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1903 -
Essen
: Baedeker
- Autor: Heinecke, August
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Berufsbildung
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Gewerbegericht und Einigungsamt.
385
1. von den Handwerkerinnungen, welche im Bezirk der Handwerks-
kammer ihren Sitz haben, aus der Zahl der Innungsmitglieder,
2. von denjenigen Gewerbevereinen und sonstigen Vereinigungen,
welche die Förderung der gewerblichen Interessen des Hand-
werks verfolgen, mindestens zur Hälfte ihrer Mitglieder aus
Handwerkern bestehen und im Bezirk der Handwerkskammer
ihren Sitz haben, aus der Zahl ihrer Mitglieder, soweit denselben
nach den Bestimmungen dieses Gesetzes die Wählbarkeit zu-
steht Mitglieder, welche einer Innung angehören oder nicht
Handwerker sind, dürfen sich an der Wahl nicht beteiligen.
Auch bei der Handwerkskammer besteht ein Gesellenausschuß,
dessen Mitglieder von den Gesellenausschüssen bei den Innungen
gewählt werden.
Der Gesellenausschuß muß mitwirken:
1. beim Erlasse von Vorschriften, welche die Regelung des Lehr-
lingswesens zum Gegenstände haben;
2. bei Abgabe von Gutachten und Erstattung von Berichten über
Angelegenheiten, welche die Verhältnisse der Gesellen (Ge-
hülfen) und Lehrlinge berühren;
z. bei der Entscheidung über Beanstandungen von Beschlüssen
der Prüfungsausschüsse.
Die Kosten, welche die Handwerkskammern verursachen, werden
von den Gemeinden im Bezirk getragen. Diese können aber die
auf sie entfallenden Anteile nach einem vom Regierungspräsidenten
zu bestimmenden Maßstabe auf alle Handwerksbetriebe umlegen.
F. Hoffmann.
*179. Gewerbegericht und Einigungsamt.
i. Im Geschäfte des Schneidermeisters Groß arbeitete der Zu-
schneider Schenk gegen einen monatlichen, am letzten jedes Monats
fälligen Lohn von 150 Mark. Bei der letzten Lohnzahlung am
zi. Mai erhielt Schenk jedoch nur 100 Mark ausgezahlt; Groß be-
hauptete nämlich, Schenk habe bei der vorhergegangenen Lohn-
zahlung am 30. April einen Vorschuß von 50 Mark auf den Mai-
lohn erhalten und demnach jetzt nur noch 100 Mark zu fordern.
Schenk hatte allerdings einmal einen Vorschuß erhalten, aber, wie
er behauptete, nicht am 30. April, sondern am 31. März auf den
Aprillohn, und dieser Vorschuß war ihm bei der Lohnzahlung am
30. April schon angerechnet worden; für den Mai hatte er also
nach seiner Meinung den vollen Monatslohn zu beanspruchen. Daß
es sich so verhielte, wußte er ganz genau, weil er sich den am
31. März erhaltenen Vorschuß zur Deckung der am 1. April fälligen
Vierteljahresmiete hatte zahlen lassen. Groß blieb indessen bei
seiner Behauptung, obwohl er für ihre Richtigkeit aus seinen
Büchern keinen Aufschluß erhalten konnte; denn er war nachlässig
in der Führung seiner Bücher und schrieb nicht ordentlich an. Da
eine gutwillige Zahlung nicht zu erreichen war, so sah sich Schenk
genötigt, die Hülfe des Gerichts anzurufen. Der Streitfall mit seinem
Arbeitgeber gehörte jedoch nicht vor das ordentliche, sondern
Heinecke. Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen. 25
1907 -
Essen Berlin
: Bachmann Baedeker
- Hrsg.: ,, Heinecke, August
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde?
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Gewerbegericht und Einigungsamt.
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1. von den Handwerkerinnungen, welche im Bezirk der Handwerks-
kammer ihren Sitz haben, aus der Zahl der Innungsmitglieder,
2. von denjenigen Gewerbevereinen und sonstigen Vereinigungen,
welche die Förderung der gewerblichen Interessen des Hand-
werks verfolgen, mindestens zur Hälfte ihrer Mitglieder aus
Handwerkern bestehen und im Bezirk der Handwerkskammer
ihren Sitz haben, aus der Zahl ihrer Mitglieder, soweit denselben
nach den Bestimmungen dieses Gesetzes die Wählbarkeit zu-
steht. Mitglieder, welche einer Innung angehören oder nicht
Handwerker sind, dürfen sich an der Wahl nicht beteiligen.
Auch bei der Handwerkskammer besteht ein Gesellenausschuß,
dessen Mitglieder von den Gesellenausschüssen bei den Innungen
gewählt werden.
Der Gesellenausschuß muß mitwirken:
1. beim Erlasse von Vorschriften, welche die Regelung des Lehr-
lingswesens zum Gegenstände haben;
2. bei Abgabe von Gutachten und Erstattung von Berichten über
Angelegenheiten, welche die Verhältnisse der Gesellen (Ge-
hülfen) und Lehrlinge berühren;
3. bei der Entscheidung über Beanstandungen von Beschlüssen
der Prüfungsausschüsse.
Die Kosten, welche die Handwerkskammern verursachen, werden
von den Gemeinden im Bezirk getragen. Diese können aber die
auf sie entfallenden Anteile nach einem vom Regierungspräsidenten
zu bestimmenden Maßstabe auf alle Handwerksbetriebe umlegen.
F. Hoffmaan.
*179. 0ewerbegericht und 6inigungscimf.
1. Im Geschäfte des Schneidermeisters Groß arbeitete der Zu-
schneider Schenk gegen einen monatlichen, am letzten jedes Monats
fälligen Lohn von 150 Mark. Bei der letzten Lohnzahlung am
zi. Mai erhielt Schenk jedoch nur 100 Mark ausgezahlt; Groß be-
hauptete nämlich, Schenk habe bei der vorhergegangenen Lohn-
zahlung am 30. April einen Vorschuß von 50 Mark auf den Mai-
lohn erhalten und demnach jetzt nur noch 100 Mark zu fordern.
Schenk hatte allerdings einmal einen Vorschuß erhalten, aber, wie
er behauptete, nicht am 30. April, sondern am 31. März auf den
Aprillohn, und dieser Vorschuß war ihm bei der Lohnzahlung am
30. April schon angerechnet worden; für den Mai hatte er also
nach seiner Meinung den vollen Monatslohn zu beanspruchen. Daß
es sich so verhielte, wußte er ganz genau, weil er sich den am
31. März erhaltenen Vorschuß zur Deckung der am 1. April fälligen
Vierteljahresmiete hatte zahlen lassen. Groß blieb indessen bei
seiner Behauptung, obwohl er für ihre Richtigkeit aus seinen
Büchern keinen Aufschluß erhalten konnte; denn er war nachlässig
in der Führung seiner Bücher und schrieb nicht ordentlich an. Da
eine gutwillige Zahlung nicht zu erreichen war, so sah sich Schenk
genötigt, die Hülfe des Gerichts anzurufen. Der Streitfall mit seinem
Arbeitgeber gehörte jedoch nicht vor das ordentliche, sondern
Heiucckc, Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen. 25
1912 -
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: Bachmann Baedeker
- Hrsg.: ,, Heinecke, August
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- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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Gewerbegerickt and Einigungsamt.
385
1. von den Handwerkerinnungen, welche im Bezirk der Handwerks-
kammer ihren Sitz haben, aus der Zahl der Innungsmitglieder,
2. von denjenigen Gewerbevereinen und sonstigen Vereinigungen,
welche die Förderung der gewerblichen Interessen des Hand-
werks verfolgen, mindestens zur Hälfte ihrer Mitglieder aus
Handwerkern bestehen und im Bezirk der Handwerkskammer
ihren Sitz haben, aus der Zahl ihrer Mitglieder, soweit denselben
nach den Bestimmungen dieses Gesetzes die Wählbarkeit zu-
steht. Mitglieder, welche einer Innung angehören oder nicht
Handwerker sind, dürfen sich an der Wahl nicht beteiligen.
Auch bei der Handwerkskammer besteht ein Gesellenausschuß,
dessen Mitglieder von den Gesellenausschüssen bei den Innungen
gewählt werden.
Der Gesellenausschuß muß mitwirken:
1. beim Erlasse von Vorschriften, welche die Regelung des Lehr-
lingswesens zum Gegenstände haben;
2. bei Abgabe von Gutachten und Erstattung von Berichten über
Angelegenheiten, welche die Verhältnisse der Gesellen (Ge-
hülfen) und Lehrlinge berühren;
z. bei der Entscheidung über Beanstandungen von Beschlüssen
der Prüfungsausschüsse.
Die Kosten, welche die Handwerkskammern verursachen, werden
von den Gemeinden im Bezirk getragen. Diese können aber die
auf sie entfallenden Anteile nach einem vom Regierungspräsidenten
zu bestimmenden Maßstabe auf alle Handwerksbetriebe umlegen.
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*179. Gewerbegerichf und Ginigungscimf.
i. Im Geschäfte des Schneidermeisters Groß arbeitete der Zu-
schneider Schenk gegen einen monatlichen, am letzten jedes Monats
fälligen Lohn von 150 Mark. Bei der letzten Lohnzahlung am
31. Mai erhielt Schenk jedoch nur 100 Mark ausgezahlt; Groß be-
hauptete nämlich, Schenk habe bei der vorhergegangenen Lohn-
zahlung am 30. April einen Vorschuß von 50 Mark auf den Mai-
lohn erhalten und demnach jetzt nur noch 100 Mark zu fordern.
