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1. Beschreibende und lehrende Prosa - S. 324

1889 - Freiburg im Breisgau : Herder
324 Ii. Lehrende Prosa: Poetik und Ästhetik. als es jene notwendig erfordert hätte, wenn nicht die Verbindung des Chors dazu gekommen wäre. Da nämlich ihre Handlungen eine Menge Volkes zum Zeugen haben mußten und diese Menge immer die nämliche blieb, welche sich weder weiter von ihren Wohnungen entfernen, noch länger aus denselben wegbleiben konnte, als man gewöhnlichermaßen der bloßen Neugierde wegen zu thun pflegt, so konnten sie fast nicht anders, als den Ort auf einen und ebendenselben individuellen Platz und die Zeit auf einen und ebendenselben Tag einschränken. Dieser Einschränkung unterwarfen sie sich denn auch bona fide; aber mit einer Biegsamkeit, mit einem Verstände, daß sie unter neun Malen siebenmal weit mehr dabei gewannen als verloren. Denn sie ließen sich diesen Zwang einen Anlaß sein, die Handlung selbst so zu simplifizieren, alles Überflüssige so sorgfältig von ihr abzusondern, daß sie, ans ihre wesentlichsten Bestand- teile gebracht, nichts als ein Ideal von dieser Handlung ward, welches sich gerade in derjenigen Form am glücklichsten ausbildete, die den wenig- sten Zusatz von Umständen der Zeit und des Ortes verlangte. Die Franzosen hingegen, die an der wahren Einheit der Handlung keinen Geschmack fanden, die durch die wilden Intriguen der spanischen Stücke schon verwöhnt waren, ehe sie die griechische Simplicität kennen lernten, betrachteten die Einheit der Zeit und des Ortes nicht als Folgen jener Einheit, sondern als für sich zur Vorstellung einer Handlung un- umgängliche Erfordernisse, welche sie auch ihren reicheren und verwickel- teren Handlungen in eben der Strenge anpassen müßten, als es nur immer der Gebrauch des Chors erfordern könnte, dem sie doch gänzlich entsagt hatten. Da sie aber fanden, wie schwer, ja wie unmöglich öfters dieses sei, so trafen sie mit den tyrannischen Regeln, welchen sie ihren völligen Gehorsam aufzukündigen nicht Mut genug hatten, ein Abkommen. Anstatt eines einzigen Ortes führten sie einen unbestimmten Ort ein, unter dem man sich bald den, bald jenen einbilden könne; genug, wenn diese Orte zusammen nur nicht gar zu weit auseinander lägen und keiner eine be- sondere Verzierung bedürfe, sondern die nämliche Verzierung ungefähr dem einen so gut als dem andern zukommen könne. Anstatt der Einheit des Tages schoben sie die Einheit der Dauer unter; und eine gewisse Zeit, in der man von keinem Aufgehen und Untergehen der Sonne hörte, in der niemand zu Bette ging, wenigstens nicht öfter als einmal zu Bette ging, mochte sich doch sonst, noch so viel und mancherlei darin ereignen, ließen sie für einen Tag gelten. Niemand würde ihnen dieses verdacht haben; denn unstreitig lassen sich auch so noch vortreffliche Stücke machen, und das Sprichwort sagt: Bohre das Brett, wo es am dünnsten ist. Aber ich muß meinen Nachbar nur auch da bohren lassen. Ich muß ihm nicht immer nur die dickste

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1. Schiller-Lesebuch - S. 162

1883 - Dresden : Bleyl & Kaemmerer
162 dramatische Dichter Verzicht; er findet aber reichlichen Ersatz dafür in folgender Erfindung. Er verlangt, dass jede seiner mithandelnden Per- sonen durch einen wirklichen Menschen vorgestellt werde; dass dieser an Geschlecht, Alter und Gestalt soviel möglich den Voraussetzungen von seinem erdichteten Wesen gleiche, ja dessen ganze Eigentümlichkeit annehme, dass er jede Rede mit dem angemessenen Ausdruck der Stimme, der Mienen und Gebärden begleite und die äusserlichen Handlungen hinzufüge, welche sonst, um den Zuhörern klar zu werden, der Erzählung bedürfen würden. Noch mehr: diese Stellvertreter der Geschöpfe seiner Einbildungskraft sollen auch in der ihrem angenommenen Stande, Zeit- alter und Landesart entsprechenden Tracht erscheinen, teils, um ihnen noch mehr zu gleichen, teils, weil auch in den Kleidungen etwas Cha- rakteristisches liegt. Endlich will er sie von einem Ort umgeben sehen, welcher dem, wo nach seiner Dichtung die Handlung vorgefallen sein soll, einigermassen ähnlich sei, weil dies ebenfalls zur Anschaulichkeit beiträgt; er stellt sie auf eine Scene. Dies alles führt uns auf den Be- grilf des Theaters. Es ist offenbar, dass in der Form der dramatischen Poesie, d. h. in der Vorstellung einer Handlung durch Gespräche ohne alle Erzählung, die Anforderung des Theaters als ihrer notwendigen Er- gänzung schon liegt. Wir geben zu, dass es dramatische Werke giebt, die von ihren Verfassern ursprünglich nicht für die Bühne bestimmt worden sind; die auch auf ihr keine sonderliche Wirkung machen würden, während sie sich vortrefflich lesen lassen. Ich bezweifle jedoch gar sehr, ob sie auf jemanden, der nie ein Schauspiel gesehen, auch keine Beschreibung davon gehört hätte, einen ebenso lebendigen Eindruck machen würden als auf uns. Wir sind schon darauf geübt, beim Lesen dramatischer Werke uns die Aufführung hinzuzudenken. 119. Die drei dramatischen Einheiten. Von Lessing. A. a. 0., S. 248. Die Einheit der Handlung war das erste dramatische Gesetz der Alten. Die Einheit der Zeit und die Einheit des Ortes waren gleichsam nur Folgen aus jener, die sie schwerlich strenger beobachtet haben würden, als es jene notwendig erfordert hätte, wenn nicht die Verbin- dung des Chors dazugekommen wäre. Da nämlich ihre Handlungen eine Menge Volks zum Zeugen haben mussten, und diese Menge immer die nämliche blieb, welche sich weder weiter von ihren Wohnungen ent- fernen, noch länger aus denselben wegbleiben konnte, als man gewöhn- lichermassen der blossen Neugierde wegen zu thun pflegt: so konnten sie fast nicht anders, als den Ort auf einen und ebendenselben individuellen Platz, und die Zeit auf einen und denselben Tag einschränken. Dieser Einschränkung unterwarfen sie sich denn auch bona fide, aber mit einer Biegsamkeit, mit einem Verstände, dass sie unter neun Malen siebenmal weit mehr dabei gewannen als verloren. Denn sie Hessen sich diesen

2. Schiller-Lesebuch - S. 163

1883 - Dresden : Bleyl & Kaemmerer
163 Zwang einen Anlass sein, die Handlung selbst so zu simplificieren. alles Überflüssige so sorgfältig von ihr abzusondern, dass sie, auf ihre wesent- lichsten Bestandteile gebracht, nichts als ein Ideal von dieser Handlung ward, welches sich gerade in derjenigen Form am glücklichsten aus- bildete, die den wenigsten Zusatz von Umständen der Zeit und des Ortes verlangte. Die Franzosen hingegen, die an der wahren Einheit der Handlung keinen Geschmack fanden, die durch die wilden Intriguen der spanischen Stücke schon verwöhnt waren, ehe sie die griechische Simplicität kennen lernten, betrachteten die Einheiten der Zeit und des Ortes nicht als Folgen jener Einheit, sondern als für sich zur Vorstellung einer Hand- lung unumgängliche Erfordernisse, welche sie auch ihren reichern und verwickeltem Handlungen in eben der Strenge anpassen müssten, als es nur immer der Gebrauch des Chors erfordern könnte, dem sie doch gänzlich entsagt hatten. 120. Das Wesen der Tragödie. Von Lessing. A. a. 0., S. 364. 365, 377, 378. Die Tragödie, nimmt er*) an, soll Mitleid und Schrecken ei’regen, und daraus folgert er, dass der Held derselben weder ein ganz tugend- hafter Mann noch ein völliger Bösewicht sein müsse, denn weder mit des einen noch mit des andern Unglücke lasse sich jener Zweck er- reichen... „Das Mitleid/* sagt Aristoteles, „verlangt einen, der unver- dient leidet, und die Furcht einen unseresgleichen. Der Bösewicht ist weder dieses noch jenes, folglich kann auch sein Unglück weder das erste noch das andere erregen“ . . . „Die Tragödie ist die Nachahmung einer Handlung, — die nicht vermittelst der Erzählung, sondern vermittelst des Mitleids und der Furcht die Reinigung dieser und dergleichen Leidenschaften bewirkt.“ Aristoteles bemerkte, dass das Mitleid notwendig ein vorhandenes Übel erfordere, dass wir längst vergangene oder fern in der Zukunft bevorstehende Übel entweder gar nicht oder doch bei weitem nicht so stark bemitleiden können als ein anwesendes; dass es folglich notwendig sei, die Handlung, durch welche wir Mitleid erregen wollen, nicht als vergangen, das ist, nicht in der erzählenden Form, sondern als gegen- wärtig, das ist, in der dramatischen Form nachzuahmen. Und nur dieses, dass unser Mitleid durch die Erzählung wenig oder gar nicht, sondern fast einzig und allein durch die gegenwärtige Anschauung erregt wird, nur dieses berechtigte ihn, in der Erklärung anstatt der Form der Sache die Sache gleich selbst zu setzen, weil diese Sache nur dieser einzigen Form fähig ist. Hätte er es für möglich gehalten, dass unser Mitleid auch durch die Erzählung erregt werden könne, so würde es allerdings ein sehr fehlerhafter Sprung gewesen sein, wenn er gesagt hätte: „nicht ‘) Aischylos. 11*

