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1. Geschichte der neueren Zeit - S. 49

1861 - Münster : Coppenrath
49 hatte. Ein Prophet dieser Seele, der Bäcker Johann Matthisen aus Hartem, kam mit seinem eifrigsten Apostel, Johann Bockelsohn, früher Schneider, dann Schenkwirth und Dichter, aus Leiden nach Münster, wo gerade damals der Prediger Rottmann die Reformation verbreitete und mit seinem Anhänge hier einen ähnlichen Sturm gegen den Katho- licismus veranlaßte, wie damals Karlstadt in Wittenberg. Das betrübende Bild, welches die durch innere Parteiungen zerrissene Stadt darbot, hatte die Sehnsucht nach einem besseren Zustande der Dinge rege gemacht. Da kamen die Wiedertäufer und predigten ihnen ihre Grundsätze von einem neu aufzurich- tenden Reiche Christi, in welchem völlige Freiheit und Gleich- heit herrsche. Das trügerische Zauberbild zog die Gemüther der aufgeregten und neuerungssüchtigen Menge an. Viele ließen sich durch den abermaligen Empfang der Taufe zu Bürgern des neuen Reiches einweihen. Auch Rottmann schloß sich an die Wiedertäufer. Der Bischof und das Domkapitel flohen aus der stürmisch bewegten Stadt. Bald hatten die Wiedertäufer die Ueberhand, und der Schneider Johann von Leiden und der Tuchmacher Knip- perd olling, nachmals der Catilina der unglücklichen Stadt genannt, spielten jetzt die Hauptrolle. Furchtbar begann das abenteuerliche Reich; Kirchen und Klöster wurden rein aus- geplündert, zum Theil zerstört, Heiligthümer mit Füßen ge- treten, Bilder und Statuen zerschlagen, schriftliche Urkunden und Denkmäler zerrissen, alle Bücher, bis auf Luther's Bibel, auf öffentlichem Markte verbrannt. Nichts sollte übrig bleiben, was an den früheren Zustand erinnern konnte. Alsdann wurde förmliche Gütergemeinschaft und Vielweiberei eingeführt. Die längst verheißene Freiheit aber endete in der Schreckens- herrschaft des Johann von Leiden, der nun als Prophet und König auftrat, da Matthisen bei einem Ausfälle aus der Stadt geblieben war. Auf dem Markte stand für ihn der „Stuhl David's" aufgerichtet. Täglich wurden die ausgesuchtesten Hinrichtungen wie ein öffentliches Schauspiel aufgeführt. Der Weiter's Wcltgesch. Iii. 16. Aust. 4

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1. Geschichte der neueren und neuesten Zeit - S. 32

1871 - Münster : Coppenrath
enthüllte und jetzt von hier aus ganz Deutschland noch einmal bedrohete. In Münster, der Hauptstadt des gleichnamigen westfälischen Bisthums, herrschte unter der Bürgerschaft schon seit mehren Jahren eine sehr feindliche Stimmung gegen die weltliche Obergewalt des Bischofes. Die damals in den meisten größeren Städten rege gewordene Sehnsucht nach völliger Freiheit und Unabhängigkeit regte sich auch hier und gab zu lärmenden Auftritten Veranlassung. Der Bischof verließ die Stadt. Die Parteiwuth wurde noch größer, als ein Prediger, Ber-nard Rothmann, lutherische Grundsätze zum Vortrage brachte und für diese einen großen Anhang gewann. Und als er deshalb seiner Stelle entsetzt und des Landes verwiesen wurde, veranlaßte er mit seinem Anhange einen ähnlichen Sturm gegen den Katholicismus in Münster, wie damals Karlstadt in Wittenberg. Da kamen die Wiedertäufer, welche vorzüglich in den benachbarten Niederlanden ihr Wesen trieben, nach Münster. Das betrübende Bild, welches die durch innere Parteiungen zerrissene Stadt darbot, hatte die Sehnsucht nach einem besseren Zustand der Dinge rege gemacht. Und nun predigten ihnen die Wiedertäufer ihre schwärmerischen Grundsätze von einem neu aufzurichtenden Reiche Christi, in welchem völlige Gleichheit herrsche. Das trügerische Zauberbild zog die Gemüther der aufgeregten und neuerungssüchtigen Menge an; viele ließen sich durch den abermaligen Empsang der Taufe zu Bürgern dieses neuen Reiches einweihen; auch Rothmamt schloß sich au die Wiedertäufer. Zwei der Verworfensten unter den Wiedertäufern waren Johann Böckels ohn, ein Schneider aus Leyden, gewöhnlich Johann vou Leyden genannt, und Matthisen, ein Bäcker aus Harlem. — Vergebens ermahnte und drohete der Bischof, vergebens wurden Maßregeln gegen die immer weiter üm sich greifende Sekte getroffen; jeder Widerstand schien die Zahl der Anhänger nur zu vermehren.

2. Geschichte der neueren und neuesten Zeit - S. 28

1875 - Münster : Coppenrath
— 28 — taufen. In immer größeren Scharen strömten Wiedertäufer ans anderen Gegenden herbei; denn Rothmann hatte ein Einladungsschreiben erlassen, in welchem es hieß: „Gott habe einen außerordentlich frommen und heiligen Propheten (Matthisen), der das Wort Gottes rein und frei von allen menschlichen Zusätzen verkündige, nach Münster gesandt. Alle, denen ihr Heil am Herzen liege, möchten nur ihre Habe zurücklassen und mit Weib und Kind zu ihnen kommen, um Jerusalem und Zion zu sehen, und Salomo's Tempel und den rechten Gottesdienst wieder ausrichten zu helfen; hier sollten sie, außer dem himmlischen Schatze, zeitliche Güter vollauf haben." Das war das Losungswort für den Pöbel der Umgegend, welcher sogleich mit Weib und Kind in Haufen nach Münster strömte, um in dem neuen Zion sich in die Schätze der rechtlichen Bürger zu theilen. Als nun die Stadt in den Händen der Wiedertäufer war, wählten diese einen neuen Rath und den wüthenden Knipperdolling zu einem der Bürgermeister. Furchtbar begann das abenteuerliche Reich. Kirchen und Klöster wurden ausgeplündert, zum Theil zerstört, Heiligtümer mit Füßen getreten, Bilder und Statuen zerschlagen, schriftliche Urkunden und Denkmäler ■zerrissen, alle gedruckten Bücher, bis auf Luther's Bibel, auf öffentlichem Markte verbrannt. Nichts sollte übrig bleiben, was an dm vorigen Zustand erinnern könnte. Mehre Tausende der unglücklichen Bewohner, die sich nicht taufen lassen wollten, wurden unter Wuthgeschrei mit Prügeln aus der Stadt getrieben. Selbst Kranke, selbst Greise und säugende Mütter fanden bei der wilden Rotte kein Erbarmen. In den Jammer der unglücklichen Auswanderer tönte gräßlich das Gebrüll: „Thuet Buße, das Reich Christi ist nahe!" Matthisen, der Prophet aus Hartem, hatte seitdem das höchste Ansehen in der Stadt erlangt. Er galt mehr als Bürgermeister und Rath; ohne ihn ward nichts mehr unternommen. Auf seinen Befehl wurde das Eigenthum der ausgewanderten Bürger in bestimmte Häuser zusammengetragen, und sieben Männer, Diakonen genannt, zu dessen Verwaltung angeordnet. Einer der Anwesenden, welcher Einrede dagegen that, wurde auf der Stelle, vor den Augen der ganzen Versammlung, mit eigener Hand von ihm getödtet. Seitdem gehorchte ihm Jeder mit schweigender Angst; selbst der Befehl, daß alles Gold und Silber, alle Kostbarkeiten als Gemeingut auf das Rathhaus gebracht werden sollten, wurde ohne Widerrede vollzogen. Endlich rückte Oer Bischof mit einem

3. Die neue Zeit - S. 39

1895 - Leipzig : Dürr
deutlichsten, als im Jahre 1534 die Wiedertäufer in Münster zur Herrschaft gelangten. Hier hatte ein Prediger, Bernhard Rottmann, die Reformation der Kirche durchgesetzt, und der Bischof Franz von Waldeck war dem Verlangen der Bürger nicht schroff entgegengetreten, sondern hatte, nachdem ihm ein Versuch, die Stadt zu bezwingen, fehlgeschlagen war, freie Religionsübung gewährt; nur für sich und das Stift bedang er sich die Festhaltung an den katholischen Gebräuchen aus. Aber Rottmann neigte sich mehr und mehr den Lehren der Wiedertäufer zu, und um seinen Einfluß zu verstärken, zog er Leute dieser Art aus den Niederlanden herbei, wo die Sekte viele Anhänger zählte. Unter den Eingewanderten war einer der beredtesten Führer, Johann Mattys aus Harlem, und dessen sehr begabter Schüler, der Schneider und Gastwirt Johann Bockelson aus Leiden (Johann von Leiden). Da immer mehr Wiedertäufer herzuströmten und bereits allerlei lärmende Versammlungen des Pöbels die beginnende Umwälzung anzeigten, so verließen die reichen Bürger die Stadt. Nun bemächtigten sich die Wiedertäufer des Rates und trieben alle, die sich nicht noch einmal der Taufe unterwarfen, Greife, Weiber und Kinder, mit Stockprügeln aus der Stadt. Ein roher, fanatischer Schwärmer, Knipperdolling, wurde Bürgermeister. Die nächste Folge war, daß der Bischof die Hilfe der benachbarten Fürsten erbat und die Stadt mit einem Belagerungsheere einschloß. Bei einem Ausfalle wurde der Prophet Mattys getötet, der einzige, der noch etwas Mäßigung und Besonnenheit bewahrt hatte. Jetzt brachen in der von der Außenwelt abgesperrten Stadt alle Leidenschaften hervor, die eine überspannte religiöse Aufregung nur immer wachrufen kann. Die Gütergemeinschaft, die schon Mattys angeordnet hatte, ward auf das strengste durchgeführt, jeder mußte alles Geld, alle Kostbarkeiten und alle Vorräte in den gemeinschaftlichen Schatz abliefern, die Vielweiberei wurde erlaubt, und Johann Bockelson ließ sich zum König des neuen „Jerusalems" krönen. So lange die Lebensmittel reichten, mochte es gehen, aber als der Hunger anfing, die Menschen zu erschrecken, konnte nur eine despotische Regierung den Mißmut der Bürger unterdrücken. Der König, sein Kanzler Krechting und sein Henker, der Bürgermeister Knipperdolling, bestraften jeden Widerspruch mit dem Tode. Der gekrönte „Prophet" enthauptete mit eigner Hand aus dem Markte eine seiner Gemahlinnen, welche die Äußerung gewagt hatte, sie könne nicht glauben, daß Gott so viele Menschen wolle Hungers sterben lassen, indes der König im Überflüsse lebe! Im Frühjahr 1534 hatte die Belagerung begonnen, und zu derselben Zeit schloß der Bischof ein Bündnis mit dem Herzog von Cleve und dem Erzbischof von Köln

4. Geschichte der neueren Zeit - S. 34

1868 - Mainz : Kunze
34 Erste Periode der neueren Geschichte. Die Wieder- täuferjohann Mnthiesen, Johann Bockhold und ihre Genossen richten in Münster gräulichen Aufruhr an. 1533—34. ein, wo die förmliche Lossagung vom Papste erfolgte (1537). Die zu diesem Zwecke abgefaßte Schrift Luthers, die sogenannten Schmal- kalder Artikel, die beiden Katechismen Luthers, bilden mit der Augs- burger Confession und der Apologie die symbolischen Bücher oder Be- kenntnißschristen der lutherischen Kirche. 10. Die Wiedertäufer und die Jesuiten. Zwei Ereignisse jener Tage schienen damals den Fortgang der Reformation zu gefährden: der Unfug der Wiedertäufer in Munster und die Stiftung des Jesuitenordens durch Ignatius Loyola. In der westfälischen Stadt Münster waren seit dem Bauernkriege häufig Unruhen zwischen den Bürgern und dem Bischof vorgekommen; der Prediger Rottmann hatte angefangen die neue Lehre zu verkündigen. Darum verließ das Domcapitel mit seinen Anhängern die Stadt und mußte es geschehen lassen, daß in den sechs Pfarrkirchen die evan- gelische Predigt gehalten wurde, während die Domkirche dem katholi- schen Gottesdienste verblieb. Allein bald brachen neue und gefährlichere Unruhen aus. Die Wiedertäufer hatten sich nach ihrer Niederlage in Sachsen in die Niederlande begeben. Von da kamen Einzelne nach Münster. Unter diesen Schwärmern zeichneten sich der Bäcker Jo- hann Mathiesen aus Hartem und der Schneider Johann Bockhold von Leyden aus. Als sie durch ihre Weissagungen das Volk auf- regten, wurden sie aus der Stadt gewiesen. Allein sie kehrten zu- rück, brachten den Prediger Rottmann, den reichen Tuchhändler Knipperdolling und den Bürger Krechting auf ihre Seite und predig- ten in den Straßen Buße und Wiedertaufe. Durch ihre Reden und Prophezeiungen wurde die Menge bethört; überall standen Propheten auf und entzückte Jungfrauen, welche den Himmel offen und die Engel herabsteigen sahen. Die Weiber tobten in Masse aus den öffentlichen Plätzen umher, jauchzten laut auf, hielten rasende Tänze oder sielen wie todt darnieder. Besonders zeichneten sich dabei die Nonnen aus, welche ihre Klöster verlassen hatten. Man gewahrte unter ihnen Jungfrauen aus den edelsten Familien, welche von ihren Eltern und Verwandten vergeblich zur Rückkehr aufgefordert wurden. „Ihr seid nicht unsre Eltern," riefen sie, „denn ihr habt uns in die Häuser des Todes und der Hölle begraben." Die Verirrungen waren so ansteckend, daß selbst Edelfrauen und Töchter der Unigegend ihre Männer und Väter verließen und nach Münster eilten, namentlich eine Frau von der Recke mit drei Töchtern.

5. Geschichte der Neuzeit - S. 36

1887 - Wiesbaden : Kunze
36 Erste Periode der Neuzeit. nach Mantua auszuschreiben (1536). Allein da als Zweck desselben die Ausrottung der lutherischen Ketzerei angegeben wurde, so lehnten die Protestanten in gerechtem Unwillen über diese Verurteilung ihrer Glaubenssache ohne richterlichen Entscheid ihre Teilnahme ab und luden ihre Anhänger zu einer neuen Versammlung nach Schmalkalden ein, wo 1537 die förmliche Lossagung vom Papste erfolgte. Die zu diefem Zwecke abgefaßte Schrift Luthers, die sogenannten Schmalkaldener Artikel, bilden mit den beiden Katechismen Luthers, mit der Augsburger Konfession und der Apologie die symbolischen Bücher oder Bekenntnisschriften der lutherischen Kirche. 10. Die Wiedertäufer und die Jesuiten. Zwei Ereignisse jener Tage schienen den Fortgang der Reformation zu gefährden: der Unfug der Wiedertäufer in Münster und die Stiftung des Jesuitenordens durch Ignatius Loyola. Die Wiedertäufer. In der westfälischen Stadt Münster waren seit dem Bauernkriege häufig Unruhen zwischen den Bürgern und dem Bischof vorgekommen; der Prediger Rottmann hatte angefangen, die neue Lehre zu verkündigen. Darum mußte das Domkapitel es geschehen lassen, daß in den sechs Pfarrkirchen die evangelische Predigt gehalten wurde, während die Domkirche dem katholischen Gottesdienste verblieb. Allein bald brachen neue und gefährlichere Unruhen aus. Die Wiedertäufer hatten sich nach ihrer Niederlage in Sachsen in die Niederlande begeben. Von da kamen einzelne 1533 nach Münster. Unter diesen Schwärmern zeichneten sich der Bäcker Johann Matthiesen aus Harlem und der Schneider Johann Bockelson von Leyden aus. Als sie durch ihre Weissagungen das Volk aufregten, wurden sie aus der Stadt gewiesen. Allein sie kehrten zurück, brachten den Prediger Rottmann, den reichen Tuchhändler Knipperdolling und den Bürger Krechting auf ihre Seite und predigten in den Straßen Buße und Wiedertaufe. Durch ihre Reden und Prophezeiungen wurde die Menge bethört; überall standen Propheten auf und verirrte Jungfrauen, welche den Himmel offen und die Engel herabsteigen sahen. Die Weiber tobten in Masse auf den öffentlichen Plätzen umher, jauchzten laut auf, hielten rasende Tänze oder fielen wie tot nieder. Besonders zeichneten sich dabei die Nonnen aus, welche ihre Klöster verlassen hatten. Man gewahrte unter ihnen Jungfrauen

6. Theil 3 - S. 68

1875 - Leipzig : Brandstetter
68 vertrieben worden; doch tauchten ihre durch einzelne Flüchtlinge insgeheim verbreiteten Lehren bald anderer Orten hier und dort wieder auf. In Westfalen, wo einzelne Städte die Reformation gegen Adel und Geistlichkeit gewaltsam durchgesetzt hatten, zeigten sich alsbald Spuren wiedertäuserischer Lehren, besonders in Münster, wo der einflußreichste protestantische Prediger Namens Rottmann entschiedene Hinneigung zu dieser schwärmerischen Sekte kund gab. Als der wandernde Prophet Jan Matthiesen (ein Bäcker aus Leiden) mit seinem jungen Apostel und Landsmann, dem Schneider Johann Bockold (Johann vonleiden genannt), in Münster eingezogen war, erlangte ihre Partei alsbald einen so großen Einfluß, daß sie die städtische Verwaltung stürzen und alle Aemter des Raths und der Gemeinde mit ihren Glaubensgenossen besetzen konnten. In ihrer Habsucht und ihrem tollen Fanatismus verjagten sie die friedlichen Einwohner, welche die Wiedertaufe verweigerten, mitten im Winter hülflos aus der Stadt, indem sie deren Habe zur Verkeilung auf dem Rathhaufe aufsammelten. Es ward ein religiöses Gemeinwesen errichtet mit Gütergemeinschaft und unumschränkter Gewalt des prophetischen Oberhauptes, dessen Befehle auf göttliche Eingebung erfolgten — d. H. hier nach wahnwitziger Willkür. — Johann von Leiden ersetzte seinen Meister und Lehrer in dieser Würde, nachdem dieser bei einem Ausfall gegen das die Stadt umzingelnde Bifchöflich-Cölnifche Belagerungsheer gefallen war. Unter Johann von Leiden erreichte die unsinnige Schwärmerei den höchsten Grad. Er setzte einen Rath von zwölf Aettesten, unter welchen fein Henker Knipperdolling die erste Stelle einnahm. führte die Vielweiberei ein und nahm, vom Geiste Gottes getrieben, den Titel „eines Königs des neuen Israel" an. Mit der Krone und einer an goldener Kette hangenden Weltkugel geschmückt, hielt der „Schneiderkönig", tote er spottweise genannt ward, öffentliche Gerichtssitzung auf dem Markt m Münster, wo „der Stuhl Davids" stand, an welchem der Henker mtt dem Schwerte den nächsten Platz behauptete, des Königs Wink gewärtig. Es lohnt sich nicht bei dieser Verirrung — einer der traurigsten und widerlichsten in der deutschen Geschichte überhaupt — länger zu verweilen. Die von allen Seiten eingeschlossene Stadt gerieth in Hungersnoth; der Fanatismus steigerte sich bis zum letzten Augenblick. Die Gläubigen weissagten die Wiederkunft Christi und Vernichtung der Feinde, tote ihre Lehre denn -von vornherein auf den Blutdurst des Gottes Israels gegründet war. Endlich fanden die Belagerer den Weg in die Stadt. Rottmann stürzte sich in das dichteste Kampfgetümmel und fiel von den Lanzen der Kölner durchbohrt. Johann von Seiden mit feinen Getreuen Knipper-dolling und Krechting starben auf dem Markte zu Münster, wo vorher der heilige Thron gestanden, eines fürchterlichen und martervollen Todes.

7. Bilder aus der Kirchengeschichte - S. 67

1876 - Braunschweig : Bruhn
— 67 — nachdem man ihn aufl seinem Verstecke hervorgeholt hatte, in Mühlhausen hingerichtet. Das war das Ende dieser traurigen Ereignisse, die in der Geschichte unter dem Namen Bauernkriege bekannt stnd. Fast noch schrecklichere Dinge als die eben geschilderten ereigneten sich 10 Jahre später in Münster. Hier verkündete ein Prediger, Namens Bernhard Rottmann, ähnliche Lehren wie früher Thomas Münzer. Sein Anhang mehrte sich von Tag zu Tag, namentlich von den Niederlanden her. Die Sektirer hielten sich für die Auserwählten Gottes und als solche berufen, eine neue Ordnung der Dinge einzuführen. Wer zu ihnen übertrat, wurde aufs Neue getauft, weshalb man sie „die Wiedertäufer" nannte. 1533 kamen zwei Männer nach Münster, welche sich alsbalv der Herrschaft über die Schwärmer bemächtigten: Der Bäcker Johann Matthiesen von Harlemund Der Schneider Johann Bockold von Leyden (Johann von Leyden). Matthiesen trat als Prophet auf. Zu seinen vornehmsten Anhängern zählten außer Den Genannten Die Burger Knipperdolling und Krechting. Zu Anfang des Jahres 1534 brach die Rotte in offener Empörung gegen die Beffergesinnten Der Stadt los. „Hinweg mit den Kindern Esau's!" rief der Prophet, „die Erbschaft gehört den Kindern Jakob's!" „Hinweg mit den Gottlosen!" schrie die Menge in wahnsinniger Wuth und trieb Alle, die sich nicht saufen lassen wollten, zur Stadt hinaus, Viele nackt und bloß; selbst Kranke imb Greise würden nicht verschont. Jnbessen erschien alsbalb ein Kriegskeer vor der Stadt und der Prophet war der erste, der feine Schwärmerei mit dem Leben bezahlen mußte. Das brachte aber die Rotte nicht zur Besinnung; benn nun trat Johann von Leyben als König bcs neuen Zions an ihre Spitze. Sein Haupt schmückte eine golbene mit Juwelen besetzte Krone; an einer Kette um seinen Hals hing eine golbene Kugel mit der Inschrift: „Ein König der Gerechtigkeit über alle." An seiner Seite hing ein Schwert in gotbener Scheibe und in feiner Rechten trug er ein prachtvolles Scepter. Auf dem Markte war ein prächtiger Thron errichtet, auf beut der neue König breimal wöchentlich zu Gericht faß, umgeben von feinen 17 Frauen, benn neben der Gütergemeinschaft war auch die Vielweiberei eingeführt worben. Wahrenbbeß aber hatten die Truppen braupen die Stadt von allen Seiten eingeschlossen und von aller Derbinbung abgeschnitten. Der Hunger fing fein Regiment an und der Glaube an die neue Herrlichkeit nahm mehr und mehr ab. Aber Johann war nicht umsonst König geworden; er ließ jeden Wiberspenstigen feine königliche Macht fühlen, sogar eine seiner Frauen würde öffentlich enthauptet, als sie es wagte, Zweifel an feiner göttlichen Senbung laut werben zu lassen. — Am 25. Juni 1535 hatte die ganze Herrlichkeit ein Ende. Die Belagerer brangen in die Stadt und verhafteten den ganzen Hofstaat. Johann 5*

8. Ein Lese- und Lehrbuch für obere Klassen der Volksschulen - S. 188

1852 - Werl : Stein
188 fin Täufer wurde. Zwei der vornehmsten Wiedertäufer waren Johann Bockelsobu, ein Schneider ans Leiden, ge- wöhnlich Johann von Leiden genannt, und Matthlsen, ein Backer aus Harlem. Der Bischof, weicher sich schon geraume Zeit zu Telgte aufdielt, ermahnte, drohete, ver-, suchte ernste Maßregeln, allein Alles vergebens, der An- hang der neuen Lehre wuchs täglich. Eines Tags erhob ein Mönch aus Harlem, Heinrich Rulle, ein gewaltiges Geschrei, indem er wie besessen durch die Stadt rannte, und Alle zur Buße aufforderte, und prophetisch den Tag des Herrn ankündigte. Johann von Leiden und Bernard Knipperdölling, ein Tuchhärvdler aus Münster, ahmten ihm nach, durchliefen die Stadt mit entblößtem Haupte und gen Himmel gewandten Augen und schrieen Buße, Män- ner und Weiber folgten in verworrenen Zügen und schrieen in wilder Begeisterung, sie sähen die Herrlichkeit Gottes in den Wolken, Christum zur Rechten, umgeben von vielen Engeln, herabsteigen, um in Münster, dem neuen Jerusalem, zu herrschen. Diese Raserei benutzten die Anführer sich zu Herren der Stadt zu machen, bemäch- tigten sich des Rathhauses, nahmen die großen Waffen- vorräthe, und machten den wüthenden Knipperdölling zum Bürgermeister. Auch Weiber nahmen Theil und führten schreckliche Auftritte herbei. Der verderbliche Wahn griff so weit und so drohend um sich, daß Tausende der Besserdenkenden auswanderten. Die Wuth der Neuerer schonte selbst die Heiligthümer nicht, alles wurde zerstört, was an die frühere Zeit erinnerte. Nur die Bibel blieb unter den Büchern verschont. Matthisen war die höchste Person; er ordnete an, und Alle folgten willig. Alles Gold und Silber, alle Kostbarkeiten mußten der Verwal- tung von sieben Diakonen als Gemeingut übergeben wer- den. Einer that Einrede, und Matthisen ermordete ihn vor der ganzen Versammlung. Die Furcht vor seinem strafenden Zorne brachte alle seine Befehle zur Erfüllung. Als der Bischof die Stadt enge belagerte, rannte der Prophet Matthlsen bewaffnet durch die Stadt und schrie: Gott sei ihm im Traume erschienen und habe ihm ver- sprochen, die Feinde in seine Hände zu liefern. Darum wolle er mit wenigen Männern ausziehen und die Schaa- ren der Ungläubigen erschlagen Er machte darauf mit

9. Geschichte der neueren und neuesten Zeit - S. 34

1871 - Münster : Coppenrath
— 31 — welchem es hieß: „Gott habe einen außerordentlich frommen und heiligen Propheten (Matthisen), der das Wort Gottes rein und frei von allen menschlichen Zusätzen verkündige, nach Münster gesandt. Alle, denen ihr Heil am Herzen liege, möchten nur ihre Habe zurücklassen und mit Weib und Kind zu ihnen kommen, um Jerusalem und Zion zu sehen, und Salomo's Tempel und den rechten Gottesdienst wieder aufrichten zu helfen; hier sollten sie, außer dem himmlischen Schatze, zeitliche Güter vollan,' haben." Das war das Losungswort für den Pöbel der Umgegend, welcher sogleich mit Weib und Kind in Hausen nach Münster strömte, um in dem neuen Ziott sich in die Schätze der rechtlichen Bürger zu theilen. Als nun die Stadt in den Händen der Wiedertäufer war, wählten diese einen neuen Rath und den wüthenden Knipper-dolling zu einem der Bürgermeister. Furchtbar begann das abenteuerliche Reich. Kirchen und Klöster wurden rein ausgeplündert, zum Theil zerstört, Heiligthümer mit Füßen getreten, Bilder und Statuen zerschlagen, schriftliche Urkunden und Denkmäler zerrissen, alle gedruckten Bücher, bis auf Luther's Bibel, auf öffentlichem Markte verbrannt. Nichts sollte übrig bleiben, was an den vorigen Zustand erinnern könnte. Mehre Tausende der unglücklichen Bewohner, die sich nicht taufen lassen wollten, wurden unter Wuihgefchrei mit Prügeln aus der Stadt getrieben. Selbst Kranke, selbst Greife und säugende Mütter fanden bei der wilden Rotte kein Erbarmen. In den Jammer der unglücklichen Auswanderer tönte gräßlich das Gebrüll: „Thuet Buße, das Reich Christi ist uahe!" Matthiseu, der Prophet aus Hartem, hatte seitdem das höchste Ansehen in der Stadt erlangt. Er galt mehr als Bürgermeister und Rath; ohne ihn ward nichts mehr unternommen. Auf seinen Befehl wurde das Htzgeuthum der ausgewanderten Bürger in bestimmte Häuser zusammengetragen, und sieben Männer, Diakonen genannt, zu dessen -Verwaltung angeordnet. Einer der Anwesenden, welcher Einrede dagegen that, wurde > I

10. Westfalen - S. 28

1892 - Breslau : Hirt
für internationale Schulbuchforschun» 28 Blicke in die Vergangenheit Westfalens. & «unschweifl Ätfhilbuchbibüotwwi durchgeführt worden, wobei sich besonders der beredte Bernhard Rottmann als Prediger an der Lambertuskirche hervorgethan hatte. Münster ward von Wiedertäufern namentlich aus Holland fleißig heimgesucht, und Rottmann suchte sein Ansehen zu heben und zu stützen, indem er sich den schwärmerischen falschen Propheten an- schloß. Bald kamen nun auch in den ersten Tagen des Jahres 1534 der wiedertäuferische Prophet Johann Matthiesen, ein Bäcker aus Harlem und Johann Bockhold oder Bockelsohn, ein Schneider aus Lehden, einer feiner zwölf Apostel. Bei einem wohlhabenden, aber unruhigen Bürger, Knipperdolling, fanden sie Herberge. Ihre An- Hänger vermehrten sich mit jedem Tage. Des Abends erschienen sie auf den Straßen, zuweilen uackt, und riefen: „Thut Buße, das Himmelreich ist nahe; lasset euch umtaufen, sonst kommt der Zorn Gottes über euch!" Sie gaben vor, sie sähen am Himmel Reiter mit blankem Schwert auf weißem Roß, Männer mit goldenen Kronen auf den Häuptern; Schneider- und Schlossergesellen standen auf und predigten, Jungfrauen riefen Wehe über die Gottlosen. Bald wäre es zu einem Kampfe zwischen den Wiedertäufern auf der einen Seite und dem Rate samt den treugebliebenen Bürgern auf der anderen Seite gekommen, aber leider ging der damals noch mächtige Rat auf einen Vergleich ein. Die menschlichen und gött- lichen Gesetzen zuwiderlaufende Schonung der Aufrührer trug bittere Früchte. Von Stund au mehrte sich ihre Zahl; von allen Gegenden lief, wer gleichen Sinnes war, herzu, Männer ohne ihre Weiber, Weiber ohne ihre Männer, auch ganze Familien. Bei der neuen Ratswahl gewannen sie die Oberhand, besetzten alle Ämter in der Stadt mit ihren Leuteu und wählten Knipperdolling zum Bürger- meister. Bewaffnet kamen sie aus dem Rathause zusammen. Eine Weile lagen sie betend in tiefster Stille auf den Knieen; auf einen ihrer Propheten schien ein tiefer Schlaf gefallen zu sein; plötzlich fuhr er auf und rief: „Hinweg mit den Kindern Efaus! Die Erbschaft gehört den Kindern Jakobs!" Die andern verstanden ihn, rannten durch die Straßen und schrieen: „Heraus, ihr Gott- losen!" Es war ein stürmischer Wintertag, tief lag der Schnee, naß fielen die Flocken vom Himmel. Hochbetagte Leute, die fchon lange nicht mehr weiter als aus dem Bette auf den Lehnstuhl gekommen waren, Mütter, ein Kind auf dem Arme, wie sie es aus dem Schlafe geriffeu, ein Knäblein ohne Schuhe an der Hand, stießen sie hinaus in das Unwetter. So ging es allen, die bei ihrer ersten Taufe verharrten. Nun teilten sie die eingenommene Stadt und machten sich in den Häusern breit, wie der Sperling in dem fremden Neste. Das bewegliche Gut der Vertriebeneu schafften sie auf das Rathaus, und der Prophet Matthiesen bestimmte sieben Diener, welche den Gläubigen nach eines jeglichen Notdurft davon verabreichen sollten. 2. Da nahte der Rächer. Der Bischof von Münster schloß die Stadt mit Heeresmacht ein. Drin aber wurds immer toller. Alle Kunst- werke wurden zur Ehre Gottes verbrannt, desgleichen alle Schriften,

11. Katechismus der deutschen Geschichte - S. 150

1879 - Leipzig : Weber
150 Die Zeit der Auflösung in Staat und Kirche. § 165. In Münster kam es zu schlimmeren Vorgängen, als früher in Wittenberg (§ 159). Die lutherische Lehre war hier durch den Prediger Bernhard Rottmann verkündigt worden. Im Jahre 1534 aber kamen Wiedertäufer aus Holland hierher, denen Rottmann sich anschloß. Es waren zumeist religiöse Schwärmer, überspannte, excentrische Köpfe, wie Thomas Münzer (§ 160), aber auch Männer von rationalistischen Grundsätzen, die indeß allesammt den Vollzug der Taufe an Erwachsenen forderten, eine nahe Wiederkehr Christi verkündigten und eine Gemeinde von Heiligen ohne Obrigkeit und Priester mit Güter- und Weibergemeinschaft errichten wollten. Ihr Haupt und Prophet war Jan Matthys, ein Bäcker aus Haarlem, der mit seinem eifrigsten Anhänger Jan Bockelson oder Bockold, einem Schneider aus Leyden, in Münster erschien und einen großen Theil der Bevölkerung für seine Lehren gewann. Sie vertrieben den Magistrat und die reicheren Bürger, auch den Bischof der Stadt, und führten Gemeinschaft der Güter ein. Ein Jeder mußte, was er an Geld und Kostbarkeiten besaß, in einen öffentlichen Schatz niederlegen, die Kirchen wurden ihrer Reichthümer beraubt, alle Bilder und Bücher außer der Bibel verbrannt, Vielweiberei wurde eingeführt. Als der vertriebene Bischof, von Philipp von Hessen und anderen Fürsten unterstützt, die Stadt mit Truppen umschloß, Jan Matthys bei einem Ausfall getödtet war, machte sich Jan Bockold (Johann von Leyden) zum König von Münster, und nun begann ein tolles und zugleich blutiges Regiment. Alle Unzufriedenen wurden getödtet, Johann und sein Anhang lebten im schrankenlosesten Genuß sinnlicher Freuden, während Apostel in alle Welt ausgesandt wurden, für dieses „himmlische Reich" Propaganda zu machen. Aber gar bald ging es mit der Herrlichkeit desselben zu Ende. Die Stadt wurde von den Belagerern 1535. ausgehungert und in der Nacht zum 25. Juni 1535 durch verräterische Bürger dem Heere des Bischofs geöffnet. Nach blutigem Kampf wurden Johann von Leyden, sein Scharfrichter Knipper-dolling und sein Kanzler Kreckting gefangen, in mehreren deutschen Städten zur Warnung der Bewohner untergeführt, und dann

12. Geschichte der neueren Zeit - S. 34

1876 - Mainz : Kunze
34 Erste Periode der neueren Geschichte. die Protestanten in gerechtem Unwillen über biefe Verurteilung ihrer Glaubenssache ohne richterlichen Entscheib ihre Theilnahme ab und luben ihre Anhänger zu einer neuen Versammlung nach Schmalkalben ein, wo die förmliche Lossagung vom Papste erfolgte (1537). Die zu biesem Zwecke abgefaßte Schrift Luthers, die sogenannten Schmalkalber Artikel, die beibert Katechismen Luthers, bilben mit der Augsburger Consession und der Apologie die symbolischen Bücher ober Be-kenntnisschriften der lutherischen Kirche. io. Die Wiedertäufer und die Jesuiten. Zwei Ereignisse jener Tage schienen den Fortgang der Reformation zu gefährden: der Unfug der Wiedertäufer in Münster und die Stiftung des Jesuitenordens durch Ignatius Loyola. 'taufet^1 Ju der westfälischen Stadt Münster waren seit dem Bauernkriege Johann häufig Unruhen zwischen den Bürgern und dem Bischof vorgekommen; jj?jttbieien, der Prediger Rottmann hatte angefangen die neue Lehre zu versündigen. Darum mußte das Domcapitel es geschehen lassen, daß in den sechs Pfarrkirchen die evangelische Prebigt gehalten würde, währenb die Dom-kirche dem katholischen Gottesbienste verblieb. Allein balb brachen neue und gefährlichere Unruhen aus. Die Wiebertäufer hatten sich nach ihrer Nieberlage in Sachsen in die Nieberlanbe begeben. Von ba B°Ä°7und kamen einzelne nach Münster. Unter biesen Schwärmern zeichneten ihre Genossen sich der Bäcker Johann Matthiesen aus Harlem und der Schneider Johann Bockelson von Leyben aus. Als sie durch ihre Weissagungen das Volk aufregten, wurden sie aus der Stadt gewiesen. Allein sie kehrten zurück, brachten den Prediger Rottmann, den reichen Tuchhändler Knipperdolling und den Bürger Krechting auf ihre Seite und predigten in den Straßen Buße und Wiedertaufe. Durch ihre Reden und fünfte? Prophezeiungen wurde die Menge bethört; überall standen Propheten gräulichen ans und entzückte Jungfrauen, welche den Himmel offen und die Engel ^1533-34°"' herabsteigen sahen. Die Weiber tobten in Masse auf den öffentlichen Plätzen umher, jauchzten laut auf, hielten rasende Tänze oder fielen wie tobt nieber. Besonbers zeichneten sich babei die Nonnen aus, welche ihre Kloster verlassen hatten. Man gewahrte unter ihnen Jungfrauen aus den ebelsten Familien, welche von ihren Eltern und Verwanbten vergeblich zur Rückkehr aufgestöbert würden, „Ihr seid nicht unsere Eltern," riefen sie, „denn ihr habt uns in die Häuser des Todes und der Hölle begraben." Die Verirrungen waren so ansteckend, daß selbst Edelfrauen und Töchter der Umgegend ihre Männer und Väter ver-

13. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 326

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 326 — Zur Zeit der Reformation nämlich standen tolle Schwärm- geister ans, eiferten gegen die Kindertaufe, gegen alle Ordnung und Sittenzncht, wollten keine Festtage, keine Sakramente, kein Predigt- amt mehr, verbrannten selbst die heilige Schrift, weil sie meinten, sie hätten selber den heiligen Geist, lebten aber in schändlichen Lüsten und wollten das alles durch das falsch verstandene Evangelium verteidigen. Solche Schwärmer durchwanderten als Apostel die Länder, weissagten die Umwandlung aller Dinge, das Erschlagen aller Erstgeburt Aegyptens und den Beginn eines seligen Lebens der Auserwählten in dem Königreiche Christi ohne Gesetze, ohne Obrigkeit, ohne Ehe, in Genuß und Überfluß. Nun war in Münster die Reformation seit 1524 unter mancherlei Wirren und Kämpfen durchgeführt worden, wobei sich besonders der beredte Bernhard Rottmann als Prediger an der Lambertnskirche hervorgethan, dann aber seinen guten Ruf verloren hatte und mit dem Rate der Stadt in bitterem Streite lag. Münster ward von Wiedertäufern nament- lich aus Holland fleißig heinigesucht, und Rottmann suchte sein Ansehen zu heben und zu stützen, indem er sich den schwärmerischen falschen Propheten anschloß. Bald kamen nun auch in den ersten Tagen des Jahres 1534 der wiedertäuferische Prophet Johann Matthiefen, ein Bäcker aus Haarlem, und Johann Bockhold oder Bockelsohn, ein Schneider aus Leyden, einer seiner zwölf Apostel. Bei einem wohlhabenden, aber unruhigen Bürger, Knipperdolling, fanden sie Herberge. Ihre Anhänger vermehrten sich mit jedem Tage. Des Abends erschienen sie auf den Straßen, zuweilen nackt, und riefen: „Thnt Buße, das Himmelreich ist nahe; lasset euch umtaufen, sonst kommt der Zorn Gottes über euch!" Sie gaben vor, sie sähen am Himmel Reiter mit blankem Schwert auf weißem Roß, Männer mit goldenen Kronen auf den Häuptern; Schneider- und Schlofsergesellcu standen auf und predigten, Jungfrauen riefen Wehe über die Gottlosen. Bald wäre es zu einem Kampfe zwischen den Wiedertäufern auf der einen Seite und dem Rate samt den trengebliebenen Bürgern auf der anderen Seite gekommen, aber leider ging der damals noch mächtige Rat aus eiuen Vergleich ein. Die menschlichen und göttlichen Gesetzen zuwiderlaufende Schonung

14. Bd. 2 - S. 55

1854 - Leipzig : Engelmann
Die Begründung der neuen Zustände unter Karl V. 55 Kadan) das Geschehene gutheißen. In Kurzem war in ganz Würtemberg die Kirche umgewandelt. Das Evangelium, dessen Trost Ulrich im Unglück empfun- den, wurde dem Volke, das wahrend der östreichischen Landesverwaltung den frü- hern Druck vergessen, und dem angestammten Herrscher freudig entgegenkam, durch Brentz und Schneps in lutherischem Sinn mitgetheilt. — Bald fand auch in andern Gegenden des Oberlandes, wo der schwäbische Bund bisher die evange- lischen Regungen niedergehalten hatte, die Reformation Eingang. Markgraf Bernhard von Baden, mehrere grundherrliche Familien und Reichsstädte, so wie ein Theil des Elsasses traten der neuen Kirche bei. Tübingen wurde eine der vornehmsten Pflanzstätten der protestantischen Gelehrsamkeit. §.480. Die Wiedertäufer in Münster (1533—1535). Wäh- rend des Bauernkriegs waren die sächsischen Wiedertäufer, die ihre Leiden- schaften für göttliche Eingebung gehalten, größtentheils vernichtet worden (§. 461.); aber ihre durch Flüchtlinge insgeheim fortgepflanzten schwärme- schen Lehren tauchten hie und da wieder auf, so sehr sie auch von jeder gesetzmäßigen Obrigkeit ausgestoßen und von deutschen und helvetischen Re- formatoren bekämpft wurden. In Westfalen hatte in mehreren Städten, wie Soest, Paderborn u. a., die von dem Bürgerstand geforderte, vom Adel und Klerus bekämpfte Reformation etwas gewaltsam gesiegt, und in Münster war der Bischof mit den Domherren und einigen dem alten Glauben ergebenen Stadträthen vertrieben und nur gegen das Versprechen, die freie Predigt des Evangeliums fürder nicht hindern zu wollen, wieder zugelassen worden. Bald aber zeigte es sich, daß der einflußreichste Prediger derstadt, Rottmann, wiedertäuferiscbeansichten hege (§.456.) Umsonst widerstrebten ihm die Gemäßigtern im Rath und in der Bürgerschaft; sein Talent und einnehmendes Wesen erwarben ihm Anhänger, und als von den Niederlanden her, wo die wiedertäuferischen Lehren in dem zahlreichen Gewerbstand einen fruchtbaren Boden gefunden, der wandernde Prophet Jan Matthys (ein Bäcker aus Leiden) mit seinem Landsmann und Jünger, dem Schneider Joh. Bockold (genannt Johann von Leiden) in Münster einzog, erlangte ihre Partei bald so sehr das Uebergewicht, daß sie die städ- tische Verwaltung stürzten, den Rath und alle Aemter mit ihren Glaubens- genossen besetzten und endlich, von Fanatismus und Habsucht getrieben, ihre die Wiedertaufe verwerfenden Mitbürger mitten im Winter hülflos aus der Stadt jagten und deren Habe unter sich theilten. Nun errichteten sie ein religiöses Gemeinwesen, worin Matthys unumschränkte Gewalt besaß, Gütergemeinschaft einführte, Propheten aussandte und die Ver- theidigung der mit Kriegs- und Mundvorrath reichlich versehenen Stadt gegen das Belagerungs Heer des von Köln und Hessen unterstützten Bischofs ordnete und leitete. Am höchsten stieg die Schwärmerei, als Matthys bei einem Ausfall getödtet ward und Bock old an die Spitze des Gemeinwesens trat. Dieser übertrug zuerst (in Folge göttlicher Eingebung!) das Regiment der Stadt den aus den ärgsten Schwärmern ausgcwählten 1534.

15. Die Geschichte des deutschen Volkes - S. 309

1845 - Berlin : Klemann
-Wiederherstellung Ulrichs v. Würtemb. 1534. Die Wiedertäufer in Münster. 1534. 35. 309 ter der Bedingung, daß die Fürsten, welche Ferdinand bis dahin noch nicht als deutschen König anerkannt hatten, dies jetzt thun sollten. _ Darauf be- hielt Ulrich das Herzogthum, aber als Afterlehen von Oesterreich; die wür- tembergischen Landstande erkannten jedoch solche Afterlehnschaft nicht an. Zur selben Zeit war ein gar seltsam Wesen in der Stadt Münster in Westphalen, eine höchst gefährliche religiöse und politische Schwärmerei, so daß alle deutschen Fürsten, die protestantischen so gut wie die katholischen, besorgten: sie möchte sich, wie eine Seuche, weiter in ihren Landen aus- breiten. Nämlich die Sekte der „Wiedertäufer", welche sich besonders durch Thomas Münzer erhoben hatte, war durch dessen Tod noch keines- wegs ausgerottet, sondern zeigte sich, bald hie bald da, noch in ganz Deutschland; ihren Hauptsitz aber hatte sie in den Niederlanden. Die Wie- dertäufer verwarfen die Taufe der unwissenden Kinder und tauften erst die Erwachsenen, auf daß diese durch die Taufe zu neuen Menschen würden, und wollten allesammt als geistlich Wiedergeborene, als Volk Gottes, auch eine neue bürgerliche Ordnung haben. Dabei verstanden sie das hohe We- sen der wahren Freiheit gar schlimm; denn wahre Freiheit ruht stets auf Sittlichkeit und bürgerlicher Ordnung. Die Wiedertäufer aber suchten den Staat nach dem Muster Israels im alten Testament, das sie blind nach- äfften, einzurichten. Zwei solche Wiedertäufer, Johann Bockelson aus Leyden (gemeinhin bloß Johann von Leyden genannt), seines Hand- werks ein Schneider, dazu auch Poet, ein Mensch voll abenteuerlicher Ge- danken, und Johann Mathieson, ein Bäcker aus Haarlem, waren nach Münster gekommen, wo kürzlich ein kühner Prediger, Namens Rottmann, die evangelische Lehre eingeführt, und wo sich das Volk mit Gewalt gegen den Glaubensdruck des Bischofs und des Domkapitels aufgelehnt hatte, so daß diese aus der Stadt entwichen waren. Jene beiden Wiedertäufer ver- führten nun den Prediger Rottmann und entzündeten das ohnehin aufge- regte Volk durch ihre Predigten und vorgeblichen überirdischen Erscheinun- gen gar bald zur tollsten Schwärmerei. Mathieson, welcher ein so unge- heures Ansehn erlangt hatte, daß ihn das Volk bloß den „großen Prophe- ten" hieß, taufte die Bürger aufs neue, bestellte 1534 eine neue Obrigkeit, führte allgemeine Gleichheit und Gemeinschaft aller Güter ein (und dabei ward der schändlichsten Unsittlichkeit Thür und Thor geöffnet), ließ alle Bü- cher bis auf die Bibel verbrennen und alle Kostbarkeiten in ein Haus Zu- sammentragen, zum Gemeinschatz. Wer dieser Thorheit widerstrebte, wurde von den Schwärmern verbannt oder unter Martern getödtet. Draußen vor der Stadt aber lag der zürnende Bischof mit seinem Kriegsvolk. Da rief eines Tages Mathieson, der sogenannte große Prophet: „Gott hat mir geboten, die Feinde zu vertreiben!" — Sprach's und nahm eine Waffe und rannte wie wahnsinnig zum Thore hinaus; aber siehe, draußen stieß ihn der erste beste Landsknecht nieder. Als dies Johann von Leyden erfuhr, sprach er gleißnerisch zu dem fanatischen Volke: „Gott hat mir dies Mär- tyrerthum des Propheten schon lang vorher geoffenbart; jetzt aber gebot er mir, daß ich des Märtyrers Witt'we, Divara, zur Frau nehme und des Himmels Regiment in dieser Stadt bestelle." Gesagt, gethan! Johann Von Leyden bestellte nun zwölf Richter über das Volk und gab das Gesetz: „Jeder Mann soll so viel Frauen nehmen, als er will." Da entstand eine abscheuliche Zuchtlosigkeit in Münster, und Johann von Leyden ging dabei Allen mit bösem Beispiel voran. Bald darauf stand auch ein anderer Lü- genprophet auf und verkündigte dem betrogenen Volk Folgendes: „Mir ist

16. Die Neue Zeit - S. 22

1895 - Leipzig : Dürr
22 phantastischen Einfällen und zu einem wüsten Treiben. So wollten sie die Gütergemeinschaft der ersten christlichen Gemeinden wiederherstellen und billigten deshalb einen gewaltsamen Umsturz der bestehenden staatlichen Ordnung. Im Jahr 1534 bemächtigten sie sich der Stadt M ü n st e r. Hier hatte ein Prediger, Bernhard Rottmann, der protestan- tischen Lehre Eingang verschafft, und der Bischof Franz vonwaldeck war dem Verlangen der Bürger nicht schroff entgegengetreten, sondern hatte nur für sich und das Stift den katholischen Gottesdienst aus- bedungen. Aber Rottmann neigte sich der Lehre der Wiedertäufer zu und lockte dadurch Glaubensgenossen aus den Niederlanden herbei. Unter den Eingewauderten waren die eifrigsten Johann Matths aus Hartem, einer der beredtesten Führer der Sekte, und dessen sehr begabter Schüler, der Schneider und Gastwirt Johann Bockelson aus Leiden (Johann von Leiden). Die Wiedertäufer zwangen den Rat, abzudanken, und trieben alle, die sich nicht taufen ließen, 51t den Thoren hinaus. Gleichzeitig aber erbat sich auch der Bischof die Hilfe der benachbarten Fürsten und belagerte die Stadt. Bei einem Ausfalle wurde der Prophet Matths getötet, der einzige, der noch Mäßigung gezeigt hatte. Nun brachen in der von der Außenwelt ab- gesperrten Stadt alle Leidenschaften hervor, die eine überspannte reli- giöse Aufregung wachrufen kann. Die Gütergemeinschaft wurde streng durchgeführt, alles Geld und alle Vorräte mußten in den gemeinschaft- lichen Schatz abgeliefert werden, die Vielweiberei wurde erlaubt, und Johann von Leiden machte sich zum König des „neuen Jerusalems". Solange die Lebensmittel ausreichten, hatte es keine Not, aber als der Hunger die Menschen erschreckte, konnte nur eine despotische Gewalt den Gehorsam aufrecht erhalten. Der König,sein Kanzler Kr e ch t in g und sein Henker, der Bürgermeister K ni p p e r d 0 l l i n g, bestraften jeden Wider- spruch mit dem Tode. Um dem Elend ein Ende zu machen, verrieten einige Bürger, die in das bischöfliche Lager entflohen waren, eine weniger gut verteidigte Stelle des Walles. Der Sturm wurde unter- nommen, die Mauer überstiegen und die Stadt nach einem hartnäckigen Straßenkampfe erobert (im Juni 1535). Johann von Leiden, Krechting und Knipperdolling gerieten in Gefangenschaft und erlitten einen qual- vollen Tod durch Henkershand. Sie wurden eine Stunde lang mit glühenden Zangen gezwickt und dann umgebracht. Ihre Körper legte man in einen eisernen Käsig und hing diesen am höchsten Turme der Stadt, am Lambertusturme, auf. Mit dem Sektenwesen ging auch die

17. Lehrbuch der Weltgeschichte - S. 363

1847 - Leipzig : Engelmann
153 Die Begründung der neuen Zustände unter Karl V. 363 Laufen am Neckar und gab das mit leichter Mühe eroberte Herzog- thum dem rechtmäßigen Gebieter zurück. Ferdinand, der umsonst den Papst um Hülfsgelder angegangen, mußte (durch den Vertrag von Kadan) das Geschehene gutheißen. In Kurzem war in ganz Würtembcrg die Kirche umgewandelt. Das Evangelium, dessen Trost Ulrich im Unglück empfunden, wurde dem Volke, das den frühern Druck vergessen, und dem angestammten Herrscher freudig entgegenkam, durch Brentz und Schnepf in lutherischem Sinn mitgetheilt. Bald fand auch in andern Gegenden des Oberlandes, wo der schwäb. Bund bisher die evangelischen Regungen niedergehalten hatte, die Reformation Eingang. Markgraf Bernhard von Baden, mehre grundherrliche Familien und Reichsstädte, so wie ein Theil des Elsasses traten der neuen Kirche bei. Tübingen wurde eine der vornehmsten Pflanzstätten der Protest. Gelehrsamkeit. §. 448. Die Wiedertäufer in Münster (1533 —1535). Während des Bauernkriegs waren die sächsischen Wiedertäufer, die ihre Leidenschaften für göttliche Eingebung gehalten, größtentheils vernichtet worden; aber ihre durch Flüchtlinge insgeheim fortgepflanzten schwär- merischen Lehren tauchten hie und da wieder auf, so sehr sie auch von jeder gesetzmäßigen Obrigkeit ausgestoßen und von deutschen und hel- vetischen Reformatoren bekämpft wurden. In Westphalen hatte in mehren Städten, wie Soest, Paderborn u. a., die von dem Bürger- stand geforderte, vom Adel und Klerus bekämpfte Reformation etwas gewaltsam gesiegt und in Münster war der Bischof mit den Dom- herren und einigen dem alten Glauben ergebenen Stadträthen vertrie- den und nur gegen das Versprechen, die freie Predigt des Evangeliums fürder nicht hindern zu wollen, wieder zugelassen worden. Bald aber zeigte es sich, daß der einflußreichste Prediger der Stadt, Rottmann, wiedertäuferische Ansichten hege. Umsonst widerstrebten ihm die Ge- mäßigtem im Rath und in der Bürgerschaft; sein Talent und einneh- mendes Wesen erwarben ihm Anhänger, und als von den Nieder- landen her, wo die wiedertäuferischen Lehren in dem zahlreichen Ge- werbstand einen fruchtbaren Boden gefunden, der wandernde Prophet Jan Matthys (ein Bäcker aus Leiden) mit seinem Landsmann und Jünger, dem Schneider Joh. Bockold (genannt Johann von Leiden) in Münster einzog, erlangte ihre Partei bald so sehr das Uebergewicht, daß sie die städtische Verwaltung stürzten, den Rath und alle Aemter mit ihren Glaubensgenossen besetzten und endlich, von Fanatismus und Habsucht getrieben, ihre, die Wiedertaufe verwerfenden Mitbürger mit- ten im Winter hülflos aus der Stadt jagten und deren Habe unter sichtheilten. Nun errichteten sie ein religiöses Gemeinwesen, worin Matthys unumschränkte Gewalt besaß, Gütergemeinschaft ein-

18. Bd. 2 - S. 63

1883 - Leipzig : Engelmann
§. 596 Die Begründung der neuen Zustände unter Karl V. 63 der schwäbische Bund dasselbe für den Ersatz der Kriegskosten an den Kaiser verpfändet und dieser seinen Bruder Ferdinand damit belehnt hatte. Als Ferdinand aber anfing, das Land als sein Eigenthum zu behandeln, erwachte das Mißtrauen der Fürsten, besonders der bayerischen. Sie begünstigten daher die Flucht von Ulrichs Sohn aus österreichischer Gefangenschaft in demselben Augenblick, als die Auflösung des schwäbischen Bundes dem Landgrafen Philipp von Hessen den Gedanken eingab, den an seinem Hofe als Flüchtling lebenden Herzog nach Würtemberg zurückzuführen. Unterstützt von Frankreich durch Geldsummen, zog Philipp mit einem wohlgerüsteten Heer nach Schwaben, besiegte den österreichischen Statthalter bei Lausen am Neckar und gab das mit leichter Mühe er-eroberte Herzogthum dem rechtmäßigen Gebieter zurück. Ferdinand, der umsonst den Papst um Hülfsgelder angegangen, mußte in dem Vertrag vonkadan das Geschehene gutheißen. In Kurzem war in ganz Würtemberg die Kirche umgewandelt. Das Evangelium, dessen Trost Ulrich im Unglück empfunden, wurde dem Volke, das während der österreichischen Landesverwaltung den frühern Druck vergessen hatte und dem angestammten Herrscher freudig entgegenkam, durch Johannes Brentz und Schnepf in lutherischem Sinn mitgetheilt. Bald fand auch in andern Gegenden des Oberlandes, wo der schwäbische Bund bisher die evangelischen Regungen niedergehalten hatte, die Reformation Eingang. Markgraf Bernhard von Baden, mehrere grundherrliche Familien und Reichsstädte, so wie ein Theil des Elsasies traten der neuen Kirche bei. Die von Graf Eberhard im Bart im I. 1477 gegründete Universität Tübingen wurde eine der vornehmsten Pflanzstätten der protestantischen Gelehrsamkeit. §. 596. Die Wiedertäufer in Münster (1534—1535). Während des Bauernkriegs waren die sächsischen Wiedertäufer, die ihre Leidenschaften für göttliche Eingebung gehalten, größtentheils vernichtet worden (§. 577); aber ihre durch Flüchtlinge insgeheim fortgepflanzten schwärmerischen Lehren tauchten hie und da wieder aus, so sehr sie auch von jeder gesetzmäßigen Obrigkeit ausgestoßen und von deutschen und helvetischen Reformatoren bekämpft wurden. In Westfalen hatte in mehreren Städten, wie Soest, Paderborn u. ct., die von dem Bürgerstand geforderte, vom Adel und Klerus bekämpfte Reformation gewaltsam gesiegt, und in Münster war der Bischof mit den Domherren und einigen dem alten Glauben ergebenen Stadträthen vertrieben und nur gegen das Versprechen, die freie Predigt des Evangeliums fürder nicht hindern zu wollen, wieder zugelassen worden. Bald aber zeigte es sich, daß der einflußreichste Prediger der Stadt, Rottmann, wiedertäuserische Ansichten hege (§. 572). Umsonst widerstrebten ihm die Gemäßigten im Rath und in der Bürgerschaft; sein Talent und einnehmendes Wesen erwarben ihm Anhänger, und als von den Niederlanden her, wo die Wiedertäuferischen Lehren in dem zahlreichen Ge-werbstand einen fruchtbaren Boden gefunden, der wandernde Prophet Jan Matthiesen (ein Bäcker aus Leiden) mit seinem Landsmann und Jünger, dem Schneider Johann Bockold (genannt Johann von Leiden) in Münster einzog, erlangte ihre Partei bald so sehr das Uebergewicht, daß sie die städtische Verwaltung stürzten, den Rath und alle Aemter mit ihren Glaubensgenossen besetzten und endlich, von Fanatismus und Habsucht getrieben, ihre die Wiedertaufe verwerfenden Mitbürger mitten im Winter hülflos aus der Stadt jagten und deren Habe unter sich theilten. Nun errichteten sie ein religiöses Gemeinwesen, worin Matthiesen unumschränkte Gewalt besaß, Gütergemeinschaft einführte, Propheten aussandte und die Vertheidigung der mit Kriegs- und Mund-vorrath reichlich versehenen Stadt gegen das Belagerungsheer des von Köln und Hessen unterstützten Bischofs ordnete und leitete. Am höchsten stieg 1534. 1534.

19. Kurze Darstellung der deutschen Geschichte - S. 123

1872 - Gütersloh : Bertelsmann
Die Religionsangelegenheiten in Dentschland. 183 zu, und ©oltmatt, der drei Jahre zu diesem Zuge gerüstet hatte, kehrte plötzlich in Ungarn wieder um, als er jene Einigkeit sah. 6. Die Wiedertäufer in Münster. 1533—1534. In den zunächst folgenden Jahren fielen unglückliche Auftritte zu Münster in Westfalen vor. In Hollonb hatte sich die Sekte der Wiedertäufer gebildet, welche Thomas Münzers Lehren von der Gleichheit aller Menschen, der Gütergemeinschaft, und von unmittelbaren göttlichen Eingebungen, bereit einige Geweihte gewürdigt würden, aufgefaßt und noch die Lehre von der Nothwenbigkeit einer zweiten Taufe für biejenigen, welche bett Zorn Gottes vermeiben wollten, hinzugefügt hatte. Diese Lehre kam butrch einen Schneider, Johann B ockelson von Lei)bett, bnrch einen feurigen, schwärmerischen Mattn, nach Münster. Er brachte bett Prebiger Rottmann, der eben die lutherische Lehre in Münster ausgebreitet hatte, auf seine ©eite und beibe zusammen hatten balb, wie einst Münzer in Mühlhausen, durch ihre, der Sinnlichkeit schmeichelnde, Schwärmerei die Masse des Volkes bethört. Der alte Magistrat wurde abgesetzt, die vermögenderen und besonnenem Bürger aus der Stadt getrieben und der Pöbel führte die Herrschaft. Es traten Propheten auf, welche göttliche Eingebungen wollten erhalten haben, um das Unerhörteste einzuführen. Jeder Bürger mußte sein Gold und Silber und sonstige Kostbarkeiten in den allgemeinen Schatz liefern, woraus natürlich die Anführer das beste nahmen; es wurde sogar das Gesetz gegeben, daß es der christlichen Freiheit gemäß sei, mehrere Frauen zu haben, und Johann von Leyden gab das Beispiel, indem er ihrer dreie nahm. Ja, endlich wurde Johann nach dem Worte eines Propheten, zum König des ganzen Erdkreises ausgerufen, der den Stuhl Davids wieder aufrichten werde; und mit dieser Verkündigung wurden 28 Apostel in alle Welt ausgesendet, sie dem neuen Könige zu unterwerfen. Sie wurden indeß, wohin sie kamen, ergriffen und meistentheus hingerichtet. Eine Zeitlang erhielten Lustbarkeiten und Ausschweifungen den allgemeinen Taumel, bald aber erschien das Heer des Bischofs und seiner Verbündeten, dem Unwesen ein Ende zu machen. Um Blut zu schonen, und weil der schwärmerische Haufe sich auf das tapferste wehrte, wurde kein ©türm unternommen; der Hunger sollte die Uebergabe erzwingen. Mit unglaublicher Hartnäckigkeit, die bei einer bessern Sache des höchsten Lobes würdig gewesen wäre, hielten die Belagerten auch das Elend der Hungersnoth aus, bis endlich ein paar Bürger, des Jammers müde, das bischöfliche Heer bei Nacht, auf geheimem Wege, in die Stadt führten. Nach Mutigem Kampfe in den Straßen und auf dem Markte wurden die Wiedertäufer überwältigt, Johann von Leyden, Knipperdolling, fein Scharfrichter, und Krechting, sein Kanzler, gefangen genommen und mit dem Tode bestraft. Nachdem sie mit glühenden Zangen gezwickt waren, wurde ihnen ein Schwert ins Herz gestoßen, ihre Körper aber in eisernen Käfigen an dem höchsten Thurme der Stadt aufgehängt. 59. Karls V. Kriege mit Franz I. von Frankreich. Während alles dieses in Deutschland vorging, war der Kaiser Karl tttei-stentheils mit wichtigen auswärtigen Unternehmungen beschäftigt. In Frankreich regierte der kriegerische und ehrgeizige König Franz I., der auf des Kaisers große Macht höchst eifersüchtig war. Er hatte schon zu Maximilians Zeit Mailand erobert und richtete ferner seine Blicke auf das schöne Land Neapel, wogegen ihm Karl nicht einmal bett ungerechten Besitz von Mailand zu belassen ge-

20. Bd. 1 - S. 945

1835 - Eisleben : Reichardt
945 Preußischer Staat. selben der Sarg des heiligen Ludgerus von massivem Silber. Seit 1834 hat die Domkirche eine neue Zierde erhalten durch die Einsetzung von Fensterglasmalereien, die sich sonst in dem Kreuzgange des Abtei- gebäudes zu Marienfeld befanden. — An dem Thurme der ansehn- lichen Lambertikirche, dem höchsten unter den Thürmen Münsters, sieht man in einer schwindelnden Höhe 3 eiserne Käsige, worin die mit glühenden Zangen zerrissenen Leichname der 3 berüchtigten Anführer der Wiedertäufer zu Münster Johannbockold, Krechting, und Knipperdolling geworfen wurden, nachdem 1534 der Bifchof von Münster seine aufrührerische Stadt wieder unter seine Gewalt gebracht hatte. Jener Bockold, ein Schneider aus Leyden, und daher später- hin Johann von Leyden genannt, der zur Sekte der Wiedertäufer gehörte, kam 1533 nach Münster, welches damals ein Sammelplatz der Wiedertäufer war, warf sich zum Propheten auf und verkündigte ein neues Reich Christi auf der Erde, die Ausrottung aller Tyrannen nebst völliger Freiheit und Gleichheit. Münster ward nrmmehr ein Schauplatz fanatischer und aufrührerischer Auftrite. Johann erklärte sich zum Könige des neuen Zions, predigte die Nothwendigkeit der Vielweiberei, legte sich einen Hofstaat, eine Leibwache, einen Harem von 16 Weibern zu, ließ Münzen mit seinem Namen prägen. Wer ihm zuwider war, ward hingerichtet; ja seine oberrichterliche Strenge ging so weit, daß er einer von seinen Gemahlinnen mit eignen Handen den Kopf abhieb. Knipperdolling gab seinen Reichsstatthalter ab. Dieses Unwesen wahrte so lange, bis die Stadt Münster 1534, nach einer hartnäckigen Bela- gerung, eingenommen ward. Die Rheinprovinz, a) Jülich-Cleve-Berg. Düsseldorf, Hauptstadt des gleichnamigen Regierungsbezirks, in einer schönen, fruchtbaren Ebene, am Rhein, da wo die Düssel sich in denselben ergießt, ist eine der schönsten Rheinstädte und von 24,000 Menschen bewohnt. Sie besteht aus 3 Theilen, aus der Altstadt, welche das eigentliche ursprüngliche Düsseldorf ist, aus der Karls st a dt, welche vom Kurfürsten Karl Theodor im I. 1787 an der Südseite der Altstadt erbaut wurde, und aus der Neustadt, zu Anfang des vorigen Jahrhunderts erbaut. Die beiden erstern Theile bilden ein zusammenhangendes Ganzes; die Neustadt aber liegt.in einer Entfer- nung von 20,000 Schritten, am Rhein hin und ist ganz offen. Der schönste Theil von Düsseldorf ist die Karlsstadt, welche aus meh- reren Quadraten besteht, die einen großen viereckigen Platz einschließen. Die schönste Straße in derselben ist die Alleestraße oder neue Prome- nade, welche jetzt den Namen Friedrich-Wilhelmsstraße führt. Auch die Neustadt, vornehmlich die Hauptstraße, ist schön gebaut, und hat viele prächtige Hauser. Dagegen ist die Altstadt meist eng, finster und unfreundlich, besonders der auf der Nordseite der Düssel liegende Theil ' .60