Anfrage in Hauptansicht öffnen

Änliche Dokumente zu folgendem Trefferdokument

Basierend auf den Feldern Volltext

Sortiert nach: Ähnlichkeit zu Dokument

1. Dichtung der Neuzeit - S. 130

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
130 Siebte Periode oder zweite Blüteperiode, von 1748 ab. B. Übertragungen. Die Wahrheit des bedeutungsvollen Gedankens, „daß die Poesie nicht das Privaterbteil einiger wenigen Gebildeten, sondern vielmehr eine allgemeine Welt-und Völkergabe, die Muttersprache des menschlichen Geschlechtes sei", wies er nach in der Sammlung der „Volkslieder" oder nach einer späteren Bezeichnung in den „Stimmen der Völker in Liedern" (1778—1779), die eine Sammlung von übertragenen Volksliedern des ganzen Erdkreises enthalten. Die sechs Bücher derselben führen uns vor: 1. Lieder aus dem hohen Norden (grönländische, lappländische, esthnische, lettische, wendische usw.); 2. aus dem Süden (griechische, sizilianische, italienische, spanische und französische); 3. aus dem Nordwesten (aus Ossian, schottische und englische); 4. aus dem Norden (skaldische und dänische); 5. deutsche; 6. Lieder der Wilden (aus Madagaskar und Peru). In der Über- tragung und Umgestaltung dieser Lieder konnte Herder auf das beste sein feines und tiefes Gefühl für alles Poetische in Anwendung bringen, vermöge seiner Universalität sich in fremde Gedanken und Anschauungen auch der verschiedensten Völker versenken und aus der Tiefe seines eigenen poetischen Gefühles, ohne sich streng an das Wort des Originals zu binden, freie Reproduktionen schaffen. Alle diese Übersetzungen sind vollendete Meisterwerke. Zugleich hat er durch diese Übertragungen den Nachweis für seine Behauptung geliefert, es sei ein Vorzug des deutschen Charakters, „daß er die Blüte des mensch- lichen Geistes, die Dichtung, von dem Gipfel des Stammes jeder Nation brechen dürfe". Die gleich große Fähigkeit zeigt Herder auch in seinem letzten Werke, dem „Cid", der erst nach seinem Tode (1805) herausgegeben wurde. Es ist dieses Werk ein Romanzen-Cyklus, welcher die sagenhafte Geschichte des Cid, d. i. des spanischen Helden Don Rodrigo Diaz, Grasen von Vivar (1040—1099), enthält. Das Gedicht (70 Romanzen) ist nach einer französischen Prosa-Bearbeitung der spanischen, aus dem 13. bis 15. Jahr- hundert stammenden Cid-Romanzen angelegt; nur 14 der Romanzen sind altspanisch. Herders Bearbeitung ist aber ein völlig deutsches Werk, dem nur die spanische Färbung geblieben ist. Rodrigo Diaz, von den maurischen Soldaten ei Cid (der Herr), von seinen Landsleuten Oawxeaäor (Feldherr) genannt, erscheint in der Geschichte als ein rauher, habgieriger, grausamer und trotziger Kriegsheld. Fernando der Große hatte sterbend (1065) sein Reich unter seine drei Söhne geteilt, so daß Sancho Kastilien, Alfons Leon und Asturien, Garcia Galizien und Portugal bekam, während er der älteren Tochter Uraca die Stadt Zamora am mittleren Duero und der jüngeren Elvira die Stadt Toro vermachte. Der hab- süchtige Sancho vertrieb jedoch bald mit Hilfe des tapfern Rodrigo seine beiden

Ähnliche Ergebnisse

Ähnliche Dokumente basierend auf den Feldern Volltext

1. Deutsche Dichtung in der Neuzeit - S. 160

1893 - Trier : Lintz
160 eines Küsters und Kantors versah. Als Famulus in das Haus des Diakonus Trescho aufgenommen, durste der sechzehnjährige Knabe an den Lehrstunden teilnehmen, welche jener seinen Söhnen im Lateinischen und Griechischen gab. Im Jahre 1762 folgte er der Einladung des russischen Regiments- chirurgen Schwarzerloh, welcher sich erbot, ihn in Königsberg die Chirurgie lernen zu lassen, und ihm für später die Mittel zum Studium der Medizin in Allssicht stellte. Da er aber bei der ersten Sektion ohnmächtig wurde, so gab er das Studium der Medizin ans und studierte im Vertrauen ans seine eigenen Kräfte Theologie. Er lebte nun längere Zeit, einzig ans Privat- unterricht angewiesen, in drückenden Verhältnissen, bis er durch Vermittelung einflußreicher Männer ein Stipendium erhielt. Von großem Einfluß wurde für ihn die Bekanntschaft mit Kant und besonders die mit Hamanns, der ihn auf Ossian, Shakespeare und auf die Bedeutung der Volkspoesie auf- merksam machte. Im I. 1764 ging Herder nach Riga als Lehrer an der Dvmschule; später wurde er daselbst Prediger. Im I. 1769 legte er seine Stelle liieder, um die besten Erziehungsanstalten des Auslandes kennen zu lernen. Die Reise, die er nun antrat, wurde der Wendepunkt seines Lebens. Er nahm in Paris den Antrag an, einen Prinzen von Holstein-Eutin, der zum Trübsinn neigte, nach Italien zu begleiten; er kam aber nur bis Straß- burg, da er sich zur Heilung eines Augenübels einer schmerzlichen, freilich erfolglosen Operation unterwerfen mußte. Hier wurde er auch mit Göthe bekannt, ans dessen Entwicklung er nicht geringen Einfluß übte. Ein Jahr darauf, 1771, folgte er einem Rufe als Hosprediger und Konsistorialrat nach Bückebnrg; 1776 trug ihm Göthe im Namen des Herzogs von Weimar eine Stelle als Generalsuperintendent und Oberpfarrer in Weimar an, welche er denn auch sogleich annahm. Im Jahre 1788 machte er eine Reise nach Italien, teilweise als Begleiter der Herzogin Amalie. Einen Ruf nach Göt- tingen als Professor der Theologie lehnte er ab, wurde dafür aber vom Herzog zum Vicepräsidenten und 1801 zum Präsidenten des Oberkonsistorinms in Weimar ernannt; in demselben Jahre wurde er durch den Kurfürsten von Baiern geadelt Nach längerer Kränklichkeit starb er am 18. Dezember 1803. — Herders schriftstellerische Thätigkeit war außerordentlich umfassend; sie erstreckte sich auf alle möglichen Gebiete, namentlich auf Theologie, Philosophie, Geschichte und Dichtknnst. Es sind zu unterscheiden: 1. Dichtungen, sowohl eigene, namentlich Legenden, Allegorieen, Parabeln, Paramythieen und Epigramme, als auch Übertragungen oder vielmehr freie Nachbil- dungen aus fremden Sprachen. Zu diesen gehören: 1. „Stimmen der Völker in Liedern" 1778 und 79, eine Sammlung von Volksliedern in 6 Büchern, enthaltend Lieder aus dem hohen Norden, dem Süden, aus dem Nordwesten (Ossian), Skalden- lieder, deutsche Volkslieder und Lieder der Wilden. 2. „Der Cid, nach spanischen Romanzen besungen" 1803 (nach Herders Tode herausgegeben). Es sind darin (70) spanische Romanzen, welche die Thaten des Helden Rodrigo Diaz, Grafen von Vivar, genannt „Cid", vollständig Cid el battal (Herr der Schlacht), besingen, zu einem Ganzen vereinigt Das Gedicht besteht aus vier größeren Abschnitten: Der Cid unter 0 Vgl. S. 82. — 2) Johann Georg Hamann, geb. 1730 zu Königsberg, starb nach einem außerordentlich wechselvollen Leben in Münster 1788, wo er eine freundliche Aufnahme im Kreise der Fürstin von Galizien gefunden hatte. Wegen seines dunkeln, orakelhaften Wesens in Rede und Schrift nannte man ihn den Magus des Nordens. Mehrere seiner Abhandlungen sammelte er unter dem Titel „Kreuzzüge des Philologen Tt An“ 1762. Eine dieser Abhandlungen: „Aesthetica in nuce“ enthält bereits alle Keime der Herderschen Lehre über Poesie.