3. Beschreibende und lehrende Prosa - S. 321

1889 - Freiburg im Breisgau : Herder
9. Aus der Hamburgischen Dramaturgie. 321 und ,Attila^1 so elend gemacht haben. Noch fand sich aber auch eine andere Ursache, die das hohe Pathetische von unserer Seite zurückhielt und die Handlung wirklich tragisch zu machen verhinderte; und diese war das enge, schlechte Theater mit seinen armseligen Verzierungen. Was ließ sich aus einem paar Dutzend Brettern, die noch dazu mit Zuschauern angefüllt waren, machen? Mit welchem Pomp, mit welchen Zurüstungen konnte man da die Augen der Zuschauer bestechen, fesseln, täuschen? Welche große tragische Aktion ließ sich da aufführen? Welche Freiheit konnte die Einbildungskraft des Dichters da haben? Die Stücke mußten aus langen Erzählungen bestehen, und so wurden sie mehr Gespräche als Spiele. Jeder Acteur wollte in einem langen Monologe glänzen, und ein Stück, das dergleichen nicht hatte, ward verworfen. Bei dieser Form fiel alle theatralische Handlung weg, fielen alle die großen Ausdrücke der Leidenschaften, alle die kräftigen Gemälde der menschlichen Unglücksfälle, alle die schrecklichen, bis in das Innerste der Seele dringenden Züge weg; man rührte das Herz nur kaum, anstatt es zu zerreißen." Mit der ersten Ursache hat es seine gute Richtigkeit, Galanterie und Politik läßt immer kalt; und noch ist es keinem Dichter in der Welt gelungen, die Erregung des Mitleids und der Furcht damit zu verbinden. Jene lassen uns nichts als den Fat oder den Schulmeister hören; und diese fordern, daß wir nichts als den Menschen hören sollen. Aber die zweite Ursache? Sollte es möglich sein, daß der Mangel eines geräumigen Theaters und guter Verzierungen einen solchen Einfluß aus das Genie der Dichter gehabt hätte? Ist es wahr, daß jede tragische Handlung Pomp und Zurüstungen erfordert? Oder sollte der Dichter nicht vielmehr sein Stück so einrichten, daß es auch ohne diese Dinge seine völlige Wirkung hervorbrächte? Nach dem Aristoteles sollte er es allerdings. „Furcht und Mitleid", sagt der Philosoph, „läßt sich zwar durchs Gesicht erregen, es kann aber auch aus der Verknüpfung der Begebenheiten selbst entspringen, welches letztere vorzüglicher und die Weise des bessern Dichters ist. Denn die Fabel muß so eingerichtet sein, daß sie auch ungesehen den, der den Ver- lauf ihrer Begebenheiten bloß anhört, zu Mitleid und Furcht über diese Begebenheiten bringt; so wie die Fabel des Ödipus, die man nur anhören darf, um dazu gebracht zu werden. Diese Absicht aber durch das Ge- sicht erreichen wollen, erfordert weniger Kunst und ist deren Sache, welche die Vorstellung des Stücks übernommen." Wie entbehrlich überhaupt die theatralischen Verzierungen sind, davon will man mit den Stücken des Shakespeare eine sonderbare Erfahrung 1 1 Tragödien Corneilles. Hense, Lesebuch. Iii. 21

4. Die Neuzeit - S. 52

1907 - Nürnberg : Korn
— 52 — — Noch einmal fragte ihn der Offizial im Namen des Kaisers: „Haltet ihr wirklich dafür, daß die Konzilien irren können?" — Luther blieb hart wie ein Fels: „Es ist offenkundig, daß die Konzilien mehrmals geirrt haben, auch das Konstanzer Konzil. Ich wollte es beweisen in vielen Stücken." Nun hatte der Kaiser genug gehört. Entsetzt über diese Worte machte er der Versammlung ein Ende. Im Saal entstand Unruhe und Geschrei. Die Fürsten standen auf und gingen fort in ihre Wohnungen. Luther empfahl sich noch untertänig dem Kaiser; dann wurde er weggeführt. Inmitten zweier Geleitsmänner ging er durch die umstehende Menge. Der Herzog von Braunschweig ließ ihm beim Weggehen eine silberne Kanne mit Einbecker Bier reichen. Unter den Deutschen entstand Unruhe und Getümmel; denn sie meinten, man führe Luther gefangen fort. Die Spanier aber verfolgten ihn mit Höhnen und Zischen. Gegen acht Uhr kam er in seine Herberge, wo seine Freunde und Anhänger schon aus ihn warteten. Sobald Luther bei ihnen eintrat, reckte er die Hände in die Höhe und schrie mit fröhlichem Angesicht: „Ich bin hindurch, ich bin hindurch! — Und wertn ich taufend Köpfe hätte, ich wollte sie mir eher alle abhauen lassen, als einen Widerruf tun." Auch Luthers Kurfürst kam bewegt aus der Sitzung und sprach: „Gut hat der Pater Doktor Martinus geredet, vor dem Herrn Kaiser und allen Fürsten und Ständen des Reiches in Latein und Deutsch. Er ist mir viel zu kühn." Am vorletzten Tage kam der Offizial im Namen des Kaisers zu Luther und sprach: „Kehrt in 21 Tagen an euren Ort zurück! Solange habt ihr freies, sicheres Geleit; aber ihr dürft unterwegs nicht predigen." Manche rieten dem Kaiser, dem Ketzer das freie Geleit nicht zu geben, sondern mit ihm zu verfahren, wie man in Konstanz mit Hus verfahren sei; allein er ging darauf nicht ein. Noch am nämlichen Abend sprach fein Kurfürst zu Luther: „Ich werde euch beiseite bringen lassen; denn ich fürchte, der Kaiser hat das Äußerste mit euch vor, wenn euer freies Geleit abgelaufen ist." — Am andern Tage gegen zehn Uhr fuhr Luther von Worms ab mit bett nämlichen Begleitern, mit benen er gekommen war. Der Herolb ritt erst einige Sturtben später ab und holte ihn in Oppenheim ein. So verließ Luther ohne Aussehen die Stadt und fuhr auf dem Wege nach Eisenach heim, auf dem er gekommen war. Als nun auch der sächsische Kurfürst und noch viele anbere abgereist waren, da ließ der Kaiser die noch anwesenden 4 Kurfürsten in seine Herberge kommen und sagte ihnen, daß er über Luther die Reichsacht ausgesprochen habe. Niemand solle ihm Herberge oder zu essen und zu trinken geben; wo man ihn sehe, solle man ihn fangen und an den Kaiser

5. Drittes Lesebuch - S. 18

1861 - Trier : Leistenschneider [u.a.]
13 Des Mittags Glanz Erfüllet ganz Die schöne Erde wett umher: Da sei gegrüßet immer mehr, O Mutter Gottes, rein, Wie nie der Sonne Schein! — Das Glöcklein geht, Auf zum Gebet! Ave Maria! Der Abend sinkt, Ein Sternlein blinkt, Dann zahllos allzumal: So sei gegrüßet ohne Zahl, O Mutter, die da wacht Für uns in dunkler Nacht! — j Das Glöcklein geht, > Auf zum Gebet! Ave Maria! 22. Kannst dn beten? Ein Mann in Kentucki/ der einen Sklaven kaufen wollte, ging zu dessen Eigenihümer und fragte ihn, ob der Sklave brauchbar sei und keinen Fehler habe. Jener erwiderte: „Kuss (so hieß der Neger) hat keinen Fehler, außer, daß er betet." „Gut," sagte der Andere, „ich will ihm das schon abgewöhnen," und kaufte den Sklaven. Er nahm ihn mit sich und machte ihn zum Haussklaven. Bald bemerkte man, daß Kuss jeden Tag, nach- dem er sein Geschäft verrichtet hatte, sich ins Gebüsch zurückzog. Sein Meister, der dies wahrnahm, folgte ihm auf dem Fuße nach und hörte, daß er für ihn und seine Frau betete. Ec kehrte zurück, sagte aber noch nichts zu ihm. Als der Sonntag kam, ging Kuff in die Kirche. Nachdem er zurückgekommen war, fragte ihn sein Meister, wie es ihm in der Kirche gefallen habe. „Sehr gut," war die Antwort, „es gibt gute Leute hier; gottlob, daß ich hier bin." Sein Herr sagte weiter: „Kuss, ich erlaube Niemanden, auf meiner Plantage zu beten, du mußt es daher unterlassen." „Ich samt nicht," erwiderte Kuff. „Du mußt aber." „Ich kann nicht, Herr." „Gut, wenn du nicht kannst, so hänge ich dich auf und gebe dir 25 Hiebe Abends und Morgens, bis du kannst." „Ich kann nicht aufhören zu beten, Herr." Nun wurde der arme Kuff aufgebunden und erhielt 25 Peitschenhiebe. Dann wurde er herabgelassen und ging seines Weges, indem er ein Lied sang, in welchem er seine Zuversicht ausdrückte, daß seine Noth ja doch bald ein Ende nehme. Als sein Herr nun nach Hause kam, sagte seine Frau „Warum lässest du den Kuff nicht beten, es schadet uns doch nichts." Er erwiderte, er wolle keine Beter auf seiner Pflanzung haben. So ging er zu Bette, aber seine heftige Gemüthsbewe- gung ließ ihn nicht schlafen. Um Mitternacht weckte er seine Frau und fragte sie, ob sie für ihn beten könne. „Nein, ich habe zeitlebens nicht gebetet." Er stöhnte jammervoll und sagte: „Ist nicht Jemand im Hause, der für mich beten könn? „Ich weiß Niemand als Kuff," antwortete seine Frau. „Gut, dann rufe Kuff, ich muß Jemand haben, der für mich beten kann." Kuff

6. Geschichte für die Schulen des Herzogtums Braunschweig - S. 67

1912 - Bielefeld [u.a.] : Velhagen & Klasing
— 67 — Bald nach Beendigung des 2. Schlesischen Krieges ließ er sich nahe bei Potsdam das Lustschloß Sanssouci bauen. Dort verbrachte er den größten Teil des Jahres jeden Tag in streng geregelter Tätigkeit. „Der König", sagte er, „ist der erste Diener seines Staates und wird gut genug bezahlt für sein Amt, um ordentlich zu arbeiten." Im Sommer stand er schon um 3 Uhr, selten nach 4 Uhr auf. Seine Diener mußten ihn um diese Zeit wecken und erforderlichen Falls zum Aufstehen nötigen. Einst sagte er an einem kalten, regnerischen Morgen zu seinem Kammerdiener: „Laß mich noch ein wenig schlafen, ich bin noch gar zu müde." Dieser aber erklärte rundweg, es sei 4 Uhr, er könne sich nicht abweisen lassen, und zog ihm die Decke weg. „Das ist brav," rief der König aufstehend, „du würdest auch übel angekommen sein, wenn du mich hättest Der alte Fritz. liegen lassen." Vor Tisch ritt er gewöhnlich aus, immer im Trab oder Galopp. Bei großer Kälte ging er auch wohl zu Fuß; aber sowohl beim Reiten als beim Gehen trug er einen Krückstock und war in der Regel von 3—4 Windspielen, seinen Lieblingen, begleitet. — Erst um Mitternacht ging er zu Bett; „denn nichts," sagte er, „hat mehr Ähnlichkeit mit dem Tode als der Müßiggang.“ .2- Die letzte Regierungszeit. Bis in sein höchstes Alter war Friedrich für sein Land tätig, und eine seiner größten Sorgen war jetzt, seinem Lande den Frieden zu erhalten. Gegen jedermann war er leutselig, und so war er denn der Liebling seines ganzen Volkes geworden. Gewöhnlich nannte man ihn den „alten Fritz". So oft er in die Stadt geritten kam, war es ein festliches Ereignis für die Berliner. Die Bürger traten aus den Türen und grüßten ehrerbietig, und er erwiderte jeden Gruß, indem er den Hut abzog. Nicht selten liefen viele Kinder vor und neben ihm her, riefen ihm Lebehochs zu, warfen ihre

7. Anschaulich-ausführliches Realienbuch - S. 51

1896 - Bielefeld [u.a.] : Velhagen & Klasing
51 Bald nach Beendigung des 2. schlesischen Krieges ließ er sich nahe bei Potsdam das Lustschloß Sanssouci bauen. Dort verbrachte er den größten Teil des Jahres jeden Tag in streng geregelter Thätigkeit. „Der König", sagte er, „ist der erste Diener seines Staates und wird gut genug bezahlt für sein Amt, um ordentlich zu arbeiten." Im Sommer stand er schon um 3 Uhr, selten nach 4 Uhr auf. Seine Diener mußten ihn um diese Zeit wecken und erforderlichen Falls zum Aufstehen nötigen. Einst sagte er an einem kalten, regnerischen Morgen zu seinem Kammerdiener: „Laß mich noch ein wenig schlafen, ich bin noch gar zu müde." Dieser aber erklärte rundweg, es sei 4 Uhr, er könne sich nicht abweisen lassen, und zog ihm die Decke weg. „Das ist brav," rief der König aufstehend, „du würdest auch übel angekommen sein, wenn du mich hättest liegen lassen." Vor Tisch ritt er gewöhnlich aus, immer im Trab oder Galopp. Bei großer Kälte ging er auch wohl zu Fuß; aber sowohl beim Reiten als beim Gehen trug er einen Krückstock und war in der Regel von 3—4 Windspielen, seinen Lieblingen, begleitet. — Erst um Mitternacht ging er zu Bett; „denn nichts," sagte er, „hat mehr Ähnlichkeit mit dem Tode als der Müßiggang." 2. Die letzte Regierungszeit. Bis in sein höchstes Alter war Friedrich für sein Land thätig, und eine seiner größten Sorgen war jetzt, seinem Lande den Frieden zu erhalten. Gegen jedermann war er leutselig, und so war er denn der Liebling seines ganzen Volkes geworden. Gewöhnlich nannte man ihn den „alten Fritz". So oft er in die Stadt geritten kam, war es ein festliches Ereignis für die Berliner. Die Bürger traten aus den Thüren und grüßten ehr- erbietig, und er erwiderte jeden Gruß, indem er den Hut abzog. Nicht selten liefen viele Kinder vor und neben ihm her, riefen ihm Lebehochs zu, warfen ihre

8. Lesebuch für Volksschulen - S. 125

1894 - Bielefeld [u.a.] : Velhagen & Klasing
125 Abrede ging Velten den folgenden Tag nach Schwyz und trug seine und Kaspars Gründe bor, so gut er konnte. Am Abende kam er wieder zu Kaspar und sagte: „Die Wiese ist dein, die Richter haben sie dir zugesprochen; ich wünsche dir Glück Und bin froh, daß wir Nun aufs reine gekommen sind." Aus dem deutschen Jugendgarteu. 206. Die beiden Freunde. 1. Es trafen einmal ans der Wanderschaft zwei Handwerksbnrschen zusammen, der eine ein Schmied, der andere ein Schneider. Sie reisten miteinander in der Welt umher, bis sie endlich nach Polen kamen. Ans ihrer Wanderung hatten sie sich an mancher Höhe, unter manchem kühlen Baume niedergesetzt und schöne, fromme Lieder miteinander gesungen, sich auch ihre Lebensgeschichte von der Zeit an, wo sie noch im Röcklein liefen, bis hierher erzählt. Dabei waren ihre Herzen gegen einander so liebreich geworden, daß sie eine feste Freundschaft schlossen. Sie teilten fortan alles miteinander, was freilich bald geteilt war, und wo einer dem andern eine Freude machen konnte, da that er's. Auf einmal aber wurde der Schmied krank dort im fremden Polenlande und mußte in einem Dorfe liegen bleiben, wo ihn die Leute so wenig verstanden tute er sie. Da wäre es ihm nun sehr elend ergangen, wenn sonst niemand geweseit wäre. Aber seilt lieber Freund, der Schneider, verließ ihn nicht in seiner Not. Er war Tag und Nacht um beu Krankett und pflegte und erquickte ihn. Er wttßte die wohlhabendett Bäuerinnen so mitleiderweckend anzugehen, daß er bald da, bald dort eine Schüssel kräftiger Suppe herausbrachte, und wo die bittenden Blicke und sein erlerntes Polnisch nicht zureichten, da legte er ein Stück seiner Habschaft dafür hin, ein Stück nach dem andern. Dafür hatte er aber die herzliche Freude, seinen Kameraden nach einiger Zeit wieder hergestellt zu sehen. Dieser wußte ihm für die erwiesene Liebe und Treue nicht genug zu danken und weinte oft aus Liebe und Dankbarkeit und ans Bekümmernis, daß er ihm seine Sachen nicht wieder ersetzen könne. Der Schneider aber tröstete ihn dann und sprach: „Was ich dir gethan habe, das habe ich dem Herrn Jesus gethan; der ist reich genug, alles wieder zu bezahlen; aber es verlohnt nicht der Mühe." Die guten Freunde zogen nun in Warschau, die Hauptstadt Polens, ein. Da bekam der Schmied Arbeit, der Schneider dagegen nicht. Darum mußten sie sich trennen. Es that beiden im Herzen wehe, wie sie einander zum'letztenmal die Hand drückten. 2. Dem Schneider ging es von da an übel. Er wanderte beinahe zehn Jahre kreuz und quer durch die verschiedensten Länder und hatte zuletzt keinen Strumpf mehr an den Füßett und keine Sohle mehr an den Schuhen. Am Ende geriet er gar noch unter die Werber, die ihn als Rekruten nach Wien lieferten. Sie ließen ihn jedoch bald wieder lausen, da sie merkten, daß er den Feinden nichts weniger als gefährlich werden dürfte; denn er war sehr schwächlich und fast immer krank. Halbttackend kam er nunmehr nach Sachsen hinein, und weil er in seinem armseligen Aufzug nirgends Arbeit fand, mußte er endlich betteln. Da traf es sich, daß er eines Abends in einem Dorfe bei einem Schntied um einen Zehrpfcnnig ansprach. Deut Meister, welcher mit vier Gesellen arbeitete, fuhr die Stimme durch alle Glieder. Er sprang an die Thür, hielt dem Bettler das Licht ins Gesicht und rief: „Je, Bruder, bist du's, oder bist du's nicht?" Mit unbeschreiblichem Vergnügen erkannte er seinen alten Freund. Da flössen nun süßere Thränen als vor Warschau dort im Polenlande. Der Schntied, welcher in diesetn Dorfe eine reiche Witwe geheiratet hatte, brachte den matten, frierenden Pilgrim in die Stube, legte ihm seine Sonntagskleider an, setzte ihn in den Lehrt-

9. Beschreibende und lehrende Prosa - S. 288

1889 - Freiburg im Breisgau : Herder
288 Ii. Lehrende Prosa: Poetik und Ästhetik. Doch nicht genug, daß das, was die Fabel erzählt, eine Folge von Veränderungen ist; alle diese Veränderungen müssen zusammen nur einen einzigen anschauenden Begriff in mir erwecken. Erwecken sie deren mehrere, liegt mehr als ein moralischer Lehrsatz in der vermeinten Fabel, so fehlt der Handlung ihre Einheit, so fehlt ihr das, was sie eigentlich zur Hand- lung macht, und sie kann, richtig zu sprechen, keine Handlung, sondern muß eine Begebenheit heißen. Breitinger^. Ich würde von diesem großen Kunstrichter nur wenig gelernt haben, wenn er in meinen Gedanken noch überall recht hätte. — Er giebt uns aber eine doppelte Erklärung von der Fabel1 2. Die eine hat er von déni de la Motte entlehnt, und die andere ist ihm ganz eigen. Nach jener versteht er unter der Fabel „eine unter der wohlgeratenen Allegorie einer ähnlichen Handlung verkleidete Lehre und Unterweisung". — Der klare, übersetzte de la Motte! Und der ein wenig gewässerte, könnte man noch dazusetzen. Denn was sollen die Bei- wörter: wohlgeratene Allegorie, ähnliche Handlung? Sie sind höchst überflüssig. Doch ich habe eine andere wichtigere Anmerkung auf ihn verspürt. Richer sagt, die Lehre solle unter dem allegorischen Bilde versteckt (oaellü) sein. Versteckt! welch ein unschickliches Wort! In manchem Rätsel sind Wahrheiten, in den Pythagoreischen Denksprüchen sind moralische Lehren versteckt, aber in keiner Fabel. Die Klarheit, die Lebhaftigkeit, mit welcher die Lehre aus allen Teilen einer guten Fabel auf einnml hervorstrahlt, hätte durch ein anderes Wort, als durch das ganz widersprechende „ver- steckt", ausgedrückt zu werden verdient. Sein Vorgänger de la Motte hatte sich um ein gut Teil feiner erklärt, er sagt doch nur: verkleidet (déguisé). Aber auch „verkleidet" ist noch viel zu unrichtig, weil auch „verkleidet" den Nebenbegrifs einer mühsamen Erkennung mit sich führt. Und es muß gar keine Mühe kosten, die Lehre in der Fabel zu erkennen: es müßte vielmehr, wenn ich so reden darf, Mühe und Zwang kosten, sie darin nicht zu erkennen. Aufs höchste würde sich dieses „verkleidet" nur in Ansehung der zusammengesetzten Fabel entschuldigen lassen. In Ansehung der einfachen ist es durchaus nicht zu dulden. Von zwei ähn- lichen einzelnen Fällen kann zwar einer durch den andern ausgedrückt, einer in den andern verkleidet werden; aber wie man das Allgemeine in das Besondere verkleiden könne, das begreife ich ganz und gar nicht. Wollte man mit aller Gewalt ein ähnliches Wort hier brauchen, so müßte es anstatt verkleiden doch wenigstens einkleiden heißen. 1 Siehe Teil Ii, S. 21. 2 Der „Kritischen Dichtkunst" ersten Bandes siebenter Abschnitt, S. 194.

10. Der südteutsche Schulfreund - S. 16

1842 - Karlsruhe [u.a.] : Herder
16 er es bald dahin, daß er seinen Mitschülern gleich kam, auch denen, welche bessere Geistesgaben von Gott empfangen hatten, als er. Jedermann liebte ihn, und wünschte dem Vater Glück zu einem solchen Sohne. Moritz aber war leichtsinnig, und achtete nicht auf die guten Lehren, die er in der Schule hörte. Spielen, Reiten, Fischen und dergleichen Vergnügen, waren ihm lieber, als Lernen. Wenn er ermahnt wurde, fleißig zu seyn, so sagte er: ich werde ein Landwirth, und der braucht nicht viel zu wissen; wenn ich lesen, schreiben und rechnen kann, so bin ich geschikt genug, und dazu habe ich noch immer Zeit. So ging ein Jahr nach dem andern hin, und weil er glaubte, immer noch Zeit genug zu haben, so lernte er auch das Lesen, Schreiben und Rechnen nur sehr mittelmäßig. Der Vater hätte es freilich lieber gesehen, wenn sein Sohn fleißiger gewesen wäre; aber zwingen wollte er ihn nicht, und überdieß dachte er ebenfalls, daß sein Sohn in seinem künftigen Stande nicht viel zu wissen brauche, und daß es ihm nicht fehlen könne, wenn er ihm das Gut wohl eingerichtet hinterließe. Aber beide irrten sehr, denn sie dachten nicht daran, daß die Gewöhnung an unnüze Beschäftigung noch weit schlimmere Folgen habe, als die bloße Versäumung der Gelegenheiten, etwas Nüzliches zu lernen. Als Moritz in die Jahre trat, wo er die Schule verlassen mußte, wollte ihn der Vater zur Wirthschaft anführen, und trug ihm also bald diese, bald jene Ge- schäfte auf; aber Moritz ging lieber seinen gewohnten Lustbarkeiten nach. Anstatt auf dem Felde zu seyn, und die Knechte zur Arbeit anzutreiben, ritt er in die Stadt zu seinen Bekannten, spielte, und ließ die Knechte ar- beiten, so viel sie wollten. Der Vater schallt ihn zwar deßwegen hart, aber es half nichts, und er starb, wie man sagt, vor Verdruß über die Liederlichkeit seines Sohnes. Nun war Moritz Herr des Gutes, und konnte ganz nach seinem Willen handeln. Nach dem Sprichwort: jung gewohnt, alt gethan, blieb er auch eben so leichtsinnig, wie er vor-

