Geist, im Protestantismus zu neuer
Innigkeit des Gefühls und zu neuer Kraft des Denkens erwacht, hatte in der
Ermattung des 17. Jahrhunderts gleichsam über seinen verborgenen Schätzen
träumend ausgeruht; jetzt im 18., als eine große protestantische Macht in Nord-
deutschland erblühte, unter dem Nachhall der Thaten Friedrichs, erhob er sich
von neuem. Aber obwohl zunächst nur von Preußen dem deutschen National-
gefühl diese Anregung kam — dennoch nahmen an dieser neuen deutschen Geistes-
entwicklung alle deutschen Stämme Theil, ja es quoll in den kleinen Staaten
im Süden und Westen des Vaterlandes eine noch reichere Ader deutschen Geistes-
lebens als in Preußen selbst; es nahm selbst die Schweiz, dieses in politischer
Hinsicht von Deutschland getrennte Glied, an dieser Gesammtentwicklung den leb-
haftesten Antheil.
§ 530. Von hier ging schon in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts
ein Dichter und Gelehrter aus, der gleichsam die alte Verbindung der Schweiz
mit Deutschland neu befestigte. Haller (geb. 1708, gest. 1777), der Dichter
der „Alpen", der nach Göttingen berufen, lange Zeit eine Zierde dieser blühen-
den Universität war, welche Deutschland der Vorliebe des hannoverisch-englischen
Königshauses für das deutsche Stammland verdankte sgegründet 1734). Hallers
Zeitgenosse war Hagedorn in Hamburg (geb. 1708, gest. 1754), der zuerst
die schwerfällige deutsche Poesie wieder Anmuth lehrte. So regte sich im äußer-
sten Norden wie im äußersten Süden die deutsche Poesie zuerst wieder. In
Leipzig, der alten Stadt des obersächsisch meissenschen Stammes, dem Luther
einst die Bildung eines neuen Hochdeutsch entlehnt hatte (§ 423.), gab seit 1730
Gottsched (1700 —1766) Regeln der Poesie, freilich steif, einseitig und an-
maßlich genug, doch läuterte er, besonders durch den Hinweis auf die besseren
französischen Dichter, den Geschmack in Deutschland. Gerade als Friedrich der
Große den Thron bestieg und die schlesischen Kriege begannen, ließen sich Schweizer
Kunstfreunde und Dichter (Bodmer, Breitinger) mit Gottsched. in einen
heftigen Schriftenkampf ein, der zur besseren Erkenntniß des Wesens der Poesie
führte. Durch und trotz Gottsched ward Leipzig der Sammelplatz der bedeu-
tendsten Kräfte dieses Jahrzehnts; von hier aus wirkte Gellert 1715—1769,