2. Deutsche Dichtung in der Neuzeit - S. 163

1916 - Trier : Lintz
163 Schwagerloh, der sich erbot, ihn in Königsberg die Chirurgie lernen zu lassen, und ihm für später die Mittel zum Studium der Medizin in Aussicht stellte. Da er aber bei der ersten Sektion ohnmächtig wurde, gab er das Studium der Medizin auf und studierte im Vertrauen auf seine eigenen Kräfte Theologie. Er lebte nun, einzig auf Privatunterricht angewiesen, längere Zeit in drückenden Verhältnissen, bis er durch Vermittlung wohlwollender Männer ein Stipendium erhielt. Von großem Einfluß wurde für ihn die Bekanntschaft mit Kanth und besonders die mit Hamanns, der ihn auf Ossian, Shakespeare und auf die Bedeutung der Volkspoesie aufmerksam machte. 1764 ging Herder nach Riga als Lehrer an der dortigen Domschule; später wurde er daselbst Prediger. 1769 legte er seine Stelle nieder, um die besten Erziehungsanstalten des Aus- landes kennen zu lernen. Die Reise, die er nun antrat, wurde der Wendepunkt seines Lebens. Er nahm in Paris den Antrag an, einen Prinzen von Holstein- Eutin, der zum Trübsinn neigte, nach Italien zu begleiten; er kam aber 1770 nur bis Straßburg, da er sich zur Heilung eines Augenübels einer schmerz- lichen. leider erfolglosen Operation unterwerfen mußte Hier wurde er mit Goethe bekannt, auf dessen Entwicklung er einen tiefgehenden Einfluß übte. 1771 folgte er einem Rufe als Hofprediger und Konsistorialrat nach Bückeburg; 1776 trug ihm Goethe im Namen des Herzogs von Weimar eine Stelle als Generalsuperintendent und Oberpfarrer in Weimar an, die er denn auch sogleich annahm. 1788 — 1789 machte er eine Reise nach Italien, teilweise als Be- gleiter der Herzogin Amalie. Einen Ruf nach Göttingen als Professor der Theologie lehnte er ab, wurde dafür aber vom Herzog zum Vizepräsidenten und 1801 zum Präsidenten des Oberkonsistoriums in Weimar ernannt; in dem- selben Jahre wurde er durch den Kurfürsten von Bayern geadelt. Nach längerer Kränklichkeit starb er am 18. Dezember 1803. — Herders schriftstellerische Tätigkeit war außerordentlich umfassend; sie erstreckte sich auf alle möglichen Gebiete, namentlich auf Theologie, Philosophie, Geschichte und Dichtkunst. Es sind zu unterscheiden: 1. Dichtungen, sowohl eigene, namentlich Legenden, Allegorien, Parabeln, Paramythien und Epigramme, als auch Übertragungen oder vielmehr freie Nachbildungen aus fremden Sprachen. Zu diesen gehören 1. 6 Bücher „Volkslieder nebst unter- mischten andern Stücken" 1778—1779 (von dem späteren Herausgeber Johann von Müller 1807 „Stimmen der Völker in Liedern" genannt) Sie enthalten Lieder aus dem hohen Norden, dem Süden, aus dem Nordwesten (Ossian), Skaldenlieder, deutsche Volkslieder und Lieder der Wilden. 2. „Der Cid, nach spanischen Romanzen besungen" 1805 (nach Herders Tode herausgegeben). Es sind darin 70 spanische Romanzen zu einem Ganzen vereinigt. Sie besingen die Taten des im 11. Jahrhundert lebenden Helden Rodrigo Diaz, Grafen von Bivar, genannt Cid (arab = Herr), auch el Campeadór („der Kämpfer"). Das Gedicht besteht aus vier größeren Abschnitten: Der Cid unter Ferdinand dem Großen, unter Sancho dem Starken, unter Alfonso dem Tapferen und der Cid zu Valencia und im Tode. Die Romanzen sind mit Ausnahme ') Immanuel Kant (1724—1804) wurde durch seine Werke „Kritik der reinen Vernunft" (1781), „Kritik der praktischen Vernunft" (1788) und „Kritik der Urteilskraft" (1790) der Schöpfer eines philosophischen Systems, das ganz neue Bahnen des Denkens und Untersuchens ausschloß. — 2) Johann Georg Hamann, geboren 1730 zu Königs- berg, starb nach einem außerordentlich wecbselvollen Leben in Münster 1788, wo er eine freundliche Aufnahme im Kreise der Fürstin Galitzin gefunden batte. Wegen seines dunkeln, orakelhaften Wesens in Rede und Schrift nannte man ihn den Magus des Nordens. Mehrere seiner Abhandlungen sammelte er unter dem Titel „Kreuzzüge des Philologen njn“ 1762. Eine dieser Abhandlungen, „^estlletiea in nuee«, enthält bereits alle Keime der Herderschen Lehre über Poesie. 11*

3. Beschreibende und lehrende Prosa - S. 296

1889 - Freiburg im Breisgau : Herder
296 Ii. Lehrende Prosa: Poetik und Ästhetik. war, das klang auch in den Liedern des Volkes wieder. In objektiver Anschauung und Darstellung, wie sie gerade dem Volke eigen ist, in wahr- haft epischer Weise besang der Spanier seinen nationalen, ihn auf das höchste entflammenden Kampf, besang den Ruhm seiner Helden, die in Wundern von Tapferkeit das Kreuz gegen den Halbmond wieder auf- richteten. So wurden Männer wie Pelapo, Pedro, Alonzo, Froila, Fernan Gonzalez, wie sie Helden des Kampfes waren, bald auch Heldengestalten der Sage und der Dichtung. Vor allen aber tritt als Nationalheros hervor Rodrigo Diaz, Graf von Vivar, von den Spaniern Campeador (Kampfheld), von den Mauren schon bei seinen Lebzeiten Cid (Herr) oder Cid el battal (Herr der Schlacht) genannt. Geboren gegen das Jahr 1040, verrichtete er die glänzendsten Thaten unter der Herrschaft Ferdinands I. und Alfons' Vi., unter dessen Regierung er im Jahre 1099 starb. Ihn wählte die Volkspoesie des 13., 14. und 15. Jahrhunderts zu ihrem Mittelpunkte, zum eigentlichen idealen Nationalhelden; in 153 Romanzen besang sie seine Geschichte von seinem ersten öffentlichen Auftreten bis zu seinem Todei. Durch ähnliche Romanzen begleitete das Volk den ganzen Verlauf der Kriege mit den Mauren. Aber auch die Helden, die sonst mit der spanischen Geschichte im Zusammenhange stehen, wie König Roderich und Graf Julian, Karl der Große und seine Paladine, wurden gleichfalls in den Kreis der Volkspoesie gezogen. Diese fing erst an zu versiegen, als endlich mit dem Falle von Granada im Jahre 1492 der christliche Spanier keinen andersgläubigen Feind mehr auf seinem heimatlichen Boden fand. Die Volks- poesie klang dann nur noch fort in einzelnen Ritter- und Schäferromanzen. Betrachten wir nunmehr nach dieser historischen Entwicklung das Wesen der Romanze etwas genauer, so werden wir folgende charakte- ristische Merkmale derselben zu verzeichnen haben. Wie jeder eigentliche Volksgesang, so ist auch die Romanze als erstes und bedeutendstes Erzeugnis der spanischen Volkspoesie episch und zeigt somit alle Eigenschaften einer episch behandelten Dichtung: sie stellt ihren 1 1 Aufgeschrieben wurden diese und andere Romanzen nicht sofort bei ihrem Entstehen, ebenso wenig wie die Volkslieder anderer Nationen. Sie pflanzten sich vielmehr im Munde des Volkes von Generation aus Generation fort und wurden erst im 16. Jahrhundert in Romaneeros (Romanzenbüchern) und Cancionero8 (Lieder- büchern) gesammelt. Wir nennen hier von neueren Ausgaben betreffs des „Cid" nur Romanze™ del Cid von A. Keller (1840), dann die Übersetzung des Lieder- buches vom Cid durch Regis (1842). Daß der bekannte Herdersche „Cid" zum größten Teile nur eine metrische Umbildung einer im Jahre 1783 veröffentlichten französischen Prosabearbeitung der spanischen Cid-Nomanzen ist und im ganzen nur 14 spanische Originalromanzen aufweist (vgl. R. Köhler, Herders Cid und seine französische Quelle. Leipzig 1867), macht dem Ergebnisse der vorstehenden Unter- suchung keinen Eintrag.

4. Deutsche Dichtung in der Neuzeit - S. 161

1893 - Trier : Lintz
161 Ferdinand dem Großen, unter Sancho dem Starken, unter Alfons dem Tapferen und der Cid zu Valencia und im Tode. Die Romanzen sind mit Ausnahme von 14 nicht nach dem spanischen Original, sondern nach einer französischen Prosabearbeitung über- setzt. 3. Übertragungen aus dem Lateinischen, Griechischen und Morgenländischen ent- halten die: „Zerstreuten Blätter", „Blätter der Vorzeit" und „Blumen aus morgen- ländischen Dichtungen". 2. Kritische Werke, nämlich: 1. „Fragmente zur deutschen Litteratur" 1767, als Fortsetzung und Beitrag zu den Litteraturbriefen Lessings und Nicolais. Herder verlangt hier vor allem Volkstümlichkeit und Originalität in der Poesie; er legt den Unterschied zwischen Kunst- und Naturpoesie dar und weist auf Homer hin als den größten aller Naturdichter. 2 „Kritische Wälder" 1769, zwei Abhandlungen, deren eine dnrch den Laokoon veranlaßt war. Herder sucht darin die kritischen Grenzen, die Lessing der Dichtkunst gezogen hat, zu erweitern und der Natur, der freien Äußerung der Empfindung ihre Rechte zu wahren. 3. „Blätter von deutscher Art und Kunst" 1773, zugleich mit Göthe herausgegeben. Bon Herder standen darin zwei Abhandlungen, die eine über Ossian und die Lieder der alten Völker, die andere über Shakespeare. In der ersteren weist er den Charakter der Volkspoesie nach und zeigt die unmittelbare Wirkung, die sinnliche Klarheit, die in dem Volksliede enthalten sei. In der Abhand- lung über Shakespeare vergleicht er diesen Dichter mit den griechischen Tragikern und stellt den Satz auf: Vollendetes kann in der Poesie nur dann geschaffen werden, wenn es selbständig und in freier Entwicklung aus dem Leben des Volkes hervorgeht. 4. „Älteste Urkunde des Menschengeschlechtes" 1774, und „Vom Geiste der hebräischen Poesie" 1782, worin Herder seine Anschauungen von dem Wesen der Dichtkunst auch auf die Bibel anwandte. 3. Historisch-philosophische Schriften. Dahin gehört eines der berühm- testen Werke Herders: „Jdeeen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit" 1784—91, 4 Teile in 20 Büchern. Dieses Werk hat zuerst eine tiefere Auffassung der Geschichte angebahnt und gezeigt, daß in den einzelnen Erscheinungen der Geschichte ein allgemeiner, sie verbindender Gedanke lebe, der das ganze Leben der Menschheit beseele und leite. Der höchste Zweck der Menschheit, lehrt Herder, ist die Humanität, und Gott hat mit diesem Zweck dem menschlichen Geschlechte sein eigenes Schicksal in die Hände gegeben. Vernunft und Billigkeit müssen ihrer Natur gemäß immer mehr unter den Menschen Platz gewinnen und endlich einen dauernden Zustand der Humanität begründen. Denselben Gedanken brachte Herder in den „Briefen zur Beförderung der Hu- manität" 1793—97 zum Ausdruck. Unter den übrigen zahlreichen Schriften Herders mögen noch die Schulreden erwähnt werden, welche nach seinem Tode unter dem Titel „ Sophron" herausgegeben wurden und die wichtigsten Gegenstände des Unterrichts mit der größten Gründlichkeit und Tiefe besprechen. I. 2lus Herders eigenen Dichtungen. 1. Der Mond. Und grämt dich, Edler, noch ein Wort Und läßt die Hunde bellen, Der kleinen Neidgesellen? Und schlveigt und wandelt ruhig fort, Der hohe Mond, er leuchtet dort, Was Nacht ist, aufzuhellen. 2. Die Bürde des Lebens. „Wäget das Schicksal Leben und Tod? Wie, oder ereilet Jeden ein blindes Los, wie es die Urne gebeut?" Also fragt' ich und sah im Gesicht die goldene Wage Unüberschaubar hoch sinken und steigen im Kampf. Zitternd trat ich zur Urne. Da rief die Stimme des Schicksals: „Ziehe das Los!" Ich zog bebend — mein eignes selbst. Bürden lagen vor mir; ich prüfte die leichteste Bürde, Und, o Wunder! ich sah, daß es die meinige war. Buschmann, Iii. 2. 11