11. Bd. 1 - S. 178

1883 - Leipzig : Engelmann
178 Geschichte der alten Welt. §. 103. seiner lebensfrohen Heiterkeit und seiner geistreichen Geselligkeit ab. Bei ihm ist Schönheit, harmonisches Wesen und Zartheit der Empfindungen vorherrschender Charakter. Seine Personen handeln selbständiger und freier als bei Aeschylos, aber überall schwebt über der Freiheit des Individuums „der scharfe Zeigefinger der Lchicksalsnothwmdigkeit". Da die Poesie des Sophokles tiefer in das innere Leben eingeht, so wirkt sie noch erschütternder als die des Aeschylos, dessen Kraft und Bedeutung mehr in großartigen Ideen und dem ihnen entsprechenden Stil liegt. — Euripides, von dem wir 19 Stücke besitzen (Medeia, Hippolytos (Phädra), Hekabe, Phönizierinnen, Jphigeneia in Anlis und Jphigeneia in Tauris, Jon, Trojanerinnen, das Satyrdrama der Kyklop u. a. m), ist der Repräsentant einer schon verweichlichteren Zeit, „ein Kind der sophistischen und sokratischen Aufklärung". Gerichtsscenen, an benot das Volk im Leben.so großes Gefallen fanb, kunstgerechte Reben nach den Regeln der Schule, Sprüche und Gemeinplätze, wie sie die damaligen Philosophen im Munde führten, werben mit Vorliebe angewendet. Die Götter- und Heroenwelt wirb in bett Kreis menschlicher Eindrücke und Lebensinteresien gezogen, und das wahre Gefühl seiner beiden Vorgänger sucht er durch Empfindsamkett und rührende Scenen, ihre schöpferische Kraft durch erlernte Kunstregeln, Glätte und Zierlichkeit der Sprache zu ersetzen. Aber an Erkennmiß des menschlichen Herzens und an vielseitiger Auffassung der Leidenschaften verräth auch er den hohen Geist des Alterthums. — Die der dramatischen Dichtung der Griechen eigenthümlichen Chorgesänge beweisen deren Entstehung aus der lyrischen Poesie. Anfangs bestand der Chor aus fünfzig, später aus fünfzehn um einen Chorführer (Koryphäos, Chor ögos) gefchaarten Personen, welche bald in der Rolle von Volksältesten und Königsräthen, bald als Hausgenossen, Freunde, ober zufällig der Handlung anwohnende Personen durch rhythmische, mehr gesprochene als gesungene, aber von der Musik begleitete Rede die Eindrücke und Empfindungen anssprachen, welche die vor ihren Augen sich abwickelnde Begebenheit bei den Nicht betheiligten erregte. Ohne als handelnde Personen in den Gang der Dinge einzugreifen, spricht der Chor theils während des Spiels, theils während der Zwischenacte mit leidenschaftloser Ruhe und in lyrischer Weise seine inneren Empfindungen in der Form des Rathes, des Trostes, der Beruhigung, der Ermahnung, der Warnung aus. Er ist also anzusehen „als der per-sonificirle Gedanke über die dargestellte Handlung, als der idealisirte Zuschauer." Er verläßt den engen Kreis der Handlung, um sich über Vergangenes und Künftiges, über ferne Zeiten und Völker, über das Menschliche überhaupt zu verbreiten, um die großen Resultate des Lebens zu ziehen und die Lehren der Weisheit auszusprechen. — Eigenthümlich sind der griechischen Tragödie noch die sogenannten drei Einheiten, der Zeit, des Orts und der H and lun g. Da der Plan der Tragödie „in der zwingenden Einheit von Ursachen und Folgen" lag und ihre Aufgabe war, „eine durch Zeit und Ort begrenzte Handlung sittlich tüchtiger Personen als den Ausdruck eines großen menschlichen Lebens darzustellen," so mußten sich Zeit und Ort nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit richten; die beständige Gegenwart des Chores aber, die höchst einfachen, feststehenden Decorationen, sowie der Umstand, daß das Stück nicht in Acte getheilt war, machten es nothwendig, daß die Handlung auf einen kurzen Zeitraum beschränkt blieb, der in den meisten Fällen nicht mehr als die Dauer eines Tages umfaßte. Hinsichtlich des scenischen Apparats ist als Eigenthümlichkeit zu merken, daß die Schauspieler immer Masken, Schleppgewand und Kothurne (hohe Schuhe) trugen. — Das Schauspiel blieb immer ein wesentlicher Bestandtheil des dionysischen Religionscultus, daher das Theaterwesen unter dem Schutze des Staates stand und von dem zweiten Archon überwacht wurde. Die herrlichen, von Säulenhallen umgebenen Theater, die mit der zunehmenden Kunstbilbnng in Athen und allen griechischen Städten errichtet wurden, trugen nebst der scenischen Pracht bei der Vorstellung eines Stückes nicht wenig zur Hebung der dramatischen Kunst bei. Reiche Bürger konnten sich bei dem athenischen Volke durch Nichts mehr in Gunst setzen, als wenn sie die zur glänzenden Aufführung (Choregie) eines dramatischen Kunstwerks erforderlichen Kosten übernahmen. Daher wetteiferten «die (Stämme nicht mtnber als die Dichter um den Preis. Gebenktafeln eerfünbeten den Namen des siegenden Dichters und des Stammes, der den Chor gestellt hatte.

12. Lesebuch für Oberklassen - S. 410

1914 - Metz : Even
410 gewonnen wurden, während die Ausbeute im Jahre 1885 auf 22 Millionen gestiegen war; jedes Faß enthält 160 bis 170 Liter. Am reichsten fließen die Erdölquellen bei Oil-Spring, einer Gegend des eben genannten Staates in Nordamerika. Die ersten Versuche, welche die Ölbohrer machten, fielen so glücklich aus, daß die meisten Bauern Pennsylvaniens die Hacke liegen und den Pflug stehen ließen, um nach Öl zu bohren. Es entstanden Tausende von Brunnen, aber die Unternehmungen waren gleichsam ein Lotteriespiel. Unter hundert Bohrern fanden nur zehn bis fünfzehn Öl, allerdings zuweilen in so ungeheurer Menge, daß mancher durch eine einzige Quelle in wenigen Monaten zum Millionär wurde. Im Jahre 1861 ging ein Bohrer tiefer als bisher und gewann dadurch einen immer fließenden Brunnen, welcher täglich etwa 1000 Faß Öl gab. Im Winter 1861 und 1862 wurden dort täglich sogar 15 000 Faß gefördert; es fehlte an Geräten, das fließende Öl aufzunehmen, und der Preis sank an Ort und Stelle auf ungefähr 50 Pfennig für das Faß. Das Petroleum findet sich auch an vielen andern Orten der Erde in gewaltigen Mengen, namentlich am Kaspischen Meere; dort betrug der Ertrag im Jahre 1885 etwa fünfzehn Millionen Faß. Auch im Elsaß gibt es eine Gegend, in welcher schönes und gutes Erdöl gewonnen wird; es ist die Gegend von Sulz unterm Wald mit den Dörfern Lobsann, Pecheibronn und Betschdorf. Das Petroleum ist eine bald helle, bald dunkelbraune, dickflüssige Masse, welche im Wasser sich nicht auflöst, sondern als besondere Schicht darauf schwimmt. Es ist sehr leicht ent- zündlich. Kaum hatte der erste fließende Brunnen bei Oil- Spring einige Tage seinen Reichtum ausgespieen, so wollte ein Arbeiter, welcher die Natur des Petroleums nicht kannte, an einem Schwefelhölzchen seine Zigarre anzünden. Sobald aber das Feuer das in der Luft befindliche Gas berührte, entstand auf einer weiten Fläche ein Flammenmeer, in welchem 22 Arbeiter verbrannten. Der Brunnen selbst aber wurde zum feurigen Strome, der nicht eher aufhörte zu brennen, bis das Öl erschöpft war. Ähnliche Unglücksfälle sind mehr als einmal vorgekommen. Das Petroleum, welches wir in unsern Lampen brennen, ist gereinigt und deshalb weniger feuergefährlich. Weil jedoch Vorsicht zu allen Dingen nütze ist, so dürfen die Lampen nur am Tage, niemals des Abends bei einem hellbrennenden Lichte mit Petroleum gefüllt werden. Auch darf man niemals das Petroleum zum Anzünden des Feuers gebrauchen. Nach dem Elsass-Lothr. Oberklassenlesebuch.

13. Vaterland und Weite Welt - S. 311

1894 - Leipzig [u.a.] : Klinkhardt
Bll anziehen zu müssen, sich das Leben nahm. Das Nichtsthun und die Ver- treibung der Langeweile sind eigentlich schon ein Selbstmord. Herr Adolf machte dann jeden Vormittag seinen Spazierweg, damit er den Nachmittag für sich frei und nichts mehr zu thun habe. Meist lag er ans dem Sofa, gähnte und rauchte. Dabei hatte er mitunter noch seine besonderen Gedanken. Jeder Mensch, dachte er, hat so eine Summe von Kraft mit auf die Welt bekommen, die für seine siebenzig Jährlein oder auch mehr ausreichen muß. Wenn ich also einen schweren Stuhl von einem Orte an den andern hebe, ist damit ein Stück von meiner Lebenskraft aufgewendet und verbraucht — drum laß ich's hübsch bleiben. Ans solche Gedanken kann ein Nichtsthuer kommen! Der Herr Adolf ward aber dick und kränklich und mußte seinen Leib pflegen. Das war auch noch ein Geschäft. Das Jahr durch ging dem Herrn Adolf manch schönes Stück Geld durch die Hand, und dabei hatte er die besondere Liebhaberei, daß er bei jeder Goldmünze, die er ausgab, ein kleines, zierliches Kreuz unter die Nase des geprägten Herrschers machte. Er dachte wenig dabei, denn er hatte ja Geld genug; ihn kümmerte überhaupt nicht, wie's anderen Menschen erging, obgleich er manchmal aus angeborener Gutmütigkeit einem Armen etwas schenkte. Ich will nur einmal sehen, dachte er, ob nach langer Umher- wanderung in der Welt mir einmal wieder so ein Goldstück unter die Hände kommen wird. Da nun der Herr Adolf gar nichts war, so nahm er sich ernstlich vor, etwas zu werden, und er ward ein Reisender. Das ist noch immer ein Titel, wenn man sonst weiter nichts ist. Er reiste nämlich von einer Stadt in die andere, von einem Land ins andere und ließ sich's überall Wohlsein, und wo er etwas zu bezahlen hatte, da gab er die mit seinem Ordenskreuze gezierten Goldstücke hin. Noch nie aber war es ihm vor- gekommen, daß er eins wieder gesehen hätte. Endlich war er des Herum- reisens auf dem festen Lande müde, er verließ die alte Welt und schiffte sich nach Amerika ein. Nun war der Herr Adolf noch etwas mehr als ein Reisender, er war sogar ein Auswanderer. Diesmal aber ging's gar schlecht auf der See, fünf Tage und fünf Nächte wütete ein gewaltiger Sturm; alles, was ans dem Schiffe war, mußte mit Hand ans Werk legen, aber alles vergebens, das Schiff ging unter, und nur der Beherztheit des Schiffshauptmanns gelang es, die Mannschaft und die Reisenden in eine Schaluppe zu retten. Nach zwei Tagen fürchterlichen Umherirrens und schrecklicher Hungersnot, in welcher viele starben, wurden die Verschlagenen von einem Kauffahrteischiffe aufgenommen und in den Hasen von Boston gebracht. — Arm, hilflos und verlassen irrte hier Adolf umher, und er wünschte sich oft, daß er mit den anderen von den Wellen begraben wäre. Da sah er einen Mann eilig des Weges gehen; mit niedergeschlagenem Blicke bat er ihn um eine Gabe. Der Mann griff in die Tasche, reichte ihm ein Stück Geld und war schnell verschwunden. Als Adolf wieder seinen Blick emporhob und das Geld betrachtete, wollte er seinen Augen kaum trauen — es war ein holländischer Dukaten, der das Ordcnszeichen von seiner eigenen Hand unverkennbar trug. Sei es nun, daß der Mann sich

14. Das Mittelalter - S. 222

1912 - Nürnberg : Korn
— 222 — fremde Kaufmann dazwischen: „Das nimmt das ganze Jahr kein Ende, und wenn der Schmutz aufhört, dann fängt der Staub an. In Italien hat man das Straßenpflaster schon lang; ich hab's selbst gesehen." Als der Kaufmann von Italien redete, stimmten alle bei. Unterdessen war aber der vordere Wagen flott geworden und nun griff man mit neuem Mut beim Hinteren an und unter Schreien und Schieben gelang es endlich, auch diesen vom Fleck zu bringen. Noch am nämlichen Abend redete Hans Gewerlich in der Trinkstube mit den Kaufleuten lang über Italien und das Straßenpflaster, das es dort gibt. Und in den nächsten Tagen ließ er vor seinem Hause einen Haufen Steine und einen Haufen Sand abladen, und in der nächsten Woche kamen die Pflasterer und begannen vor seinem Hause am Eck beim Rindermarkt zu hämmern und zu pflastern. Und als das Pflaster fertig war, gefiel es jedermann wohl, und man beriet sich, man solle damit auch anderswo anfangen. Könne man Steine und Sand genug haben, so solle man überall pflastern. Man hatte aber großen Zweifel, ob Steine genug zu haben wären. So hub man an, zuerst beim Göppinger Tor und so die Straße vorwärts bis an des Gewerlichs Gasse und an sein Pflaster. Da war es hübsch und gar zierlich und gefiel jedermann. Und man hatte Steine und Sand genug, je länger, je mehr; denn die Leute gingen an den Lech und an die Wertach und lasen Steine und man grub und siebte Sand genug. Die Leute verkauften Steine und Sand in Truhen und zu solchem Preise, daß es niemand zu teuer dünkte. Darum gebot man den Leuten überall an den vordersten und vornehmsten Gassen, sie sollten pflastern, und jedermann tat es willig. Und jeder mußte vor seinem Hause eine Rute weit pflastern, und wo die Gassen weiter waren, das zahlte die Stadt. So pflasterte jedermann für sich, bis es nach einiger Zeit ganz geschehen war. Ein Bäcker macht seine Ware zu schwer. Während der Teuerung redete man einem Bäcker nach, er mache das Brot zu klein und gebe das völlige Gewicht nicht. Man untersuchte ihn und wie man es so fand, wurde er bestraft und zugleich verwarnt, er möge sich in Zukunft nichts mehr zuschulden kommen lassen. Er aber konnte nicht davon lassen. Doch wenn er neugebackenes Brot hatte, sagte er nichts davon, außer es kamen die ganz Armen. Denn diese aßen das neugebackene Brot auf der Stelle, weil sie wegen des großen Hungers nicht lange warten konnten, um es erst zu wiegen, ob es auch schwer genug sei.

15. Das Vaterland - S. 244

1885 - Leipzig [u.a.] : Klinkhardt
244 Daher hatte der Herr Adolf gar kein Geschäft als essen, trinken, schlafen^ spazieren gehen oder reiten und was ihm sonst noch einfiel. Ja, das Ans- und Anziehen war ihm viel zu viel, und er hielt sich einen Kammerdiener. Wenn er des Morgens erwachte, wußte er eigentlich gar nicht, warum er aufstellen sollte; es warteten kein Geschäft und keine Freunde auf ihn. Darum blieb er auch fein liegen, bis ihm das zu beschwerlich war. Fast ging es ihm lvie jenem Engländer, der aus purer Langeweile, um sich nicht mehr aus- und anziehen zu müssen, sich das Leben nahm. Das Nichtsthun und die Ver- treibung der Langeweile sind eigentlich schon ein Selbstmord. Herr Adolf machte dann jeden Vormittag seinen Spazierweg, damit er den Nachmittag für sich frei und nichts mehr zu thun habe. Meist lag er auf dem Sofa, gähnte und rauchte. Dabei hatte er mitunter noch seine besonderen Gedanken Jeder Mensch, dachte er, hat so eine Summe von Kraft mit auf die Welt bekommen, die für seine siebenzig Jährlein oder auch mehr ausreichen muß. Wenn ich also einen schweren Stuhl von einem Orte an den andern hebe. ist damit ein Stück von meiner Lebenskraft aufgewendet und verbraucht —, drum laß ich's hübsch bleiben. Ans solche Gedanken kann ein Nichtsthuer kommen! Der Herr Adolf ward aber dick und kränklich und mußte seinen Leib pflegen. Das war auch noch ein Geschäft. Das Jahr durch ging dem Herrn Adolf manch schönes Stück Geld durch die Hand, und dabei hatte er die besondere Liebhaberei, daß er bei jeder Goldmünze, die er ausgab, ein kleines, zierliches Kreuz unter die Nase des geprägten Herrschers machte. Er dachte wenig dabei, denn er hatte ja Geld genug; ihn kümmerte überhaupt nicht, wie's anderen Menschen erging, obgleich er manchmal aus angeborener Gutmütigkeit einem Armen etwas schenkte. Ich will nur einmal sehen, dachte er, ob nach langer Umher- wanderung in der Welt mir einmal wieder so ein Goldstück unter die Hände kommen wird. Da nun der Herr Adolf gar nichts war, so nahm er sich ernstlich vor, etwas zu werden, und er ward ein Reisender. Das ist noch immer ein Titel, wenn man sonst weiter nichts ist. Er reiste nämlich von einer Stadt in die andere, von einem Land ins andere und ließ sich's überall Wohlsein, und wo er etwas zu bezahlen hatte, da gab er die mit seinem Ordenskreuze gezierten Goldstücke hin. Noch nie aber war es ihm vor- gekommen, daß er eins wieder gesehen hätte. Endlich war er des Herum- reisens auf dem festen Lande müde, er verließ die alte Welt und schiffte sich nach Amerika ein. Nun war der Herr Adolf noch etwas mehr als ein Reisender, er war sogar ein Auswanderer. Diesmal aber ging's gar schlecht auf der See, fünf Tage und fünf Nächte wütete ein gewaltiger Sturm; alles, was ans dem Schiffe war, mußte mit Hand ans Werk legen, aber alles vergebens, das Schiff ging unter, und nur der Beherztheit des Schiffshauptmanns gelang es, die Mannschaft und die Reisenden in eine Schaluppe zu rethen. Nach zwei Tagen fürchterlichen Umherirrens und schrecklicher Hungersnot, in welcher viele starben, wurden die Verschlagenen von einem Kauffahrteischiffe aufgenommen und in den Hafen von Boston gebracht. — Arm, hilflos und verlassen irrte hier Adolf umher, und er

16. 1 = 5. Schulj. - S. 208

1908 - Leipzig [u.a.] : Klinkhardt
208 tdostte er nicht; das, meinte er, sei nur etwas für unbemittelte Leute. Daher hatte der Herr Adolf gar kein Geschäft als essen, trinken, schlafen, spazieren gehen oder reiten oder was ihm sonst noch einfiel. Ja, das Aus- und Anziehen war ihm viel zuviel, und er hielt sich einen Kammerdiener. Wenn er des Morgens erwachte, wußte er eigentlich gar nicht, warum er aufstehen sollte; es warteten kein Geschäft und keine Freunde auf ihn. Darum blieb er auch fein liegen, bis ihm das zu beschwerlich war. Fast ging es ihm wie jenem Engländer, der aus purer Langeweile, um sich nicht mehr aus- und anziehen zu müssen, sich das Leben nahm. Das Nichtstun und die Ver- treibung der Langeweile sind eigentlich schon ein Selbstmord. Herr Adolf machte dann jeden Vormittag seinen Spaziergang, damit er den Nachmittag für sich frei und nichts mehr zu tun habe. Meist lag er auf dem Sofa, gähnte und rauchte. Dabei hatte er mitunter noch seine besonderen Gedanken. Jeder Mensch, dachte er, hat so eine Summe von Kraft mit auf die Welt bekommen, die für seine siebenzig Jährlein oder auch mehr ausreichen muß. Wenn ich also einen schweren Stuhl von einem Orte an den andern hebe, ist damit ein Stück von meiner Lebenskraft aufgewendet und verbraucht — drum laß ich's hübsch bleiben. Auf solche Gedanken kann ein Nichtstuer kommen! Der Herr Adolf ward aber dick und kränklich und mußte seinen Leib pflegen. Das war auch noch ein Geschäft. Das Jahr durch ging dem Herrn Adolf manch schönes Stück Geld durch die Hand, und dabei hatte er die besondere Liebhaberei, daß er bei jeder Goldmünze, die er ausgab, ein kleines, zierliches Kreuz unter die Nase des geprägten Herrschers machte. Er dachte wenig dabei, denn er hatte ja Geld genug; ihn kümmerte überhaupt nicht, wie's anderen Menschen erging, obgleich er manchmal aus angeborener Gutmütigkeit einem Armen etwas schenkte. Ich will nur einmal sehen, dachte er, ob nach langer Umher- wanderung in der Welt mir einmal wieder so ein Goldstück unter die Hände kommen wird. Da nun der Herr Adolf gar nichts war, so nahm er sich ernstlich vor, etwas zu werden, und er ward ein Reisender. Das ist noch immer ein Titel, wenn man sonst weiter nichts ist. Er reiste nämlich von einer Stadt in die andere, von einem Land ins andere und ließ sich's überall Wohlsein, und wo er etwas zu bezahlen hatte, da gab er die mit seinem Ordenskreuze gezierten Goldstücke hin. Noch nie aber war es ihm vor- gekommen, daß er eins wiedergesehen hätte. Endlich war er des Herum- reisens auf dem festen Lande müde, er verließ die Alte Welt und schiffte sich nach Amerika ein. Nun war der Herr Adolf noch etwas mehr als ein Reisender, er war sogar ein Auswanderer. Diesmal aber ging's gar schlecht auf der See, fünf Tage und fünf Nächte wütete ein gewaltiger Sturm; alles, was auf dem Schiffe war, mußte mit Hand ans Werk legen, aber alles vergebens, das Schiff ging unter, und nur der Beherztheit des Schiffshauptmanns gelang es, die Mannschaft und die Reisenden in eine Schaluppe zu retten. Nach zwei Tagen fürchterlichen Umherirrens und schrecklicher Hungersnot, in welcher viele starben, wurden die Verschlagenen von einem Kauffahrteischiffe aufgenommen und in den Hafen von Boston

17. Gemeinnütziges Lese- und Lehrbuch für die Schuljugend aller Religionsverwandten - S. 37

1828 - Soest : Nasse
37 kindern gleich kam, welche bessere Keistesgaben von Gott empfangen hatten, als er; und jedermann liebte ihn und wünschte dem Vater Gluck zu einem solchen Sohne. Moritz aber war leichtsinnig und achtete nicht auf die guten Lehren, die er in der Schule hörte; Spielen, Reiten, Fischen üyd dergleichen Vergnügungen waren ihm lieber, als Lernen. Wenn er ermahnt wurde, fleißig zu sein, sagte er: Ich werde ein Landwirth, und ein solcher braucht nicht viel zu wissen: wenn ich lesen, schreiben und rechnen kann, bin ich geschickt genug, und dazu habe ich immer noch Zeit. So ging ein Jahr nach dem andern hin, und weil er glaubte, immer noch Zeit genug zu haben, so lernte er auch daö Lesen, Schreiben und Rechnen nur sehr mittel- mäßig. Der Vater Hütte eö freilich lieber gesehn, wenn sein Sohn fleißiger gewesen wäre; aber zwingen wollte er ihn eben auch nicht, und überdies dachte er ebenfalls, dasi derselbe in seinem künftigen Stande nicht viel zu wissen brauche, sondern, wenn er ihm das Gut wohl eingerichtet hinterließe, so könne cö ihm nicht fehlen. Aber beide irr- ten hier sehr; denn sie dachten nicht daran, dast die Ver- wöhnung an unnütze Vergnügungen noch weit schlim- mere Folgen habe, als bloß die Versüumniß dcö Guten, das man in der Jugend hatte lernen können. Als Moritz in die Jahre trat, wo er die Schule verlassen mußte, wollte ihn der Vater zur Wirthschaft anführen und trug ihm also bald diese, bald jene Ge- schäfte auf: aber Moritz ging lieber seinen gewohnten Lustbarkeiten nach. Anstatt auf dein Felde zu' sein, um die Knechte zur Arbeit anzutreiben, ritt er in die Stadt zu seinen Bekannten, spielte und ließ die Knechte arbei- ten, so viel sic wollten. Der Vater schalt ihn deswegen zwar hart; aber es half nichts, und er starb, wie man sagt, vor Verdruß über die Lidcrlichkeit seines Sohnes. Nun war M o r i tz Herr des Guts, und er konnte ganz nach seinem Willen handeln. Nach dem Sprichworte: Jung gewohnt, alt gethan — blieb er auch ein so leichtsinniger Mensch. Er lebte immer in den Tag hinein, ohne sich um die Wirthschaft zu beküm- mern, und'in ein paar Jahren war das Gut so verschuldet, daß es öffentlich verkauft werden mußte. Ein

18. Das Deutsche Reich unter den sächsischen, den fränkischen und den hohenstaufischen Kaisern - S. 66

1914 - Leipzig : Voigtländer
66 Die Hohenstaufen. in unglaublicher Weise. Alsbald griffen sie den Herzog von Schwaben mit seinem Heer im Rücken an, während wir den Herzog von Finiminum mit seinem Kriegsvolk und den Herzog vou Ferma mit seinen Scharen uns gegenüber hatten und eine andere unzählige Menge. Als diese aber vereinigt waren, mußten wir alle folgenden Tage vom frühen Morgen bis zum Abend kämpfen, und immer legte Gott den Sieg in unsere Hände; doch verloren wir dabei viele Verwundete, auch wurden uns viele Pferde getötet. Am Sonntag nach dem Himmelfahrtstage stürzte Friedrich von Hunlitra*) bei der Verfolgung der Gegner vom Rosse, brach das Genick und fand so den Tod. Tags darauf schlugen wir unsere Zelte bei Finiminum auf. Hier griffen gegen Abend die Türken unser Lager an. Schon waren sie dabei, in einigen Zelten den Bewaffneten ihre Habe zu entreißen, als wir sie in die Flucht trieben. Die Türken hatten mehr als 6000 Tote zu beklagen. Von den Unsrigen fiel niemand, nur wurden uns viele Pferde getötet. Die Berge hallten wider von dem Jammerrufe der Klagenden, und die Nacht schied uns voneinander. Bald aber begann unter uns große Hungersnot zu herrschen. Wein und Mehl fehlten ganz, und oft genug habe ich mit den anderen Pferdefleisch essen müssen. Die Pferde aber erlagen dem Mangel, weil wir weder Getreide noch Saat noch Gras fanden. Dazu um- schlossen uns die Türken bei Tag und Nacht so enge, daß niemand das Lager zu verlassen vermochte. Am Mittwoch vor Pfingsten töteten wir wieder eine große Menge unserer Gegner. Nach dem heiligen Pfingstfest trafen wir auf Melich, den Sohn des Sultans, und fanden in Schlachtreihe gegen uns aufgestellt eine Menge von 40000 türkischen Reitern, die den Heuschrecken gleich das ganze Land erfüllten. Da erhoben wir wider sie im Namen Shristi die siegreichen Adler vor unserem Heere und fühlten den Hunger nicht mehr; und obwohl wir kaum 600 Berittene waren, so haben wir sie unter dem Zeichen des lebendigen Kreuzes besiegt und in die Flucht getrieben. Hierbei ereignete sich auch etwas Wunderbares. Ludwig von Helfenstein sah nämlich an diesem Tage den heiligen Georg unseren Scharen vorausziehen, wie es auch vordem schon geschehen ist, und unserm Heere Hilfe bringen. Ludwig selbst hat dies unter einem Eide öffentlich bekannt auf das Gelübde feiner Pilgerfchaft und in Gegenwart des Kaisers und des Heeres. Doch auch die Türken haben nachher selbst erzählt, sie hätten einige Scharen von Kriegern gesehen, die mit weißen Gewändern bekleidet waren und auf weißen Rossen einhersprengten. An demselben Tage verfolgten wir Melich, der in der *) Friedrich von Hausen, ein Minnesänger.

19. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 141

1913 - Leipzig : Hahn
141 Zeit fertigt. An der Spinnmaschine werden Hunderte und Tausende von Faden zu gleicher Zeit gedreht. Nimmt man noch dazu die Unermüdliche keit der Maschine, welche unter Umständen Tag und Nacht ununterbrochen fortzuarbeiten vermag, wie etwa eine Kunstmühle oder der Bohrer in den gewaltigen Tunnels der Neuzeit, so begreift man, wie sehr sie in der Arbeitsleistung der Hand überlegen ist. Endlich kann die Maschine eine Kraft entwickeln, wie sie viele Menschen vereint nicht auszuüben ver- möchten. Welche Lasten das Dampfroß schleppt, ist jedem bekannt; es sei nur an die riesigen Hämmer erinnert, welche in den Kruppschen Werk- stätten durch Dampfmaschinen gehoben und auf die zu schmiedenden Eisen- klötze fallen gelüsten werden. Es ist begreiflich, daß bei solchen Vorzügen der Maschine die Hand zu mancher Arbeit nicht mehr angewendet wird, zu welcher man sie sonst heranzog. So beklagen manche das Überhandnehmen der Maschinen- arbeit, ja, sie sprechen die Furcht aus, daß es bald dem Einzelnen nicht mehr möglich sein werde, von seiner Hände Arbeit zu leben, weil niemand dieselbe in Anspruch nehmen werde. Indes verkennen diese doch die Vor- züge, welche die Hand immer behalten muß, wegen deren sie also immer unersetzbar bleiben wird. Sie lassen sich kurz darauf zurückführen, daß die Hand von einem denkenden Geiste gelenkt wird, der imstande ist, jeden Augenblick nach Bedürfnis eine Änderung der Tätigkeit eintreten zu lasten, während die Maschine, sie mag noch so kunstvoll ersonnen, noch so sorgfältig ausgeführt sein, nur regelmäßig wiederkehrende Bewegungen vornehmen kann. Mag der Faden von der Maschine gesponnen und zum Gewebe verarbeitet sein: den Schnitt zum Kleide wird der geschickte Meister allein fertigen können; die Teilmaschine mag Tausende von Uhr- rädern fertigen: zusammensetzen muß sie der Uhrmacher. Ja selbst bei allen Werken der Maschine muß die Menschenhand helfend und regelnd eingreifen: der Faden an der Spule muß von der Arbeiterin geknüpft werden, welche die Maschine beaufsichtigt. Der Näh- maschine müssen die Stoffteile angelegt werden, die sie nähen soll; die Maschine des Dampfschiffes muß der Maschinist regeln, der wieder seine Befehle vom Steuermann empfängt. Die Befürchtung, daß dem Menschen alle Arbeit von der Maschine abgenommen werden könnte, ist also unbegründet; für ihn bleibt noch immer genug zu tun übrig. Wir dürfen volle Befriedigung empfinden, wenn die Maschine viele Arbeiten, welche die Kraft des Menschen erschöpfen, verrichtet; zu erschlaffender Untätigkeit aber werden wir darum noch nicht verurteilt werden, nur mehr Zeit und Kraft bleibt uns übrig zur Er- reichung höherer Ziele und zur Ausbildung der geistigen Fähigkeiten. Nach Ferdinand Schöntag. 68. Die Einführung von Maschinen in das Gewerbe. Es war im Jahre 1830. In der Querstraße zu Leipzig stand eine dichtgedrängte Menge, meist aus Druckergesellen bestehend, vor der Buch-

20. Lehrbuch zur Kenntniß der verschiedenen Gattungen der Poesie und Prosa für das weibliche Geschlecht, besonders für höhere Töchterschulen - S. 190

1877 - Stuttgart : Heitz
190 Jeder Akt muß ein Ganzes für sich ausmachen; daher ist es nicht gleichgültig, mann ein Akt endigt; es muß die Handlung wirklich einen Nuhepunkt nöthig machen. Mehr als 5 Akte pflegen nicht leicht vorzukommen. Die Akte zerfallen wieder in Scenen oder Auftritte, deren kürzere oder längere Dauer von dem Gange der Handlung abhängt. Vor Allem muß jedes dramatische Stück Einheit der Hand- lung zeigen. Zur Einheit der Handlung gehört, daß alle Personen, Handlungen und Ereignisse nothwendig zuni Ganzen gehören. Es darf danach keine Person, kein Akt, keine Scene überflüssig sein; jedes muß zur Bildung des Ganzen etwas beitragen. Finden wir, daß etwas, unbeschadet des Ganzen oder wohl gar zum Vor- theile des zu machenden Eindrucks, hätte wegbleiben können, so hat der Dichter gegen die Einheit der Handlung gefehlt. Seinen Stoff kann der Dichter entweder aus der Geschichte nehmen (historisches Drama), und dann steht ihm wie dem epi- schen Dichter frei, von der historischen Wahrheit abzuweichen, so viel wie er will, oder er schöpft ihn aus seiner Phantasie. Alle dramatischen Gedichte werden in vier Klassen geordnet: das Trauerspiel, das Lu st spiel, das Schauspiel und das Singspiel. 1. Das Trauerspiel (Tragödie). Wie bei'm ernsten Heldengedicht sehen wir im Trauerspiel den Helden des Stücks gegen die wider ihn anstürmende Gewalt des Schicksals oder der Leidenschaften kämpfen. Immer aber müssen es sittliche Mächte sein, mit welchen er in Conflikt geräth; denn das Tragische im Drama ist das sittlich Erhabene. Die Seelengröße des Helden erweckt bei den Zuschauern lebhafte Theilnahme für sein Schicksal. Bald fürchten sie, er werde unter- liegen, bald hoffen sie, er möge den Sieg davon tragen, bis er zuletzt wirklich unterliegt. Aber der Schmerz darüber im Herzen der Zuschauer wird gemildert durch die Bewunderung der Kraft des Helden selbst im Augenblicke seines Falles. Darum muß der