Schenk hatte allerdings einmal einen Vorschuß erhalten, aber, wie
er behauptete, nicht am 30. April, sondern am 31. März auf den
Aprillohn, und dieser Vorschuß war ihm bei der Lohnzahlung am
30. April schon angerechnet worden; für den Mai hatte er also
nach seiner Meinung den vollen Monatslohn zu beanspruchen. Daß
es sich so verhielt, wußte er ganz genau, weil er sich den am
31. März erhaltenen Vorschuß zur Deckung der am 1. April fälligen
Vierteljahresmiete hatte zahlen lassen. Groß blieb indessen bei
seiner Behauptung, obwohl er für ihre Richtigkeit aus seinen
Büchern keinen Aufschluß erhalten konnte; denn er war nachlässig
in der Führung seiner Bücher und schrieb nicht ordentlich an. Da
eine gutwillige Zahlung nicht zu erreichen war, so sah sich Schenk
genötigt, die Hülfe des Gerichts anzurufen. Der Streitfall mit seinem
Arbeitgeber gehörte jedoch nicht vor das ordentliche, sondern
Heiaecke. Lesebuch für gewerbliche Fortbildunges-i-ulen. 25
1900 -
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- Autor: Heinecke, August
- Hrsg.: ,
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- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
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- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde?
- Geschlecht (WdK): koedukativ
133
ihre Richtigkeit aus seinen Büchern keinen Aufschluss erhalten kann; er ist
nämlich nachlässig in der Führung seiner Bücher und schreibt nicht ordentlich
an. Da eine gutwillige Zahlung nicht zu erreichen ist, so ist Schenk genötigt,
die Hilfe des Gerichts anzurufen. Der Streitfall mit seinem Arbeitgeber ge-
hört jedoch nicht vor das ordentliche, sondern vor das Gewerbegericht, und
so lässt er bei der Gerichtsschreiberei des Gewerbegerichts seine Klage zu
Protokoll nehmen. In wenigen Tagen erhält er vom Vorsitzenden des Ge-
werbegerichts die Aufforderung, zur Verhandlung seiner Sache zu einer näher
bestimmten Zeit zu erscheinen. Auch Gross hat eine solche Aufforderung
erhalten, hat aber keine Lust, selbst vor dem Gewerbegericht zu erscheinen,
sondern will einen Rechtsanwalt mit der Vertretung seiner Sache beauftragen.
Dieser bedeutet ihm aber, dass Personen, welche das Verhandeln vor Gericht
geschäftsmäßig betreiben, als Prozessbevollmächtigte oder Beistände vor
dem Gewerbegerichte nicht zugelassen werden. Gross muss also wohl oder
übel seine Sache selbst vertreten. Würde er ausbleiben, so würde er ohne
weiteres durch Versäumnisurteil nach dem Klageanträge verurteilt werden.
Er zieht es deshalb vor, sich rechtzeitig zum Termin einzufinden. Schenk,
der Kläger, trägt mit kurzen Worten den Sachverhalt vor und beantragt die
Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 50 Mark und der Kosten des
Verfahrens. Der Beklagte dagegen bestreitet die Ausführungen des Klägers
und beantragt dessen kostenpflichtige Abweisung. Der Vorsitzende versucht
nun zunächst, eine gütliche Beilegung der Sache herbeizuführen. „Wenn Herr
Schenk,“ so etwa führt er aus, „sich mit solcher Bestimmtheit erinnert, den
Vorschuss deshalb erbeten zu haben, um am 1. April seine Miete bezahlen
zu können, dann wird er doch wohl im Rechte sein, meinen Sie nicht, Herr
Gross? Wollen Sie ihm also die 50 Mark nicht lieber freiwillig zahlen?
Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass, wenn die Parteien sich vor dem
Gewerbegericht vergleichen, keine Gerichtskosten erhoben werden.“ Gross
lehnt aber eine Einigung ab, und Schenk schiebt ihm nun einen Eid
darüber zu, dass er einen Vorschuss auf den Monatslohn für Mai nicht
empfangen habe. Gross schiebt den Eid zurück, und das Gericht beschliesst,
dem Kläger Schenk den Eid abzunehmen. Nachdem dies geschehen ist, er-
lässt das Gewerbegericht folgendes Urteil: „Der Beklagte Gross wird ver-
urteilt, dem Kläger Schenk 50 Mark zu zahlen und die Kosten des Rechts-
streits zu tragen.“ Bei diesem Urteil will sich Gross aber nicht beruhigen;
da jedoch der Wert des Streitgegenstandes weniger als 100 Mark beträgt,
so kann er nicht die Berufung an das Landgericht einlegen, sondern das
Urteil des Gewerbegerichts ist in diesem Falle endgültig. Es bleibt ihm also
nichts übrig, als den Kläger zu befriedigen, wenn er sich nicht der Gefahr
aussetzen will, dass Schenk einen Gerichtsvollzieher mit der Einziehung be-
auftragt. —
3. Bei Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitern über die
Bedingungen der Fortsetzung oder Wiederaufnahme des Arbeits-
verhältnisses fehlte es früher an einer Stelle, die geeignet und berufen
war, die Vermittlung zwischen den streitenden Parteien in die Hand zu nehmen
und darauf hinzuwirken, dass die für beide Teile mit schweren Opfern ver-
bundenen Arbeitseinstellungen thunlichst vermieden oder, wo sie entstanden
waren, möglichst rasch beseitigt wurden. Diesem Mangel wurde abgeholfen,
indem man für solche Fälle die Rolle eines Einigungsamtes gleichfalls
dem Gewerbegericht zuwies.
1903 -
Essen
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- Autor: Heinecke, August
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
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- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Berufsbildung
- Geschlecht (WdK): koedukativ
386
Gewerbegericht und Einigungsamt.
vor das Gewerbegericht, und so ließ er bei der Gerichts-
schreiberei des Gewerbegerichts seine Klage zu Protokoll nehmen.
In wenigen Tagen erhielt er vom Vorsitzenden des Gewerbegerichts
die Aufforderung, zur Verhandlung seiner Sache zu einer näher
bestimmten Zeit sich einzufinden. Auch Groß hatte eine solche
Aufforderung erhalten, zeigte aber keine Lust, selbst vor dem
Gewerbegericht zu erscheinen, sondern wollte einen Rechtsanwalt
mit der Vertretung seiner Sache beauftragen. Dieser erklärte ihm
aber, daß Personen, welche das Verhandeln vor Gericht geschäfts-
mäßig betreiben, als Prozeßbevollmächtigte oder Beistände vor
dem Gewerbegerichte nicht zugelassen werden. Groß mußte also
wohl oder übel seine Sache selbst vertreten; denn wäre er ausge-
blieben, so würde er ohne - weiteres durch Versäumnisurteil nach
dem Klageanträge verurteilt worden sein. Er zog es deshalb vor,
sich rechtzeitig zum Termin einzufinden. Schenk, der Kläger, trug
mit kurzen Worten den Sachverhalt vor und beantragte die Ver-
urteilung des Beklagten zur Zahlung von 50 Mark und der Kosten
des Verfahrens. Der Beklagte dagegen bestritt die Ausführungen
des Klägers und beantragte dessen kostenpflichtige Abweisung.
Der Vorsitzende versuchte nun zunächst, eine gütliche Beilegung
der Sache herbeizuführen. ,,Wenn Herr Schenk,“ so etwa führte
er aus, „sich mit solcher Bestimmtheit erinnert, den Vorschuß des-
halb erbeten zu haben, um am 1. April seine Miete bezahlen zu
können, dann wird er doch wohl im Rechte sein, meinen Sie nicht,
Herr Groß? Wollen Sie ihm also die 50 Mark nicht lieber frei-
willig zahlen? Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß, wenn die
Parteien sich vor dem Gewerbegericht vergleichen, keine Ge-
richtskosten erhoben werden." Groß lehnte aber eine Einigung ab,
und Schenk schob ihm nun einen Eid darüber zu, daß er, Schenk,
einen Vorschuß auf den Monatslohn für Mai nicht empfangen habe.
Groß schob den Eid zurück, und das Gericht beschloß nun, dem
Kläger Schenk den Eid abzunehmen. Nachdem dies geschehen
war, erließ das Gewerbegericht folgendes Urteil: „Der Beklagte
Groß wird verurteilt, dem Kläger Schenk 50 Mark zu zahlen und
die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.“ Bei diesem Urteil wollte
sich Groß zwar nicht beruhigen; da jedoch der Wert des Streit-
gegenstandes weniger als 100 Mark betrug, so konnte er nicht die
Berufung an das Landgericht einlegen; sondern das Urteil des Ge-
werbegerichts war in diesem Falle endgültig. Es blieb ihm also
nichts anderes übrig, als den Kläger zu befriedigen, wenn er sich
nicht der Gefahr aussetzen wollte, daß Schenk einen Gerichtsvollzieher
mit der Einziehung beauftragte.