5. Theil 2 - S. 210

1875 - Leipzig : Brandstetter
210 so daß sie von nun an nach den Namen der neueroberten Provinzen Castilianer, Leoneser, Navarreser, Arragonier u. s. w. heißen. Unter dieser neuen Bevölkerung zeichneten sich die Castilianer vorzugsweise durch Macht und Tapferkeit aus und um's Jahr 1035, zur Zeit Konrad's Ii. des Saliers, gelang es ihrem König Ferdinand I., die Länder Leon, Asturien und Galizien mit Castilien unter seinem Scepter zu vereinigen. Unter diesem König begann Don Diego Vivar, der Cid, genannt Campeador, d. i. Kampfheld, seinen Heldenlauf*). Unbeugsam, hochgesinnt, großmüthig und tapfer hat der edle Ritter sich selbst und sein Vaterland durch ruhmvolle Siege über die Macht der Araber gekrönt und die Dichter haben das Ihrige gethan, das makellose Leben des . spanischen Helden als einen der lieblichsten und glanzvollsten Sterne in der poetischen Literatur zu verherrlichen. Nachdem Ferdinand, genannt der Große, die arabischen Königreiche Toledo und Sevilla zinsbar gemacht, theilte er sein Reich unter seine Söhne Sancho, Alphons und Garcias, so daß der erste Castilien, der zweite Leon und Asturien, der dritte Galizien und Portugal erhielt. Nach Ferdinands Tode forderte Kaiser Heinrich Iii., der als römischer Kaiser die Lehnsherrlichkeit über die ehemaligen Provinzen ansprach, den König Sancho von Castilien auf, als Vasall den Huldigungseid zu leisten. Da trat Rodrigo der Cid in dem hohen Rathe der Castilianer auf; er widerrieth die Huldigung. Ihr eigenes Schwert, sagte er, hätte das Land erobert, sie seien Niemandem Lehnseid dafür schuldig. Mit einem wohlgerüsteten Heere flog er an die Grenzen des Reiches und erkämpfte seinem Vaterlande die Unabhängigkeit. Als er darauf fünf arabische Fürsten besiegte, schickten die Ueberwundenen, mehr noch durch seine Großmuth als durch sein Schwert besiegt, reiche Geschenke und nannten ihn el Seid, d. h. ihren Herrn, woraus der Name Cid entstanden ist. Der große Cid, von seinem König über Alles geschätzt, an der Seite einer edlen und liebreizenden Gemahlin, der schönen Limen a, durfte doch nur seltene Momente des stillen, häuslichen Glückes genießen. Ein unseliger Bruderkrieg, wie es scheint, durch die Ränke der Prinzessin Uraka angeregt, rief ihn abermals in's Feld. König Sancho fiel durch Meuchelmord, König Garcias starb an Gift im Gefängnißthurme. Laut zeihte das Volk den Alphons (Vi.) und dessen Schwester Uraka des zwiefachen Brudermordes; Alphons bemächtigte sich der gefammten Reiche seines Vaters und ward König von Castilien, Leon, Asturien und Galizien. Die Edlen verlangten, daß er sich vor der Huldigung durch einen Eid von allem Verdachte reinigte, aber keiner von ihnen mochte' es wagen, dem Könige diesen furchtbaren Eid abzufordern. Da *) Siehe: Der Cid. 9£ad> spanischen Romanzen besungen durch I. G. v. Herder.

6. Beschreibende und lehrende Prosa - S. 298

1889 - Freiburg im Breisgau : Herder
298 Ii. Lehrende Prosa: Poetik und Ästhetik. deutschen Cid-Romanzen zeigen, Strophenabteilung ein, um den Bedin- gungen des Gesanges unter der Begleitung der Guitarre besser dienen zu können. Mit der Zeit mußte jedoch, bei weiterer Ausdehnung des In- haltes der Romanzen, die sich meist zu ganzen Cyklen erweiterten, sowie bei dem weniger musikalisch gestimmten trochäischen Versmaße der Gesang mit der musikalischen Begleitung fortfallen, so daß dadurch mehr der Cha- rakter einer nicht sangbaren poetischen Erzählung als der eines wirklichen Liedes hervortrat. Ebendieselben charakteristischen Merkmale zeigen im ganzen nun auch diejenigen deutschen Gedichte, die nach unserer Auffassung mit dem Namen Romanzen zu bezeichnen sind. Mag auch Schiller, unser unbedingt bedeutendster Romanzendichter, alle seine Gedichte dieser Art Balladen und nur ein einziges, „Der Kampf mit dem Drachen", Romanze genannt haben: der Charakter der meisten dieser Gedichte stimmt ganz mit dem der spanischen Romanzen überein, wenn wir auch nicht gerade behaupten wollen und nicht sachlich nachweisen können, daß Schiller die Eigenart der spanischen Romanze schon ganz genau gekannt habe, da die erste Übersetzung oder- richtiger deutsche Bearbeitung spanischer Romanzen zunächst durch den „Cid" von Herder im Jahre 1803 bekannt und erst nach Herders Tod im Jahre 1805 gedruckt wurde, während Schillers bedeutendste Romanzen doch bereits im sogenannten Balladenjahre 1797 geschrieben sind. Und wunderbar genug sind gegen Schillers eigene Benennung die meisten dieser Gedichte von fast sämtlichen Litterarhistorikern und Verfassern von Poetiken zu den Romanzen gerechnet worden, wenngleich sie über den Begriff dieser Dichtungsgattung die verschiedensten Ansichten haben! Die deutsche Romanze hat aber mit der spanischen gemein die epische Ruhe, die lichtvolle, plastische Darstellung, die selbst bei einer mehr lyrisch gehaltenen Darlegung von Stimmungsbildern und Reflexionen nicht verloren geht und sich oft zu farbenreicher Schilderung, zu erhabenem Schwünge der Sprache erhebt; sie hat ferner mit ihr gemein den hohen, meist idealen Stoff, der dem Leser in größerer oder geringerer Schärfe eine sittliche Idee vorführen soll, mag dieser Stoff nun hervor- ragende Heldengestalten oder bedeutsame Begebenheiten behandeln, die zumeist den romantischen, von idealen Zügen durchhauchten Zeiten des Mittelalters, weniger der Neuzeit, noch seltener aber dem Altertume entnommen sind. So möchte wohl Uhland in „Des Sängers Fluch" durch die herrlichen Worte: Sie singen von Lenz und Liebe, von sel'ger, goldner Zeit, Von Freiheit, Männerwürde, von Treu' und Heiligkeit; Sie singen von allem Süßen, was Menschenbrust durchbebt, Sie singen von allem Hohen, was Menschenherz erhebt — poetisch den Stoff der Romanze am treffendsten bezeichnet haben.

7. Geschichte des Mittelalters - S. 198

1861 - Leipzig : Brandstetter
198 titel beilegten. Blutige Fehden unter den Statthaltern selbst erleichterten den tapfern Westgothen die Wiedereroberung des Landes ihrer Väter. Diese waren in Sprache und Sitte bereits vom alten Germanischen abge- wichen und, gleich den Franken, romanisch geworden, so daß sie von nun an nach den Namen der neueroberten Provinzen Castilianer, Leones er, Navarreser, Arragonier u. s. w. heißen. Unter dieser neuen Bevöl- kerung zeichneten sich die Castilianer vorzugsweise durch Macht und Tapfer- keit aus und um's Jahr 1035, zur Zeit Konrad's Ii. des Saliers, gelang es ihrem König Ferdinand I., die Länder Leon, Asturien und Galizien mit Castilien unter seinem Seepter zu vereinigen. Unter diesem König begann Don Diego Vivar, der Cid, genannt Campeador, d. i. Kampfheld, seinen Heldenlauf*). Unbeugsam, hoch- gesinnt, großmüthig und tapfer hat der edle Ritter sich selbst und sein Vaterland durch ruhmvolle Siege über die Macht der Araber gekrönt und die Dichter haben das Ihrige gethan, das makellose Leben des spanischen Helden als einen der lieblichsten und glanzvollsten Sterne in der poetischen Literatur zu verherrlichen. Nachdem Ferdinand, genannt der Große, die arabischen Königreiche Toledo und Sevilla zinsbar gemacht, theilte er sein Reich unter seine Söhne Sancho, Alphons und Garcias, so daß der erste Castilien, der zweite Leon und Asturien, der dritte Galizien und Portugal erhielt. Nach Ferdinands Tode forderte Kaiser Heinrich Iii., der als römischer Kaiser die Lehensherrlichkeit über die ehemaligen Provinzen ansprach, den König Sancho von Castilien auf, als Vasall den Huldigungseid zu leisten. Da trat Rodrigo der Cid in dem hohen Rathe der Castilianer auf; er Widerrieth die Huldigung. Ihr eigenes Schwert, sagte er, hätte das Land erobert, sie seien Niemandem Lehnseid dafür schuldig. Mit einem wohlgerüsteten Heere flog er an die Grenzen des Reiches und erkämpfte seinem Vaterlande die Unabhängigkeit. Als er darauf fünf arabische Fürsten besiegte, schickten die Ueberwundenen, mehr noch durch seine Groß- muth als durch sein Schwert besiegt, reiche Geschenke und nannten ihn ei 8eiä, d. h. ihren Herrn, woraus der Name Cid entstanden ist. Der große Cid, von seinem König über Alles geschätzt, an der Seite einer edlen und liebreizenden Gemahlin, der schönen Limeña, durfte doch nur seltene Momente des stillen, häuslichen Glückes genießen. Ein unse- liger Bruderkrieg, wie es scheint, durch die Ränke der Prinzessin Uraka angeregt, rief ihn abermals in's Feld. König Sancho fiel durch Meuchel- mord, König Garcias starb an Gift im Gefängnißthurme. Laut zeihte das Volk den Alphons (Vi.) und dessen Schwester Uraka des zwie- fachen Brudermordes; Alphons bemächtigte sich der gesummten Reiche seines Vaters und ward König von Castilien, Leon, Asturien und Galizien. *) Siehe: Der Cid. Nach spanischen Romanzen besungen durch I. G. v. Herder.

8. Erzählungen aus der Weltgeschichte - S. 546

1839 - Wesel : Bagel
546 und Klugheit des tugendhaften Don Rodrigo Diaz, Graf von Vivar, mit dem Beinamen Cid, Herr. Dieser Held liebte als Jüngling Ximene, Tochter des Ritters Gormaz. Dieser aber, eifersüchtig auf Nodrigos Vater, Diego, der bei Hofe in größerer Gunst stand, besiegte ihn in einem Zweikampfe und fügte noch bitteren Hohn hinzu. Diego forderte seinen Sohn zur Rache auf, die Ehre siegte in der Brust des Jünglings über die Liebe und Gormaz fiel. Ximenens Herz wurde von tiefem Schmerz um den theuren Vater zerrissen und sie erflehte Rache auf das Haupt dessen, der ihr sonst so theuer war. In der Verzweiflung rannte der Held in das lärmende Kampfgewühl, um die innere Unruhe zu beschwichtigen. Alles verheerend und niedermordend, waren fünf maurische Könige in Castilien eingedrungen. Rodrigo schwang sich auf sein edles Roß, Babieca, und zog dem gefürchteten Feinde entgegen. Es kam zum Streit, die Westgothen siegten und Rodrigo sandte die fünf gefangenen Fürsten dem Könige, welcher ihn mit Ximencns Hand belohnte, deren vorübergehender Haß durch die alte Liebe verdrängt worden war. Rodrigo erwies sich dankbar und er machte es möglich, daß Ferdinand, nun das Schrecken der Mauren, Gallizien und andere Provinzen mit Castilien vereinigen konnte. Rach seinem Tode setzte dessen Sohn Sancho den Cid als Campeador, Oberfeldherr, über das ganze Heer. Ferdinand hatte wohlmeinend, aber nicht klug, sein Reich unter die drei hinterlassenen Söhne getheilt. Sancho hatte Castilien, Alfonso Leon und Oviedo, und Garcia Galizien mit einem Theile von Portugal bekommen. Dieses führte Bruderzwist herbei. Sancho siegte, weil der Cid das Banner trug, Alfonso wurde gefangen und Garcia war von selbst unterlegen, weil er unweise regierte. Es war nun noch übrig, die Stadt Zamora zu bezwingen, welche stark befestigt war und sich muthig wehrte. Da jedoch Sancho durch Meuchelmord umkam, wurde Alfonso auf den Thron gerufen, nachdem er erst vor acht Monaten von dem Cid geschlagen worden. Doch dieser leistete dem neuen Könige treffliche Dienste, wodurch er ihn ausnehmend verpflichtete. Zwar taugte der Mann mit den ernsten Zügen und seinem langen Bart, welche nur zurückhaltende Ehrfurcht geboten, nicht an den Hof und er lebte zur Zeit des Friedens in Abgezogenheit, nicht unangetastet von dem Geifer der Verleumdung; doch wenn es galt, das Vaterland zu retten, suchte man ihn immer wieder hervor. Einigemal war er ver- wiesen worden und endlich nahm ihm der König sogar Alles, Weib und Vermögen. Allein nun kämpfte er für sich, jedoch immer im Hinblick auf die spanische Nation, welcher er das Königreich Valencia zu gewinnen suchte. Während er in vollem Siege begriffen war, eilte er

9. Bd. 1 - S. 939

1883 - Leipzig : Engelmann
§ 517 c. 3. Spanien und Portugal. 939 Volkes hervorgegangen und die Stimme der Natur, die Eindrücke des Gemüthes unmittelbar aushauchend, sind die Romanzen eine reiche Quelle zur Erkenntniß des äußern und innern Lebens. Manche derselben, wie die Romanze vom Grafen Alarcos, der seine geliebte Gattin mit eigenen Händen tobtet, um die Ehre seines Königs zu retten und dessen Befehlen zu gehorchen, sind in alle Sprachen übergegangen. Da- mit der arabischen Invasion das gesammte frühere Geschichtsleben der Spanier ausgelöscht ward, keine Mythengeftalten, keine Traditionen aus den Urzeiten der Väter sich fortpflanzten, so wurzelte die ganze epische Dichtung in dem Zeitraum, der sich von den Tagen Pelayo's bis auf den Fall von Granada in der pyrenäischen Insel abspielte und das farbenreiche Leben der heiligen Kriege hauptsächlich zum Inhalt hatte. Zu der ältesten Gattung gehören die Romanzen vom Cid (§. 312), wohl hundert au Zahl, die entweder von Mund zu Mund fortlebten oder in fliegenden Blättern sich verbreiteten, bis sie im 16. Jahrhundert in mehreren Romanzensammlungen zusammengefaßt wurden, denen dann in der Folge sich noch neue Zusammenstellungen anschlossen. In diesen Cidromanzen ist Wahrheit mit Dichtung gemischt. Die Thaten und Lebensschicksale des Helden tragen ein zu bestimmtes Gepräge, als daß man an der Existenz einer solchen Persönlichkeit zweifeln könnte. Auch haben neuere Forschungen mit Sicherheit dargethan, daß der Held Rodrigo, Ruy Dias, genannt Campeador, „der Vorkämpfer", und Cid „der Herr" aus einem edlen castilifchen Geschlechte geboren, zuerst unter Ferdinand I. von Leon (1064), dann unter dessen Söhnen Sancho Ii. und Alfons Vi. sich durch Kriegsthaten hervorgethan hat. Auch die Erzählung, daß er nach Sancho's Ermordung vor Zamora dem aus dem Maurenlande heimgekehrten Alfonso einen feierlichen Eid abgenommen, an dem Tod des Bruders keinen Theil gehabt zu haben, und deshalb einige Zeit darauf, nachdem er sich mit Ximena, einer Verwandten des königlichen Hauses, vermählt, von dem grollenden und durch Verleumder aufgereizten Gebieter in die Verbannung geschickt worden (1081), ist geschichtlich begründet. Er führte nun auf eigene Hand mit freiwilligen Kampfgefährten einen ritterlichen Guerillakrieg gegen die Meflenten, gegen den Grasen von Barcelona u. a., wurde zurückgerufen, dann wieder verbannt und erlangte den höchsten Kriegsruhm durch die Eroberung Valencia's, wobei er aber seinen Namen durch Treubruch und Grausamkeit gegen die überwundenen Saracenen befleckte. Der gefangene Emir mußte den Feuertod erleiden (1094). Fünf Jahre lang behauptete sich der Cid in Valencia gegen die Uebermacht der Marabethen und eroberte noch Almenara und Murviedro (1098). Aber im Juli 1099 starb er aus Verdruß über die Niederlage, die seine Truppen unter seinem Verwandten und Kampfgenossen Alvar Fanez bei Cuenza von den Moslemen erlitten. Seine Gemahlin Ximena behauptete Valencia noch zwei Jahre; erst als der König Alfons erklärte, ohne den Arm Rodrigo's könne die Stadt nicht gegen die Uebermacht vertheidigt werden, zog sie mit dem Leichnam des Cid ab. Im Jahre 1104 starb auch sie und wurde neben ihrem Gemahl im Kloster San Pedro de Cardena begraben. Rodrigo hinterließ zwei Töchter, wovon die eine, Christina, mit dem Jnfanten Ramiro von Navarra, die andere, Maria, mit Ramon Berengar Iii., Grasen von Barcelona vermählt ward. Durch die letztere wurde der Cid Ahnherr der spanischen Königsgefchlechter. Diese historischen Elemente wurden bald nach dem Tode Rodrigo's durch Sage und Dichtung erweitert und ausgeschmückt, so daß der Cid Campeador schon im 12. Jahrhundert als volksthümlicher Held und Träger des castilifchen Nationalcharakters wie als Ahnherr der Könige in Volksliedern gefeiert ward, die dann im Laufe der Zeit durch neue Züge und Ansätze vermehrt, in den erwähnten Romanzenbüchern zusammengestellt und geordnet und in die meisten europäischen Sprachen übertragen wurden. Neben diesen Volksromanzen in Redondillos besitzt die spanische Literatur noch andere Werke, in denen „der zu guter Stunde geborne" Nationalheld verherrlicht wird. Das berühmteste ist das „Poema bei Cid", ein Gedicht von mehr als 3000 Langzeilen, dessen Alter in die Mitte oder wenigstens an das Ende des 12. Jahrhnnberts hinaufgerückt wirb, ein schönes Denkmal castilischer Poesie, einfach und kunstlos in Form und Versmaß , noch ungelenk in Sprache und Metrik, aber reich an malerischen Zügen ans beut Ritter- und Kriegsleben Spaniens. Auch in diesem Gedicht wirb der Cid als Held und Streiter im heiligen Krieg gefeiert; doch liegt der größte Nachdruck auf seiner Eigenschaft als Ahnherr des Königsgefchlechts; daher hauptsächlich feine Treue und Loyalität gegen feinen Herrn auch in ungerechter Verbannung, mit deren Leiden und Elend das Gedicht Beginnt, gerühmt und besonders die Geschichte seiner Töchter ausführlich dargestellt wird. Die Romanzen vom Cid. Das Poema bei Cid. I

10. Bd. 1 - S. 940

1883 - Leipzig : Engelmann
940 Das Mittelalter. §. 517 c. «Betftüber Damit ist indessen die Cidliteratur noch nicht geschlossen. Es gibt nicht nur eine Cronica del den Gib.er Cid, wohl eine Überarbeitung des diesen Helden behandelnden Theils der von Alfons X. veranstalteten „Allgemeinen Chrom! von Spanien", und lateinische Zeitbücher, in denen derselbe je uach dem Standpunkt des Verfassers, bald mehr als Ahnherr des Königshauses, bald mehr als Gottesstreiter und Wuuderthäter mit legendenartigem Anstrich gefeiert wird; man besitzt auch noch eine Reimchronik (Cronica rimada del Cid), mit manchen neuen abweichenden Erzählungen in der Lebensgeschichte des Helden und seiner Familie, wahrscheinlich im 15. Jahrhundert nach alten Sagen zusammengestellt. bwun'tn Aus diesem Allen ergiebt sich das Resultat, daß vom 12. bis 15. Jahrhundert im spanischen im *r Volke der Cid Campeador als Ideal eines Nationalhelden lebte, welcher die Hauptzüge des casti-«miemcn. Edelmanns, hohe Geburt, Tapferkeit und Frömmigkeit, Ehre und Treue, in sich vereinigte. An eine geschichtliche Persönlichkeit, an den tapfern Maurenbezwinger Rodrigo, Ruy Dias, anknüpfend, hat die dichterische Volksphantasie im Laufe des Mittelalters das historische Lebensbild mit vielen Zuthaten im Geiste der Zeit und der herrschenden Anschauungen erweitert, bald durch Vermehrung der Volksromanzen, welche, unmittelbar nach dem Tode des Helden beginnend, durch lebendige Tradition sich von Geschlecht zu Geschlecht fortpflanzten, bis sie durch Schrift und Druck in feste Gestalt gebracht und der wuchernden Thätigkeit der Phantasie entzogen wurden; bald durch dichterische Verarbeitung des vorhandenen Geschichts- und Sagenschatzes nach dem Vorbild der französischen „Chansons de Geste" oder der bei allen Völkern des Mittelalters beliebten „Reimchroniken" in der noch wenig ausgebildeten Landessprache, mitunter auch in Latein. Bei dieser literarischen Bearbeitung des geschichtlich-epischen Stoffes, wobei die formale Seite, die ungelenke Versisication und Metrik, der unvollkommene, mitunter in Assonanz übergehende Reim, gegen den gediegenen poetischen Inhalt weit zurücksteht, trat bald mehr die persönliche Seite des edlen Ritters im Schlachtfelde wie im Kreise feiner Kampfgenossen und feiner Familie, bald mehr feine Treue und Loyalität gegen den, wenn auch ungerecht handelnden König in Vordergrund; bald mußte fein Name zur Verherrlichung des castilifcheu Herrschergeschlechts oder der Kirche dienen, in welchem Falle die ritterliche Gestalt mit genealogischen Vorzügen ober mit legenbenartigen Elementen ausgeschmückt warb. Die letzteren würden unter geistlichen Hänben mit der Zeit so sehr zur Hauptsache, daß König Philipp Ii. am päpstlichen Hofe die Heiligsprechung des christlichen Nationalhelden nachsuchte. Andere Die Sagen vom Cid bildeten den wichtigsten, doch nicht den einzigen Stoff der Volksromanzen: Romanzen, bei dem Zndrang ritterlicher Abenteurer und Kreuzfahrer nach der pyrenäischen Halbinsel konnte es nicht fehlen, daß auch fremde Sagenstoffe aus der spanischen Erde Wurzel schlugen. Besonders werden die Streiter, die aus der Provence, aus allen Theilen Frankreichs, aus den Niederlanden und aus England zu den Heidenkämpfen herbeiströmten, auch ihre Lieder mitgebracht haben. Und so finden wir denn neben den Cidromanzen auch viele Volksbichtungen aus der Karlsfage, wie Graf Jrlos, wie Don Gayferos und Melifenbra, wie den Mauren Calaynos it. a., und selbst die späteren Ritterromanzen, die auf spanischer Erde emporwuchsen und spanische Helden besangen, wie die Romanzen von Bernardo del Carpio, verrathen den fremden Einfluß sowohl der abendländischen Sagenwelt, als insbesondere der arabischen Erzählungen und Dichtungen. Wir wissen ja, wie tief der Verkehr und die Wechfelverhältnifse mit der Maurenwelt in das ganze Leben der spanischen Ritterschaft eiugriffen. fss Die Volkslyrik beschränkte sich indessen nicht aus die historischen Romanzen, sie verbreitete sich der Volks- auch über das ganze innere und äußere Leben, über die Welt des Gemüths, über Natur und Haus, über Volkssitte und Volkslust. Manche dieser Lieder wurden mit Tanz begleitet. Der Born, aus dem der Naturgefaug hervorquillt, floß reichlich in der pyrenäischen Halbinsel bei Christen und Arabern, das leichte Versmaß und die durch lange Uebung erlangte Fertigkeit in gebundener Rede kam der augebornen Sängerlust fördernd zu Hülfe. Die Cancioneros, in welchen später die Lieder gemischten Inhalts gesammelt wurden, zeugen von der Mannigfaltigkeit dieser Naturgedichte und Empfindungsgemälde. „Viele, ja vielleicht die meisten, sind Liebesergüsse; viele sind Schäferlieder, viele scherzhaft, satirisch, ja sogar Bettlerromanzen. Viele von ihnen heißen Briefchen (Letrillas), haben aber nichts Briefliches an sich, als den Namen; viele sind in ihrer Haltung, wenn auch nicht in ihrer Gestaltung lyrisch, viele beschreiben die Sitten und Belustigungen des Volks. Ein Kennzeichen aber tragen sie alle an sich, sie sind treue Darstellungen des spanischen Lebens."

11. Allgemeine Einleitung, Portugal, Spanien, Frankreich, Britisches Reich, Holland, Belgien, Schweiz - S. 427

1868 - Braunschweig : Schwetschke
I. Die pyrenäische Halbinsel, ö. Spanien. 427 mein herrschende im Lande, indeß wird, wie schon bemerkt, in Biscaya eine ganz eigenthümliche und mit keiner anderen verwandte Sprache geredet, und das Catalonische, welches in Catalonien, Aragonien und zum Theil noch in Valencia gesprochen wird, weicht sehr vom Nein-Spanischen oder -Castilischen (der Bücher- und Hofsprache) ab und hat niehr Verwandtschaft mit dem im südlichen Frankreich herrschenden Proven^alischen. Die spa- nische Literatur, wenngleich, besonders in der neueren Zeit, weniger reich als die deutsche, französische oder englische, hat den eigenthülnlichen Vorzug, den sie wohl zum Theil der abgeschlossenen Lage des Landes verdankt, daß sie sich mehr als jede andere neuere auf eine durchaus nationale Weise ausgebildet hat; daher es eben so thöricht wäre, die Formen der spanischen Poesie zu tadeln, weil sie nicht die deutschen oder französischen sind, als sie unbedingt als Muster anderen Völkern vorzuhalten. Die spanische Poesie liebt wie alle neu-europäische den Reim, hat aber außerdem bei dem Reich- thuin an wohltönenden Endigungen noch eine unvollkommnere Art des Reims, die Assonanz, zugelassen, welche ohne Berücksichtigung der Con- sonanten bloß durch die Wiederkehr des nämlichen Vocals das geübte Ohr befriedigt. Mehrere gelungene Nachbildungen von Herder, Bonterweck, Malsbnrg, A. W. Schlegel, Tieck, Gries und Anderen haben die Zulässig- keit dieses Reims auch für die weniger günstig organisirte deutsche Sprache bewiesen. Die ältesten Formen der spanischen Poesie waren sehr einfach: kurze Verse mit auf einander folgenden oder sich kreuzenden Reimen bil- deten längere oder kürzere Strophen, Coplas; btc Villancicos oder bäurischen Lieder waren von derselben Art; dazu kamen noch die Glossen. Sie be- stehen aus einein gewöhnlich 4zeiligen Thema, wovon jeder Vers in einer eigenen Strophe weiter ausgeführt wird und am Schluß der Strophe überraschend wiederkehrt, so daß das ganze Gedicht so viel Strophen hat, als das Thema Verse; man könnte sie mit den musikalischen Variationen über ein Thema vergleichen. Durch die Berührung der Spanier mit den Arabern entstand wahrscheinlich die Romanze in einer der spanischen Poesie ganz eigenthümlichen Art. Sie besteht aus kurzen Versen mit abwechseln- der Assonanz, doch so, daß der nämliche Vocal das ganze Stück beherrscht. Die kriegerischen und Liebes-Abenteuer des langen Kampfes zwischen Spaniern und Arabern bilden gewöhnlich den Stoff derselben. Die fabel- haften Thaten Karls des Großen und seiner Paladine, die Thaten und Schicksale des berühmten Eid und die letzten Kämpfe der Mauren in Gra- nada haben mehreren großen Sammlungen solcher Romanzen den Ursprung gegeben. Herder hat in seinen Volksliedern eine, wenngleich in der Form sehr vernachlässigte, doch geistvolle Nachbildung einiger derselben gegeben. Schöne, aber ziemlich seltene Sammlungen dieser ältesten Gedichte sind der Cancionero general und der Gamiouéro de romances aus dem löten Jahrh, und der Romancero general aus dem Anfang des 17ten Jahrh. Die ältesten Denkmäler aber der spanischen Poesie sind das wohl aus Volks- liedern entstandene größere Gedicht von den Thaten des Cid: Poema del Cid, wahrscheinlich aus dem 12ten Jahrh., und das etwas jüngere Poema de Alexandro. Zu diesen ursprünglichen Formen gesellte sich im löten Jahrh, noch der ganze Reichthum der Formen der italienischen Poesie, und Sonette, Terzinen, Sestinen, Ottaven fanden bald die glücklichste Aus-

12. Geschichte Deutschlands von der älteren Zeit bis zur Gegenwart - S. 216

1901 - Berlin : Rentel
— 216 — wirst du, mein Staub, uach kurzer Ruh." — „Weuu ich einst von jenem Schlummer, welcher Tod heißt, aufersteh!" — „Selig siud des Fimmel* Erben." — Um die deutsche Sprache hat sich Klopstock große Verdienste erworben; denn seine Dichterworte sind kraftvoll im Ausdruck und ^ualeick voll Biegsamkeit und Weichheit. Wieland, dessen Hauptwirksamkeit in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts fällt, war von Geburt ein Schwabe. Eine Zeit lang lebte er S5 der Universität zu Erfurt als Professor der Philosophie und schönen Wissenschaften. Später finden wir ihn am §>ose zu Weimar, wo er mit Herder, Goethe und Schiller in regem Verkehr stand. Wenngleich seine Lebensanschauung, die sich auf den sinnlichen Genuß richtete, oft mit vollem Recht angegriffen worden ist, so hat er sich doch auch um die deutsche Litteratur verdient gemacht; denn er brachte in die Sprache Anmut, Glätte Gefälligkeit und Wohlklang. Von seinen verschiedenen Werken erwähnen wir das Epos: „Oberon," welches vou dem tapfern Ritter Hüon handelt, der mit Hilfe des Elfeuköuigs Oberon nach Bagdad reiste und nach großen Hindernissen Rezia, die Tochter des Kalifen heimführte. Lessing, ein Zeitgenosse Friedrichs Ii., war der Sohn eines Predigers in der Oberlausitz. Auf Wunsch seiner Eltern sollte er Theologie studieren und begab sich daher auf die Universität zu Leipzig. Hier wandte er sich jedoch der Dichtkunst zu, besuchte fleißig das Theater und verkehrte gern mit Schauspielern. Nach einem wechselvollen Dasein lebte er in Hamburg als Theaterkritiker. Hier schrieb er die Hamburgische Dramaturgie, ein Werk, in welchem 52 Theaterstücke beurteilt werden. Gleichzeitig stellte er hier die Grundsätze auf, uach welchen die deutschen Dramen nach seiner Ansicht bearbeitet werden sollen. Später war Lessing bis au sein Ende in Wolfenbüttel als Bibliothekar beschäftigt. Sein Lustspiel: Minna von Barnhelm, welches im Hintergründe das Getümmel des siebenjährigen Krieges zeigt, ist ein echtes Bolksdrama und unser erstes Nationalbühiien-stück. Durch [ein Theaterstück Nathau der Weise machte er für die ganze Blütezeit unserer Dichtest den fünffüßigen Jambus zum stehenden Verse. Allgemein bekannt sind seine Fabeln: „Der Löwe und der Hase," — „Der alte Löwe," — „Der Wolf auf dem Totenbette" u. a. Herder, dessenhanptthätigkeit in die zweite Hälfte des 18.Jahrhunderts fällt, wurde in dem ostpreußischen Städtchen Mohrungen geboren. Er hatte in seiner Jugend mit vielen Entbehrungen zu kämpfen und bildete sich zum Theologen aus. Nachdem er an verschiedenen Orten amtiert hatte, finden wir ihn in Weimar als Generalsnperintendenten. Er war ein geistreicher Mann und wirkte auf die deutsche Poesie uugemein belebend und anregend ein. Herder gab das Buch „Stimmen der Völker in Liedern" heraus, d- i- eine Sammlung von Volksliedern, in welchen die Stimmungen, Seelenzustände und Charaktere der verschiedenen Nationen dargestellt sind. Durch sehte Übersetzungen morgenläudifcher Sagen, Dichtungen und Sprüche lernen wir die lehrreiche und schöne Poesie des Orients kennen. Sein Werk „Der Eid," bildet eine Reihe von spanischen Romanzen, in welchen das Leben und die Thaten des spanischen Nationalhelden Rodrigo Diaz dargestellt sind. Bon seinen Gedichten seien erwähnt: „Das Kind der Sorge," — -7,Der gerettete Jüngling," — „Die wiedergefundenen Söhne." Die Dichter des Hainbundes. In Göttingen bildete sich (1772) ein Dichterbund, genannt der Hainbund. Zu den Mitgliedern desselben gehörten: Voß, Hölty, Bürger, Claudius it. a. Sehr bekannt ist von Votz das Idyll „Der siebzigste Geburtstag," itt welchem er jede Kleinigkeit

13. Geschichts-Bilder - S. 559

1878 - Langensalza : Greßler
559 mit den Resultaten der neuesten Naturforschung in Uebereinstimmung zu bringen weiß, dient ihm dabei als Ausgangspunkt. — Unter dem Titel: »Fragmente über die neuere deutsche Literatur« (1767) kündigte Herder eine Fortsetzung und einen Beitrag zu den Lessing'fchen Literaturbriefen an. Er wies hier in selbstständigen Abhandlungen auf den Zusammenhang zwischen Leben, Sprachen, Religion und Poesie hin. Ebenso in den »Kritischen Wäldern« (1769). In diesen bekämpft er besonders die im Laokoon ausgesprochenen Kunsturtheile Lessings. Bedeutend wirkte bald darauf die mit Göthe gemeinschaftlich herausgegebene Schrift: »Von deutscher Art und Kunst, einige fliegende Blätter« (1773). In einer Sprache voll sinnlicher Glut drückt Herder hier in zwei Abhandlungen seine Bewunderung für Ossian (Sänger und Dichter des 3. Jahrhunderts), für Naturdichtung und für eine Ursprache aus; er erklärt aller Kunst und Regel den Krieg, nur die Volksdichtung mit ihrer bilderreichen Phantasie, mit ihren ungestümen Leidenschaften und Naturtrieben hat Werth in seinen Augen. Diese Vorliebe für die schwunghafte, kunstlose Volksdichtung führte ihn zur Bearbeitung des poesievollen Buches: »Stimmen der Völker« (1778—79), eine Sammlung von Volksliedern, worin die vorherrschenden Stimmungen, Seelenzustände und Charaktere der verschiedenen Nationen mit überraschender Treue und Einfalt aufgefaßt und durch taktvolle Wahl dargestellt sind. — Unter denselben Eindrücken verfaßte Herder das anregende, wirksame Buch vom Geiste der hebräischen Poesie (1782), das seine Gabe der Auffassung und Auslegung meisterhaft bekundet. Die Übersetzungen m org en länd isch er Sagen, Dichtungen und Sprüche, die in den »Palmblättern« mitgetheilten lehrreichen Erzählungen des Orients, die in den Paramythien zu Parabeln umgebildeten Mythen der Griechen, die Nachbildung einiger Stücke der griechischen ^Anthologie und die spanischen Romanzen vom Cid, in denen sich Herders Uebersetzungskunst und eigene Dichtergabe berühren, sind in diesem Geiste versaßt. Das letztere Buch erschien erst nach Herders Tode (1805). Philosophie und Urgeschichte waren die Hauptgebiete, auf denen sich Herders dichterisch schaffender Geist bewegte. Das geistreiche Schriftchen über den »Ursprung der Sprache«, als deren Quelle er die menschliche Vernunft aufstellt, die mit orientalischem Geiste verfaßte »älteste Urkunde des Menschengeschlechts«, worin er mit Zorn und in der Sprache eines Propheten gegen die dürren Auslegungen der Schöpfungsgeschichte eifert, sind Vorstudien zu dem schon angeführten Werke: »Ideen zur Philosophie der Menschheit.« — In seinen Briefen über »das Studium der Theologie« suchte er das empfängliche Gemüth der Jugend für die poetische Auffassung des Christenthums zu begeistern. — Menschenbildung (Humanität)

14. Bd. 2 - S. 406

1883 - Leipzig : Engelmann
406 Das Revolutions-Zeitalter. §. 851. Universalismus des Wissens und Interesses eröffnete sein Herz der Idee von einem Weltbürgerthum (Kosmopolitismus), das höher stehe als Patriotismus und beschränkende Nationalität, und seine Bewunderung des schaffenden Menschengeistes, der wahre Menschenbildung begründet, führte ihn zum Humanismus, als dem höchsten Zweck der Menschennatur. Echtmenschliche Cultur galt ihm für die höchste Vollendung der Religion, weshalb er die Glaubenssätze möglichst allgemein und einfach. die Kirche möglichst umfassend wünschte und Toleranz und Menschenliebe als die erste christliche Tugend pries. „Sicht, Liebe, Leben" war sein schöner Wahlspruch. Von den Literaturbriefen angeregt, schrieb Herder seine Fragmente über die neuere deutsche Literatur, worin er in keckem, poetischem Stil vortreffliche Bemerkungen über Literatur, Sprache, Metrik macht, die edle Größe Homer's und der hellenischen Dichter mit warmer Beredsamkeit hervorhebt, seine Belesenheit in alter und neuer Literatur beurkundet und seine Ahnungen und Begriffe von höherer Poesie andeutet. Zog er hier mit seinen anregenden Beobachtungen gegen die neue Dichtung zu Felde, so bekämpfte er in den kritischen Wäldern die neue Kritik und namentlich die im Laokoon u. a. W. ausgesprochenen Kunsturtheile Lessmg's, setzte aber nicht selten unklare Empfindungen und Andeutungen den lichtvollen Behauptungen jenes scharfen Denkers entgegen. In den mit Goethe herausgegebenen Blättern von deutscher Art und Kunst drückte er zuerst in einer Sprache voll sinnlicher Gluth feine Bewunderung für Offtan, für Naturdichtung und für eine Ursprache aus, wo noch leine Scheidung zwischen niederen und hohen Ausdrücken, zwischen dichterischen und prosaischen Wörtern eingetreten fei; er erklärt aller Kunst und Regel den Krieg, nur die Volkspoefie mit ihrer kräftigen Sinnlichkeit, mit ihrer bilderreichen Phantasie, mit ihren ungestümen Leidenschaften und Naturtrieben hat in feinen Augen Werth. Diese Vorliebe für die schwunghafte, kunstlose Volksdichtung führte ihn zur Bearbeitung des poesievollen Buches Stimmen der Völker in Liedern, einer Sammlung von Volksliedern, worin die vorherrschenden Stimmungen, Seelenzustände und Charaktere der verschiedenen Nationen mit überraschender Treue und Einfalt aufgefaßt und durch tactvolle Wahl und feine Wandlungsgabe dargestellt sind. Unter denselben Eindrücken verfaßte Herder das anregende, wirksame Buch vom Geiste der hebräischen Poesie (1782), das seine Gabe der Auffassung und Auslegung meisterhaft beurkundete. Indem er die erhabenen Dichtungen des A. Test, ins Deutsche übersetzte und auf ihre Schönheiten hinwies, wurde er für das achtzehnte Jahrhundert, was Luther für das sechzehnte gewesen. Er zeigte, daß die poetischen Schriften der Hebräer nicht nur als Träger der religiösen Ueberlieferungen und göttlichen Offenbarungen hohen Werth besäßen, sondern daß sie auch den schönsten und erhabensten Producten beizuzählen feien, welche der menschliche Geist unter allen Völkern und zu allen Zeiten hervorgebracht habe, daß ihnen außer dem religiösen Werth auch noch ein poetischer und künstlerischer innewohne. Dieses Buch war sein Lieblingswerk; er wollte dadurch die ihm so theuere Bibel der gebildeten Welt ans Herz legen, daher auch die übertragenen Stellen „Zweck und Frucht" sind, das Uebrige nur „Schale". Auch die Übersetzungen morgenländischer Sagen, Dichtungen und Sprüche, die in den Palmblättern mitgetheilten lehrreichen Erzählungen de« Orients, die in den Paramythien zu Parabeln umgebildeten Mythen der Griechen, die Nachbildung einiger Stücke der griechischen Anthologie und die spanischen Romanzen vom Cid, in denen sich Herder’« Ueberfetzungskunft und eigene Dichtergabe berühren, sind in diesem Geiste verfaßt. Herder war ein freier Geist von hohem Streben und weitem Gesichtskreis, der mit „prometheischer Himmelsstürmerei" alle Verhältnisse des Leben« und alle Wissenschaften geistig zu durchdringen und sich die verschiedenartigsten Kenntnisse anzueignen bemüht war. Doch blieben Philosophie und Urgeschichte die Hauptgebiete, auf denen sich fein dichterisch schaffender Geist bewegte. Das geistreiche Schriftchen übet den Ursprung der Sprache, die er als eine „Entwickelung der Vernunft", als eine „Production menschlicher Seelenkräfte" erklärte, die vielangefochtene, mit orientalischem Geist verfaßte älteste Urkunde des Menschengeschlechts, worin er mit dem Zorn und der Sprache eines Propheten gegen die dürren Auslegungen der Schöpfungsgeschichte eifert und eine poetisch allegorische Deutung aufstellt, sind nur als Vorstudien zu feinem größten und berühmtesten Werke Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit zu betrachten. In diesem poesiereichen Buche sucht Herder aus der Beschaffenheit der Erde und der Natur eine Fortbildung oder

15. Die mittlere und neue Welt - S. 342

1873 - München : Lindauer
342 Die Häupter kr romantisch-politischen Poesie. 1. (Die Dichter der Äreiheilskriege. Gottfried von Schenkendorf aus Tilsit (geb. 1783, f 1817). Karl Theodor Körner aus Dresden (geb. 1791, f gefallen im Treffen bei Ga'debusch 1813). — Kriegs- und Schlachtlieder: „Lützows wilde Jagd" „Das Volk steht auf"; die Trauerspiele „Zrinyi" und „Rosamunde"; Lustspiele und Possen: „Der Nachtwächter", „Die Gouvernante" u. a. m.; Lyrische Gedichte und Balladen. Ernst Moritz Arndt aus Schoritz auf Rügen (geb. 1769, f 1860). -Vaterländische Lieder, Kriegslieder und andere. Prosaische Schriften: „Der Geist der Zeit", „Versuch in vergleichender Völkergeschichte", „Die Ansichten und Aussichten der deutschen Geschichte", „Meine Wanderungen und Wandelungen mit dem Reichsfreiherrn von Stein", „Reisen durch Deutschland, Ungarn, Italien und Frankreich", „Reisen durch Schweden", „Märchen und Jugenderimterungen". Friedrich August von Stägmann aus Vieraden in der Uckermark (geb. 1763,Tf 1846). — Kriegsgesänge, gesammelt unter dem Titel „Historische Erinnerungen in lyrischen Gedichten". Friedrich Rückert, s. S. 343 Ziffer 5. 2. Ahland, die schwäbische Dichterschule lind verwandte Dichter. Johann Ludwig Uhland aus Tübingen (geb. 1787, f 1862). — Er hat die Romanze und Ballade („Sängerlieb»", „Bertrand de Born", „Des Sängers Fluch", „Das Glück von Edenhall") mit großem Geschicke bearbeitet und eine neue lyrisch-epische Gattuug, die Rhapsodie, geschaffen („Graf Eberhardt der Rauschebart", „Der Schenk von Limburg"); Lieder, dramatische Dichtungen (das Trauerspiel „Ernst, Herzog von Schwaben", das Schauspiel „Ludwig der Baier). Um die Geschichte dev deutschen Litteratur erwarb er sich aroßes Verdienst durch die Schrift „Walther von der Vogelweide" und durch die Sammlung „Alte hoch-und niederdeutsche Volkslieder". Gustav Benjamin Schwab aus Stuttgart (geb. 1792, f 1850). — Romanzen, Balladen, Rhapsodien („Legende von den hl. drei Königen", „Appenzeller Krieg", „Das Gewitter", „Der Reiter am Bodensee"), Lieder („Schlittenlied", „Rückblick", „Die Sterne"), Übersetzung der „Poetischen Gedanken Lamar-tine's", „Bearbeitung von „Schillers Leben" und des Werkes „Die schönsten Sagen des klassischen Altertums". Justinns Andreas Kerner aus Ludwigsburg (geb. 1786, j 1862).— Lieder („Herbstjubel", „Wanderlied"), Romanzen („Die vier wahnsinnigen Brüder", „Kaiser Rudolfs Ritt zum Grabe", „Der Geiger zu Gmünd"), der humoristische Roman „Reiseschatten", das historische Stück „Der reichste Fürst", seine „Geschichte zweier Somnambulen" und „Die Seherin von Prevorst". Hartmann Mayer aus Neckar-Bischofsheim (geb. 1786). — Lied er. Karl Rudolf Tanner aus Aarau (geb. 1794, + 1849). — Heimatliche Bilder und Lieder. Wilhelm Müller aus Dessau (geb. 1794, f 1827). — Lyrische Gedichte, Gedichte aus den hinterlassen Papieren eines „Waldhornisten", „Lyrische Reisen und epigrammatische Spaziergänge", „Muscheln von der Insel Rügen", „Lieder der Griechen", »Rom, Römer und Römerinnen", „Homerische Vorschule", „Bibliothek der Dichter des 17. Jahrhunderts". Adelbert (Louis Charles Adelaide) von E hamisso (geb. 1781 aus dem Schlosse Boncourt in der Champagne, j 1838), einer der besten Lyriker der neuen Zeh — Lyrisch-epische Dichtungen (,,Das Krucifix", „Vergeltung", „Matteo Falfo'ne", „Salas y Gomez", „Gerichtstag auf Hiiahi'ra", „Der Stein der Mutter", die humoristischen Erzählungen „Abda'öah", „Vetter Anselmo", der

16. Die allgemeine Einleitung, die Pyrenäische Halbinsel, Frankreich, das Britische Reich, die Niederlande, die Schweiz und die Skandinavischen Reiche - S. 140

1833 - Halle : Schwetschke
140 A. Europa. cé eben so thöricht wäre, die Formen der spanischen Poesie zu ta- deln, weil sie nicht die deutschen oder französischen sind, als sie un- bedingt als Muster andern Völkern vorzuhalten. In der neuern, überhaupt dürftigern Zeit har die Bekanntschaft mit den so sehr überschätzten Mustern der französischen Litteratur auch auf die spa- nische ihren verderblichen Einfluß geäußert. Die spanische Poesie liebt wie alle neu europäische den Reim, hat aber außerdem bei dem Reichthum an wohltönknden Endigungen noch eine unvoll- kommnere Art des Reims, die Assonanz, zugelassen, welche ohne Berücksichtigung der Consonante» blos durch die Wiederkehr des nemlichen Vocals das geübte Ohr befriedigt. Mehrere gelungene Nachbildungen von A. W. Schlegel, Tiek, Gries und andern ha- den die Zulässigkeit dieses Reims auch für die weniger günstig orga- nisirte deutsche Sprache bewiesen. Die ältesten Formen der spani- schen Poesie waren sehr einfach, kurze Verse mit auf einander fol- genden oder sich kreuzenden Reimen bildeten längere oder kürzere Strophen, coplas; bíe villancicos oder bäurischen Lieder waren von derselben Art; dazu kamen noch die Glossen. Sie bestehen aus einem gewöhnlich heiligen Thema, wovon jeder Vers in einer eigenen Strophe weiter ausgeführt wird und am Schluß der Stro- phe überraschend wiederkehrt, so daß das ganze Gedicht so viel Strophen hat, als das Thema Verse; man könnte sie mit den mu- sikalischen Variationen über ein Thema vergleichen. Durch die Be- rührung der Spanier mit den Arabern entstand wahrscheinlich die Romanze in einer der spanischen Poesie ganz eigenthümlichen Art. Sie besteht aus kurzen Versen mit abwechselnder Assonanz, doch so, daß der nemliche Vocal das ganze Stück beherrscht. Die kriege- rischen und Liebes-Abenteuer des langen Kampfes zwischen Spa- niern und Arabern bilden den gewöhnlichsten Stoff derselben. Die fabelhaften Thaten Carls des Großen und seiner Paladine, die Thaten und Schicksale des berühmten Cid und die letzten Kampfe der Mauren in Granada, haben mehreren großen Sammlungen solcher Romanzen den Ursprung gegeben. Herder hat in seinen Volksliedern eine, wenn gleich in der Form sehr vernachlässigte, doch geistvolle Nachbildung einiger derselben gegeben. Zu diesen ursprünglichen Formen gesellte sich im löten Jahrhundert noch der ganze Reichthum der Formen der italiänischen Poesie, und Sonette, Terzinen, Seftinen, Octaven fanden bald die glücklichste Aufnahme. Die höchste Blüthe der spanischen Litteratur fällt in das löte und den Anfang des 17ten Jahrhunderts, und die gleichzeitigen Dichter Cope do Vega, Calderón und Cervantes kann man als den Gipfel der spanischen Poesie betrachten. Cope Felix de Vega Carpió, geboren zu Madrid 1562, gestorben 1635, war der be- wunderte Liebling seiner Zeit. Kein Dichter irgend einer Zeit hat je so viel geschrieben; schon als Kind hatte er Komödien verfertigt, und mehr als einmal in seinem Leben schrieb er ein Stück in Einem

17. Bd. 2 - S. 334

1863 - Stuttgart Calw : Vereinsbuchh. [u.a.]
334 Viii. Dus Papstthum. Im eilften Jahrhundert hoben sich zwei christliche König- reiche hervor: Kastilien (mit Leon) und Aragonien. Mehr und mehr siegten die christlichen Waffen über die häufig unter sich selbst uneinigen Ungläubigen. Der größte Held im Streite wider sie war Don Rodrigo Diaz, Graf von Vivar, gewöhnlich „der Cid" (Herr des Kampfes) auch „Kampeador" (Kämpe) genannt, ch 1099. Seine gewaltigen Thaten wurden in vielen Spanischen Volks- liedern besungen; auch in deutscher Sprache sind sie gar schön zu lesen („der Cid von Herder"). Im zwölften Jahrhundert währten die Kämpfe der Christen mit den Mauren fast unausgesetzt fort; im dreizehnten brachte ihnen König Alfons Viii. von Kastilien bei Tolosa (1212) eine so große Niederlage bei, daß von dem an ihre Macht in Verfall gerieth. Schon 1139 wurde Portugal, aus einer Statt- halterschaft Kastiliens ein davon getrenntes (christ- liches) Königreich unter einem französischen Prinzen. Wir schreiten über die Pyrenäen nach Frankreich. Frankreich. Ludwig Ix. Jemehr in Deutschland die Macht der Fürsten dem Kaiser gegenüber zunahm, so daß dieser fast nur noch wie „der Erste unter Gleichen" erschien, desto mehr wuchs in Frankreich die Macht des Königs den Großen des Reichs gegenüber. Das batte wohl darin einen Haupt- grund, daß dort die Krone erblich war; es gab aber unter den Kap eti n gern (s. Vi., 5) doch auch kluge und kräftige Regenten, welche die Umstände gut zu be- nützen vermochten. Der Strahlendste aller französischen Könige und einer der Ersten von allen, die je einen Thron eingenommen haben, ist Ludwig Ix., ein Zeitgenosse Kaiser Frie- drichs Ii., den er aber um 20 Jahre überlebte. (Er regierte von 1226—70.) Von Natur mit den besten

18. Lehrbuch der Weltgeschichte - S. 858

1847 - Leipzig : Engelmann
858 Deutschlands klassische Literatur. Kunsturtheile Lessings, setzt aber nicht selten unklare Empfindungen den lichtvollen Behauptungen jenes scharfen Denkers entgegen. In den mit Goethe herausgegebe- nen Blättern von deutscher Art und Kunst drückte er zuerst in einer Sprache voll sinnlicher Glut seine Bewunderung für Ossian, für Naturdichtung und für eine Ursprache aus, wo noch keine Scheidung zwischen niedern und hohen Ausdrücken, zwischen dichterischen und prosaischen Wörtern eingetreten sei; er er- klärt aller Kunst und Regel den Krieg, nur die Bolkspoesie mit ihrer kräftigen Sinnlichkeit, mit ihrer bilderreichen Phantasie, mit ihren ungestümen Leidenschaften und Naturtrieben hat in seinen Augen Werth. Diese Vorliebe für die schwunghafte, kunstlose Volksdichtung führte ihn zur Bearbeitung des pocsicoollen Buches, Stim- men der Völker, einer Sammlung von Volksliedern, worin die vorherrschenden Stimmungen, Seelenzustände und Charaktere der verschiedenen Nationen mit über- raschender Treue und Einfalt aufgefaßt und durch taktvolle Wahl und feine Wand- lungsgabe dargestellt sind. Unter denselben Eindrücken verfaßte Herder das an- regende, wirksame Buch vom Geiste der hebräischen Poesie (1782), das seine Gabe der Auffassung und Auslegung meisterhaft beurkundete. Dieses Buch war sein Lieblingswerk; er wollte dadurch die ihm so theure Bibel der Jugend ans Herz legen, daher auch die übertragenen Stellen „Zweck und Frucht" sind, das Uebrige nur „Schale". Auch die Uebersetzungen morgenländischer Sagen, Dichtungen und Sprüche, die in den Palmblättern mitgetheilten lehrreichen Erzählungen des Orients; die in den Paramythien zu Parabeln umgebildeten Mythen der Griechen, die Nachbildung einiger Stücke der griech. Anthologie und die spanischen Romanzen vom Cid, in denen sich Herder's Uebersetzungs- kunft und eigene Dichtergabe berühren, sind in diesem Geiste verfaßt. Wie Herder in Dichtungen das Fremdartigste und Fernliegendste ergriff und überall auf die An- fänge und das Ursprüngliche zurückging, so suchte er mit „prometheischer Himmel- stürmcrei" alle Verhältnisse des Lebens und alle Wissenschaften geistig zu durch- dringen und sich die verschiedenartigsten Kenntnisse anzueignen. In dem Tage- buch, das er während der Seereise, die ihn von Riga nach Frankreich führte, (1769) entwarf, durchkreuzen sich die kolossalsten Vorsätze, Pläne und Projekte, die ebensowohl den hohen Flug seines Geistes und seine unermeßliche Ruhmsucht als seine Ueberschätzung und Selbsttäuschung beurkunden. Philosophie und Urgeschichte waren die Hauptgebiete, aus denen sich sein dichtcrischschaffender Geist bewegte. Das geistreiche Schristchen über den Ursprung der Sprache, als deren Quelle er die menschliche Vernunft aufstellte, die vielangefochtene, mit orientalischem Geist verfaßte älteste Urkunde des Menschengeschlechts, worin er mit dem Zorn und in der Sprache eines Propheten gegen die dürren Auslegungen der Schöpfungsgeschichte eifert und eine poetisch allegorische Deutung ausstellt, die den Rechtgläubigen mißfiel, sind nur Vorstudien zu seinem größten und berühmtesten Werke Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. In diesem poestereichen Buche sucht Herder aus der Beschaffenheit der Erde und der Natur eine Fortbildung oder Stufenleiter der Geschöpfe festzusetzen, aus der Organisation des Menschen, dessen Vernunftfähigkeit und dessen äußerer Bildung seine Anlage zur Humanität und Religion herzu- leiten und ihn als Mittelglied zweier Welten darzustellen; dann baute er mit Phantasie und orienta- lischem Schmuck ein kühnes Gebäude von urweltlichen Traditionen auf, von denen Wissenschaften, Künste, Regierungen u. s. w. hergeleitet werden und stellt die Religion als älteste und heiligste aller ererbten Traditionen dar. Dabei dient ihm Mosc's Schöpfungsgeschichte, die er durch kühne, geniale

19. Lehrbuch zur Kenntniß der verschiedenen Gattungen der Poesie und Prosa für das weibliche Geschlecht, besonders für höhere Töchterschulen - S. 118

1877 - Stuttgart : Heitz
118 3. Die Romanze und die Dallade. Die Romanze stellt eine oder mehrere Personen im Kampfe mit einem widrigen Schicksale dar, und läßt sie entweder siegen oder unterliegen, aber beides so, daß wir im ersteren Falle Be- wunderung, im anderen Theilnahme empfinden. Aber nicht nur durch die Kürze unterscheidet sich die Romanze vom Epos, son- dern auch durch den Grundton. Darstellung von Gefühlen ist zwar vom Epos auch nicht ausgeschlossen, aber bei der Romanze ist es wesentlich, daß die zartesten Gefühle des menschlichen Her- zens der Erzählung zum Grunde liegen. Dadurch ist die Ro- manze der lyrischen Poesie verwandt. Von der poetischen Erzäh- lung unterscheidet sie sich dadurch, daß bei dieser der Zweck des Dichters ist, eine Begebenheit darzustellen, der Nomanzendichter dagegen die Größe oder Gemüthlichkeit einer oder mehrerer Per- sonen darstellen will, wodurch er weniger für die Geschichte als für die darin vorkommenden Personen Interesse erweckt. Bei der Erzählung können mehrere Personen als gleich wichtig erscheinen; bei der Romanze ragt eine Person über die andern hervor, die nur um jener willen da sind. Den Stoff kann die Romanze aus allen Gestalten des Lebens nehmen; sie kann ihn aus dem Alter- thume, aus dem Mittelalter oder der neuern Zeit herholen, sie kann das Ritter-, das Kloster- oder das häusliche Leben schil- dern. Ebenso hängt es lediglich vom Dichter ab, ob er überirdische Wesen in seine Erzählung mischen will oder nicht. Nöthig ist es keinesweges. Die Namen Ballade und Romanze sind zwar geschichtlich unterschieden, werden aber jetzt als gleichbedeutend gebraucht. Die Romanze ist südeuropäischen, romanischen Ursprungs (die spanischen Heldenlieder vom Cid z. B. sind Romanzen), die Ballade dagegen ist nordeuropäischer, germanischer Abkunft, obgleich ihr Name (ballada, Tanzlied) gleichfalls romanisch ist. Lieder von Siegfried und ähnlichen Inhalts werden noch jetzt aus den Färö-Jnseln zum Tanze gesungen.

20. Dichtung der Neuzeit - S. 131

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
§ 31. Herders Dichtungen. 131 Brüder, zwang Elvira zur Übergabe von Toro und belagerte Uraca in Zamora, bis er durch die Hand eines Verräters fiel. Da wurde Alfons zum König von Kastilien gewählt unter der Voraussetzung, daß er den Schwur leisten werde, an der Ermordung seines Bruders Sancho unschuldig zu sein. Aber keiner getraute sich, dem König den Schwur abzunehmen; Rodrigo allein wagte es, zog sich hier- durch aber den Haß des Königs zu, der ihn freilich noch mit seiner Nichte Ximene, der Tochter des asturischen Grafen Diego und der Elvira, verheiratete, dann aber aus Kastilien verbannte. Bald erwarb sich der Cid als Bandenführer durch Kriegszüge gegen Christen und Mauren einen berüchtigten Namen, eroberte 1094 die Stadt Valencia und hielt sich in ihrem Besitze bis zu seinem Tode 1099. Als Ximene die Stadt den belagernden Morabethen preisgeben mußte, zog sie mit der Leiche Eids nach dem Kloster San Pedro de Cardagno bei Burgos, wo sie dieselbe nach dem Wunsche ihres Gemahls feierlich beisetzte. Bald bemächtigte sich die Sage dieser Geschichte und gestaltete den Cid zu einer volkstümlichen Heldengestalt, in die sie alle nationalen, ritterlichen und christlichen Tugenden zusammenhäufte. Das Gedicht, in trochäischem Dimeter geschrieben, umfaßt vier Teile: 1. Cid unter Fernando dem Großen; 2. Cid unter Sancho dem Starken; 3. Cid unter Alfons Vi., dem Tapfern; 4. Cid in Valencia und im Tod. So ist Herder einer jener hervorragenden Männer, die, in der Fülle und Vollkraft ihres Geistes die verfchiedensten Gebiete umfassend, auch für die nachfolgenden Generationen anregend und befruch- tend wirken. Wenn er auch mehr von subjektiver Phantasie und Empfindung als von objektiver kritischer Schärfe geleitet schreibt; wenn feine Darstellungsweise gegenüber der durchsichtigen Klarheit und scharfen Bestimmtheit der Prosa Lessings auch etwas Springendes und Ungleichmäßiges, dabei aber Schwunghaftes und Phantasievolles hat, so daß er mehr erwärmt und begeistert, als überzeugt und belehrt: so sind feine Anregungen dennoch von großer Wirkung gewesen. Er zuerst hat die Begeisterung für volkstümliche Dichtung erweckt; er hat die Poesie als eine Volksmitgift, als Erbteil aller Völker gekennzeichnet, indem er nachwies, daß „die Poesie älter sei als die Prosa, daß sie lebe in der Sprache und im Mythus, daß sie stehe an dem Uranfange der Geschichte"; er hat auf die Unterschiede von Kunst- und Volksdichtung hingewiesen; er hat uns die Schönheit Homers, die verschiedene Größe eines Sophokles und eines Shakespeare zum Bewußtsein gebracht; er hat uns in seiner Uni- versalität, mit der er die Poesie aller Völker und aller Zeiten umfaßte, in den Mittelpunkt einer Weltliteratur gesetzt, in welchem wir die Früchte der Dichtung aller Länder und aller Äonen als Mit- lebende genießen. 9: