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1. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 71

1913 - Leipzig : Hahn
71 Qus dem Körper wieder heraus sei; dann aber müßte man es so lange reiben, bis die Wärme wiederkehre, und wenn dadurch das Leben nicht zurückgerufen würde, sei alle Hilfe vergebens. Da trat eine junge Dame, welche erst seit wenigen Wochen als Erzieherin im Hause war, vor und erhob bescheiden, aber mit großer Bestimmtheit Einspruch gegen die vorgeschlagenen Maßregeln. Sie habe erst vor kurzem an dem Unterricht in einer Samariterschule teilgenommen und dort gelernt, wie man sich bei Rettungsversuchen an scheinbar Ertrunkenen zu verhalten habe. Das, was der Schäfer vorgeschlagen, sei durchaus nicht zweckmäßig. Wenn man ihr gestatten wolle, das Erlernte hier anzuwenden, so hoffe sie, daß es noch möglich sei, den Knaben wieder ins Leben zurückzurufen. Die Ruhe und Zuversicht, mit welcher das junge Mädchen gesprochen, flößte der ver- zweifelten Mutter neue Hoffnung ein. Sie bat die Erzieherin, alles zu tun, was sie für nötig halte. Deren erster Rat war, einen Eilboten nach der Stadt zu schicken, um den Arzt zu holen, der zweite der, einige wollene Decken wärmen zu lassen. Dann legte sie sofort selbst Hand an, wobei sie das verständige Hausmädchen auf- forderte, ihr Hilfe zu leisten. Mit einigen Scherenschnitten trennte sie Jacke und Hemd und streifte die Kleider vom Oberkörper völlig ab; mit einem Taschentuch entfernte sie den Schlamm, der sich im Munde befand, zog die Zunge hervor und band die Spitze derselben mit dem Taschentuch auf dem Kinn fest; dann begann sie mit dem Hausmädchen die künstlichen Atembewegungen auszuführen, wie sie es in der Samariterschule gelernt hatte. In stets gleichem Tempo wurde durch Erheben der Arme bis über den Kopf der kleine Brust- kasten möglichst weit ausgedehnt und dann wieder durch Senken der Arme und Druck auf die Seitenflächen der Brust zusammengedrückt. Mit deutlich hörbarem Geräusch drang der Luftstrom ein und aus, aber das Kind lag blaß und leblos, wenn die beiden Mädchen er- mattet von der Anstrengung aus Augenblicke ihre Bemühungen aus- setzten. Eine Viertelstunde nach der andern verging; immer mehr schwand die Hoffnung der Mutter und der Umstehenden. Endlich, nachdem mehr als eine Stunde lang die Bewegungen fortgesetzt waren, schrie plötzlich das junge Mädchen auf: „Jetzt hilft es! Er fängt an zu atmen!" Und siehe da, als sie mit den Bewegungen einhielten hob sich die kleine Brust von selbst, und eine leichte Röte färbte die blassen Wangen. Lauter Jubel der Umstehenden erhob sich; aber die beiden Helferinnen ließen noch nicht nach und setzten, obwohl aufs äußerste erschöpft, ihre Bemühungen unablässig fort, bis die Wangen sich lebhafter röteten und der Kleine plötzlich die Augen ausschlug. Nun wurden auf Geheiß der jungen Samariterin die ge- wärmten Decken herbeigebracht, in welche der Kleine nach Beseitigung der übrigen Kleidungsstücke eingehüllt und mit denen er dann tüchüg gerieben wurde. Der Kleine sing an zu sprechen und verlangte etwas zu trinken. Man flößte ihm warmen Thee ein und trug ihn

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1. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 71

1906 - Leipzig : Hahn
71 aus dem Körper wieder heraus sei; dann aber müßte man es so Lange reiben, bis die Wärme wiederkehre, und wenn dadurch das Leben nicht zurückgerufen würde, sei alle Hilfe vergebens. Da trat eine junge Dame, welche erst seit wenigen Wochen als Erzieherin im Hause war, vor und erhob bescheiden, aber mit großer Bestimmtheit Einspruch gegen die vorgeschlagenen Maßregeln. Sie habe erst vor kurzem an dem Unterricht in einer Samariterschule teilgenommen und dort gelernt, wie man sich bei Rettungsversuchen an scheinbar Ertrunkenen zu verhalten habe. Das, was der Schäfer vorgeschlagen, sei durchaus nicht zweckmäßig. Wenn man ihr gestatten wolle, das Erlernte hier anzuwenden, so hoffe sie, daß es noch möglich sei, den Knaben wieder ins Leben zurückzurufen. Die Ruhe und Zuversicht, mit welcher das junge Mädchen gesprochen, flößte der ver- zweifelten Mutter neue Hoffnung ein. Sie bat die Erzieherin, alles zu tun, was sie für nötig halte. Deren erster Rat war, einen Eilboten nach der Stadt zu schicken, um den Arzt zu holen, der zweite der, einige wollene Decken wärmen zu lassen. Dann legte sie «ofort selbst Hand an, wobei sie das verständige Hausmädchen auf- forderte, ihr Hilfe zu leisten. Mit einigen Scherenschnitten trennte sie Jacke und Hemd und streifte die Kleider vom Oberkörper völlig ab; mit einem Taschentuch entfernte sie den Schlamm, der sich im Munde befand, zog die Zunge hervor und band die Spitze derselben mit dem Taschentuch auf dem Kinn fest; dann begann sie mit dem Hausmädchen die künstlichen Atembewegungen auszuführen, wie sie es in der Samariterschule gelernt hatte. In stets gleichem Tempo wurde durch Erheben der Arme bis über den Kopf der kleine Brust- kasten möglichst weit ausgedehnt und dann wieder durch Senken der Arme und Druck auf die Seitenflächen der Brust zusammengedrückt. Mit deutlich hörbarem Geräusch drang der Luftstrom ein und aus, aber das Kind lag blaß und leblos, wenn die beiden Mädchen er- mattet von der Anstrengung auf Augenblicke ihre Bemühungen aus- setzten. Eine Viertelstunde nach der andern verging; immer mehr schwand die Hoffnung der Mutter und der Umstehenden. Endlich, nachdem mehr als eine Stunde lang die Bewegungen fortgesetzt waren, schrie plötzlich das junge Mädchen auf: „Jetzt hilft es! Er fängt an zu atmen!" Und siehe da, als sie mit den Bewegungen einhielten hob sich die kleine Brust von selbst, und eine leichte Röte färbte die blaffen Wangen. Lauter Jubel der Umstehenden erhob sich; aber die beiden Helferinnen ließen noch nicht nach und fetzten, obwohl aufs äußerste erschöpft, ihre Bemühungen unablässig fort, bis die Wangen sich lebhafter röteten und der Kleine plötzlich die Augen aufschlug. Nun wurden auf Geheiß der jungen Samariterin die ge- wärmten Decken herbeigebracht, in welche der Kleine nach Beseitigung der übrigen Kleidungsstücke eingehüllt und mit denen er dann tüchtig gerieben wurde. Der Kleine sing an zu sprechen und verlangte etwas zu trinken. Man flößte ihm warmen Thee ein und trug ihn

2. Lese-, Lehr- und Hilfsbuch für Gewerbeschulen - S. 197

1905 - Schwerin i. M. : Bärensprung
Erste Hülfe bei Unglücksfällen. 197 Höhe zu heben und mit dem Kopf nach unten so lange zu schütteln, bis alles Wasser aus dem Körper wieder heraus sei; dann aber müßte man es so lange reiben, bis die Wärme wiederkehre, und wenn dadurch das Leben nicht zurückgerufen würde, sei alle Hülfe vergebens. Da trat eine junge Dame, welche erst seit wenigen Wochen als Erzieherin im Hause war, vor und erhob bescheiden, aber mit großer -Bestimmtheit Einspruch gegen die vorgeschlagenen Maßregeln. Sie habe erst vor kurzem an dem Unterricht in einer Samariterschule teil- genommen und dort gelernt, wie man sich bei Rettungsversuchen an scheinbar Ertrunkenen zu verhalten habe. Das, was der Schäfer vor- geschlagen habe, sei durchaus nicht zweckmäßig. Wenn man ihr ge- statten wolle, das Erlernte hier anzuwenden, so hoffe sie, daß es noch möglich sei, den Knaben wieder ins Leben zurückzurufen. Die Ruhe und Zuversicht, mit welcher das junge Mädchen gesprochen hatte, flößte der verzweifelten Mutter neue Hoffnung ein. Sie bat die Erzieherin, alles zu tun, was sie für nötig halte. Deren erster Rat war, einen Eilboten nach der Stadt zu schicken, um den Arzt zu holen, der zweite der, einige wollene Decken wärmen zu lassen. Dann legte sie sofort selbst Hand an, wobei sie das verständige Hausmädchen ausforderte, ihr Hülfe zu leisten. Mit einigen Scherenschnitten trennte sie Zacke und Hemd und streifte die Kleider vom Oberkörper völlig ab; mit einem Taschen- tuch entfernte sie den Schlamm, der sich im Munde befand, zog die Zunge hervor und band die Spitze derselben mit dem Taschentuch auf dem Rinn fest; dann begann sie mit dem Hausmädchen die künstlichen Atembewegungen auszuführen, wie sie es in der Samariterschule gelernt hatte. Zn stets gleichem Tempo wurde durch Erheben der Arme bis über den Kopf der kleine Brustkasten möglichst weit ausgedehnt und dann wieder durch Senken der Arme und Druck auf die Seitenflächen der Brust zusammengedrückt. Mit deutlich hörbarem Geräusch drang der Luftstrom ein und aus, aber das Rind lag blaß und leblos, wenn die beiden Mädchen, ermattet von der Anstrengung, auf Augenblicke ihre Bemühungen aussetzten. Eine Viertelstunde nach der andern ver- ging; immer mehr schwand die Hoffnung der Mutter und der Um- stehenden. Endlich, nachdem mehr als eine Stunde lang die Bewegungen fortgesetzt waren, schrie plötzlich das junge Mädchen auf: „Zetzt hilft es! Er fängt an zu atmen!" Und siehe da, als sie mit den Bewegungen einhielten, hob sich die kleine Brust von selbst, und eine leichte Röte färbte die blassen Wangen. Lauter Zubel der Umstehenden erhob sich; aber die beiden Helferinnen ließen noch nicht nach und setzten, obwohl aufs äußerste erschöpft, ihre Bemühungen unablässig fort, bis die Wangen sich lebhafter röteten und der Kleine plötzlich die Augen aufschlug. Nun wurden auf Geheiß der jungen Samariterin die gewärmten Decken hereingebracht, in welche der Kleine nach Beseitigung der übrigen Kleidungs- stücke eingehüllt und mit denen er dann tüchtig gerieben wurde. Der Kleine fing an zu sprechen und verlangte etwas zu trinken. Man flößte ihm warmen Tee ein und trug ihn nun in Decken eingehüllt ins Haus

3. Bd. 3 A = Oberstufe für Knaben, (7. - 9. Schulj.) - S. 668

1910 - Dortmund : Crüwell
668 es so lange reiben, bis die Wärme wiederkehre. Wenn dadurch das Leben nicht zurückgerufen würde, sei alle Hilfe vergebens. Da trat eine junge Dame, die erst seit wenigen Wochen als Er- zieherin im Hause war, vor und erhob bescheiden, aber mit großer Bestimmtheit Einspruch gegen die vorgeschriebenen Maßregeln. Sie habe erst vor kurzem an den: Unterricht in einer Samariterschule teilgenommen und dort gelernt, wie man sich bei Rettungsversuchen an scheinbar Ertrunkenen zu verhalten habe. Das, was der Schäfer vorgeschlagen habe, sei durchaus nicht zweckmäßig. Wenn man ihr gestatten wolle, das Erlernte hier anzuwenden, so hoffe sie, daß es noch möglich sei, den Knaben wieder ins Leben zurückzurufen. Die Ruhe und Zuversicht, mit der das junge Mädchen gesprochen, flößte der verzweifelten Mutter neue Hoffnung ein, und sie bat die Er- zieherin, alles zu tun, was sie für nötig halte. Jetzt wurde sofort ein Eilbote nach der Stadt zum Arzt geschickt, dann wurden wollene Decken angewärmt. Die Sama- riterin legte selbst Hand an, wobei sie das verständige Haus- mädchen aufforderte, ihr Hilfe zu leisten. Mit einigen Scheren- schnitten trennte sie Jacke und Hemd auf und streifte die Kleider vom Oberkörper völlig ab. Mit einem Taschentuch entfernte sie den Schlamm, der sich im Munde befand, zog die Zunge hervor und band deren Spitze mit dem Taschentuch auf dem Kinn fest. Dann begann sie mit dem Hausmädchen die künstlichen Atembewegungen auszuführen, wie sie es in der Samariterschule gelernt hatte. In stets gleichem Zeit- maße wurde durch Erheben der Arme bis über den Kopf der kleine Brustkasten möglichst weit ausgedehnt und dann wieder durch Senken der Arme und Druck auf die Seitenflächen der Brust zusammengedrückt. Mit deutlich hörbarem Geräusch drang der Luftstrom ein und ans; aber das Kind lag blaß und leblos, wenn die beiden Mädchen, von der Anstrengung ermattet, auf Augenblicke ihre Bemühungen aussetzten. Eine Viertelstunde nach der andern verging; immer mehr schwand die Hoffnung der Mutter und der Umstehenden. Endlich, nachdem mehr als eine Stunde lang die Bewegungen fortgesetzt waren, schrie plötzlich das junge Mädchen auf: „Jetzt hilft es! Er fängt an zu atmen!" Und siehe da, als sie mit den Bewegungen einhielten, hob sich die kleine Brust von selbst, und eine leichte Röte färbte die blassen Wangen. Lauter Jubel der Umstehenden erhob sich; aber die beiden Helferinnen ließen noch nicht nach und setzten, obwohl aufs äußerste erschöpft, ihre Bemühungen unablässig fort, bis sich die Wangen leb- hafter röteten, und der Kleine plötzlich die Augen aufschlug. Nun wurden auf Geheiß der jungen Samariterin die gewärmten Decken herbeigebracht, in die der>.W.pnp,Mch Beseitigung der übrigen Klei- *

4. Teil 3 = 6. u. 7. Schulj - S. 50

1911 - Breslau : Hirt
50 Die Bewohner des Gutes eilten von allen Seiten herbei, unter ihnen ein alter Schäfer, der in dem Rufe stand, allerlei ärztliche Kenntnisse zu besitzen. Dieser machte auch sogleich Vorschläge zu Wiederbelebungs- versuchen. Er riet, das Kind bei den Beinen in die Höhe zu heben und mit dem Kopfe nach unten so lange zu schütteln, bis alles Wasser aus dein Körper wieder heraus sei. Dann aber mühte man es so lange reiben, bis die Wärme wiederkehre. Wenn dadurch das Leben nicht zurückgerufen würde, sei alle Hilfe vergebens. 2. Da trat eine junge Dame, die erst seit wenigen Wochen als Er- zieherin im Hause war, vor und erhob bescheiden, aber mit großer Be- stimmtheit Einspruch gegen die vorgeschlagenen Maßregeln. Sie habe erst vor kürzern an dem Unterricht in eurer Sanrariterschule teilgenommerr und dort gelernt, wie nrair sich bei Rettungsversuchen an scheinbar Er- trunkenen zu verhalten habe. Das, was der Schäfer vorgeschlagen habe, sei durchaus nicht zwecknräßig. Wenn man ihr gestatten wolle, das Er- lerrrte hier anzuwenderr, so hoffe sie, daß es noch möglich sei, den Knaben wieder ins Lebeir zurückzurrrfen. Die Ruhe und Zuversicht, mit der das junge Mädcherr gesprochen, flößte der verzweifelten Mutter neue Hoffnung ein, uird sie bat die Erzieherin, alles zu tun, was sie für nötig halte. Deren erster Rat war, einen Eilboten nach der Stadt zu schicken, um den Arzt zu holen; der zweite der, einige wollene Decken wärmen zu lassen. Dann legte sie sofort selbst Hand an, wobei sie das verständige Hausmädchen aufforderte, ihr Hilfe zu leisten. Mit einigen Scheren- schnitten trennte sie Jacke und Hemd auf und streifte die Kleider vom Oberkörper völlig ab. Mit einein Taschentuch entfernte sie den Schlamm, der sich im Munde befand, zog die Zunge hervor und band deren Spitze mit dem Taschentuch auf dem Kinn fest. Dann begann sie mit dem Haus- mädchen die künstlichen Atembewegungen auszuführen, wie sie es in der Samariterschule gelernt hatte. In stets gleichem Takte wurde durch Er- heben der Arme bis über den Kopf der kleine Brustkasten möglichst weit ausgedehnt und dann wieder durch Senken der Arme und Druck auf die Seitenflächen der Brust zusammengedrückt. Mit deutlich hörbarem Ge- räusch drang der Luftstrom ein und aus; aber das Kind lag blaß und leblos, wenn die beiden Mädchen, von der Anstrengung ermattet, auf Augenblicke ihre Bemühungen aussetzten. 3. Eine Viertelstunde nach der andern verging; immer mehr schwand die Hoffnung der Mutter und der Umstehenden. Endlich, nachdem mehr als eine Stunde lang die Bewegungen fortgesetzt waren, schrie plötzlich das junge Mädchen auf: „Jetzt hilft es! Er fängt an zu atmen!" Und siehe da, als sie mit den Bewegungen einhielten, hob sich die kleine Brust von selbst, und eine leichte Röte färbte die blassen Wangen. Lauter Jubel der Umstehenden erhob sich; aber die beiden Helferinnen ließen noch nicht

5. Teil 1 - S. 276

1918 - Essen : Bädeker
276 Erste Hilfe bei Unglücksfällen. eintraf, kam mir die Matter jubelnd entgegen mit der Nachricht, daß der Knabe gerettet sei. Es ward mir nun folgendes berichtet: Der zehnjährige, wilde Knabe hatte trotz des Verbotes einen Kahn bestiegen, der auf einem tiefen Teiche im Garten lag, und hatte, wie Kinder es gern tun, darin so lange geschaukelt, bis der Kahn umgeschlagen und der Knabe ins Wasser ge- fallen war. Ein Gärtner, der in der Nähe arbeitete, war sogleich in beit Teich gesprungen, doch war es ihm erst nach zehn Minuten gelungen, den Knaben vom Grunde des Teiches heraufzuholen. Als die Mutter herankam und den Knaben totenblaß und leblos ans dem Rasen am Rande des Teiches hingestreckt liegen sah, gab sie sich der wildesten Verzweiflung hin. Der Ruf nach ärztlicher Hilfe war natürlich für den Augenblick vergeblich. Die Bewohner des Gutes eilten von allen Seiten herbei, unter ihnen ein alter Schäfer, der in dem Rufe stand, allerlei ärztliche Kenntnisse zu besitzen. Der- selbe machte auch sogleich Vorschläge zu Wiederbelebungsversuchen: er riet, das Kind bei den Beinen in die Höhe zu heben und mit dem Kopf nach unten so lange zu schütteln, bis alles Wasser aus dem Körper wieder heraus sei; dann aber müßte man es so lange reiben, bis die Wärme wiederkehre, und wenn dadurch das Leben nicht zurückgerufen würde, sei alle Hilfe vergebens. Da trat eine junge Dame, welche erst seit wenigen Wochen als Er- zieherin im Hause war, vor und erhob bescheiden, aber mit großer Bestimmt- heit Einspruch gegen die vorgeschlagenen Maßregeln. Sie habe erst vor kurzem an dem Unterricht in einer Samariterschnle teilgenommen und dort gelernt, wie man sich bei Rettungsversuchen an scheinbar Ertrunkenen zu ver- halten habe. Das, was der Schäfer vorgeschlagen, sei durchaus nicht zweck- mäßig. Wenn man ihr gestatten wolle, das Erlernte hier anzuwenden, so hoffe sie, daß es noch möglich sei, den Knaben wieder ins Leben zurückzu- rufen. Die Ruhe und Zuversicht, mit welcher das junge Mädchen gesprochen, flößte der verzweifelten Mutter neue Hoffnung ein. Sie bat die Erzieherin, alles zu tun, was sie für nötig halte. Deren erster Rat war, einen Eilboieu nach der Stadt zu schicken, um den Arzt zu holen, der zweite der, einige wollene Decken wärmen zu lassen. Dann legte sie sofort selbst Hand an, wobei sie das verständige Hausmädchen aufforderte, ihr Hilfe zu leisten. Mit einigen Scherenschnitten trennte sie Jacke und Hemd und streifte die Kleider vom Oberkörper völlig ab; mit einem Taschentuch entfernte sie den Schlamm, der sich im Munde befand, zog die Zunge hervor und banb die Spitze der- selben mit dem Taschentuch auf dem Kinn fest; dann begann sie mit dem Hausmädchen die künstlichen Atembewegungen auszuführen, wie sie es in der Samariterschnle gelernt hatte. In stets gleichem Tempo wurde durch Er- heben der Arme bis über den Kopf der kleine Brustkasten möglichst weit aus- gedehnt und dann wieder durch Senken der Arme und Druck auf die Seiten- flächen der Brust zusammengedrückt. Mit deutlich hörbarem Geräusch drang der Lnflstrom ein und aus, aber das Kind lag blaß und leblos, wenn die beiden Mädchen ermattet von der Anstrengung auf Augenblicke ihre Bemü- hungen aussetzten. Eine Viertelstunde nach der andern verging; immer mehr schwand die Hoffnung der Mutter und der Umstehenden. Endlich, nachdem mehr als eine Stunde lang die Bewegungen fortgesetzt waren, schrie plötzlich das junge Mädchen auf: „Jetzt hilft es! Er fängt an zu atmen!" Und siehe da, als sie mit den Bewegungen einhielten, hob sich die kleine Brust von selbst, und eine leichte Röte färbte die blassen Wangen. Lauter Jubel

6. Bd. 2 - S. 498

1906 - Straßburg : Straßburger Dr. und Verl.-Anst.
498 Viii. Bilder aus der Naturkunde. entfernte sie den Schlamm, der sich im Munde befand, zog die Zunge hervor und band die Spitze derselben mit dem Taschentuch auf dem Kinn fest; dann begann sie mit dem Hausmädchen die künstlichen Atem- bewegungen auszuführen, wie sie es in der Samariterschule gelernt hatte. In stets gleichem Tempo wurde durch Erheben der Arme bis über den Kopf der kleine Brustkasten möglichst weit ausgedehnt und dann wieder durch Senken der Arme und Druck auf die Seitenflächen der Brust zusammengedrückt. Mit deutlich hörbarem Geräusch drang der Luft- strom ein ttnd aus, aber das Kind lag blaß und leblos, wenn die beiden Mädchen ermattet von der Anstrengung auf Augenblicke ihre Bemühungen aussetzten. Eine Viertelstunde nach der andern verging; immer mehr schwand die Hoffnung der Mutter und der Umstehenden. Endlich, nach- dem mehr als eine Stunde lang die Bewegungen fortgesetzt waren, schrie plötzlich das junge Mädchen auf: „Jetzt hilft es! Er fängt an zu atmen!" Und siehe da, als sie mit den Bewegungen einhielten, hob sich die kleine Brust von selbst, und eine leichte Röte färbte die blassen Wangen. Lauter Jubel der Umstehenden erhob sich; aber die beiden Helferinnen ließen noch nicht nach und setzten, obwohl aufs äußerste erschöpft, ihre Be- mühungen unablässig fort, bis die Wangen sich lebhafter röteten und der Kleine plötzlich die Augen aufschlug. Nun wurden auf Geheiß der jungen Samariterin die gewärmten Decken herbeigebracht, in welche der Kleine nach Beseitigung der übrigen Kleidungsstücke eingehüllt und mit denen er dann tüchtig gerieben wurde. Der Kleine fing an zu sprechen und verlangte etwas zu trinken. Man stößte ihm etwas warmen Tee ein und trug ihn nun in Decken eingehüllt ins Haus und in sein Bett, wo er bald dann in einen tiefen, gesunden Schlaf verfiel, und als ich zwei Stunden später an sein Bett trat, klagte er über nichts mehr. Esmarch. (Samariterbriefe.) 386. Grundregeln der Gesundheitspflege in Sprichwörtern. 1. Eine Krankheit verhüten ist leichter, als sie heilen. 2. Man ißt, um zu leben, und lebt nicht, um zu essen. 3. Den Kopf halt kühl, die Füße warm, Das macht den besten Doktor arm. 4. Wo die Sonne nicht hinkommt, kommt bald der Arzt hin. 5. Eine Stunde Schlaf vor Mitternacht ist besser als zwei Stunden danach. 6. Rein gehalten dein Gewand, Rein auch Herz und Mund und Hand. 387. Wie ich auf der pariser Weltausstellung zu einem neuen Iilzhut kam. Es war im Sommer 1867. Paris gab das große Fest der Welt- ausstellung. Von allen Teilen der Erde waren Gäste herbeigeeilt, um

7. Bd. 2 - S. 497

1906 - Straßburg : Straßburger Dr. und Verl.-Anst.
Viii. Bilder aus der Naturkunde. 497 einem großen Gute, welches mehr als zwei Meilen von hier entfernt liegt, der einzige Sohn der Besitzerin, einer Witwe, in den Teich gefallen und ertrunken sei. Sie ließ mich bitten, so rasch als möglich zu ihr zu kommen. Ich ließ sofort anspannen und fuhr, was die Pferde lausen konnten, hinaus, allerdings ohne Hoffnung noch helfen zu können, denn vor zwei Stunden konnte ich kaum an Ort und Stelle sein. Als ich eintraf, kam mir die Mutter jubelnd entgegen mit der Nachricht, daß der Knabe gerettet sei, dank der von mir ins Leben gerufenen Samariter- schulen. Es wurde mir nun folgendes berichtet: Der zehnjährige wilde Knabe hatte trotz des Verbotes einen Kahn bestiegen, der auf einem tiefen Teiche im Garten lag, und hatte, wie Kinder es gern tun, so lange darin geschaukelt, bis der Kahn umge- schlagen und er ins Wasser gefallen war. Ein Gärtner, der in der Nähe arbeitete, war sogleich in den Teich gesprungen, doch war es ihm erst nach zehn Minuten gelungen, den Knaben vom Grunde des Teiches heraufzuholen. Als die Mutter herankam und den Knaben totenblaß und leblos aus dem Rasen am Rande des Teiches hingestreckt liegen sah, gab sie sich der wildesten Verzweiflung hin. Der Ruf nach ärztlicher Hilfe war natürlich für den Augenblick vergeblich. Die Bewohner des Gutes eilten von allen Seiten herbei, unter ihnen ein alter Schäfer, der in dem Rufe steht, allerlei ärztliche Kenntnis zu besitzen. Derselbe machte auch sogleich Vorschläge zu Wiederbelebungsversuchen. Er riet, das Kind bei den Beinen in die Höhe zu heben und mit dem Kopf nach unten so lange zu schütteln, bis alles Wasser aus dem Körper heraus sei; dann aber müßte man es so lange reiben, bis die Wärme wiederkehre, und wenn dadurch das Leben nicht zurückgerufen wäre, sei alle Hilfe vergebens. Da trat eine junge Dame, welche erst seit einigen Wochen als Erzieherin im Hause war, vor und erhob bescheiden aber mit großer Bestimmtheit Einspruch gegen die vorgeschlagenen Maßregeln. Sie habe erst vor kurzem an dem Unterricht in einer Samariterschule teilgenommen und dort gelernt, wie man sich bei Rettungsversuchen an'scheinbar Er- trunkenen zu verhalten habe. Das, was der Schäfer vorgeschlagen, sei durchaus nicht zweckmäßig. Wenn man ihr gestatten wolle, das Erlernte hier anzuwenden, so hoffe sie, den Knaben wieder ins Leben zurückzurufen. Die Ruhe und Zuversicht, mit welcher das junge Mädchen gesprochen, flößte der verzweifelten Mutter neue Hoffnung ein. Sie bat die Erzieherin, alles zu tun, was sie für nötig halte. Deren erster Rat war, einen Eilboten nach der Stadt zu schicken, um den Arzt zu holen, der zweite der, einige wollene Decken wärmen zu lassen. Dann legte sie sofort selbst Hand an, wobei sie das verständige Hausmädchen aufforderte, ihr Hilfe zu leisten. Mit einigen Scheerenschnitten trennte sie Jacke und Hemd und streifte die Kleider vom Oberkörper völlig ab; mit einem Taschentuch N. Gottes leb eii, Teutsches Lesebuch, 32

8. Bd. 3 B = Oberstufe d. Mädchen, (7. - 9. Schulj.) - S. 676

1911 - : Crüwell
676 wie Kinder es gern tun, darin so lange geschaukelt, bis der Kahn umgeschlagen und der Knabe ins Wasser gefallen war. Ein Gärtner, der in der Nähe arbeitete, war sofort in den Teich gesprungen; doch war es ihm erst nach zehn Minuten gelungen, den Knaben vom Grunde des Teiches heraufzuholen. Als die Mutter herankam und den Knaben totenblaß und leblos auf dem Rasen hingestreckt liegen sah, gab sie sich der wildesten Verzweiflung hin. Der Ruf nach ärztlicher Hilfe war natürlich für den Augenblick vergeblich. Die Bewohner des Gutes eilten von allen Seiten herbei, unter ihnen ein alter Schäfer, der in dem Rufe stand, allerlei ärztliche Kenntnisse zu besitzen. Dieser machte auch sogleich Vorschläge zu Wiederbelebungs- versuchen. Er riet, das Kind bei den Beinen in die Höhe zu heben und mit dem Kopfe nach unten so lange zu schütteln, bis alles Wasser aus dem Körper wieder heraus sei. Dann aber müßte man es so lange reiben, bis die Wärme wiederkehre. Wenn dadurch das Leben nicht zurückgerufen würde, sei alle Hilfe vergebens. Da trat eine junge Dame, die erst seit wenigen Wochen als Er- zieherin im Hause war, vor und erhob bescheiden, aber mit großer Bestimmtheit Einspruch gegen die vorgeschriebenen Maßregeln. Sie habe erst vor kurzem an dem Unterricht in einer Samariterschule teilgenommen und dort gelernt, wie man sich bei Rettungsversuchen an scheinbar Ertrunkenen zu verhalten habe. Das, was der Schäfer vorgeschlagen habe, sei durchaus nicht zweckmäßig. Wenn man ihr gestatten wolle, das Erlernte hier anzuwenden, so hoffe sie, daß es noch möglich sei, den Knaben wieder ins Leben zurückzurufen. Die Ruhe und Zuversicht, mit der das junge Mädchen gesprochen, flößte der verzweifelten Mutter neue Hoffnung ein, und sie bat die Er- zieherin, alles zu tun, was sie für nötig halte. Jetzt wurde sofort ein Eilbote nach der Stadt zum Arzt geschickt, dann wurden wollene Decken angewärmt. Die Sama- riterin legte selbst Hand an, wobei sie das verständige Haus- mädchen aufforderte, ihr Hilfe zu leisten. Mit einigen Scheren- schnitten trennte sie Jacke und Hemd auf und streifte die Kleider vom Oberkörper völlig ab. Mit einem Taschentuch entfernte sie den Schlamm, der sich im Munde befand, zog die Zunge hervor und band deren Spitze mit dem Taschentuch auf dem Kinn fest. Dann begann sie mit dem Hausmädchen die künstlichen Atembewegungen auszuführen, wie sie es in der Samariterschule geierut hatte. In stets gleichem Zeit- maße wurde durch Erheben der Arme bis über den Kopf der kleine Brustkasten möglichst weit ausgedehnt und dann wieder durch Senken der Arme und Druck auf die Seitenflächen der Brust zusammengedrückt. Mit deutlich hörbarem Geräusch drang der Luftstrom ein und aus;

9. Bd. 3 B = Oberstufe d. Mädchen, (7. - 9. Schulj.) - S. 677

1911 - : Crüwell
677 aber das Kind lag blaß und leblos, wenn die beiden Mädchen, von der Anstrengung ermattet, auf Augenblicke ihre Bemühungen aussetzten. Eine Viertelstunde nach der andern verging; immer inehr schwand die Hoffnung der Mutter und der Umstehenden. Endlich, nachdem mehr als eine Stunde lang die Bewegungen fortgesetzt waren, schrie plötzlich das junge Mädchen auf: „Jetzt hilft es! Er fängt an zu atmen!" Und siehe da, als sie mit den Bewegungen einhielten, hob sich die kleine Brust von selbst, und eine leichte Röte färbte die blaffen Wangen. Lauter Jubel der Umstehenden erhob sich; aber die beiden Helferinnen ließen noch nicht nach und setzten, obwohl aufs äußerste erschöpft, ihre Bemühungen unablässig fort, bis sich die Wangen leb- hafter röteten, und der Kleine plötzlich die Augen aufschlug. Nun wurden auf Geheiß der jungen Samariterin die gewärmten Decken herbeigebracht, in die der Kleine nach Beseitigung der übrigen Klei- dungsstücke eingehüllt, und mit denen er dann tüchtig gerieben wurde. Der Kleine sing an zu sprechen und verlangte etwas zu trinken. Man flößte ihm warmen Tee ein und trug ihn nun, in Decken ein- gehüllt, ins Haus und in sein Bett, wo er dann bald in einen tiefen, gefunden Schlaf verfiel. Als ich zwei Stunden später an sein Bett trat, klagte er über nichts inehr. 295. Wie man Blutungen stillt. Von Friedrich von Esmarch. Otxie oft werden die unzweckmäßigsten Mittel angewendet, das Blut zu stillen, weil die Leute keine Vorstellung davon habell, woher das Blut kommt, und nur von allerlei Blutstillungsmitteln gehört haben, die sich in diesem oder jenem Falle bewährt haben sollen! Den größten Ruf besitzt unter den Laien das Spinngewebe, und man beeilt sich, aus dem staubigsten Winkel möglichst viel von diesem unsaubern Stoffe herbeizuholen und in die Wunde zu stopfen. Wenn das nicht hilft, so kommt der Feuerschwamm an die Reihe oder ein alter, schmutziger Waschschwamm, der in die Wunde hineingepreßt wird. Nicht selten aber sind Leute da, welche gehört oder gesehen haben, daß man durch Druck jede Blutung stillen könne. Wo und wie aber dieser Druck anzuwenden sei, das haben sie nie- mals^ gelernt, und so wird oft ein Druck an der unrichtigen Stelle und in der unzweckmäßigsten Weise angebracht, so daß er die Blu- tung nur noch verschlimmert, statt sie zu hemmen. Mit jedem Jahre mehren sich aber die Fälle, in denen es Nichtärzten, die den Samariterunterricht genossen, gelungen ist, durch zweckmäßig angebrachten Druck den Verblutungstod zu verhüten. Als Beispiel erzähle ich das folgende Ereignis, welches ein Arzt kürzlich mitteilte:

10. Teil 1 - S. 277

1918 - Essen : Bädeker
Erste Hilfe bei Unglücksfällen. 277 der Umstehenden erhob sich; aber die beiden Helferinnen ließen noch nicht noch und setzten, obwohl anfs äußerste erschöpft, ihre Bemühungen unablässig fort, bis die Wangen sich lebhafter röteten und der Kleine plötzlich die Angen aufschlug. Nun wurden auf Geheiß der jungen Samariterin die gewärmten Decken herbeigebracht, in welche der Kleine nach Beseitigung der übrigen Kleidungsstücke eingehüllt und mit denen er dann tüchtig gerieben wurde. Der Kleine fing an zu sprechen und verlangte etwas zu trinken. Man flößte ihm warmen Tee ein und trug ihn nun in Decken eingehüllt ins Hans und in sein Bett, wo er dann bald in einen tiefen, gesunden Schlaf verfiel, und als ich zwei Stunden später an sein Bett trat, klagte er über nichts mehr. Ii. Wie oft werden die unzweckmäßigsten Mittel angewendet, das Blut zu stillen, weil die Leute keine Vorstellung davon haben, woher das Blut kommt, und nur von allerlei Blutstillungsmitteln gehört haben, die sich in diesem oder jenem Falle bewährt haben sollen. Den größten Ruf besitzt unter den Laien das Spinngewebe, und man beeilt sich, aus dem staubigsten Winkel niöglichst viel von diesem unsaubern Stosse herbeizuholen und in die Wunde Zu stopfen. Wenn das nicht hilft, so kommt der Fenerschwamm an die Reihe oder ein alter, schmutziger Waschschwamm, der in die Wunde hinein gepreßt wird. Nicht selten aber sind Leute da, welche gehört oder gesehen haben, daß man durch Druck jede Blutung stillen könne. Wo und wie aber dieser Druck an- zuwenden sei, das haben sie niemals gelernt, und so wird oft ein Druck an der unrichtigen Stelle und in der unzweckmäßigsten Weise angebracht, so daß er die Blutung nur noch verschlimmert, statt sie zu hemmen. Mit jedem Jahre mehren sich aber die Fälle, in denen es Nichtärzten, die den Samariterunterricht genossen, gelungen ist, durch zweckmäßig ange- brachten Druck den Verblutnngstod zu verhüten. Als Beispiel erzähle ich das folgende Ereignis, welches ein Arzt kürzlich mitteilte: In einer Holzbearbeitungsfabrik, die in nächster Nähe einer großen Stadt viele Arbeiter beschäftigt, hatte einer derselben das Unglück, mit seiner rechten Hand einer Kreissäge zu nahe zu kommen, welche sich mit rasender Geschwindigkeit um ihre Achse drehte. Im Nu war der Vorderarm dicht oberhalb des Handgelenkes samt dem Knochen so durchsägt, daß die Hand nur noch an dem Hautlappen hing. Aus zwei Pulsadern des Vorderarmes spritzte das rote Blut in weitem Strahl. Man schrie nach Hilfe; einige liefen zum Arzt, aber derselbe wohnte weit entfernt, war auch nicht zu finden und traf erst nach einer Stunde ein. Zum Glück befand sich ein Arbeiter, der an dem Samariterunterricht teilgenommen, in dem Maschinenraum, und da er seit jenem Unterricht den von Esmarch angegebenen Hosenträger trug, so nahm er ihn schleunigst ab, befreite ihn von seinen Schnallen und legte ihn, wie er es gelernt und geübt hatte, so fest um den Oberarm, daß die Blutung sofort gestillt wurde. Dann hüllte er die verletzte Hand in eine reine Ser- viette ein, die er mit schwacher Karbollösung befeuchtet hatte, und lagerte den Verwundeten, der ohnmächtig geworden war, zweckmäßig auf eine schnell herbeigeschaffte Matratze. Als nach einer Stunde der Arzt anlangte und den Verband und die Serviette abnahm, suchte er zunächst die beiden Pulsadern in der Wunde aus, um sie zu unterbinden. Da sich dieselben aber zurück-

11. Teil 3 = 6. u. 7. Schulj - S. 51

1911 - Breslau : Hirt
51 nach und setzten, obwohl aufs äußerste erschöpft, ihre Bemühungen un- ablässig fort, bis sich die Wangen lebhafter röteten und der Kleine plötz- lich die Augen aufschlug. Nun wurden auf Geheiß der jungen Samariterin die gewärmten Decken herbeigebracht, in die der Kleine nach Beseitigung der übrigen Kleidungsstücke eingehüllt und mit denen er dann tüchtig ge- rieben wurde. Der Kleine fing an zu sprechen und verlangte etwas zu trinken. Man flößte ihm warmen Tee ein und trug ihn nun, in Decken eingehüllt, ins Haus und in sein Bett, wo er dann bald in einen tiefen, gesunden Schlaf verfiel. Als ich zwei Stunden später an sein Bett trat, klagte er über nichts mehr. Ii. 1. Wie oft werden die unzweckmäßigsten Mittel angewendet, das Blut zu stillen, weil die Leute keine Vorstellung davon haben, woher das Blut kommt, und nur von allerlei Blutstillungsmitteln gehört haben, die sich in diesem oder jenem Falle bewährt haben sollen. Den größten Ruf besitzt hierfür das Spinngewebe, und man beeilt sich, aus dem staubigsten Winkel möglichst viel von diesem unsaubern Stoffe herbeizuholen und in die Wunde zu stopfen. Wenn das nicht hilft, kommt der Feuerschwamm an die Reihe oder ein alter, schmutziger Waschschwamm, der in die Wunde hineingepreßt wird. Richt selten aber sind Leute da, die gehört oder ge- sehen haben, daß man durch Druck jede Blutung stillen könne. Wo und wie aber dieser Druck anzuwenden sei, das haben sie niemals gelernt, und so wird oft ein Druck an der unrichtigen Stelle und in der unzweckmäßigsten Weise angebracht, so daß er die Blutung nur noch verschlimmert, statt sie zu hemmen. 2. Mit jedem Jahre mehren sich aber die Fälle, in denen es Nicht- ärzten, die den Samariterunterricht genossen, gelungen ist, durch zweck- mäßig angebrachten Druck den Verblutungstod zu verhüten. Dies zeigt folgendes Beispiel: In einer Holzbearbeitungsfabrik, die in nächster Nähe einer großen Stadt viele Arbeiter beschäftigt, hatte einer derselben das Unglück, mit seiner rechten Hand einer Kreissäge zu nahe zu kommen, die sich mit rasender Geschwindigkeit um ihre Achse drehte. Im Nu war der Vorderarm dicht oberhalb des Handgelenks samt dein Knochen so durch- sägt, daß die Hand nur noch an dem Hautlappen hing. Aus zwei Pulsadern des Vorderarms spritzte das rote Blut in weitem Strahl. Man schrie nach Hilfe; einige liefen zum Arzte, aber der wohnte weit entfernt, war auch nicht zu finden und traf erst nach einer Stunde ein. Zum Glück befand sich ein Arbeiter in dem Maschinenraume, der an dem Samariter- unterricht teilgenommen hatte. Da er seit jenem Unterricht den von Esmarch angegebenen Hosenträger trug, so nahm er ihn schleunigst ab, befreite ihn von seinen Schnallen und legte ihn, wie er es gelernt und 4:

12. Teil 2 = 4. u. 5. Schulj - S. 31

1911 - Breslau : Hirt
31 2. Plötzlich verstummte die kindliche Redseligkeit, und das ferne Mütterchen schien für einen Augenblick vergessen. Der Vater hatte nämlich drei Apfelsinen hervorgeholt und begann nun lächelnd, mit einem Taschenmesser die duftende Schale von dem saftstrotzenden Balle zu lösen. Begierig nahmen die Kleinen ein Stück nach dem andern aus der Hand des Vaters und genossen die köstliche Frucht mit wonne- vollem Behagen. An sich selbst dachte der Vater nicht, auch nicht an das fremde, kranke Mädchen, das gegenüber auf der Bank saß und in kindlicher Selbstvergessenheit mit dürstenden Blicken an den Apfel- sinen hing. Ich beobachtete die Kleine, wie sie ihre blassen, trockenen Lippen unbewußt aufeinander preßte, und fühlte es warm in meinem Herzen aufquellen. 0, daß ich nicht auch eine Apfelsine in der Tasche hatte! Die hätte ich der kleinen Kranken geschenkt fürs ,,Herzbluten“, wie meine Mutter sagt, wenn sie einem Kinde, das in der Vesperstunde bei uns eintritt, etwas darreicht. Als der fremde Vater das Herzbluten seines Lieblings bemerkte, flog ein schmerzliches Zucken über sein bekümmertes Gesicht. Er zog den Arm inniger um die Kleine, flüsterte mit ihr, zeigte nach der grünen, wallenden Flur draußen, nach den daraus hervorragenden Dächern der kleinen Dörfer, nach den majestätisch emporsteigenden, waldum- kränzten Bergen und nach allem, was für das Auge eine Ablenkung bieten konnte. 3. Da erlebte ich eine herzliche Freude. Wie von einer himmlischen Regung getrieben, stand der Junge plötzlich auf und reichte der kleinen Marie ein Apfelsinenstück, indem er ihr bittend zunickte. Marie zuckte zusammen, und eine rote Flamme huschte über ihre blasse Wange. Sie fühlte sich überrascht, fühlte ihr Verlangen erraten und verschloß eiligst ihre Seele. Immer dringender wurde der Knabe; doch Marie ließ das Köpfchen verschämt herabhängen und nahm die Apfelsine nicht. Jetzt erst schien des Knaben Vater des fremden Mädchens gewahr zu werden. Er klopfte dem Sohn auf die Schulter und sagte: „Brav, Otto!“ und zu Marie gewandt, nötigte er in dem gleichen warmen Tone: „Liebe Kleine, du darfst es schon nehmen. Ich habe noch viel mehr!“ Dabei schälte er auch schon wieder eine neue Apfelsine. Doch erst als Mariens Vater lächelnd sagte: „Na, nimm’s nur, Kind!“ nahm Marie die Apfelsine aus des freundlichen Knaben Hand, indem sie ihm zugleich ihr rechtes Händchen gab und verschämt dankte.

13. Teil 2 = 4. u. 5. Schulj - S. 31

1911 - Breslau : Hirt
31 2. Plötzlich verstummte die kindliche Redseligkeit, und das ferne Mütterchen schien für einen Augenblick vergessen. Der Vater hatte nämlich drei Apfelsinen hervorgeholt und begann nun lächelnd, mit einem Taschenmesser die duftende Schale von dem saftstrotzenden Balle zu lösen. Begierig nahmen die Kleinen ein Stück nach dem andern aus der Hand des Vaters und genossen die köstliche Frucht mit wonne- vollem Behagen. An sich selbst dachte der Vater nicht, auch nicht an das fremde, kranke Mädchen, das gegenüber auf der Bank saß und in kindlicher Selbstvergessenheit mit dürstenden Blicken an den Apfel- sinen hing. Ich beobachtete die Kleine, wie sie ihre blassen, trockenen Lippen unbewußt aufeinander preßte, und fühlte es warm in meinem Herzen aufquellen. 0, daß ich nicht auch eine Apfelsine in der Tasche hatte! Die hätte ich der kleinen Kranken geschenkt fürs ,,Herzbluten“, wie meine Mutter sagt, wenn sie einem Kinde, das in der Vesperstunde bei uns eintritt, etwas darreicht. Als der fremde Vater das Herzbluten seines Lieblings bemerkte, flog ein schmerzliches Zucken über sein bekümmertes Gesicht. Er zog den Arm inniger um die Kleine, flüsterte mit ihr, zeigte nach der grünen, wallenden Flur draußen, nach den daraus hervorragenden Dächern der kleinen Dörfer, nach den majestätisch emporsteigenden, waldum- kränzten Bergen und nach allem, was für das Auge eine Ablenkung bieten konnte. 3. Da erlebte ich eine herzliche Freude. Wie von einer himmlischen Regung getrieben, stand der Junge plötzlich auf und reichte der kleinen Marie ein Apfelsinenstück, indem er ihr bittend zunickte. Marie zuckte zusammen, und eine rote Flamme huschte über ihre blasse Wange. Sie fühlte sich überrascht, fühlte ihr Verlangen erraten und verschloß eiligst ihre Seele. Immer dringender wurde der Knabe; doch Marie ließ das Köpfchen verschämt herabhängen und nahm die Apfelsine nicht. Jetzt erst schien des Knaben Vater des fremden Mädchens gewahr zu werden. Er klopfte dem Sohn auf die Schulter und sagte: ,,Brav, Otto!“ und zu Marie gewandt, nötigte er in dem gleichen warmen Tone: ,,Liebe Kleine, du darfst es schon nehmen. Ich habe noch viel mehr!“ Dabei schälte er auch schon wieder eine neue Apfelsine. Doch erst als Mariens Vater lächelnd sagte: ,,Na, nimm’s nur, Kind!“ nahm Marie die Apfelsine aus des freundlichen Knaben Hand, indem sie ihm zugleich ihr rechtes Händchen gab und verschämt dankte.

14. Teil 3 = Kl. 6 - S. 50

1911 - Bielefeld [u.a.] : Velhagen & Klasing
50 andern aus der Hand des Vaters und genossen die köstliche Frucht mit wonnevollem Behagen. An sich selbst dachte der Vater nicht, auch nicht an das fremde kranke Mädchen, das gegenüber auf der Bank saß und in kindlicher Selbstvergessenheit mit dürstenden Blicken an den Apfelsinen hing. Ich beobachtete die Kleine, wie sie ihre blassen, trocknen Lippen unbewußt aufeinander preßte und fühlte es warm in meinem Herzen aufquellen. O, daß nicht auch ich eine Apfelsine in meiner Tasche hatte! Die hätte ich der kleinen Kranken geschenkt „fürs Herzbluten“, wie meine Mutter sagt, wenn sie einem Kinde, das in der Vesperstunde bei uns eintritt, etwas darreicht. Soll doch das Herzbluten bei kleinen Mädchen viel früher und heftiger eintreten als bei kleinen Knaben. Als der fremde Vater das Herzbluten seines Lieblings bemerkte, flog ein schmerzliches Zucken über sein bekümmertes Gesicht. Er zog den Arm inniger um die Kleine, flüsterte mit ihr, zeigte nach der grünen wallenden Flur draußen, nach den daraus hervor- ragenden Dächern der kleinen Dörfer, nach den majestätisch empor- steigenden waldumkränzten Bergen und nach allem, was für das Auge eine Ablenkung bieten konnte. Marie schlug wohl dem Vater zuliebe die dunklen Augen auf, kehrte sie aber, wie von einer heimlichen Gewalt gezogen, immer wieder den bestrickend duftenden Apfelsinen zu. Ich geriet in eine peinliche Stimmung, und schon erwog ich, ob ich nicht auf eine zarte Weise Mariens Fürsprecher werden könnte. Da erlebte ich eine herzliche Freude. Wie von einer himm- lischen Regung getrieben, stand der Junge plötzlich auf und reichte der kleinen Marie ein Apfelsinenstück, indem er ihr bittend zunickte. Marie zuckte zusammen, und eine rote Flamme huschte über ihre blasse Wange. Sie fühlte sich überrascht, fühlte ihr Verlangen erraten und verschloß eiligst ihre Seele. Immer dringender wurde der Knabe; doch Marie ließ das Köpfchen verschämt herabhängen und nahm die Apfelsine nicht. Jetzt erst schien des Knaben Vater des fremden Mädchens gewahr zu werden; er klopfte dem Sohn auf die Schulter und sagte: „Brav, Otto!“ und zu Marie gewandt, nötigte er in dem gleichen warmen Tone: „Liebe Kleine, du darfst es schon nehmen. Ich habe noch viel mehr!“ Dabei schälte er auch schon wieder eine neue Apfelsine.

15. (Zweites und drittes Schuljahr) - S. 10

1910 - Frankfurt am Main : Diesterweg
10 sein. Abends tut ihm sein Kopf weh und sein Leib, und er ist ganz blaß, und alle Röte von seinem Körper ist ganz weg. Vater und Mutter sind sehr betrübt. Der Doktor wird wieder geholt, und Karl muß nun braune, bittere Medizin einnehmen. Er tut es auch ganz freundlich und sieht nur immer nach Mutters Augen. Wenn er Tränen drin erblickt, dann bittet er: „Mutter, du mußt nicht weinen, ich kann das nicht aushalten, ich will auch gewiß immer ein gutes Kind sein!" Karl ist nun acht Tage lang sehr krank; er denkt nicht an Aufstehen, kann nicht spielen, nicht singen. Die beiden kleinen Mädchen sitzen schon im Bette und spielen mit Puppen und kleinen Stühlen, Tischen, Betten, Häuschen und Tieren, die die Mutter ihnen von Papier ausgeschnitten und auf ein Brett gestellt hat, welches die Kinder auf ihrer Bettdecke stehen haben. Ja, zwei Tage später dürfen sie sogar schon eine Stunde aus dem Bette sein und können an ihrem kleinen Tische spielen. Karl muß aber noch immer im Bette sein, und die Mutter erinnert ihn oft daran, daß das nicht würde nötig sein, wenn er folgsam gewesen wäre. Er verspricht auch immer aufs neue, er wolle von nun an sehr gehorsam sein. Nach vierzehn Tagen endlich darf Karl mit den Schwestern wieder in die Wohnstube gebracht werden. Acht Tage später, als die Sonne einmal recht warm ins Zimmer scheint, da erlaubt der Doktor ihnen, in den Garten zu gehen, erst nur eine halbe Stunde, den andern Tag eine ganze. Acht Tage später, da spielen die Kinder wieder im Garten, als wären sie gar nicht krank gewesen. 9. Vergiß nicht, wie sauer du deiner Mutter geworden bist! Rein. Ich war so jung und schwach und klein, Da wiegte mich die Mutter ein. Sie küßte mich voll Herzenslust, Sie drückte mich an ihre Brust, Sie trug mich, und sie legte mich, Sie tränkte mich und pflegte mich,

16. Theil 1 - S. 167

1880 - Stuttgart : Heitz
Appius Claudius. Virginia. 167 Als nun einst das Mädchen mit ihrer Erzieherin — denn eine Mutter hatte sie nicht mehr — über den Markt nach der Schule ging, trat Claudius zu ihr heran, faßte sie bei der Schulter und verlangte, sie sollte gleich mit ihm kommen; denn sie sei die Tochter seiner Sklavin. Das arme Mädchen war außer sich vor Schrecken, wurde bald roth, bald blaß, zitterte und fing an, jämmerlich zu weinen. Ihre Führerin rang die Hände und rief das Volk, das von allen Seiten herbeiströmte, um Hülfe an. „Macht nur nicht solchen Lärm," sagte der schändliche Claudius, „ich will sie ja nicht mit Gewalt fortführen. Kommt mit vor den Richterstuhl des Appius, da will ich mein Recht erweisen." So zog denn der ganze Haufen zum Tribunal hin, auf welchem Appius saß. Er stellte sich ganz unwissend und fragte, was es gäbe? „Siehe!" sprach Claudius, „ich hatte eine Sklavin, die eine Tochter bekam. Aber das böse Weib hat das Kind an die Frau des Virginius verkauft, die keine Kinder hatte, und so ist es dort als eine Tochter des Virginius ausgezogen worden. Aber es ist ein untergeschobenes Kind, und ich mache hiermit mein Recht auf sie geltend." — „Ja!" sagte Appius, „wenn dem so ist, so gehört das Mädchen allerdings dir zu. Es ist schlimm, daß Virginius nicht zur Stelle ist; komm morgen wieder und nimm sie indessen mit dir." — Da brachen Virginia und ihre Begleiterin aufs neue in Wehklagen aus; alle Weiber, die zugegen waren, schluchzten und betrachteten das arme Schlachtopfer mit Mitleid; das Volk hielt sich, aus Furcht vor den Gerichtsdienern, noch ruhig. Plötzlich drängte sich ein Mann durch den dichten Hausen herbei. Es war Jcilius. Das Gerücht von der Gewaltthat des Claudius hatte ihn erreicht, und er stürzte herzu, Virginien freizustehen. „Zurück!" schrie ihm einer der Gerichtsdiener entgegen und hielt ihn auf; „das Urtheil ist schon gesprochen!" — „Nimmermehr," rief Jcilius außer sich vor Zorn, „gebe ich zu, daß meine Braut mir entführt werde; nicht Eine Nacht darf sie außer dem Haufe ihres Vaters zubringen. Hast du auch, Appius, einen großen Theil unserer Freiheiten uns entrissen, so werden wir doch nie zugeben, daß du mit unsern Kindern nach Willkür schaltest. Ziehe das Schwert und reiße sie mit Gewalt fort, wenn du es wagst! So lange ich lebe, lasse ich sie nicht fahren." Der Tumult wurde immer großer; eine ungeheure Volksmasse umdrängte den Richterstuhl; Jeder wartete ängstlich aus den Ausgang. Als Appius die drohenden Blicke der Umstehenden und die

17. Teil 3 = Kl. 6 - S. 52

1913 - Bielefeld [u.a.] : Velhagen & Klasing
52 Ich beobachtete die Kleine, wie sie ihre blassen, trocknen Lippen unbewußt aufeinander preßte und fühlte es warm in meinem Herzen aufquellen. O, daß nicht auch ich eine Apfelsine in meiner Tasche hatte! Die hätte ich der kleinen Kranken geschenkt, „fürs Herzbluten“, wie meine Mutter sagt, wenn sie einem Kinde, das in der Vesperstunde bei uns eintritt, etwas darreicht. Soll doch das Herzbluten bei kleinen Mädchen viel früher und heftiger eintreten als bei kleinen Knaben. Als der fremde Vater das Herzbluten seines Lieblings bemerkte, flog ein schmerzliches Zucken über sein bekümmertes Gesicht. Er zog den Arm inniger um die Kleine, flüsterte mit ihr, zeigte nach der grünen wallenden Flur draußen, nach den daraus hervor- ragenden Dächern der kleinen Dörfer, nach den majestätisch empor- steigenden waldumkränzten Bergen und nach allem, was für das Auge eine Ablenkung bieten konnte. Marie schlug wohl dem Vater zuliebe die dunklen Augen auf, kehrte sie aber, wie von einer heimlichen Gewalt gezogen, immer wieder den bestrickend duftenden Apfelsinen zu. Ich geriet in eine peinliche Stimmung, und schon erwog ich, ob ich nicht auf eine zarte Weise Mariens Fürsprecher werden könnte. Da erlebte ich eine herzliche Freude. Wie von einer himm- lischen Regung getrieben, stand der Junge plötzlich auf und reichte der kleinen Marie ein Apfelsinenstück, indem er ihr bittend zunickte. Marie zuckte zusammen, und eine rote Flamme huschte über ihre blasse Wange. Sie fühlte sich überrascht, fühlte ihr Verlangen erraten und verschloß eiligst ihre Seele. Immer dringender wurde der Knabe, doch Marie ließ das Köpfchen verschämt herabhängen und nahm die Apfelsine nicht. Jetzt erst schien des Knaben Vater des fremden Mädchens gewahr zu werden; er klopfte dem Sohne auf die Schulter und sagte: „Brav, Otto!“ und zu Marie gewandt, nötigte er in dem gleichen warmen Tone: „Liebe Kleine, du darfst es schon nehmen. Ich habe noch viel mehr!“ Dabei schälte er auch schon wieder eine neue Apfelsine. Doch erst, als Mariens Vater lächelnd sagte: „Na, nimm’s nur, Kind!“, nahm Marie die Apfelsine aus des freundlichen Knaben Hand, indem sie ihm zugleich ihr rechtes Händchen gab und ver- schämt dankte. In Ottos Augen aber stand mit leuchtenden Buch- staben geschrieben: „Geben ist seliger als Nehmen!“

18. Abth. 3 - S. 79

1841 - Leipzig : Fleischer
79 ein Leichnam war was sie hatten. Niemand erkannte ihn, und Jedermann wunderte sich, als der Offizier, für den man ihn hielt, verlangte, daß man den Todten wieder zum Leben zu bringen suchen solle. Sogar reichte man ihm nur lässige Hülfe, als er selbst den Leichnam vollends aus dem Wasser zog, ihm die nassen Kleider abnahm, und ihm Brust und Schläfe emsig rieb. Alle seine Mühe war indeß vergebens. Sein Gefolge holte ihn indessen ein, und unter diesem befand sich, außer dem Fürsten Wol- chonsky und dem Grafen von Lieven, auch der erffte Wundarzt des Kaisers, Dr. Weilly. Alle Bier vereinig- ten nun ihre Bemühungen zu gleichem Zwecke. Der Doktor erschöpfte alle Mittel seiner Kunst; der Kaiser und die Andern hielten den Körper, und suchten die Arme zu erwärmen. Drei Stunden hatten bereits die Anstrengungen gedauert, als der Arzt erklärte, daß der Ertrunkene ohne Hoffnung todt sei. Der Kaiser wollte es immer noch nicht glauben, und befahl, eine Ader an dem entseelten Körper zu öffnen. Und siehe, Alerander hatte die unaussprechliche Freude, Blut fließen zu sehen, und bald darauf einen leisen Seufzer zu hören. Der edle Monarch rief unter größtem Entzücken aus: „Lieber Gott! das ist der glücklichste Tag meines Lebens!" wo- bei ihm Freudenthränen über die Wangen herabrollten. Natürlich wurden nun die Bemühungen um den Un- glücklichen verdoppelt, und der Kaiser verband ihn mit seinem eigenen Taschentuche den Arm, wo ihm die Ader geöffnet worden war. Dann ließ er ihn unter Dach bringen, wohl versorgen, und gab ihm bei seinem Weg- gehen alles Geld, was er so eben bei sich hatte, so wie das Versprechen einer Pension für ihn und seine Fa- milie, welche er auch gleich nachher erhielt. 33. Wer betet wider sich selbst? Johannes, der Almosenpfleger, Bischof zu Aleran- drien, war im sechsten Jahrhundert nicht aus der Klo- ster-Zelle oder der Einsiedler-Klause zum Bisthum be- rufen, sondern als er sich bereits in einem heiligen und

19. Lesebuch für weibliche Fortbildungs- und Feiertagsschulen - S. 20

1906 - München : Oldenbourg
20 12. In bet Kinderstube. richtet, also die eigene Kraft dazu benutzt. Alle künstlichen Unterstützungs- mittel re. veranlassen zu heftige vorzeitige Bewegungen, drücken die Brust und krümmen die Wirbelsäule und die Beine. Ein so unterstütztes Kind verläßt sich zu sehr auf fremde Hilfe, wendet seine eigene Kraft nicht an und gewinnt kein Selbstvertrauen. Wenn das Kind gehen kann, so lasse man es nicht zu lange gehen. Ist es müde und will es nicht mehr, so gewähre man ihm Ruhe. Beim Laufen und Springen bewahre mau es vor Uber- austrengung. Für die Bildung der Sinne kann in der Kinderstube schon viel geschehen. Gehör und Gesicht erfordern, als die edelsten Sinne, die sorg- samste Pflege. Das Gehörorgan wird gepflegt durch Reinhaltung der äußeren Gehörwege von überflüssigem Ohrenschmalz, durch Abhärtung gegen äußere Witterungsverhältnisse, durch Vermeidung von raschem Wechsel der Temperatur und von zu starkem Schall, wodurch das Trommelfell leicht zer- reißt. Man vermeide an der Wiege des Säuglings allen Lärm und alles starke Geräusch. Die Worte, welche man zu ihm spricht, seien sanft; wenn das Kind selbst sprechen lernt und selbst sprechen kann, so gewöhne man es an sanftes, wohllautendes Sprechen. Man mache es auf alle Töne im Natur- leben aufmerksam und lehre es genau hören. Dem Auge schadet grelles und schnell wechselndes Licht, Schauen in die Sonne oder auf glänzende Gegenstände, vieles und anhaltendes Lesen und Schreiben, Lesen in der Dämmerung, Lesen zu kleinen Druckes, Lesen beim Gehen und Fahren, Schreiben mit blasser Tinte, besonders bei Kerzenlicht, Staub, Rauch,. Schielen nach der Seite. Um die Sprache des Kindes zu bilden, sage man ihm langsam, deutlich und richtig einzelne Worte vor und wiederhole sie so lange und lasse sie so oft nachsprechen, bis das Kind den Wortlaut genau, deutlich und ohne Mühe hervorbringt. Ein großer, sehr häufig vorkommender Fehler ist es, daß man nicht nur die falsche Anssprache der Kinder duldet, sondern dieselbe belächelt, ja sogar komisch lautende Ausdrücke zu wiederholen veranlaßt. Allmählich gebe man dem Kinde zuerst in kleinen, dann in längeren Sätzen Aufträge an Hausgenossen, die es nachsprechen, dann überbringen muß, worauf es die Antwort zurückzubringen hat. Endlich erzähle man dem Kinde Geschichtchen und lasse sie von ihm wiedererzählen oder es eigene Erlebnisse berichten. Kinder in der Wiege lauschen schon gern dem Gesang der Mutter; Gesang wirkt aus das Gemüt; wer für die Kinder und mit ihnen singt, trägt zur Erheiterung des Gemütes bei. 6. Geistes- und Gemütsbildung. Die Entwicklung des jungen Geisteskeimes hängt von dem Geiste und dem Gemütsleben, der Mutter oder deren Stellvertreterin ab. Die Seele des Kindes ist ein weicher und für Eindrücke äußerst empfänglicher Stoss. Bei dem ungemein großen Nachahmungstriebe der Kinder ist das Beispiel der Erzieherin von höchster Wichtigkeit. Wo diese den Pflichten lebt, welche das stille, eingezogene Familienleben erfordert, da empfängt es unvermerkt Sinn für Häuslichkeit. Wo auf Ordnung gehalten wird, da gewöhnt es sich

20. Deutsches Lesebuch für ein- und zweiklassige Schulen - S. 18

1908 - Halle a.S. : Schroedel
lö müssen sich am Sonntag wohl erkältet haben. Sie bekommen abends Kamillentee mit Kandis zu trinken, dürfen am Tage nur wenig essen und nur in den Mittagsstunden, wenn das Wetter ganz warm ist, im Garten spielen. Aber der Husten will nicht besser werden. Bald kommt auch der Schnupfen dazu, so stark, daß allen Kindern die Augen tränen. Das Spielen will gar nicht recht gehen. Karl ist sehr verdrießlich, und Mariechen und Elisabeth weinen auch oft und wissen nicht recht warum. Am nächsten Sonntag, als die Mutter Karl anziehen will, sind seine Arme und Beine, die Brust und das Gesicht ganz rot. Die Mutter deckt ihn warm wieder zu und schickt zum Doktor. Der erklärt: „Karl hat die Masern, und Marie und Elisabeth werden sie auch wohl bald bekommen!" So ist's auch. 2. Zwei Tage später sind die kleinen Mädchen auch am ganzen Körper rot, und die drei fröhlichen Kinder müssen still im Bette liegen und dürfen sich gar nicht viel rühren. Die ersten Tage geht das nun ganz gut, da fühlen sich die Kinder matt und müde und liegen ganz gern im Bette. Aber wie das Fieber nicht mehr so stark ist und den Kleinen nichts weh tut, da gefällt es ihnen gar nicht, still zugedeckt im Bette zu liegen. Vor allen der ungeduldige Karl ist sehr unruhig und verdrießlich. Er möchte gar zu gern umher- laufen und spielen; denn er meint, er sei ganz gesund. Die Mutter ist immer bei den Kindern, Tag und Nacht. Des Vaters Schwester wohnt jetzt ganz bei ihnen und sorgt für alles, was im Hause ge- schehen muß, damit die Mutier den ganzen Tag für die Kinder sorgen und mit ihnen spielen könne. Oft erzählt die Mutter den Kleinen Geschichten oder liest ihnen vor. 3. Mariechen ist so folgsam und gut, daß sie der Mutter gar nicht viel Mühe macht. Sie meint auch: „Ich mag wohl ein bißchen krank sein, dann sitzt meine liebe Mutter immer bei mir und hat gar nichts Andres zu tun, das ist wunderschön!" Karl ist aber nicht so folgsam, er wirft oft die Decke ab und weint, wenn er Medizin ein- nehmen soll. Die Mutter muß zuweilen ein sehr ernstes Gesicht machen und sagen: „Karl, sei folgsam, ich will es!" ehe er das tut, was er tun soll. Einmal, als die Mutter auf einen Augenblick das Zimmer verlassen hat, steigt Karl ganz leise aus dem Bette, läuft mit seinen kleinen, nackten Beinen zur Wiege und ruft: „Piep! Eli- sabeth!" Die Mutter, die gerade wieder ins Zimmer tritt, erschrickt sehr. Sie straft Karl, steckt ihn ins Bett und sagt: „Karl, du wirst nun gewiß noch länger krank bleiben, weil du nicht folgen willst!" Sie sieht dabei so traurig aus, daß Karl bitterlich darüber weinen muß und verspricht, nie wieder so unfolgsam zu sein. Abends tut ihm sein Kopf weh und sein Leib, und er ist ganz blaß, und alle