2. Wer an einen andern einen Anspruch oder eine Forderung
hat oder zu haben glaubt, deren gutwillige Erfüllung er nicht er-
reichen kann, dem steht es frei, das Gericht anzurufen, um durch
dessen Hülfe zu seinem Rechte zu kommen. Zur Entscheidung von
bürgerlichen Streitigkeiten sind im allgemeinen die sogenannten
ordentlichen Gerichte berufen und zwar in unterster Instanz das
Amtsgericht und das Landgericht. Auch die zahlreichen Streitig-
keiten, die im gewerblichen Leben, z. B. zwischen Arbeitgebern
1907 -
Essen Berlin
: Bachmann Baedeker
- Hrsg.: ,, Heinecke, August
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde?
- Geschlecht (WdK): koedukativ
386
Gewerbegericht und Einigungsamt.
vor das Gewerbegericht, und so ließ er bei der Gerichts-
schreiberei des Gewerbegerichts seine Klage zu Protokoll nehmen.
In wenigen Tagen erhielt er vom Vorsitzenden des Gewerbegerichts
die Aufforderung, zur Verhandlung seiner Sache zu einer näher
bestimmten Zeit sich einzufinden. Auch Groß hatte eine solche
Aufforderung erhalten, zeigte aber keine Lust, selbst vor dem
Gewerbegericht zu erscheinen, sondern wollte einen Rechtsanwalt
mit der Vertretung seiner Sache beauftragen. Dieser erklärte ihm
aber, daß Personen, welche das Verhandeln vor Gericht geschäfts-
mäßig betreiben, als Prozeßbevollmächtigte oder Beistände vor
dem Gewerbegerichte nicht zugelassen werden. Groß mußte also
wohl oder übel seine Sache selbst vertreten; denn wäre er ausge-
blieben, so würde er ohne weiteres durch Versäumnisurteil nach
dem Klageanträge verurteilt worden sein. Er zog es deshalb vor,
sich rechtzeitig zum Termin einzufinden. Schenk, der Kläger, trug
mit kurzen Worten den Sachverhalt vor und beantragte die Ver-
urteilung des Beklagten zur Zahlung von 50 Mark und der Kosten
des Verfahrens. Der Beklagte dagegen bestritt die Ausführungen
des Klägers und beantragte dessen kostenpflichtige Abweisung.
Der Vorsitzende versuchte nun zunächst, eine gütliche Beilegung
der Sache herbeizuführen. „Wenn Herr Schenk,“ so etwa führte
er aus, „sich mit solcher Bestimmtheit erinnert, den Vorschuß des-
halb erbeten zu haben, um am 1. April seine Miete bezahlen zu
können, dann wird er doch wohl im Rechte sein, meinen Sie nicht,
Herr Groß? Wollen Sie ihm also die 50 Mark nicht lieber frei-
willig zahlen? Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß, wenn die
Parteien sich vor dem Gewerbegericht vergleichen, keine Ge-
richtskosten erhoben werden.“ Groß lehnte aber eine Einigung ab,
und Schenk schob ihm nun einen Eid darüber zu, daß er, Schenk,
einen Vorschuß auf den Monatslohn für Mai nicht empfangen habe.
Groß schob den Eid zurück, und das Gericht beschloß nun, dem
Kläger Schenk den Eid abzunehmen. Nachdem dies geschehen
war, erließ das Gewerbegericht folgendes Urteil: „Der Beklagte
Groß wird verurteilt, dem Kläger Schenk 50 Mark zu zahlen und
die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.“ Bei diesem Urteil wollte
sich Groß zwar nicht beruhigen; da jedoch der Wert des Streit-
gegenstandes weniger als 100 Mark betrug, so konnte er nicht die
Berufung an das Landgericht einlegen; sondern das Urteil des Ge-
werbegerichts war in diesem Falle endgültig. Es blieb ihm also
nichts anderes übrig, als den Kläger zu befriedigen, wenn er sich
nicht der Gefahr aussetzen wollte, daß Schenk einen Gerichtsvollzieher
mit der Einziehung beauftragte.
2. Wer an einen andern einen Anspruch oder eine Forderung
hat oder zu haben glaubt, deren gutwillige Erfüllung er nicht er-
reichen kann, dem steht es frei, das Gericht anzurufen, um durch
dessen Hülfe zu seinem Rechte zu kommen. Zur Entscheidung von
bürgerlichen Streitigkeiten sind im allgemeinen die sogenannten
ordentlichen Gerichte berufen und zwar in unterster Instanz das
Amtsgericht und das Landgericht. Auch die zahlreichen Streitig-
keiten, die im gewerblichen Leben, z. B. zwischen Arbeitgebern
1903 -
Essen
: Baedeker
- Autor: Heinecke, August
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Berufsbildung
- Geschlecht (WdK): koedukativ
388
Gewerbegericht und Einigungsamt.
lang versehen hat, kann es während der nächsten 6 Jahre ableh-
nen; die Ablehnungsgründe gewählter Beisitzer müssen jedoch
schriftlich geltend gemacht werden.
Die Beisitzer erhalten für jede Sitzung, der sie beigewohnt
haben, Vergütung etwaiger Reisekosten und eine Entschädigung
für Zeitversäumnis, die nicht zurückweisbar ist. Vor der ersten
Dienstleistung werden sie durch den Vorsitzenden auf die Erfüllung
ihrer Obliegenheiten eidlich verpflichtet. Finden sie sich ohne
genügende Entschuldigung zu den Sitzungen nicht rechtzeitig ein,
oder entziehen sie sich ihren Pflichten in irgend einer Weise, so
werden sie vom Vorsitzenden zu einer Ordnungsstrafe bis zu 300
Mark, sowie in die verursachten Kosten verurteilt; indessen können
sie dagegen beim Landgericht Beschwerde einlegen.
Das Gewerbegericht verhandelt gewöhnlich in der Besetzung
von drei Mitgliedern, nämlich dem Vorsitzenden und zwei Beisitzern,
von denen der eine ein Arbeitgeber, der andere ein Arbeiter sein
muß, und tritt in den Fällen, in denen es zur Entscheidung von
Streitigkeiten berufen ist, an die Stelle des ordentlichen Gerichts.
Berufen ist es aber nur für diejenigen Streitigkeiten, welche ent-
stehen :
1. über den Antritt, die Fortsetzung oder die Auflösung des
Arbeitsverhältnisses, sowie über die Aushändigung oder den Inhalt
des Arbeitsbuches oder Zeugnisses (vgl. Nr. 170);
2. über die Leistungen und Entschädigungsansprüche aus dem
Arbeitsverhältnisse, sowie über eine etwa vereinbarte Konventional-
strafe (ausgenommen, wenn die letztere für den Fall bedungen ist,
daß der Arbeiter nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein
solches bei andern Arbeitgebern eingeht oder ein eigenes Geschäft
errichtet);
3. über die Berechnung und Anrechnung der von den Arbeitern
für die Krankenversicherung zu leistenden Beiträge;
4. über die Ansprüche, welche auf Grund der Übernahme einer
gemeinsamen Arbeit von Arbeitern desselben Arbeitgebers gegen-
einander erhoben werden.
In derartigen Streitigkeiten ist in den Orten, in welchen ein
Gewerbegericht besteht, die Zuständigkeit der ordentlichen Ge-
richte ausgeschlossen und an ihrer Stelle das Gewerbegericht
zunächst ganz allein berufen, den Streit zu entscheiden, gleich-
gültig, wie hoch der Wert des strittigen Gegenstandes ist. Wenn
dagegen ein zuständiges Gewerbegericht nicht vorhanden ist, so
gehören jene Streitigkeiten nach wie vor vor das ordentliche
Gericht. Bei Streitigkeiten, die unter 1. und 3. fallen, kann indessen
jede Partei die vorläufige Entscheidung durch den Vorsteher
der Gemeinde (Bürgermeister, Ortsvorsteher) nachsuchen, bei
welcher es sein Bewenden behält, wenn nicht binnen 10 Tagen von
einer der Parteien Klage bei dem ordentlichen Gerichte erhoben
wird. —
3. Bei Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitern über
die Bedingungen der Fortsetzung oder Wiederaufnahme
des Arbeitsverhältnisses fehlte es früher an einer Stelle, die
1912 -
Essen Berlin
: Bachmann Baedeker
- Hrsg.: ,, Heinecke, August
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
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- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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386
Gewörbegericht und Einigungsamt.
vor das Gewerbegericht, und so ließ er bei der Gerichts-
schreiberei des Gewerbegerichts seine Klage zu Protokoll nehmen.
In wenigen Tagen erhielt er vom Vorsitzenden des Gewerbegerichts
die Aufforderung, zur Verhandlung seiner Sache zu einer näher
bestimmten Zeit sich einzufinden. Auch Groß hatte eine solche
Aufforderung erhalten, zeigte aber keine Lust, selbst vor dem
Gewerbegericht zu erscheinen, sondern wollte einen Rechtsanwalt
mit der Vertretung seiner Sache beauftragen. Dieser erklärte ihm
aber, daß Personen, welche das Verhandeln vor Gericht geschäfts-
mäßig betreiben, als Prozeßbevollmächtigte oder Beistände vor
dem Gewerbegerichte nicht zugelassen werden. Groß mußte also
wohl oder übel seine Sache selbst vertreten; denn wäre er ausge-
blieben, so würde er ohne weiteres durch Versäumnisurteil nach
dem Klageanträge verurteilt worden sein. Er zog es deshalb vor,
sich rechtzeitig zum Termin einzufinden. Schenk, der Kläger, trug
mit kurzen Worten den Sachverhalt vor und beantragte die Ver-
urteilung des Beklagten zur Zahlung von 50 Mark und der Kosten
des Verfahrens. Der Beklagte dagegen bestritt die Ausführungen
des Klägers und beantragte dessen kostenpflichtige Abweisung.
Der Vorsitzende versuchte nun zunächst, eine gütliche Beilegung
der Sache herbeizuführen. ,,Wenn Herr Schenk,“ so etwa führte
er aus, „sich mit solcher Bestimmtheit erinnert, den Vorschuß des-
halb erbeten zu haben, um am 1. April seine Miete bezahlen zu
können, dann wird er doch wohl im Rechte sein, meinen Sie nicht,
Herr Groß? Wollen Sie ihm also die 50 Mark nicht lieber frei-
willig zahlen? Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß, wenn die
Parteien sich vor dem Gewerbegericht vergleichen, keine Ge-
richtskosten erhoben werden.“ Groß lehnte aber eine Einigung ab,
und Schenk schob ihm nun einen Eid darüber zu, daß er, Schenk,
einen Vorschuß auf den Monatslohn für Mai empfangen habe.
Groß schob den Eid zurück, und das Gericht beschloß nun, dem
Kläger Schenk den Eid abzunehmen. Nachdem dies geschehen
war, erließ das Gewerbegericht folgendes Urteil: „Der Beklagte
Groß wird verurteilt, dem Kläger Schenk 50 Mark zu zahlen und
die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.“ Bei diesem Urteil wollte
sich Groß zwar nicht beruhigen; da jedoch der Wert des Streit-
gegenstandes weniger als 100 Mark betrug, so konnte er nicht die
Berufung an das Landgericht einlegen; sondern das Urteil des Ge-
werbegerichts war in diesem Falle endgültig. Es blieb ihm also
nichts anderes übrig, als den Kläger zu befriedigen, wenn er sich
nicht der Gefahr aussetzen wollte, daß Schenk einen Gerichtsvollzieher
mit der Einziehung beauftragte.
2. Wer an einen andern einen Anspruch oder eine Forderung
hat oder zu haben glaubt, deren gutwillige Erfüllung er nicht er-
reichen kann, dem steht es frei, das Gericht anzurufen, um durch
dessen Hülfe zu seinem Rechte zu kommen. Zur Entscheidung von
bürgerlichen Streitigkeiten sind im allgemeinen die sogenannten
ordentlichen Gerichte berufen und zwar in unterster Instanz das
Amtsgericht und das Landgericht. Auch die zahlreichen Streitig-
keiten, die im gewerblichen Leben, z. B. zwischen Arbeitgebern
1912 -
Essen Berlin
: Bachmann Baedeker
- Hrsg.: ,, Heinecke, August
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
388
Gewerbegencht und Einigungsamt.
lang versehen hat, kann es während der nächsten 6 Jahre ableh-
nen; die Ablehnungsgründe gewählter Beisitzer müssen jedoch
schriftlich geltend gemacht werden.
Die Beisitzer erhalten für jede Sitzung, der sie beigewohnt
haben, Vergütung etwaiger Reisekosten und eine Entschädigung
für Zeitversäumnis, die nicht zurückweisbar ist. Vor der ersten
Dienstleistung werden sie durch den Vorsitzenden auf die Erfüllung
ihrer Obliegenheiten eidlich verpflichtet. Finden sie sich ohne
genügende Entschuldigung zu den Sitzungen nicht rechtzeitig ein,
oder entziehen sie sich ihren Pflichten in irgend einer Weise, so
werden sie vom Vorsitzenden zu einer Ordnungsstrafe bis zu 300
Mark, sowie in die verursachten Kosten verurteilt; indessen können
sie dagegen beim Landgericht Beschwerde einlegen.
Das Gewerbegericht verhandelt in der Besetzung von drei
oder mehr Mitgliedern, nämlich dem Vorsitzenden und Beisitzern,
von denen eine Hälfte Arbeitgeber, die andere Arbeiter sein
müssen, und tritt in den Fällen, in denen es zur Entscheidung von
Streitigkeiten berufen ist, an die Stelle des ordentlichen Gerichts.
Berufen ist es aber nur für diejenigen Streitigkeiten, welche ent-
stehen :
1. über den Antritt, die Fortsetzung oder die Auflösung des
Arbeitsverhältnisses, sowie über die Aushändigung oder den Inhalt
des Arbeitsbuches, Lehrbuches, Zeugnisses u. dgl. (vgl. Nr. 169);
2. über die Leistungen und Entschädigungsansprüche aus dem
Arbeitsverhältnisse, sowie über eine etwa vereinbarte Vertrags-
strafe (ausgenommen, wenn die letztere für den Fall bedungen ist,
daß der Arbeiter nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein
solches bei andern Arbeitgebern eingeht oder ein eigenes Geschäft
errichtet);
3. über die Berechnung und Anrechnung der von den Arbeitern
für die Krankenversicherung zu leistenden Beiträge;
4. über die Ansprüche, welche auf Grund der Übernahme einer
gemeinsamen Arbeit von Arbeitern desselben Arbeitgebers gegen-
einander erhoben werden.
In derartigen Streitigkeiten ist in den Orten, in welchen ein
Gewerbegericht besteht, die Zuständigkeit der ordentlichen Ge-
richte ausgeschlossen und an ihrer Stelle das Gewerbegericht
zunächst ganz allein berufen, den Streit zu entscheiden, gleich-
gültig, wie hoch der Wert des strittigen Gegenstandes ist. Wenn
dagegen ein zuständiges Gewerbegericht nicht vorhanden ist, so
gehören jene Streitigkeiten nach wie vor vor das ordentliche
Gericht. Bei Streitigkeiten, die unter 1. und 3. fallen, kann indessen
jede Partei die vorläufige Entscheidung durch den Vorsteher
der Gemeinde (Bürgermeister, Ortsvorsteher) nachsuchen, bei
welcher es sein Bewenden behält, wenn nicht binnen 10 sagen von
einer der Parteien Klage bei dem ordentlichen Gerichte erhoben
wird. —
3. Bei Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitern über
die Bedingungen der Fortsetzung oder Wiederaufnahme
des Arbeitsverhältnisses fehlte es früher an einer Stelle, die
1907 -
Essen Berlin
: Bachmann Baedeker
- Hrsg.: ,, Heinecke, August
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde?
- Geschlecht (WdK): koedukativ
388
Gevrerbegericht und Einigungsamt.
lang versehen hat, kann es während der nächsten 6 Jahre ableh-
nen; die Ablehnungsgründe gewählter Beisitzer müssen jedoch
schriftlich geltend gemacht werden.
Die Beisitzer erhalten für jede Sitzung, der sie beigewohnt
haben, Vergütung etwaiger Reisekosten und eine Entschädigung
für Zeitversäumnis, die*nicht zurückweisbar ist. Vor der ersten
Dienstleistung werden sie durch den Vorsitzenden auf die Erfüllung
ihrer Obliegenheiten eidlich verpflichtet. Finden sie sich ohne
genügende Entschuldigung zu den Sitzungen nicht rechtzeitig ein,
oder entziehen sie sich ihren Pflichten in irgend einer Weise, so
werden sie vom Vorsitzenden zu einer Ordnungsstrafe bis zu 300
Mark, sowie in die verursachten Kosten verurteilt; indessen können
sie dagegen beim Landgericht Beschwerde einlegen.
Das Gewerbegericht verhandelt in der Besetzung von drei
oder mehr Mitgliedern, nämlich dem Vorsitzenden und Beisitzern,
von denen eine Hälfte Arbeitgeber, die andere Arbeiter sein
müssen, und tritt in den Fällen, in denen es zur Entscheidung von
Streitigkeiten berufen ist, an die Stelle des ordentlichen Gerichts.
Berufen ist es aber nur für diejenigen Streitigkeiten, welche ent-
stehen :
1. über den Antritt, die Fortsetzung oder die Auflösung des
Arbeitsverhältnisses, sowie über die Aushändigung oder den Inhalt
des Arbeitsbuches, Lehrbuches, Zeugnisses u. dgl. (vgl. Nr. 169);
2. über die Leistungen und Entschädigungsansprüche aus dem
Arbeitsverhältnisse, sowie über eine etwa vereinbarte Vertrags-
strafe (ausgenommen, wenn die letztere für den Fall bedungen ist,
daß der Arbeiter nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein
solches bei andern Arbeitgebern eingeht oder ein eigenes Geschäft
errichtet);
3. über die Berechnung und Anrechnung der von den Arbeitern
für die Krankenversicherung zu leistenden Beiträge;
4. über die Ansprüche, welche auf Grund der Übernahme einer
gemeinsamen Arbeit von Arbeitern desselben Arbeitgebers gegen-
einander erhoben werden.
In derartigen Streitigkeiten ist in den Orten, in welchen ein
Gewerbegericht besteht, die Zuständigkeit der ordentlichen Ge-
richte ausgeschlossen und an ihrer Stelle das Gewerbegericht
zunächst ganz allein berufen, den Streit zu entscheiden, gleich-
gültig, wie hoch der Wert des strittigen Gegenstandes ist. Wenn
dagegen ein zuständiges Gewerbegericht nicht vorhanden ist, so
gehören jene Streitigkeiten nach wie vor vor das ordentliche
Gericht. Bei Streitigkeiten, die unter 1. und 3. fallen, kann indessen
jede Partei die vorläufige Entscheidung durch den Vorsteher
der Gemeinde (Bürgermeister, Ortsvorsteher) nachsuchen, bei
welcher es sein Bewenden behält, wenn nicht binnen 10 Tagen von
einer der Parteien Klage bei dem ordentlichen Gerichte erhoben
wird. —
3, Bei Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitern über
die Bedingungen der Fortsetzung oder Wiederaufnahme
des Arbeitsverhältnisses fehlte es früher an einer Stelle, die
1903 -
Essen
: Baedeker
- Autor: Heinecke, August
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Berufsbildung
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Gewerbegericht und Einigungsamt.
387
und Arbeitern, vorkommen, wurden in früheren Jahren ausschließ-
lich von den ordentlichen Gerichten entschieden. Allein die Streit-
fälle, die aus den gewerblichen Arbeitsverhältnissen entspringen,
verlangen vor allem eine schnellere Entscheidung, als sie die
ordentlichen Gerichte bei dem ihnen vorgeschriebenen Verfahren
treffen können; außerdem sind die Richter mit den gewerblichen
Arbeitsverhältnissen oft nicht genügend vertraut und genießen daher
nicht das volle Vertrauen der Rechtsuchenden.
Diesen Übelständen ist nun auf zweifache Weise abgeholfen
worden. Einerseits wurde den Innungen die Befugnis erteilt, zur
Entscheidung von Streitigkeiten zwischen den Innungsmitgliedern
und ihren Gesellen Schiedsgerichte zu bilden. Andrerseits
wurde gestattet, daß da, wo das Bedürfnis dazu vorhanden war,
besondere gewerbliche Gerichte errichtet werden, die für
gewisse gewerbliche Streitigkeiten an die Stelle der ordentlichen
Gerichte treten können; so entstanden die seit dem Jahre 1890 be-
stehenden Gewerbegerichte.
Ein Gewerbegericht wird für den Bezirk einer oder mehrerer
Gemeinden gebildet und besteht aus einem Vorsitzenden und mehreren
Beisitzern. Zu solchen sollen nur Personen berufen werden, welche
das 30. Lebensjahr vollendet, in dem der Wahl vorangegangenen
Jahre für sich oder ihre Familie Armenunterstützung aus öffentlichen
Mitteln nicht empfangen oder die empfangene Unterstützung er-
stattet haben und in dem Bezirke des Gerichtes seit mindestens zwei
Jahren wohnen oder beschäftigt sind. Wer zum Amte eines S choffen
unfähig ist, kann auch einem Gewerbegericht nicht angehören. Der
Vorsitzende darf weder Arbeitgeber noch Arbeiter sein und wird
von der Gemeinde bezw. dem weiteren Verbände bestellt. Die
Beisitzer müssen zur einen Hälfte aus den Arbeitgebern, zur andern
aus den Arbeitern des Bezirks entnommen werden. Als Arbeit-
geber gelten auch Stellvertreter selbständiger Gewerbetreibender,
wenn sie mit der Leitung eines Gewerbebetriebes oder eines Zweiges
desselben betraut sind und ihr Lohn oder Gehalt 2000 Mark
übersteigt. Als Arbeiter werden nicht nur die gewerblichen
Gesellen, Gehülfen, Fabrikarbeiter und Lehrlinge, sondern auch Be-
triebsbeamte, Werkmeister und mit höheren technischen Dienst-
leistungen betraute Angestellte betrachtet, deren Jahresverdienst
nicht über 2000 Mark hinausgeht. Beide Teile, Arbeitgeber und
Arbeiter, wählen jeder für sich ihre Vertreter durch unmittel-
bare und geheime Wahl. Zur Teilnahme an der Wahl ist nur
berechtigt, wer das 25. Lebensjahr vollendet und seit mindestens
einem Jahre in dem Bezirke, für den das Gewerbegericht gebildet
werden soll, Wohnung oder Beschäftigung hat. Wer zum Amte
eines Schöffen unfähig ist, kann an der Wahl nicht teilnehmen.
Das Amt der Beisitzer ist ein Ehrenamt. Die Übernahme
kann nur aus den Gründen verweigert werden, welche zur Ab-
lehnung eines unbesoldeten Gemeindeamts berechtigen. Solche sind
namentlich anhaltende Krankheit, Geschäfte, welche eine häufige
und längere Abwesenheit vom Wohnorte erfordern, und ein Alter
von mehr als 60 Jahren. Wer das Amt eines Beisitzers 6 Jahre
25*
1900 -
Essen
: Baedeker
- Autor: Heinecke, August
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde?
- Geschlecht (WdK): koedukativ
131
Gerichten entschieden. Allein die Streitfälle, die aus den gewerblichen Arbeits-
verhältnissen entspringen, verlangen vor allem eine schnellere Entscheidung,
als sie die ordentlichen Gerichte bei dem ihnen vorgeschriebenen Verfahren
treffen konnten; ausserdem genossen die mit den gewerblichen Arbeitsverhält-
nissen oft nicht genügend vertrauten Richter nicht das volle Vertrauen der
Rechtsuchenden.
Diesen Übelständen wurde auf zweifache Weise abgeholfen. Einerseits
wurde den Innungen die Befugnis erteilt, zur Entscheidung von Streitig-
keiten zwischen den Innungsmitgliedern und ihren Gesellen Schieds-
gerichte zu bilden. Andererseits wurde gestattet, dass da, wo das Be-
dürfnis dazu vorhanden war, besondere gewerbliche Gerichte errichtet
wurden, die für gewisse gewerbliche Streitigkeiten an die Stelle der ordent-
lichen Gerichte treten konnten; so entstanden die seit dem Jahre 1890 be-
stehenden Gewerbegerichte.
Ein Gewerbegericht wird für den Bezirk einer oder mehrerer Gemeinden
gebildet und besteht aus einem Vorsitzenden und mehreren Beisitzern. Zu solchen
sollen nur Personen berufen werden, welche das 30. Lebensjahr vollendet, in dem
der Wahl vorangegangenen Jahre für sich oder ihre Familie Armenunterstützung
aus öffentlichen Mitteln nicht empfangen oder die empfangene Unterstützung
erstattet haben und in dem Bezirke des Gerichtes seit mindestens 2 Jahren
wohnen oder beschäftigt sind. Wer zum Amte eines Schöffen unfähig ist,
kann auch einem Gewerbegericht nicht angehören. Der Vorsitzende darf
weder Arbeitgeber noch Arbeiter sein und wird von der Gemeinde bezw. dem
weiteren Verbände bestellt. Die Beisitzer müssen zur einen Hälfte aus
den Arbeitgebern, zur anderen aus den Arbeitern des Bezirks entnommen
werden. Als Arbeitgeber gelten Stellvertreter selbständiger Gewerbetreibenden,
wenn sie mit der Leitung eines Gewerbebetriebes oder eines Zweiges desselben
betraut sind und ihr Lohn oder Gehalt 2000 Mark übersteigt.
Als Arbeiter werden nicht nur die gewerblichen Gesellen, Gehilfen, Fabrik-
arbeiter und Lehrlinge, sondern auch Betriebsbeamte, Werkmeister und mit
höheren technischen Dienstleistungen betraute Angestellte betrachtet, deren
Jahresverdienst nicht über 2000 Mark hinausgeht. Beide Teile, Arbeitgeber
und Arbeiter, wählen jeder für sich ihre Vertreter mittels unmittelbarer und
geheimer Wahl. Zur Teilnahme an der Wahl ist nur berechtigt, wer das
25. Lebensjahr vollendet und seit mindestens einem Jahre in dem Bezirke,
für den das Gewerbegericht gebildet werden soll, Wohnung oder Beschäftigung
hat. Wer zum Amte eines Schöffen unfähig ist, kann an der Wahl nicht
teilnehmen.
Das Amt der Beisitzer ist ein Ehrenamt. Die Übernahme kann
nur aus den Gründen verweigert werden, welche zur Ablehnung eines un-
besoldeten Gemeindeamts berechtigen. Solche sind namentlich anhaltende
Krankheit, Geschäfte, welche eine häufige oder längere Abwesenheit vom
Wohnorte erfordern, und ein Alter von mehr als 60 Jahren. Wer das Amt
eines Beisitzers 6 Jahre lang versehen hat, kann es während der nächsten
6 Jahre ablehnen; die Ablehnungsgründe gewählter Beisitzer müssen jedoch
schriftlich geltend gemacht werden.
Die Beisitzer erhalten für jede Sitzung, der sie beigewohnt haben, Ver-
gütung etwaiger Reisekosten und eine Entschädigung für Zeitversäumnis, die
nicht zurückweisbar ist. Vor der ersten Dienstleistung werden sie durch den
9*
1908 -
Wittenberg
: Herrosé
- Autor: Wüster, Karl, Bodesohn, August
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): Jungen
Georg-Eckert-lnstitut
für ¡ntor'iav.onale
Schulbuchforschung
183 Braur.schweig
Scbulbuchbibliothek
3. Über die Rückgabe von Zeugnissen, Büchern, Legitimations-
papieren, Urkunden, Gerätschaften, Kleidungsstücken, Kau-
tionen u. dgl., welche aus Anlag des Arbeitsverhältnisses
übergeben worden sind,
4. über gesetzwidrige oder unrichtige Eintragungen in Arbeits-
bücher, Zeugnisse, Lohnbücher, Arbeitszettel, Lohnzahlungs-
bücher, Krankenkassenbücher oder Quittungskarten der In-
validenversicherung.
5. über die Berechnung und Anrechnung der von den Ar-
beitern zu leistenden Krankenversicherungsbeiträge und
Eintrittsgelder,
6. über die Ansprüche, welche auf Grund der Übernahme einer
gemeinsamen Arbeit von Arbeitern desselben Arbeitgebers
gegeneinander erhoben werden.
§ 5. Zur Zuständigkeit der Gewerbegerichte gehören ferner
Streitigkeiten zwischen Personen, welche für bestimmte Gewerbe-
treibende außerhalb der Arbeitsstätte der letzteren mit Anferti-
gung gewerblicher Erzeugnisse beschäftigt sind (Heimarbeiter, Haus-
gewerbetreibende), und ihren Arbeitgebern, sofern die Beschäfti-
gung auf die Bearbeitung oder Verarbeitung der den ersteren
von den Arbeitgebern gelieferten Rohstoffe oder Halbfabrikate
beschränkt ist. Das Gleiche gilt von Streitigkeiten zwischen solchen
Hausgewerbetreibenden untereinander.
8 6. Durch die Zuständigkeit eines Gewerbegerichts wird die
Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte ausgeschlossen.
8 10. Für jedes Gewerbegericht sind ein Vorsitzender und
mindestens ein Stellvertreter desselben sowie die erforderliche Zahl
von Beisitzern zu berufen; die Zahl der letzteren soll mindestens
vier betragen.
8 11. Zum Mitglied eines Gewerbegerichts soll nur berufen
werden, wer das dreißigste Lebensjahr vollendet und in dem der
Wahl vorangegangenen Jahre für sich oder seine Familie Armen-
unterstützung aus öffentlichen Mitteln nicht empfangen oder die
empfangene Armenunterstützung erstattet hat. Als Beisitzer soll
nur berufen werden, wer in dem Bezirke des Gerichts seit min-
destens zwei Jahren wohnt oder beschäftigt ist.
Personen, welche zum Amte eines Schöffen unfähig find
(Gerichtsverfafsungsgesetz 88 31, 32). können nicht berufen werden.
8 12. Der Vorsitzende sowie dessen Stellvertreter dürfen
weder Arbeitgeber noch Arbeiter sein.
Sie werden durch den Magistrat und, wo ein solcher nicht vor-
handen ist oder das Statut dies bestimmt, durch die Gemeinde-
vertretung, in weiteren Kommunalverbänden durch die Vertretung
des Verbandes auf mindestens ein Jahr gewählt.
8 13. Die Beisitzer müssen zur Hälfte aus den Arbeitgebern,
zur Hälfte aus den Arbeitern entnommen werden.
Die ersteren werden mittels Wahl der Arbeitgeber, die letzte-
1912 -
Essen Berlin
: Bachmann Baedeker
- Hrsg.: ,, Heinecke, August
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- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Fortbildungsschule
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- Geschlecht (WdK): koedukativ
Gewerbegericht und Einigungsamt.
387
und Arbeitern, vorkommen, wurden in früheren Jahren ausschließ-
lich von den ordentlichen Gerichten entschieden. Allein die Streit-
fälle, die aus den gewerblichen Arbeitsverhältnissen entspringen,
verlangen vor allem eine schnellere Entscheidung, als sie die
ordentlichen Gerichte bei dem ihnen vorgeschriebenen Verfahren
treffen können; außerdem sind die Richter mit den gewerblichen
Arbeitsverhältnissen oft nicht genügend vertraut und genießen daher
nicht das volle Vertrauen der Rechtsuchenden.
Diesen Übelständen ist nun abgeholfen worden. Es wurde den
Innungen die Befugnis erteilt, zur Entscheidung von Streitigkeiten
zwischen den Innungsmitgliedern und ihren Gesellen Schiedsge-
richte zu bilden; ferner wurde gestattet, da, wo das Bedürfnis dazu
vorhanden war, besondere gewerbliche Gerichte zu errichten,
die für gewisse gewerbliche Streitigkeiten an die Stelle der ordent-
lichen Gerichte treten; so entstanden (seit 1890) die Gewerbege-
richte, die jetzt in Orten von 20000 Einwohnern an errichtet
werden müssen.
Ein Gewerbegericht wird für den Bezirk einer oder mehrerer
Gemeinden gebildet und besteht aus einem Vorsitzenden und mehreren
Beisitzern. Zu solchen sollen nur Personen berufen werden, welche
das 30. Lebensjahr vollendet, in dem der Wahl vorangegangenen
Jahre für sich oder ihre Familie Armenunterstützung aus öffentlichen
Mitteln nicht empfangen oder die empfangene Unterstützung er-
stattet haben und in dem Bezirke des Gerichtes seit mindestens zwei
Jahren wohnen oder beschäftigt sind. Wer zum Amte eines Schöffen
unfähig ist, kann auch einem Gewerbegericht nicht angehören. Der
Vorsitzende darf weder Arbeitgeber noch Arbeiter sein und wird
von der Gemeinde bezw. dem weiteren Verbände gewählt und durch
den Herrn Regierungspräsidenten bestätigt. Die Beisitzer müssen
zur einen Hälfte aus den Arbeitgebern, zur andern aus den Arbeitern
des Bezirks entnommen werden. Als Arbeitgeber gelten auch
Stellvertreter selbständiger Gewerbetreibender, wenn sie mit der
Leitung eines Gewerbebetriebes oder eines Zweiges desselben be-
traut sind und ihr Lohn (Gehalt) 2000 Jt übersteigt. Als Arbeiter
werden nicht nur die gewerblichen Gesellen, Gehülfen, Fabrik-
arbeiter und Lehrlinge, sondern auch Betriebsbeamte, Werkmeister
und mit höheren technischen Dienstleistungen betraute Angestellte
betrachtet, deren Jahres verdienst nicht über 2000 ^ hinausgeht.
Beide Teile, Arbeitgeber und Arbeiter, wählen jeder für sich ihre
Vertreter durch unmittelbare und geheime Wahl. Zur Teilnahme
an der Wahl ist nur berechtigt, wer das 25. Lebensjahr vollendet
und in dem Bezirke, für den das Gewerbegericht gebildet werden
soll, Wohnung oder Beschäftigung hat. Wer zum Amte eines
Schöffen unfähig ist, kann an der Wahl nicht teilnehmen.
Das Amt der Beisitzer ist ein Ehrenamt. Die Übernahme
kann nur aus den Gründen verweigert werden, welche zur Ab-
lehnung eines unbesoldeten Gemeindeamts berechtigen. Solche sind
namentlich anhaltende Krankheit, Geschäfte, welche eine häufige
und längere Abwesenheit vom Wohnorte erfordern, und ein Alter
von mehr als 60 Jahren. Wer das Amt eines Beisitzers 6 Jahre
25*
1907 -
Essen Berlin
: Bachmann Baedeker
- Hrsg.: ,, Heinecke, August
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde?
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Gewerbegericht und Einigungsamt.
387
und Arbeitern, vorkommen, wurden in früheren Jahren ausschließ-
lich von den ordentlichen Gerichten entschieden. Allein die Streit-
fälle, die aus den gewerblichen Arbeitsverhältnissen entspringen,
verlangen vor allem eine schnellere Entscheidung, als sie die
ordentlichen Gerichte bei dem ihnen vorgeschriebenen Verfahren
treffen können; außerdem sind die Richter mit den gewerblichen
Arbeitsverhältnissen oft nicht genügend vertraut und genießen daher
nicht das volle Vertrauen der Rechtsuchenden.
Diesen Übelständen ist nun abgeholfen worden. Es wurde den
Innungen die Befugnis erteilt, zur Entscheidung von Streitigkeiten
zwischen den Innungsmitgliedern und ihren Gesellen Schiedsge-
richte zu bilden; ferner wurde gestattet, da, wo das Bedürfnis dazu
vorhanden war, besondere gewerbliche Gerichte zu errichten,
die für gewisse gewerbliche Streitigkeiten an die Stelle der ordent-
lichen Gerichte treten; so entstanden (seit 1890) die Gewerbege-
richte, die jetzt in Orten von 20000 Einwohnern an errichtet
werden müssen.
Ein Gewerbegericht wird für den Bezirk einer oder mehrerer
Gemeinden gebildet und besteht aus einem Vorsitzenden und mehreren
Beisitzern. Zu solchen sollen nur Personen berufen werden, welche
das 30. Lebensjahr vollendet, in dem der Wahl vorangegangenen
Jahre für sich oder ihre Familie Armenunterstützung aus öffentlichen
Mitteln nicht empfangen oder die empfangene Unterstützung er-
stattet haben und in dem Bezirke des Gerichtes seit mindestens zwei
Jahren wohnen oder beschäftigt sind. Wer zum Amte eines Schöffen
unfähig ist, kann auch einem Gewerbegericht nicht angehören. Der
Vorsitzende darf weder Arbeitgeber noch Arbeiter sein und wird
von der Gemeinde bezw. dem weiteren Verbände gewählt und durch
den Herrn Regierungspräsidenten bestätigt. Die Beisitzer müssen
zur einen Hälfte aus den Arbeitgebern, zur andern aus den Arbeitern
des Bezirks entnommen werden. Als Arbeitgeber gelten auch
Stellvertreter selbständiger Gewerbetreibender, wenn sie mit der
Leitung eines Gewerbebetriebes oder eines Zweiges desselben be-
traut sind und ihr Lohn (Gehalt) 2000 Ji übersteigt. Als Arbeiter
werden nicht nur die gewerblichen Gesellen, Gehülfen, Fabrik-
arbeiter und Lehrlinge, sondern auch Betriebsbeamte, Werkmeister
und mit höheren technischen Dienstleistungen betraute Angestellte
betrachtet, deren Jahresverdienst nicht über 2000 Ji hinausgeht.
Beide Teile, Arbeitgeber und Arbeiter, wählen jeder für sich ihre
Vertreter durch unmittelbare und geheime Wahl. Zur Teilnahme
an der Wahl ist nur berechtigt, wer das 25. Lebensjahr vollendet
und in dem Bezirke, für den das Gewerbegericht gebildet werden
soll, Wohnung oder Beschäftigung hat. Wer zum Amte eines
Schöffen unfähig ist, kann an der Wahl nicht teilnehmen.
Das Amt der Beisitzer ist ein Ehrenamt. Die Übernahme
kann nur aus den Gründen verweigert werden, welche zur Ab-
lehnung eines unbesoldeten Gemeindeamts berechtigen. Solche sind
namentlich anhaltende Krankheit, Geschäfte, welche eine häufige
und längere Abwesenheit vom Wohnorte erfordern, und ein Alter
von mehr als 60 Jahren. Wer das Amt eines Beisitzers 6 Jahre
25*
16. Teil 1
- S. 366
1899 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Windmöller, Friedrich, Schürmann, Franz
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1897
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- Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule
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- Geschlecht (WdK): koedukativ
366
und eine Entschädigung für Zeitversäumnis. Rechtsanwälte werden
vor dem Gewerbegerichte nicht zugelassen. Die Ladung der Parteien
geschieht durch den Gerichtsschreiber. Erscheint der Kläger nicht,
so ist auf Antrag des Beklagten der Kläger abzuweisen. Erscheint
der Beklagte nicht, so können auf Antrag des Klägers die in der Klage
behaupteten Thatsachen als zugestanden angenommen werden. Bleiben
beide Parteien aus, so wird ein neuer Termin angesetzt. Binnen drei
Tagen kann die Partei, gegen welche ein Versäumnisurteil erlassen ist,
Einspruch einlegen. Dieser kann schriftlich eingereicht oder beim Gerichts-
schreiber zu Protokoll gegeben werden. Der Einspruch hat aber nur
Wert, wenn er in dem dann anzuberaumenden Termin mündlich begründet
wird. Zudem kann der Vorsitzende des Gewerbegerichts jederzeit das
Erscheinen jeder Partei fordern und den Ungehorsam mit Geldstrafen bis
zu einhundert Mark bestrafen. Gegen die Entscheidungen des Gewerbe-
gerichts kann an das Landgericht Berufung eingelegt werden, aber nur,
wenn der Wert des Streitgegenstandes den Betrag von hundert Mark
übersteigt. Die Gebühren für Verhandlungen des Gewerbegerichts betragen
bei einem Wertgegenstände von 20 Mk. 1 Mk., bis 50 Mk. 1 Mk. 50 Pf.
und bis 100 Mk. 3 Mk. Die höchste Gebühr beträgt 30 Mk.
Bei Streitigkeiten über Fortsetzung oder Wiederaufnahme des Arbeits-
verhältnisses kann das Gewerbegericht von den beteiligten Arbeitgebern
und Arbeitnehmern als Einigungsamt angerufen werden. Der An-
rufung ist Folge zu geben, wenn sie von beiden Teilen erfolgt, und je
drei Vertreter aus ihrer Mitte bestellt werden. Die Beisitzer und Ver-
trauensmänner dürfen nicht zu den Beteiligten gehören. Der Schieds-
spruch des Einigungsamts erlangt Gültigkeit, sodald beide Teile ihre
Unterwerfung erklären.
Auf Ansuchen des Gemeindevorstands oder einer Staatsbehörde haben
die Gewerbegerichte Gutachten über gewerbliche Fragen ihres Bezirks
abzugeben. Die Gewerbegerichte können auch in gewerblichen Fragen
Anträge an Magistrat und Staatsbehörde richten.
Wo ein zuständiges Gewerbegericht nicht vorhanden ist, kann die
vorläufige Entscheidung in gewerblichen Streitigkeiten durch den Orts-
vorsteher nachgesucht werden. Die Entscheidung wird rechtskräftig,
wenn nicht innerhalb zehn Tagen von einer der Parteien Klage bei dem
ordentlichen Gericht erhoben wird.
Für Gehilfen und Lehrlinge in Apotheken und Handelsgeschäften
gilt dieses Gewerbegerichtsgesetz nicht, welches schon 1878 vorgelegt
und durch Reichstagsbeschlüsse vom 24. März 1886 und 12. Januar 1889
mit veranlasst ist. Über Streitigkeiten zwischen Lehrlingen und Arbeit-
gebern, welche Innungen angehören, entscheiden die Innungsschieds-
gerichte. D. Ricks.
202. Hesehgeöung zuin Wohte der arbeitenden Klassen.
a. Zweck der Versicherungen.
Der Arbeiter, der für seine ganze Existenz aus den Ertrag der Arbeit
seiner Hände angewiesen ist, steht den Wechselfüllen des Lebens fast hilflos
gegenüber intb wird samt seinen Angehörigen durch Krankheit, Unfälle
oder Alter leicht an den Rand des Verderbens gebracht. Um dieses zu
1894 -
Leipzig
: Grunow
- Autor: Groth, Ernst, Hoffmann, Georg
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
200
Landwirtschaft, Handel und Gewerbe
Beisitzer
Verfahren
selben Arbeitgebers (z. B. wegen des Anteils Mn ge-
meinschaftlichen Akkordlohn). Sie können für den Be-
zirk einer oder mehrerer Gemeinden, oder für einen
weitern Kommunalverband, durch Statut eintreten-
den Falls auch durch Anordnung der Landeszentral-
behörde — errichtet werden. Zu den Arbeitern gehören
auch Lehrlinge; Betriebsbeamte (S. 195) nur dann, wenn
ihr Jahresverdienst oder Gehalt 2000 Mark nicht über-
steigt. Die Hausindustrie untersteht dem Gewerbegericht
regelmäßig nur, wenn das Arbeitsmaterial vom Arbeit-
geber geliefert wird.
Die Gewerbegerichte treten für die ihnen zuge-
wiesenen Streitigkeiten an die Stelle der ordentlichen
Gerichte. Ihre Entscheidungen sind endgiltig. Nur
wenn der Wert des Streitgegenstandes 100 Mark über-
steigt, ist Berufung an das Landgericht gestattet. Die
Gewerbegerichte sind im einzelnen Falle mit einem
Vorsitzenden und mindestens zwei Beisitzern besetzt. Von
diesen muß je einer aus dem Arbeitgeber- und dem
Arbeiterstande entnommen werden. Der Vorsitzende
darf keiner der beiden Gruppen angehören und wird
regelmäßig vom Magistrat bestellt.
Die Beisitzer werden von Arbeitgebern und Ar-
beitern, in getrennter Abstimmung, in unmittelbarer und
geheimer Wahl gewählt. Zur Wahlberechtigung
gehört ein Alter von über 25 Jahren und mindestens
einjähriger Wohnsitz oder eine ebenso lange Beschäf-
tigung im Gerichtsbezirk. Die Wählbarkeit ist von
der Vollendung des 30. Lebensjahres, von zweijährigem
Wohnsitz oder zweijähriger Beschäftigung im Bezirke
abhängig. Kommen Wahlen nicht zustande oder werden
sie wiederholt für ungiltig erklärt, so wird das Gericht
von der höhern Verwaltungsbehörde gebildet.
Das Verfahren richtet sich nach dem Amtsge-
richtsprozeß (S. 114), jedoch mit wesentlichen Verein-
fachungen (z. B. geschieht die Zustellung von Amts
1897 -
Wittenberg
: Herrosé
- Autor: Schanze, J., Schanze, W.
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
330
Schreiber zu Protokoll gegeben werden. Der Einspruch hat
aber nur Wert, wenn er in dem dann anzuberaumenden
Termin mündlich begründet wird. Zudem kann der Vorsitzende
des Gewerbegerichts jeder Zeit das Erscheinen jeder Partei
fordern und den Ungehorsam mit Geldstrafen bis zu einhundert
Mark bestrafen. Gegen die Entscheidungen des Gewerbe-
gerichts kann bei dem Landgericht Berufung eingelegt werden,
aber nur, wenn der Wert des Streitgegenstandes den Betrag
von hundert Mark übersteigt. Die Gebühren für Verhand-
lungen des Gewerbegerichts betragen bei einem Wertgegen-
stände von 20 Jc 1 Jc, bis 50 Ji 1 Jc 50 ^ und bis 100 Jc
3 Jc. Die höchste Gebühr beträgt 30 Jc.
Bei Streitigkeiten über Fortsetzung oder Wiederaufnahme
des Arbeitsverhältnisses kann das Gewerbegericht von den
beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern als Einigungs-
amt angerufen werden. Der Anrufung ist Folge zu geben,
wenn sie von beiden Teilen erfolgt, und je drei Vertreter aus
ihrer Mitte bestellt werden. Die Beisitzer und Vertrauens-
männer dürfen nicht zu den Beteiligten gehören. Der Schieds-
spruch des Einigungsamts erlangt Gültigkeit, sobald beide
Teile ihre Unterwerfung erklären.
Auf Ansuchen des Gemeindevorstandes oder einer Staats-
behörde haben die Gewerbegerichte Gutachten über gewerb-
liche Fragen ihres Bezirks abzugeben. Die Gewerbegerichte
können auch in gewerblichen Fragen Anträge an Magistrat
und Staatsbehörde richten.
Wo ein zuständiges Gewerbegericht nicht vorhanden ist,
kann die vorläufige Entscheidung in gewerblichen Streitig-
keiten durch den Ortsvorsteher nachgesucht werden. Die
Entscheidung wird rechtskräftig, wenn nicht innerhalb zehn
Tagen von einer der Parteien Klage bei dem ordentlichen
Gericht erhoben wird.
Für Gehilfen und Lehrlinge in Apotheken und Handels-
geschäften gilt dieses Gewerbegerichtsgesetz nicht, das, schon
1878 vorgelegt, durch Reichstagsbeschlüsse vom 24. März 1886
und 12. Januar 1889 mit veranlasst ist. Über Streitigkeiten
zwischen Lehrlingen und Arbeitgebern, die Innungen ange-
hören, entscheiden die Innungsschiedsgerichte. D. Rieks.
154. Die Ärbeitergejehe.
Die Arbeiterversicherungsgesetze werden vielfach einer ungerechten
Beurteilung unterzogen. Tadelsüchtigen bieten sie nur Gelegenheit zu
Angriffen. „Was dem Arbeiter geboten wird, ist nur Armeuunter-
stützung; es reicht nicht aus und dient nur zu seiner Knechtung." So
kann man in vielen Blättern lesen. Aber diese Vorwürfe sind ebenso
thöricht, als wenn jemand zum eben gepflanzten jungen Baum sprechen
wollte: „Warum hast du keine größeren Zweige und Äste und trägst
19. Teil 1
- S. 382
1918 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Windmöller, Friedrich, Schürmann, Franz
- Auflagennummer (WdK): 34
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
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Gewerbegerichte.
beiter sein. Die (mindestens vier) Beisitzer werden zur Hälfte aus Arbeit-
gebern, zur Hälfte aus den Arbeitern in geheimer Wahl auf ein bis 6 Jahre
gewählt. Jeder Arbeitgeber und Arbeiter, der zum Schösi’enamt £ähigund
kein Almosenempfänger ist, ist wahlberechtigt und wählbar; ersteres sofern
er außerdem 25 Jahre alt und seit einem Jahr im Gerichtsbezirk ansässig
und tätig ist, letzteres nach dein 30. Lebensjahr und nach zweijähriger
Tätigkeit. Mitglieder einer Innung, für welche ein Schiedsgericht
besteht, sind weder wählbar noch wahlberechtigt. Die Beisitzer der
Gewerbegerichte erhalten für jede Sitzung, der sie beigewohnt haben,
Vergütung der Reisekosten und eine Entschädigung für Zeitversäumnis.
Rechtsanwälte werden beim Gewerbegerichte nicht zugelassen. Die
Ladung der Parteien geschieht durch den Gerichtsschreiber. Erscheint
der Kläger nicht, so ist auf Antrag des Beklagten der Kläger abzuweisen.
Erscheint der Beklagte nicht, so können auf Antrag des Klägers die in
der Klage behaupteten Tatsachen als zugestanden angenommen werden.
Bleiben beide Parteien aus, so wird ein neuer Termin angesetzt. Binnen
drei Tagen kann die Partei, gegen welche ein Versäumnisurteil erlassen
ist, Einspruch einlegen. Dieser kann schriftlich eingereicht oder beim
Gerichtsschreiber zu Protokoll erklärt werden. Der Einspruch hat aber
nur Wert, wenn er in dem dann anzuberaumenden Termin mündlich
begründet wird. Zudem kann der Vorsitzende des Gewerbegerichts
jederzeit das Erscheinen jeder Partei fordern und den Ungehorsam mit
Geldstrafen bis zu einhundert Mark bestrafen. Gegen die Entscheidungen
des Gewerbegerichts kann an das Landgericht Berufung eingelegt
werden, aber nur, wenn der Wert des Streitgegenstandes den Betrag
von hundert Mark übersteigt. Die höchste Gebühr für Verhandlungen
des Gewerbegerichtes beträgt 30 Mark.
Bei Streitigkeiten über Fortsetzung oder Wiederaufnahme des Arbeits-
verhältnisses kann das Gewerbegericht von den beteiligten Arbeitgebern
und Arbeitnehmern als Einigungsamt angerufen werden. Der Anrufung
ist Folge zu geben, wenn sie von beiden Teilen erfolgt, und je drei
Vertreter aus ihrer Mitte bestellt werden. Die Beisitzer und Vertrauens-
männer dürfen nicht zu den Beteiligten gehören. Der Schiedsspruch
des Einigungsamts erlangt Gültigkeit, sobald beide Teile ihre Unter-
werfung erklären.
Auf Ansuchen des Gemeindevorstands oder einer Staatsbehörde
haben die Gewerbegerichte Gutachten über gewerbliche Fragen ihres
Bezirks abzugeben. Die Gewerbegerichte können auch in gewerblichen
Fragen Anträge an Gemeinde- und Staatsbehörde richten.
Wo ein zuständiges Gewerbegericht nicht vorhanden ist, kann die
vorläufige Entscheidung in gewerblichen Streitigkeiten durch den Gemeinde-
vorsteher (Bürgermeister) nachgesucht werden. Die Entscheidung wird
rechtskräftig, wenn nicht innerhalb zehn Tagen von einer der Parteien
Klage bei dem ordentlichen Gericht erhoben wird.
Für Gehilfen und Lehrlinge in Apotheken und Handelsgeschäften
gilt dieses Gewerbegerichtsgesetz nicht, auch entscheidet es nicht über
Streitigkeiten zwischen Lehrlingen und Arbeitgebern, welche Innungen
angehören. Für letztere sind vielmehr die Innungsschiedsgerichte die
zuständigen Behörden. d. Rieks.
1913 -
Regensburg
: Wunderling
- Autor: Seidl, Ferdinand, Hollweck, Albert
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
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Iv. Die Gewerbegerichle.
Die Gcwerbegerichte sind den Amtsgerichten gleichgestellt. In
allen Gemeinden, welche über 20 000 Einwohner haben, müsseu
Gewerbegerichte errichtet werden.
Das Gewerbegericht ist zusammengesetzt aus
einem Vorsitzenden, aus Beisitzern von Arbeitgebern und Arbeit-
nehmern und aus einem Gerichtsschreiber. Der Vorsitzende
wird von der Gemeinde gewählt und von der Regierung bestätigt.
Die Beisitzer müssen zur Hülste Arbeitgeber und zur Hälfte Arbeit-
nehmer sein. Jeder Teil wählt seine Beisitzer. Der Gerichts-
schreiber wird von der Gemeinde ausgestellt.
Gegen die Entscheide des Gewerbegerichts ist Berufung
zum Landgerichte zulässig, jedoch nur in Fällen, in welchen mehr als
100 Mark eingeklagt sind.
Die Gewerbegerichte sind für alle aus dem Arbeitsverhältniffe
entspringenden Streitigkeiten zwischen dem Arbeitgeber und seinen
Arheitnehmern zuständig, in manchen Fällen auch für Streitigkeiten
zwischen den Arbeitern desselben Meisters untereinander. (Arbeits-
buch, Arbeitsvertrag, Lohnzahlung, Anrechnung der Versicherungs-
beiträge, Akkordarbeiten.)
Den Gewerbegerichten sind unterstellt: 1. diejenigen
Gesellen, Lehrlinge und Fabrikarbeiter, welche sich ständig in einem
Arbeitsverhältnisse befinden, 2. alle gewerblichen Betriebsbeamten,
Werkmeister und andere Angestellte, deren Lohn oder Gehalt jährlich
2000 Mark nicht übersteigt, 3. die sogenannten Heimarbeiter.
Streitigkeiten zwischen Jnnungsmitgliedern und ihren Gesellen
oder Arbeitern können auch durch das Jnnungsschieds-
g e r i ch t entschieden werden.
Arbeitsamt.
In jeder größeren Stadt befindet sich ein Arbeits-
amt. Sucht ein Arbeitgeber einen Arbeiter oder der Arbeiter (Geselle,
Lehrling usw.) eine Stelle, so können sie dies bei dem Arbeitsamte
angeben. Die Anmeldung kann mündlich oder schriftlich erfolgen.
Für die schriftliche Anmeldung werden im Büro des Arbeitsamtes
Formulare abgegeben. Bei der Anmeldung ist die Art der Beschäf-
tigung genau zu bezeichnen.
V. Die Reichsversicherungsordnung.
(Arbeiterversicherungsgesetze.)
Vom 19. Juli 1911.
Die Reichsversicherung umfaßt die Krankenversicherung, die
Unfallversicherung, die Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung.