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1. Geschichtsbilder aus der allgemeinen und vaterländischen Geschichte - S. 349

1899 - Gera : Hofmann
349 daß die fremden Moden bekämpft, eine Unzahl von Fremdwörtern aus unserer Muttersprache ausgemerzt und die Werke unserer großen Dichter immer mehr Gemeingut des Volkes werden. Auch das kirchliche Gebiet zeigt eine große Bewegung. Die evangelische Kirche hat durch die Synodalverfassung auch den Gemeinde- gliedern Anteil an der Kirchenverwaltung gegeben. Durch die Werke der inneren Mission sucht sie nachdrücklich alle Schäden im Volks- leben zu heilen und zu verhüten. 8. Der treue Wächter in den Gefahren unserer Zeit. Zwischen der katholischen Kirchengewalt und der Staatsgewalt brach nach der „Unfehlbarkeits-Erklärung" des Papstes in Rom (18. Juli 1870) 1870 der sogenannte „Kulturkampf" aus, indem die Mehrzahl der Geist- lichen und ihre Gesinnungsgenossen sich gewissen Gesetzen des Staates (den sogenannten Maigesetzen, 1873), welche die Machtfülle der Kirche 1873 beschränkten, nicht fügten und erklärten, sie müßten Gott, d. h. seinem unfehlbaren Stellvertreter in Rom, mehr gehorchen als den Menschen, d. h. den nationalen Gesetzgebern, während die Staatsgewalt mit allen gesetzlichen Mitteln auf eine Unterwerfung aller Unterthanen unter die Gesetze des Staates drang. Wieder schallte die alte Kampflosung durch das deutsche Land: „Hie Kaiser! Hie Papst!" Wieder entzweite die alte Streitfrage die Gemüter: Kirchen- oder Staatsgewalt, Rom oder Deutschland? „Nach Canossa gehn wir nicht!" rief die nationale Partei mit dem Fürsten Bismarck. „In Rom unser geistliches Haupt, in Rom unser Herz!" sagte die priesterliche oder ultramontane Partei. In letzter Zeit gab die preußische Regierung unter den Nachfolgern des Kultus- ministers Falk in mehreren wichtigen Forderungen der Kirchengewalt nach. Dies bewog den einsichtsvollen Papst Leo Xiii. auch seinerseits die Friedenshand zu bieten und dem Staate einige Zugeständnisse zu machen. Seit 1887 kann der traurige „Kulturkampf" als beendet an- gesehen werden. An eine gefährliche Klippe geriet das Erwerbsleben 1872 nach dem glorreichen Kriege mit Frankreich. Die französischen Milliarden schienen die Köpfe und die Gewissen verrückt zu haben. Jeder wollte reich werden und ohne Mühe ein Leben des behaglichen Genusses führen. Wie Pilze enstanden überall Fabriken und zweifelhafte Aktienunter- nehmungen. Es wurden Waren, in den meisten Fällen „billig und schlecht", in solchem Übermaße erzeugt, daß zuletzt an keinen Absatz zu denken war. Da kam der „große Krach", in dem die zusammenbrechenden Schwindelgeschäfte auch manches Lebensglück begruben. Dem unnatür- lichen Aufschwünge folgte ein entsprechender Rückgang und Stillstand, den hohen Löhnen der Arbeiter eine Lohnherabsetzung oder Entlassung. Aus den unzufriedenen Arbeitern, die in der „Schwindelperiode" ihre Arbeitgeber durch Streiken, d. h. Arbeitseinstellung, zu Lohnerhöhungen gezwungen hatten, verstärkte sich unter der Leitung kühner Führer die Partei der Sozialdemokraten. Sie bekämpfen die Herrschaft des Kapitals und fordern eine gerechtere Verteilung des Arbeitsertrages. Sie rütteln an allen Grundlagen unserer gesellschaftlichen, staatlichen und

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1. Geschichts-Leitfaden für Bürger- und Mittelschulen - S. 277

1892 - Gera : Hofmann
277 Maigesetzen" von 1873, welche die Machtflle der Kirche beschrnkten, und erklrten, sie mten Gott, d. h. seinem unfehlbaren Stellvertreter in Rom, mehr gehorchen als den Menschen, d. h. den nationalen Ge-setzgebern. Die Staatsgewalt hingegen drang mit allen gesetzlichen Mitteln auf eine Unterwerfung aller Unterthanen unter die Gesetze des Staates. Wieder schallte die alte Kampflosung durch das deutsche Land: Hie Kaiser! Hie Papst!" Wieder entzweite die alte Streitfrage die Gemter: Kirchen- oder Staatsgewalt, Rom oder Deutschland? Nach Canossa gehn wir nicht!" rief die nationale Partei mit dem Fürsten Bismarck. In Rom unser geistliches Haupt, in Rom unser Herz!" sagte die priesterliche oder ultramontane Partei. Unter den Nachfolgern des Ministers Falk gab die preuische Regierung in mehreren wichtigen Forderungen der Kirchengewalt nach. Dies bewog den einsichtsvollen Papst Leo Xiii., auch seinerseits die Friedenshand zu bieten und dem Staate einige Zugestndnisse zu machen. Seit 1887 kann der traurige Kulturkampf" als beendet angesehen werden. An eine gefhrliche Klippe geriet das Erwerbsleben 1872. Die franzsischen Milliarden schienen die Kpfe und die Gewissen verrckt zu haben. Jeder wollte reich werden ohne Mhe und ein Leben des be-haglichen Genusses führen. Wie Pilze entstanden berall Fabriken und zweifelhafte Aktienunternehmungen. Es wurden Waren, in den meisten Fllen billig und schlecht", in solchem bermae erzeugt, da zuletzt an keinen Absatz zu denken war. Da kam der groe Krach", in dem die zu-sammenbrechenden Schwindelgeschfte auch manches Lebensglck begruben. Dem unnatrlichen Aufschwnge folgte ein entsprechender Rckgang und Stillstand, den hohen Lhnen der Arbeiter eine Lohnherabsetzung oder Entlassung. Aus den unzufriedenen Arbeitern, die in der Schwindel-Periode" ihre Arbeitgeber durch Streiken, d. h. Arbeitseinstellung, zu Lohnerhhungen gezwungen hatten, verstrkte sich unter der Leitung khner Fhrer die Partei der Sozialdemokraten. Diese bekmpfen die Herr-schast des Kapitals und fordern eine gerechtere Verteilung des Arbeits-ertrags. Sie rtteln an allen Grundlagen unserer gesellschaftlichen, staat-lichen und kirchlichen Einrichtungen, dem Besitzstande und den Standes-unterschieden. Da ohne gewaltsamen Umsturz sich ihre Bestrebungen schwerlich verwirklichen lassen, so sind sie eine groe Gefahr fr Staat und Gesellschaft. Zwei Anhnger jener Partei, der Klempner Hdel und Dr. Nobiling, suchten im Frhling 1878 dur<ch Schsse den geliebten, greisen Kaiser sogar zu tten. Ja, eine Umsturzbande wollte ihn und andere Fürsten bei der Einweihung des National-Denkmals auf dem Nieder-walde in die Luft sprengen. Gott aber schtzte den edlen Monarchen, lie ihn von den Schrotschssen Nobilings genesen und die Missethter ihre verdiente Strafe finden. Auch auf die Könige von Italien und Spanien wie auf den Kaiser von Rußland wurden von Umsturzmnnern Mordversuche unter-nommen. In Rußland entstand die mchtige und thtige Partei der Nihi-listen". Sie glauben nichts, hoffen nichts und wollen alle bestehenden Ein-

2. Geschichtsbilder aus der allgemeinen und vaterländischen Geschichte - S. 233

1883 - Berlin : Hofmann
233 der Nihilisten." Sie glauben nichts, hoffen nichts und wollen alle beftehenben Einrichtungen zertrmmern. Nach fnf Morbversnchen ist es dieser teuflischen Partei gelungen, den ebleit Kaiser Alexander Ii. durch eine ihm vor die Fe geschleuberte Bombe am 13. Mrz 1881 zu tten. Sein Sohn, Alexanber Iii., hat den russischen Thron bestiegen. Ein seltenes Fest der Liebe und Freube wrbe am 11. Juni 1879 in allen deutschen Gauen gefeiert, bte golbene Hochzeit unseres Kaiserpaares Wilhelm und A n g u st a. Viele wohlthtige Stiftungen werben die Erinnerung an biesen Tag auch noch in der Zukunft segenskrftig machen. Am 27. Febr. 1881 erlebte unser greises Kaiserpaar die Freube, ba sein Enkel Prinz Wilhelm, ltester Sohn des Kronprinzen Friedrich Wilhelm und der Kronprinzessin Viktoria, sich mit der Prinzessin Au gu st a Viktoria von Schleswig - Holstein vermhlte. Ein sehr rhriges Leben herrscht auf beut Gebiete der Schule, feitbem der Kultusminister Dr. Falk den 15. Oktober 1872 die Allgemeinen Bestimmungen" erlassen hat. Viele neue Schulhuser sind gebaut, neue Lehrer angestellt und gute Lehrmittel beschafft worben. Knste und Wissenschaften erfreuen sich fortbauernb in Deutschland der sorgfltigsten Pflege. Sie helfen das Leben verschnen und ver-ebeln. Bis in ferne, unbekannte Lnber, z. V. ins Innere Afrikas, treibt der Forfcherbrang die Männer der Wissenschaft. Besonbers werben die Gebiete der Naturwissenschaften mit groem Fleie und berraschendem Erfolge angebaut. Ein erfreuliches Zeichen nationalen Bewutseins ist es, da bte fremben Moben bekmpft, eine Unzahl von Frembwrtern aus unserer Muttersprache ausgemerzt und die Werke unserer groen Dichter immer mehr in das Volk gebracht werben. Auch das kirchliche Gebiet zeigt eine groe Bewegung. Die evangelische Kirche hat durch bte Synobalversassung auch den Ge-membegtiebern Anteil an der Kirchenverwaltung gegeben. Zwischen der katholischen Hierarchie und der Staatsgewalt brach nach der Unfehlbarkeitserklrung" des Papstes in Rom der sogenannte Kulturkampf" aus, mbein die Mehrzahl der Geistlichen und ihre Gesinnungs-genossen sich gewissen Gesetzen des Staates (den sogenannten Maigesetzen) nicht fgten und erklrten, sie mten Gott, b. h. seinem unfehlbaren Stellvertreter in Rom, mehr gehorchen als den Menschen, d. h. den nationalen Gesetzgebern, während die Staatsgewalt mit allen gesetzlichen Mitteln auf eine Unterwerfung aller Unterthanen unter bte Gesetze des Staates brang. Wieber schallte bte alte Kampflosung durch das beutsche Laub: Hie Kaiser! Hie Papst!" Wieber entzweite die alte Streitfrage die Gemter: Hierarchie ober Staatsgewalt, Rom oder Deutschland? Nach Cauossa gehn wir nicht!" rief die nationale Partei mit dem Fürsten Bismarck. In Rom unser geist-

3. Geschichts-Leitfaden für Bürger- und Mittelschulen - S. 276

1892 - Gera : Hofmann
276 Verkehr gewhrt. Eine einheitliche Rechtschreibung wurde in den preuischen und anderen deutschen Schulen eingefhrt, ist aber noch nicht in alle Schichten des Volkes gedrungen. Auch das Erwerbsleben kam in einen erfreulichen Flu. Der Land bau wird mit Flei, berlegung und Sorgfalt betrieben und erzielt durch die Flurseparationen, landwirtschaftliche Schulen, Vereine, Ausstellungen, Maschinen u. a. immer gnstigere Erfolge. Handel und Gewerbflei werden durch Maschinen und Fabriken aller Art und ein immer dichter werdendes Netz von Posten, Telegraphen, Eisen-bahnen und Kanlen gefrdert. Hchst erfreulich ist die wachsende Aus-dehnung von Versicherungsgesellschaften, bei welchen man gegen Schaden durch Feuersgefahr, Hagelschlag und Viehsterben versichern, ja durch die Versicherung des eigenen Lebens seinen hinterbleibenden An-gehrigen ein Kapital verschaffen kann. Alle Zweige des Erwerbs und der nationalen Arbeit wurden in der 17 jhrigen Friedensregierung Kaiser Wilhelms I. zur Blte gebracht, das Kunstgewerbe gehoben, die Eisenbahnen vom Staate bernommen und trefflich verwaltet, neue Kanle angelegt, berseeische Niederlassungen gegrndet, in Posen und Westpreuen Landgter angekauft und mit Deutschen besiedelt, Berlin verschnert, herrliche Denkmler, wie das Nieder-wald-Denkmal bei Bingen a. Rh., errichtet, der Wohlstand des Volkes in allen Schichten gehoben. Ein sehr rhriges Leben entstand auf dem Gebiete der Schule unter dem Kultusminister Dr. Falk, der am 15. Oktober 1872 die Allgemeinen Bestimmungen" erlie. Viele neue Schulhuser wurden gebaut, neue Lehrer angestellt und gute Lehrmittel beschafft, auch die Zahl der Lehrerseminare bedeutend vermehrt. Knste und Wissen-schasten erfreuen sich fortdauernd in Deutschland der sorgfltigsten Pflege. Am 15. Oktober 1880 fand unter Beteiligung des Kaisers die Feier der Vollendung des Klner Domes statt. In ferne, noch unerforschte Gebiete treibt der Forscherdrang Männer der Wissenschaft. Besonders werden die Gebiete der Naturwissenschaften mit groem Fleie und berraschendem Erfolge und Nutzen fr das praktische Leben an-gebaut. Ein erfreuliches Zeichen nationalen Bewutseins ist es, da die fremden Moden bekmpft, eine Unzahl von Fremdwrtern aus unserer Muttersprache ausgemerzt und die Werke unserer groen Dichter immer mehr Gemeingut des Volkes werden. Auch das kirchliche Gebiet zeigte eine groe Bewegung. Die evangelische Kirche gab durch die Synodalverfassung auch den Ge-meindegliedern Anteil an der Kirchenverwaltung. Durch die Werke der innern Mission sucht sie nachdrcklich alle Schden im Volksleben zu heilen und zu verhten. Zwischen der katholischen Kirchengewalt und der Staatsgewalt brach nach der Unfehlbarkeits-Erklrung" des Papstes in Rom 1870 (18. Juli 1870) der sogenannte Kulturkampf" aus. Die Mehr-zahl der Geistlichen und ihre Gesinnungsgenossen fgten sich nicht den

4. Geschichtsbilder aus der allgemeinen und vaterländischen Geschichte - S. 430

1911 - Leipzig [u.a.] : Teubner
- 430 Uche Fabrikinspektoren sollten die Fabrikrume in gesundheitlicher Be-ziehung und die Fabrikordnung berwachen und auf Abstellung aller Schdlichkeiten dringen. Einigungsmter hatten die Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu schlichten. Die Kinder-und Frauenarbeit in den Fabriken wurde eingeschrnkt. Das Ge-nossenschastswesen erstarkte unter dem Schutze des Staates; es bildeten sich verschiedene Vereine, wie Baugesellschaften zum Bau von Arbeiter-Husern, Konsum-, Sparkassen- und Kreditvereine. Auch die Zahl der pri-vateu Versicherungsgesellschaften aller Art (fr Feuer-, Hagel-, Vieh-, Transport-, Lebens-, Rentenversicherung) stieg und half dem ein-zelnen auf Kosten der Gesamtheit. Staatliche und private, vor allem aber kommunale Wohlttigkeit sorgte fr die Grndung von Waisen-, Rettnngs- und Krankenhusern, Blinden-, Taubstummen-, Irren- und Jdiotenanstalten. h) Das kirchliche Leben zeigte lebhafte Bewegung, namentlich in Preußen. Die evangelische Kirche wurde reichlicher ausgestattet und konnte nach der Kirchengemeinde- und Synodalordnung sich durch Kirchenrat und Gemeindevertretung, durch Kreis-, Provinzial- und General-Synode gesetzlich selbst verwalten. Bisher hatten die Geistlichen die Re-gister der Geburten, Todesflle und Eheschlieungen gefhrt und die Ur-knden darber ausgestellt. Das sollten in Zukunft die Standesmter" durch knigliche Beamte tun. Auch die brgerliche Eheschlieung sollte der kirchlichen Einsegnung vorangehen. Das krnkte besonders die katholische Geistlichkeit und war eine der Beschwerden in dem ausbrechenden Kulturkampfe zwischen der katholischen Kirche und dem Staate. 1870 Am 18. Juli 1870 hatte das Konzil in Rom den Papst fr un-fehlbar erklrt. Damit gab die katholische Kirche zu erkennen, da sie die Gesetze des Staates fr ihre Diener nur insoweit verbindlich erachte, als der Papst es zugibt. Als nun durch ein Gesetz der Mibrauch der Kanzel 1872 zur Aufreizung gegen die Staatsgewalt mit Strafe bedroht und 1872 der Kultusminister Falk durch das neue Schulaufsichtsgesetz die Schul-aussieht einzig als staatliches Recht erklrte, da widersetzte sich die katho-tische Geistlichkeit heftig der Ausfhrung dieser Gesetze. Die Widersetzlich-feit fhrte zum Erla schrferer Gesetze, der sogenannten Maigesetze" 1873 (1873), die in vielen Stcken die Machtflle der katholischen Kirche krzten und groe Erbitterung hervorriefen. Der Papst Pius Ix. erklrte die Gesetze fr ungltig. Gegen die ungehorsamen Geistlichen und Bischfe wurde in Preußen mit Strafen und Einstellung der bisherigen Leistungen und anderen Maregeln vorgegangen. Nach Falks Rcktritt indes machte Fürst Bismarck, durch Umstnde der Politik bewogen, seit 1879 der ultramontanen Partei nach und nach wesentliche Zugestndnisse. Kaiser Wilhelm wollte zudem den Frieden. Der Papst Leo Xiii. nahm die ihm 1887 gereichte Friedenshand, und 1887 wurde der Kulturkampf beendet. Bis auf die Anzeigepflicht fr die Geistlichen, das Schulaufsichts- und das Standesamtsgesetz hatte der Staat alles zurckgenommen. i) Das Schulwesen erfreute sich in Preußen groer Frsorge. Whrend der Amtsttigkeit des Kultusministers Dr. Falk wurde besonders

5. Deutsche Geschichte und sächsische Landesgeschichte von den Befreiungskriegen bis zur Gegenwart - S. 67

1917 - Leipzig : Teubner
12. Die inneren Verhltnisse des neuen Deutschen Reiches 18711890 67 2. Der Kulturkampf. Hm 13. Juli 1870 nahm die Mehrheit der im Vatikan zu Rom versammelten katholischen Bischfe das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes an; ein groer Teil der Deutschen stimmte dagegen. Nach der alten Lehre waren Kirche und Papst gemeinsam unfehlbar, jetzt sollte es der Papst fr sich allein sein. Damit erhob man ihn gewissermaen zum einzigen Bischof- die anderen Bischfe, die ursprnglich gleichberechtigt neben ihm gestanden hatten, sanken zu seinen Stellvertretern herab. In Deutschland schritt die Kirche gegen Universittsprofessoren , Religionslehrer und Geistliche, wenn sie die neue Lehre nicht anerkennen wollten, mit geistlichen Strafen ein. Namentlich geschah dies in Preußen und in Bayern. Die Regierungen beider Staaten beschlossen, die verfolgten in ihren mtern zu schtzen. Damit aber brach ein gewaltiger Kampf zwischen Staat und Kirche aus. Er wurde von den liberalen Parteien als Kulturkampf der Menschheit" bezeichnet. Bismarck fhrte ihn jedoch nicht zu dem Zwecke, eine Weltanschauung niederzuringen, sondern nur, um die Unabhngigkeit des Staates gegen rmische bergriffe zu behaupten und sein Werk, die Einheit Deutschlands unter preuischer Fhrung, zu sichern. Die Sache der katholischen Kirche verfocht die neue Partei des Zentrums, die im preuischen Abgeordnetenhaus entstanden war und 1871 in den ersten Reichs-tagswahlen 67 Sitze gewann. Ihr Fhrer war der frhere Justizminister des Knigreichs Hannover Windthorst. Er wollte zugleich das 1866 gestrzte Welfengefchlecht wieder auf seinen Thron zurckfhren und die Einzelstaaten uneingeschrnkt in einem deutschen Bundesstaate erhalten. Ein Teil der katholischen Geistlichkeit bekmpfte den Staat selbst in der predigt so heftig, da das Reichsstrafgesetzbuch auf Antrag Bayerns eine Bestimmung erhielt, die auf den Mibrauch der Kanzel Gefngnisstrafe oder Festungshaft setzte. Da die Kirche das Recht der wahren Herrin der Volksschule in Anspruch nahm, so brachte der preuische Kultusminister Falk 1872 im Abgeordnetenhause ein Gesetz durch, das dem Staate das Recht der Aufsicht der die Schule sicherte. Ein Reichsgesetz vom Jahre 1872 verbot dem Jesuitenorden en Aufenthalt in Deutschland und wies seine auslndischen Mitglieder aus. Die altkatholischen Gemeinen, ie ie Lehre von der Unfehlbarkeit es Papstes verwarfen, wurden vom Staate anerkannt und gesttzt. Am tiefsten griffen die Maigesetze" vom Jahre 1873 in das Leben der katholischen Kirche ein. Sie bestimmten vor allem, da nur deutsche Staatsbrger, die auf deutschen Gymnasien und deutschen Universitten vorgebildet wren, geistliche Amter bekleiden durften, da ferner die geistlichen Oberen die Personen, mit denen sie kirchliche mter besetzen wollten, dem Gberprastdenten der Provinz benannten, der binnen 30 Tagen Einspruch gegen die vorschlage erheben konnte. Die Bischfe aber waren ungehorsam; sie wurden nun zu Geld- und Freiheitsstrafen verurteilt, im Laufe der Jahre wurden vier von ihnen abgesetzt. Der Papst mahnte den Kaiser Wilhelm, die Gesetze nicht zu billigen, und er habe ein Recht dazu; denn jeder, der die Taufe empfangen habe, gehre

6. Vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart (Lehraufgabe der Oberprima) - S. 183

1907 - Hannover [u.a.] : Carl Meyer (Gustav Prior)
— 183 — zahlungsgeschäfte schädigten auch die kleinen Kaufleute. Daher verzichteten zahlreiche Handwerksmeister und Kaufleute auf ihre Selbständigkeit und traten in den Dienst der Fabrikbetriebe. Eine Besserung ihrer Lage erlangten die Handwerker, als die Kreditgenossenschaften sich einbürgerten. Die Gesetzgebung verlangte von ihnen unbeschränkte Haftpflicht; erst seit 1889 sind auch Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht gestattet. Gründer des deutschen Genossenschaftswesens war Hermann Schulze in Delitzsch. Es hob die Lage der arbeitenden Klassen ohne Staatshilfe durch wirtschaftliche Selbsthilfe. Nach feinem Plane entstanden Vorschuß- und Kreditvereine, Volksbanken, Produktivgenossenschaften, Konsumvereine, Krankenkassen und Arbeiterbildungsvereine. Die Einheitszeit wurde 1893 auf Vorschlag Preußens in den mittel- 1893 europäischen Staaten eingeführt. 4. Innere Kämpfe auf kirchlichem und sozialem Gebiete. Der Kulturkampf. Als die Besitzergreifung des Kirchenstaates durch Viktor Emanuel im Jahre 1870 der weltlichen Macht des Papfttnms ein Ende bereitete, tagte zu Rom das vatikanische Konzil und stellte den Lehrsatz auf, daß der Papst, wenn er ex cathedra spreche, unfehlbar in Glaubenssachen fei. Ein kleiner Teil der deutschen Katholiken verwarf das Dogma und bildete als Altkatholiken besondere Gemeinden. Als katholische Abgeordnete noch während des Feldzugs 1871 eine Bitte au den Kaiser gerichtet hatten, die weltliche Herrschaft des Papstes wiederherzustellen, und sich zu einer besonderen Partei, dem Zentrum, zusammengeschlossen hatten, um der katholischen Kirche im Parlament einen Rückhalt zu geben, lehnte der Kaiser bei der Eröffnung des ersten deutschen Reichstages in der Thronrede jede Einmischung in die inneren Angelegenheiten Italiens ab. Zugleich wurde die katholische Abteilung im preußischen Kultusministerium aufgehoben, und ein Schulaufsichtsgesetz schränkte 1872 die Schulaufsicht der Kirche in der Volksschule ein. Damit begann zum Unheile für das religiöse Leben der sogenannte Kulturkampfs, ein Kampf um die Rechte der Kirche und des Staates. Im Jahre 1872 schloß der Reichstag den Jesuitenorden vom Gebiete 1872 des Deutschen Reiches aus, und im Mai 1873 legte Kultusminister Falk 1873 die „Maigesetze" vor; sie bezogen sich auf die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen, den Austritt aus der Kirche, die kirchliche Disziplinargewalt und die Einsetzung eines königlichen Gerichtshofes für kirchliche Angelegenheiten. Am 1. Oktober 1874 trat das Gesetz über die obligatorische Zivilehe für Preußen, mit dem 1. Januar 1876 für ganz Deutschland in 1876 Kraft. Die Ehe wird seitdem von einem staatlich bestellten Standesbeamten geschlossen. Als der Papst im Jahre 1875 diese Kirchengesetze für ungültig l) Das Wort gebrauchte zuerst der freisinnige Abgeordnete Professor R. Virchow.

7. Deutsche Geschichte bis zur Gegenwart mit Einschluß der wichtigsten Kapitel aus der allgemeinen Weltgeschichte und mit Belehrungen aus der Staatskunde - S. 279

1910 - Leipzig : Voigtländer
164. Deutsche Kulturzustnde im 19. Jahrhundert. 279 Eigenart ttig sein knnen. So finden wir schon viele Frauen in gewerblichen, kaufmnnischen und knstlerischen Berufen, aus dem Ge-biete der christlichen Liebesttigkeit und der Erziehung beschftigt; auch der rztliche Beruf wird ihnen mehr und mehr erschlossen. 5. Religises Leben. Die Zeiten der Not und des Kampfes erweckten im deutschen Volke wieder ein regeres Glaubens-leben. Friedrich Wilhelms Iii. Losung fr die Befreiungskriege: Mit Gott fr König und Vaterland!" wurde begeistert aufgenommen; Wilhelm I. gewann die Herzen durch nichts so sehr, als durch die schlichte Frmmigkeit, mit der er dem Hchsten die Ehre gab. Wohl ist auch in Deutschland der Atheismus, d. h. die Lehre, da es keinen Gott gebe, hier und da eingedrungen und von der Umsturz-Partei verbreitet worden; doch der gesunde Sinn des deutschen Volkes wird hoffentlich herzliche Frmmigkeit und echte Sittlichkeit auch fernerhin hochhalten. Die evangelische Kirche ist durch innere Kmpfe wenig be* unruhigt worden; sie gelangte vielmehr durch die Union 1817 ( 159, 1) zu grerer innerer Einheit. Der 1832 zu Leipzig begrn-tete Gustav-Adolf-Verein widmet sich der Frsorge fr hilfs- A^Verem bedrftige evangelische Gemeinden. Der 1886 zu Erfurt geschlossene Evangelische Bund dient dem Schutze der evangelischen Kirche. Ev.bund Die katholische Kirche hatte unter dem Papste Pius Ix. (18461878) mancherlei Bewegungen zu verzeichnen. Schon 1844 gab die Ausstellung des heiligen Rockes in Trier den Anla zur Bildung deutsch-katholischer Gemeinden, welche die Bibel Auae als einzige Quelle des christlichen Glaubens ansahen und ohne den Gemeinden Papst zu bestehen suchten. Als 1870 das vatikanische Konzil die Un-fehlbarkeit des Papstes in Glaubens- und Sittenlehre zum Lehrsatz erhob, grndete eine Anzahl von Katholiken die Gemeinschaft der Altkatholiken. Seit 1872 entwickelte sich, namentlich wegen desamatholiken Aufsichtsrechtes der die Schule, der sogenannte Kulturkampf, Kulturkampf ein Streit zwischen dem Staate und der katholischen Kirche. Der Jesuitenorden, der 1814 erneuert war, wurde aus dem Deutschen Reiche verbannt. Nun aber trat die Zentrumspartei in Gegen- Zentrum satz zu der preuischen und deutschen Regierung. Ihr gegenber be-hauptet der Staat durch die Maigesetze 1873, die sich auf die Maigesetze Ausbildung und die Anstellung der Geistlichen, auf die kirchliche Ge-richtsbarkeit und den Gebrauch kirchlicher Zuchtmittel erstreckten, den Standpunkt, da die Kirche den Staatsgesetzen unterworfen sei; auch richtete er die Zivilehe und das Standesamt ein. Als unter Papst Leo Xiii. (18781903) Staat und Kirche wieder in ein

8. Die deutsche Geschichte in der Neuzeit seit 1740 - S. 91

1898 - Paderborn [u.a.] : Schöningh
— 91 — Heeren unterlag und die Besatzung, die es zum Schutze des Papstes in Rom unterhalten, zurückrief, bemächtigte sich das Königreich Italien, das in Rom seine natürliche Hauptstadt sah, des ganzen Kirchenstaates. Das neue Deutsche Reich war nicht gewillt, zu einer Wiedergestaltung desselben Schritte zu thun. Die so entstandene Spannung zwischen Staat und Kirche wurde noch verschärft, als man nach Gründung des Reiches daranging, die Grenzen der staatlichen und kirchlichen Gewalt festzusetzen. Es entstand daraus ein Streit, dem man den Namen Kulturkampf gegeben hat. Derselbe wurde besonders von der Partei des Centrums im preußischen Abgeordnetenhause ausgenommen und entbrannte namentlich wegen der im Mai 1873 erlassenen Gesetze über Ausbildung und Anstellung der Geistlichen. Der Staat schritt gegen widerspenstige Geistlicke mit Freiheitsstrafen und Amtsentsetzung ein. Die Civilehe wurde durck-gesetzt, d. H. der Staat erkannte nur die vor dem Standesbeamten geschlossene Ehe als rechtlich bindend an, und die Geistlichen durften nur nach vorausgegangener standesamtlicher Eheschließung die Trauung vornehmen. Ebenso wurde die Aufsicht über die Volksschule der Geistlichkeit entzogen und weltlichen Kreisschulinspektoren übertragen. Erst als nack Pius' Ix. Tode Leo Xiii. den päpstlichen Stuhl bestiegen hatte, fand der Kulturkampf sein Ende. Bedrohlicher als der kirchenpolitische Streit wurde die socialistische Bewegung. Die Hauptursache dieser feit der Mitte des Jahrhunderts auftretenden Bewegung war das seit Ausnützung der Dampfkraft zu immer größerer Bedeutung heranwachsende Großgewerbe. Die Zahl der Fabrikarbeiter, die m ihrer Existenz von dem Fabrikbesitzer abhängig waren, wuchs immer mehr; die Zahl der selbständigen Handwerker, die sich gegen die billige Arbeit der Fabriken nicht mehr halten konnten, war im Sinken; viele von ihnen wurden Lohnarbeiter in den Fabriken. Da nun die Fabrikunternehmer selbst vielfach rasch zum Reichtum gelangten, die Löhne der Arbeiter aber wenig oder gar nicht erhöht wurden, weil die Konkurrenz dazu zwang, entstand unter den Arbeiterscharen (eicht Neid und Unzufriedenheit. Sie fanden, daß der Fabrikherr ihnen von fernem Gewinn nicht genug Anteil gewähre. Ihr Haß richtete sich gegen die Gesetze und die ganzen besitzenden Klassen, die dieselben gemacht hatten; denn nur dadurch sei eine solche Ungerechtigkeit möglich geworden. Begabte Führer bemächtigten sich der Bewegung und organisierten sie. Durch eine neue Ordnung der gesellschaftlichen Verhältnisse sollte eine günstigere Verteilung der Güter herbeigeführt werden.

9. Von 1648 bis zur Gegenwart - S. 224

1911 - Leipzig : Quelle & Meyer
224 Das Deutsche Reich und die Weltpolitik § 195; Wirtschaftspolitik. Die Reichsverfassung hatte Deutschland zu einem Zoll- und Handelsgebiet erklärt. 1878 traten diesem gegen Gewährung von Freihäfen auch Hamburg und Bremen bei. Anfangs wurden nur mäßige Zölle an den Grenzen erhoben, ja 1873 sollten auch noch die Eisenzölle fallen. Aber die Industrie und vor allem die Landwirtschaft begannen über die Konkurrenz des Auslandes zu klagen. Infolge des Mangels an ländlichen Arbeitern wurden die Löhne höher, und da wegen der verbesserten Verkehrsverhältnisse auswärtiges Getreide billig ins Land kam, sanken die Kornpreise, so daß die Landwirtschaft Not litt. Da das Reich außerdem Einnahmen brauchte, entschloß sich Bismarck zu einer völligen zum^chutz- Änderung der Handelspolitik. In dem 1878 neugewählten Reichs-zoii 1879 tage setzte er sie durch. Es wurden Zölle auf die Einfuhr von Getreide gelegt und die auf Industrieprodukte erhöht. Diese Änderung der Zollpolitik führte zum Teil zu Zollkriegen. Da die schrankenlose Gewerbefreiheit Mißstände hervorrief, wurde 1881 wieder die Bildung von Innungen erlaubt. Ka^c § 196. Kulturkampf. Eine schwere innerpolitische Krisis machte das neue Reich in dem Kulturkämpfe durch. Die katholische Kirche hatte seit Anfang des 19. Jahrhunderts an Macht gewonnen. In ihr suchte man zwar verschiedentlich Annäherung an moderne Gedanken und erstrebte die Gründung einer deutschen Nationalkirche. Aber der Syllabus verdammte alle moderne Kultur (1864), und auf dem vatikanischen Konzil 1870 gelang es der Jesuitenpartei das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes (Infallibilität) durchzusetzen. Viele Bischöfe, die sich dagegen sträubten, beugten sich schließlich unter die unumschränkte Papstgewalt. Nur eine verhältnismäßig geringe Zahl von Katholiken verwarf das Dogma und schloß sich unter der Führung des Gelehrten Ignaz von Dolling e r zu der Gemeinde der Altkatholiken zusammen (1873). Da die deutschen Regierungen die Anerkennung der vatikanischen Beschlüsse verweigerten, war ein Kampf zwischen Staat und Kirche vorauszusehen. Zentrum Zum Schutze der römischen Kirche bildete sich in Deutschland aus der schon vorhandenen katholischen Partei bereits Ende des Jahres 1870 eine große Organisation unter Führung des ehemaligen hannoverschen Ministers Windthorst, die nach ihrem Sitz im Reichstag Zentrum genannt wurde, die aber, weil sie die Interessen der von Rom geleiteten Kirche vertrat, von den Gegnern den Namen ultramontane Partei erhielt. Sie forderte vollständige Selbständigkeit der Kirche. Als Preußen diese verweigerte und alle die Geistlichen, welche die vatikanischen Beschlüsse nicht anerkannten Alkuitfr-es Un<^ von ^er Kirche deshalb gemaßregelt wurden, in ihren Schutz kampfes nahm, brach der Kulturkampf aus. Die Rechte des Staates wurden

10. Neuere Zeit vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart - S. 152

1903 - München : Oldenbourg
152 123. Die Zeit Kaiser Wilhelms I. 18711888. 3. Begrndung deutscher Kolonie,t. Im Jahre 1884 erwarb Deutschland seine ersten Kolonien. Eine Afrika-Konferenz", welche 1885 unter Bismarcks Borsitz in Berlin tagte, traf internationale Vereinbarungen der die Teilung der afrikanischen Interessensphren". Damals gewann Deutschland in Afrika umfassende Schutzgebiete: Togo, Kamerun, Deutsch-Sdwestafrika und Deutsch-Ostafrika; hierzu kamen noch Erwerbungen in Australien: Kaiser-Wilhelmsland (auf Neuguinea), die Bismarckinseln und die Marshallinseln, ferner die Karolinen, die Marianen und die Samoainseln (letztere drei erst seit 1899). Diese Kolonien umfassen zusammen ein Gebiet von der vierfachen Gre des Deutschen Reiches, haben aber nur eine Bevlkerung von etwa 12 Millionen. der Helgoland und Kiantschan vergl. S. 157 unter Abs. 4. 4. Kirchenpolittsche Whrend des Jahres 1870 war in Rom das Vatikanische Konzil versammelt gewesen. Dasselbe hatte (am 18. Juli) die Unfehlbarkeit des Papstes in Sachen der Glaubens- und Sittenlehre als Glaubenssatz der katholischen Kirche ausgesprochen. Infolgedessen trennten sich (unter Fhrung des Professors Dllinger in Mnchen) die Gegner jenes Dogmas von der Haupt-kirche und nannten sich Altkatholiken". Der diesen gewhrte staatliche Schutz, die zustimmende Stellungnahme Deutschlands zur Einziehung des Kirchenstaates und die durch Reichsgesetz erfolgende Ausweisung der Jesuiten (1872) hatten eine heftige Opposition der katholischen Partei des Reichstags sowie der katholischen Geistlichkeit zur Folge. Das fhrte zu verschrften Gesetzen behufs Eingrenzung geistlicher Befugnisse (Maigesetze" von 1873). Doch beendigte die Wandlung der Partei-Verhltnisse und der Politik bald wieder diesen sogenannten Kulturkampf. Unter Papst Leo Xiii., dem Nachsolger Pius Ix. seit 1878, traten beiderseits erwnschte Verstndigungen ein. 5. Soziale Gesetzgebung. Die hastige Entwicklung der Industrie und des Fabrikwesens hat in den greren Stdten ein auerordentliches Wachstum der arbeitenden Bevlkerung veranlat und zugleich die Kluft zwischen den einzelnen Klassen immer mehr erweitert. Das fr die Reichstagswahlen eingefhrte allgemeine Stimmrecht trug selber dazu bei, da sich die Unbemittelten vielerorts zu einer politischen Arbeiterpartei Ausammenschlossen, deren Vereine und Mitglieder nicht selten eine auf-lehnende Haltung gegen die ffentlichen Ordnungen bekundeten. Da sich fast gleichzeitig ruchlose Angriffe auf die hchsten Vertreter der Staats-gewalt ereigneten (Attentate auf Bismarck und auf Kaiser Wilhelm), wurden besondere Gesetze zur Niederhaltung der sozialdemokratischen Be-wegnng erlassen (1878). Diese Sondergesetze sind jedoch 1890 wieder aufgehoben worden, nachdem inzwischen eine auf Besserstellung des Arbeiter-Volkes abzielende Soziale Gesetzgebung" angebahnt worden war: kranke und verunglckte, ebenso altersschwache und erwerbsunfhige Arbeiter

11. Schumann-Heinzes Leitfaden der preußischen Geschichte - S. 191

1895 - Hannover : Carl Meyer (Gustav Prior)
„daß die wirklichen Härten des Schicksals, über welche die Arbeiter zu klagen haben, soweit eine christlich gesinnte Gemeinschaft es vermag, gemildert werden." Berechtigt waren die Klagen der Arbeiter über ein arges Mißverhältnis zwischen Arbeit und Lohn, über die Ausbeutung durch das Kapital, die Gesundheitsschädlichkeit der Arbeitsräume, die trübe Aussicht aufs Alter. In der ewig denkwürdigen Botschaft, mit der Kaiser Wilhelm am 17. Novbr. 1881 den Reichstag eröffnete, betonte der edle Monarch die Pflicht zur möglichsten Heilung der sozialen Schäden durch Förderung des Wohles der Arbeiter und rief die Mitwirkung des Reichstages bei dieser Aufgabe an: „Wir würden mit um so größerer Befriedigung," hieß es in der Botschaft, „auf alle Erfolge, mit denen Gott Unsere Regierung sichtlich gesegnet hat, zurückblicken, wenn es Uns gelänge, dereinst das Bewußtsein mitzunehmen, dem Vaterlande neue und dauernde Bürgschaften seines inneren Friedens und den Hülfsbedürftigen größere Sicherheit und Ergiebigkeit des Beistandes, auf den sie Anspruch haben, zu hinterlassen. Schon 1883 kam das Krankenversicherungsgesetz zustande, durch welches die Notwendigkeit des Zutritts zur Krankenversicherung und zugleich die Gewähr derselben seitens des Staates festgestellt wurde. Im Jahre 1884 folgte auf der Grundlage der Berufsgenossenschaften das „Gesetz über die Versicherung gegen die Folgen gewerblicher Unfälle", das Unfallversicherungsgesetz, und von dem Gesetz über die Alters- und Invalidenversicherung hat Kaiser Wilhelm noch die Vollendung der schwierigen Vorarbeiten erlebt. 6. Der Staat und die katholische Kirche. Gleich nach Beendigung des französischen Krieges begann zwischen dem preußischen Staat und der römisch-katholischen Kirche der bedauernswerte sogenannte „Kulturkampf". Derselbe war durch das Konzil im Vatikan zu Rom veranlaßt, welches am 18. Juli 1870 den Papst in Sachen des Glaubens und der Moral für unfehlbar erklärte und damit auch die schroffste römische Lehre, den „Syllabns" Pius des Neunten, in welchem die ganze moderne Civilisation verdammt und dem Papste die Weltherrschaft zuerkannt war, als verbindlich für die römisch-katholische Kirche annahm. In Deutschland schien es nun zu einer Spaltung der Katholiken kommen zu sollen, da ein Teil derselben die Lehre von der Unfehlbarkeit und den Syllabns verwarf und als „Altkatholiken" eine besondere kirchliche Gemeinschaft bildeten. Weil der preußische Staat dieselben beschützte und anerkannte, kam es zu einem Bruch mit der römischen Kirche und dem Papste. Dieser begünstigte es, daß in ganz Deutschland die ultramontane Partei einen engen Bund mit allen Feinden Preußens und des deutschen Reiches, mit den Polen, Welfen, Dänen und Franzosen schloß, um im Reichs- und Landtage die Vorlagen der Regierung zu bekämpfen, während die katholische Presse und besonders die römische Priesterschaft in ihrer amtlichen Stellung die katholische Bevölkerung gegen den Staat aufwiegelten. Da sah sich der Staat genötigt, seine Stellung gegen die Übergriffe der Kirche zu sichern. Er erließ scharfe

12. Neue Zeit - S. 192

1892 - Berlin : Weidmann
— 192 — Gegen Regierung oder Reich stellen sich feindlich die Parteien der Partikularisten (Welfen u. z.t.süddeutsche), Polen, Dänen (aus Nordschleswig) und Elsässer, sowie die Vertreter demokratischer Grundsätze (Freisinnige und Sozialdemokraten) und das Centrum. (S.u.) 1871—1887 1) Der Kulturkampf in Preußen. Der Schutz des Altkatholicismus, der die päpstliche Unfehlbarkeit nicht anerkennt, aber u. a. auch das Cölibat aufhebt, sich den Jansenisten anschliefst und dem Protestantismus näher tritt, des. der englischen Kirche, bringt die preufsische Regierung in Gegensatz zu Rom. Die unbedingte geistige Gewalt, welche die katholische Hierarchie mehr als je über das Volk ausiibt, bewirkt die Wahl zahlreicher katholischer Reichstagsabgeordneten, die sich als Partei des Centrums unter Führung des Welfen Wind th or st konstituieren und sofort die Wiederherstellung des Kirchenstaats durch das Kaisertum verlangen. 1872—1879 Das Ministerium Falk in Preußen sucht die katholische Kirche dem Staate unterzuordnen, findet aber hartnäckigen Widerstand seitens des Clerus. 1872 Schulaufsichtsgesetz: alle Schulen werden dem Staate unterstellt. — Die Jesuiten aus Deutschland (durch Reichsgesetz) verwiesen. 1873 Die sog. Maigesetze über Vorbildung und Anstellung der Geistlichen: diese sollen dem Staate zur Genehmigung angezeigt werden u. a.; Errichtung eines Gerichtshofes für kirchliche Angelegenheiten. — Der Erzbischof v. Posen, Ledochowski, wegen Widersetzlichkeit verhaftet; ein anspruchsvoller Brief Pius’ Ix. (v. 7. Aug.) an Wilhelm I. (jeder Getaufte gehöre dem Papst an) vom Kaiser würdevoll durch Hinweis auf die evangelische Lehre beantwortet. 1874 Gesetz über Einstellungen der Geldleistungen des Staates an die Bischöfe und Geistlichen; Ausweisung der Orden u. a. 1875 Der Papst erklärt die preufsischen Gesetze für ungültig. 1876 Die Bischöfe von Münster und Köln abgesetzt. 1878 Pius Ix. f; sein Nachfolger Leo Xiii. strebt den Frieden an. 1879 Das Ministerium Falk tritt zurück; das Ministerium v. Puttkam er beginnt mit Rom zu unterhandeln. 1887 Beendigung des Kulturkampfs durch den Minister v. Gofsler (seit 1881): derpapstgiebtim Hauptstreitpunkt, der A n -zeigepflicht, nach; die Kulturkampfgesetzgebung aufgehoben. — Andere deutsche Staaten (Baden, Hessen) folgen Preußens Beispiele. (Zu dem Kulturkampf vgl. Heft 2, G2). 2) Festigung und Ausbau des Reiches. a) Vermehrung von Heer und Flotte; Bildung eines Kriegsfonds aus der französischen Kriegsentschädigung (im Juliusturm zu Spandau); Anlage strategischer Bahnen sowie des Nordostseekanals (im Bau seit 1887) u. a. b) Änderung der Finanz- und Handelspolitik 1879: Einführung indirekter Steuern (Schutzzölle), um dem Reich finanzielle Selbständigkeit zu geben und die nationale Arbeit (namentlich die Landwirtschaft durch Korn-, Vieh- und Holzzölle) zu schützen. c) Anbahnung der Rechtseinheit: Einführung des Strafgesetzbuches des Norddeutschen Bundes 1871; Kommission zur Ausarbeitung eines bürgerlichen Gesetzbuches 1874; Gesetze über Civil- und Strafprozefs, Konkursordnung und Gerichtsverfassung 1876; das (oberste) Reichsgericht 1879 in Leipzig eröffnet.

13. Von der Französischen Revolution bis zur Gegenwart - S. 113

1910 - Berlin [u.a.] : Oldenbourg
§ 42. Das Deutsche Reich unter Kaiser Wilhelm I. 1871—1888. Hz 4. Kirchenpolitischer Kampf. Während des Jahres 1870 hatte in Rom unter Pius Ix. das Vatikanische Konzil getagt. Am 18. Juli war die Unfehlbarkeit des Papstes in Sachen der Glaubens- und Sittenlehre als Glaubenssatz der katholischen Kirche ausgesprochen worden. Infolgedessen trennten sich unter Führung des Münchner Professors vondöllinger die Gegner jenes Dogmas von der Hauptkirche und nannten sich „A l t-k a t h o l i k e n". Der der neuen Kirchengemeinde gewährte staatliche Schutz, die zustimmende Haltung Deutschlands zu der noch 1870 erfolgten Einziehung des Kirchenstaates und die durch Reichsgesetz beschlossene Ausweisung der Jesuiten (1872) zogen eine heftige Opposition der katholischen Partei des Reichstags und des preußischen Abgeordnetenhauses (Zentrum) sowie der katholischen Geistlichkeit nach sich. Das führte zu verschärften Gesetzen, um die geistlichen Befugnisse zu begrenzen („Maigesetze" von 1873). Durch die Maigesetze wurden „die Strasgewalt der Bischöfe über die Geistlichen, die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen und ihre Zuchtgewalt gegenüber den Laien und endlich der Austritt aus der Kirche" geregelt. Doch milderte die Wandlung der Parteiverhältnisse und der Politik bald diesen sogenannten Kulturkampf. Unter dem versöhnlicher gesinnten Papst Leo Xiii. (1878—1903), dem Nachfolger Pius' Ix., traten beiderseits erwünschte Verständigungen ein, die nach langen Verhandlungen und vielen Widerwärtigkeiten endlich im Jahre 1887 zur Herstellung des Friedens führten. Das Recht des Einspruchs gegen die Anstellung nicht genehmer Geistlichen blieb dabei dem Staate gewahrt. Diese kirchenpolitischen Kämpfe mit der katholischen Kirche waren nicht ohne Einfluß auf die evangelische Kirche geblieben; jedoch erhielt auch sie 18/3 durch die „Kirchen-, Gemeinde- und Spnodalordnung" eine größere Freiheit in der selbständigen Verwaltung ihrer Angelegenheiten. 5. Allmählicher Ausbau des Reiches. Der Ausbau des Reiches schritt stetig fort, obwohl seine Kraft vielfach durch äußere und innere Gegner auf die Probe gestellt wurde. Durch Einführung einheitlicher Münzen, Maße und Gewichte hatten Handel und Verkehr eine wesentliche Erleichterung erhalten. Zur Anbahnung einer Rechtseinheit trat 1872 das Reichsstrafgesetzbuch in Kraft; diesem folgte 1879 diedeutfche Gerichtsverfassung. Die Herstellung eines allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches wurde rüstig in Angriff genommen. Zur Hebung des Handels und des Seeverkehrs wurden Kanäle angelegt. Durch den Ems-Jade -Kanal wurden die rheinisch-westfälischen Jn-dustriebezirke mit den Nordseehäfen verbunden; der Nordostseekanal, der 1895 als Kaiser-Wilhelms-Kanal eröffnet wurde, er! Borger, Lehrgang der Vaterland Geschichte. 2. Xi 2. Hälfte. 8

14. Neueste Geschichte von 1815 bis zur Gegenwart - S. 258

1911 - Breslau : Dülfer
258 Die Lsung der deutschen Frage. (von Puttkamer) brachte 1880 im preuischen Landtage eine Gesetzesvorlage ein, welche der Regierung diskretionre Vollmachten", d. h. die Ermchtigung geben sollte, die Bestimmungen der Maigesetze (der die Vorbildung der Geist-lichen, die Wiederanstellung abgesetzter Bischfe zc.) nach Belieben zu mildern. Obgleich nun ein groer Teil der verwaisten Pfarreien wieder besetzt wurde, gab sich die Opposition der Ultramontanen keineswegs zufrieden; sie waren ppstlicher als der Papst und befolgten die zum Frieden ratenden Weisungen Leos Xiii. nur zum Teil. Die Regierung aber lie sich dadurch nicht beirren und schritt auf dem betretenen Wege weiter fort; in neuen Gesetzen von 1882, 1883, 1886 und 1887 wurden die meisten der in den Maigesetzen enthaltenen Bestimmungen rckgngig gemacht. (Beseitigung des sogenannten Kulturexamens, Befreiung der Hilfsseelforge von der Anzeigepflicht, Aufhebung des Gesetzes der die kirchlichen Zuchtmittel, Zulassung der der Seelforge und der bung christlicher Nchstenliebe gewidmeten Orden.) e. Inzwischen hatte die Regierung auch die diplomatischen Be-Ziehungen zur Kurie mit Erfolg wieder angeknpft. (Ernennung des Herrn von Schlzer zum vatikanischen Gesandten.) Am 27. Mai 1887 erklrte eine Allokution Leos Xiii. den Kulturkampf fr beendigt. f. Das Ergebnis des Kulturkampfes. Die Regierung hatte trotz der im einzelnen oft weitgehenden Nachgiebigkeit ihre Zwecke im groen und ganzen wohl erreicht; es war gelungen, die Grenzen staatlicher und kirchlicher Einwirkung auf das Leben der Nation von Staats wegen und in staatlichem Sinne festzusetzen und festzuhalten. ... Von einer andern Seite aus er-schienen indes doch wieder die Erfolge der Kirche sehr groß, ja grer fast als die des Staates. Hatte sich die Kirche als Institution gefgt, so war der Klerikalismus als solcher mitnichten unterdrckt worden. Im Gegenteile: seine geistige Bedeutung war im Kampfe gewachsen. Ein Geistesleben aus-gesprochen katholischen Charakters wird in Deutschland erst dem Kulturkampfe verdankt. Denn energischer, wenn auch geistig noch nicht ebenbrtig, stellte es sich nun neben das frher allbeherrschende Geistesleben des Protestantismus. Und in dieser Wandlung war einstweilen und vielleicht noch auf lngere Zeit hin die Mglichkeit gegeben, jederzeit den Kulturkampf von neuem und in manchem Betracht mit besserer Aussicht auf Erfolg zu beginnen. In dem Gefhl dieser Zusammenhnge aber war die Staatsgewalt dem keineswegs zugrunde gegangenen Zentrum gegenber vielleicht unbedingt in der Lage, manch weiteres Zugestndnis machen zu mssen". (Lamprecht.) Iii. Die soziale Bewegung. 1. Der deutsche Sozialismus des 19. Jahrhunderts umfat ohne Zweifel im wesentlichen das Problem der Stellung des sogenannten vierten Standes innerhalb des modernen Staates. Die sozialistische Bewegung kennzeichnet sich von vornherein insofern als eine gesellschaftliche, eine soziale, als sie auf einen besonderen Stand, den der Arbeiter, begrndet ist." 2. Die Entstehung des vierten Standes, des Proletariats, als einer neuen sozialen Schicht ist als eine Folgeerscheinung der im 19. Jahrhundert zu voller Hhe der Entwicklung gelangenden neuen Wirt-schaftlichen Betriebsform, des kapitalistischen Unternehmertums, anzusehen (vgl. 7).

15. Von der Urzeit bis zum Dreißigjährigen Kriege - S. 88

1913 - Halle a.d.S. : Schroedel
— 88 — dem Rechte jeber Disziplinargewalt aus und bestimmte, daß diese in Preußen nur noch von deutschen Staatsbehörben ausgeübt werben biirfe; ein oberster kirchlicher Gerichtshof sollte als Staatsbehörbe in letzter Instanz entscheiben. ß) Gegen diese Gesetze protestierte der Papst Pius Ix. (sein Schreiben an Kaiser Wilhelm und bessen mannhafte und mutige Erwiberung), protestierten vor allem die Bischöfe und ihre Geistlichen und besonders das Zentrum; es begann die Zeit des Kulturkampfes (Virchow), der auch mehr ober weniger aus die übrigen deutschen Staaten übergriff, und die große Mehrzahl des katholischen Volkes auf seiten seiner Priester zum Wiberstanbe gegen die Staatsgewalt trieb. Das Ende des Kulturkampfes. ä) Die Veranlassung. Wie es Bismarck von Anfang nicht barauf ankam, in einem ewigen Kriegszustände mit der Kirche zu leben, sonbern nur die Staatsgewalt gegenüber den Übergriffen der kirchlichen zu sichern, so hoffte er, daß dieser Kampf auch beiben Parteien wieber einen erträglichen Frieden bringen würde. In bezug hierauf sagte er im Abgeorb-netenhause (April 1875): „Wie uns die Geschichte kriegerische Päpste und sriebliche, sechtenbe und geistliche zeigt, so, hoffe ich, wirb boch auch wieber einmal die Reihe an einen friebliebenben Papst kommen, der bereit ist, auch anbere Leute leben zu lassen nach ihrer Art und mit dem sich Frieden schließen lassen wirb." aa) Die Hoffnungen Bismarcks sollten sich bald erfüllen. Papst Pius Ix. starb im Jahre 1878 und nach ihm bestieg der Karbinal Joachim Pecci den Heiligen Stuhl als Papst Leo Xiii. Unmittelbar nach feiner Thronbesteigung zeigte er Kaiser Wilhelm feine Wahl an mit dem Wunsche, daß zwischen Rom und Preußen balb wieber die früheren guten Beziehungen hergestellt werben möchten. So konnte man auf ein Ende des Zerwürfnisses hoffen. ßß) Der Regierung mußte ein Entgegenkommen von Rom her um so erwünschter sein, als sich unter-beffen auch die innerpolitischen Verhältnisse nicht zu ihren Gunsten entwickelt hatten. Bismarcks Entschluß, in bezug auf die Wirtschaftspolitik das Freihanbelsfystem zu verlassen und zum Schutzzoll überzugehen, veranlaßte die mächtige Partei der

16. (Der allgemeine Geschichtsunterricht) - S. 159

1885 - Berlin : Gaertner
qefanqen gesetzt und war nahe daran, das Regiment der ganz Frankreich m: Jre Hand zu bringen. Indessen wurden die gefangen gehaltenen Reglerungsmltglleder von der Pariser Nationalgarde befrei*, und eine m Paris^vorgenommene Absm^ mung erklrte sich mit der Regierung einverstanden. Seitdem aberversailles von den Deutschen verlassen war und die Nationalver^mmlung ihren Sitzfcahi leat hatte begannen in Paris die Unruhen. Bei dem Versuch des Generals Vinoy, den Aufruhrern ihre Kanonen, mit denen sie den Mont Martre ve^eid^en wollten fortzunehmen wurden der General Thomas und noch andere Offiziere ermordet. Vinoy zog sich nach Versailles zurck, um hier die^ Natlo^lversamm-luna tu schtzen. Inzwischen begann die Kommune in Paris ihre Grauel, sie schritt zu Zwangsanleihen, terrorisierte die ganze Bewohnerschaft der Stadt strzte die Vendomesule, ein Denkmal der Siege Napoleons I. der sterreichs um riss das Haus des Prsidenten Thiers ein, legte die Prachtgebaude der ^>tadt, die Tuilerieen, das Louvre, Palais royal, das Stadthaus, meist durch Anwendung des Petroleums in Trmmer, ermordete den Erzblschof von Paris und lie von diesen Gruelthaten nicht eher ab, als bis die Stadt durch einen regelmigen Angriff Mac-Mahon's genommen war. Thiers Hatte den Parteien gegenber einen schweren Stand. Nur mit Mhe verschaffte er den von ihm und der National-Versammlung ausgegangenen Gesetzen Geltung. Da er es allen Parteien recht machen wollte, zog er sich schlielich dem Unwillen der Majoritt der Versammlung deraestalt zu, dass er sich veranlasst sah (24. Mal 1873), die Prsidentschaft niederzulegen. An seiner statt wurde der Marschall Mac-Mahon gewhlt, unter dem die sogenannten conservativen und ultramontanen Parteien das Uber-gewicht erhielten. Napoleon Iii. war inzwischen in Chiselhurst m England am 9. Januar 1873 gestorben. . 134. Kirchliche und soziale Bewegungen. Die auf dem vatikanischen Konzil (. 130) zur Verhandlung gebrachten Hauptgegenstande An-nhme der Lehre von der Unfehlbarkeit des Papstes und der tn dein Syllabus enthaltenen Lehren" erregten bereits in Rom den Widerspruch von 88 der daselbst versammelten Bischfe. Namentlich erklrten die deutschen Bischfe dass durch die zum Glaubenssatz erhobene Unfehlbarkeitslehre der Friede und die Ruhe der Gewissen gestrt werden wrde. Ebenso machten deutsche Regierungen, insonderheit die preuische, dem Papste Vorstellungen. Dennoch wurde die Unfehlbarfettslehre von der Mehrzahl der Konzilsmitglieder angenommen (18. Juli 1870). Nun gaben auch die frhern Gegner, meist deutsche Bischfe, ihren Widerstand aus und verkndigten selbst in Staaten, welche die Verkndigung der Lehre verboten hatten, dieselbe von den Kanzeln. Die bei dem alten Glauben Verharrenden wurden mit dem Bannflche bedroht. Trotzdem erhob sich gegen die Anordnungen des Papstes zunchst die Universitt Mnchen, an welcher Professor Dr. Dllinger lehrte; es wurde dahin ein Kongress der sogenannten Altkatholiken berufen, in welchem die Versammlung beschloss, an dem alten katholischen Glauben festzuhalten, die Unfehlbarkeitslehre zu verwerfen, eine Reform der Kirche und Ausgleichung mit den brigen christlichen Kirchen zu erstreben und auf Beseitigung des gemeinschd-lichen Jesuitenordens zu dringen. Auch von den Regierungen in Deutschland wurde den Bischfen aufs bestimmteste jeder Eingriff in die staatsbrgerlichen Rechte der katholischen Bevlkerung untersagt. Seitdem entstand eine Aufregung unter den Katholiken. Nach einer anderen Seite hin trat in der brgerlichen Gesellschaft mehr und mehr die Richtung hervor, neue Zustnde zu begrnden. Es hatte sich feit Jahrzehnten sowohl in Europa wie in Amerika unter dem Namen Sozial-Demotraten" eine Partei gebildet, welche darauf ausging, durch Geschichte und

17. Die deutsche Geschichte in ihren wesentlichen Grundzügen und in einem übersichtlichen Zusammenhang - S. 571

1880 - Heidelberg : Winter
Kap. 56. § 325. Der Kulturkampf. 571 aber vor allen Kaiser Wilhelm I, dem Siegreichen, der durch sein hohes Beispiel dem ganzen Heere als Muster treuster, gewissenhaftester Pflichterfüllung vorangeleuchtet, ihm denselben Geist eingehaucht und allen Teilen des Heeres die einsichtigste Führung zu geben verstanden hat. Als wahrhafter Mehrer des Reichs hat er uralte deutsche Gebiete, die uns in Zeiten der Schmach von dem räuberischen Nachbar entrissen waren, für Deutschland wiedergewonnen, hat das schwere Werk der Einigung Deutschlands zu Stande gebracht, hat das neue deutsche Reich zu einer Höhenstufe des Glanzes und der Machtfülle erhoben, wie sie dasselbe unter den mächtigsten und glänzendsten Kaisern des Mittelalters, ja selbst unter Kaiser Rotbart, welchen das deutsche Volk als Ideal deutscher Herrschermacht auffaßte und in ahnungsvoller Sehnsucht seit Jahrhunderten zurück erwartete, niemals besessen hat. Leider ist, seitdem auf dem vatikanischen Kirchenkonzil (eröffnet den 8. Dez. 1869) durch die Bemühungen der Jesuitenpartei das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes durchgesetzt worden ist (18. Juli 1870), aus dem praktische Folgerungen auf alle Reichsverhältnisse gezogen werden können, ein Conflict zwischen der angestrebten mittelalterlichen Oberherrlichkeit des Papstes und dem neuen deutschen Kaisertum ausgebrochen. Während das hierarchische Regiment des durch das vatikanische Konzil begründeten Neukatholicismus, der auf das Unfehlbarkeitsdogma und die päpstliche Allgewalt begründet war, unbedingten Gehorsam von seinen Gläubigen verlangte, die Ungehorsamen excommunizirte und an die Staatsregierung das Ansinnen stellte, daß die Gebannten aus Amt und Würden entfernt würden, konnte andrerseits der Staat sich seiner Sou-veränetätsrechte nicht begeben und beließ die von ihm Angestellten in ihren Ämtern, erkannte jedoch die Notwendigkeit die Rechte des Staates gegen das hierarchische Papsttum und den diesem blindlings folgenden Episkopat, welche „einen Staat im Staat" zu bilden beanspruchten, durch schneidige Gesetze zu schirmen. So wurden zunächst in Preußen, wo der Kampf zwischen Staat und Kirche am heftigsten entbrannt war („Kulturkampf") eine Reihe von Gesetzen erlassen, durch welche das Rechtsgebiet des Staats und der Kirche genau abgegrenzt wurde, so z. B. das Schulgesetz, welches die Schule unabhängig von der Kirche stellte und das gesamte Schulwesen der Regierung überwies, ferner die obligatorische Civilehe, endlich die sogenannten Maigesetze (1873), „durch welche die Rechte und die Freiheit der Staatsbürger gegen jedes gewalttätige Vorgehen der Hierarchie mittels kirchlicher Straf - und Zuchtmittel geschützt, die Anstellung der Geistlichen von einer wissenschaftlichen Vorbildung und Prüfung abhängig gemacht und dem Staat ein Einspruchsrecht bei der Besetzung kirchlicher Pfründen eingeräumt, Streitigkeiten zwischen Bischöfen und weltlichen Behörden von einem königlichen Gerichtshof nach den Staatsgesetzen entschieden werden sollten". Nachdem darauf durch den Spruch dieses obersten Gerichtshofes 2 Erzbischöfe und andere Prälaten, welche den neuen Staatsgesetzen beharrlichen Widerstand entgegensetzten, ihres Amtes entsetzt waren, ebenso anderen renitenten Geistlichen die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen wurde, nahm der Kampf immer mehr einen stäatsgefährlichen Charakter an; erklärte doch die civilta catholica, das Organ des damaligen Papstes (Pius Ix), geradezu: „Der Kampf wird fortdauern, so lange Preußen bestehen wird, denn es steht sein Ursprung als seine ganze Entwicklung in direktem Widerspruch mit der katholischen Kirche; Preußen ist der Haupt - und Todfeind Roms, das Hauptboll--werk des Protestantismus; mit ihm steht und fällt der Kampf der Kirche in Europa." Erst in den letzten Jahren ist die Aussicht auf einen Friedensschluß zwischen Staat und Kirche in größere Nähe gerückt, nachdem Pius Ix im Jahr 1878 gestorben und an seine Stelle der, wie es scheint, zu einer Aussöhnung mehr geneigte Papst Leo Xiii getreten ist. Nachdem schon im Jahr 1874 die Bestimmung getroffen war, daß in Zukunft Bischöfe nur dann vom Staate anerkannt werden sollten, wenn sie zuvor den Homa-gialeid geleistet hätten (d. H. daß sie die Staatsgesetze gewissenhaft beobachten und unter ihren Geistlichen und in ihren Gemeinden die Gesinnungen der Ehrfurcht und Treue gegen den König, die Liebe zum Vaterland hegen und pflegen wollten), war der erste, der diesen Eidschwur leistete, der vom König von Preußen zum Bischof der Altkatho-

18. Neue Zeit - S. 448

1897 - Stuttgart : Neff
— 448 — Die innere Geschichte des Reichs wurde neben dem weiteren Ausbau der Einheit in Münze und Bankwesen, sowie in der Ge- richtsverfassung und -Ordnung und in der Gestaltung der Militär- macht (Septennat 1874—81 und 81—88), für die Zeit bis 1888 bestimmt zunächst durch den von Preussen aus auch das Reich ergreifenden Kampf gegen die Ansprüche oder die Macht des Papsttums und der katholischen Kirche (Kulturkampf), die durch das Vatikanische Konzil gesteigert worden waren und einen Rückhalt fanden nicht nur an der über- wiegenden Mehrzahl der Geistlichen, insbesondere den Bischöfen, sondern auch an einer Partei, die sich im ersten Reichstage bildete, dem Zentrum. Diese Partei machte der Regierung des neuen Reiches schon vor Ausbruch des Kampfes mit der Kirche Opposition; sieforderte für die Reichsverfassung Bestimmungen, durch die der katholischen Kirche noch freiere Bewegung gegeben worden wäre, und für die äussere Politik ein Programm, das zum Vorgehen des Reichs für Wiederaufrichtung der weltlichen Herr- schaft des Papstes hätte führen können. Je mehr der katholischen Kirche bis dahin in Preussen freie Bewegung, in manchem auch Begünstigung zu teil geworden war, um so schmerzlicher waren für deren Klerus und ergebene Laienschaft die teils durch preussische Gesetze („Maigesetze“ 11., 12., 13. Mai 1873), teils durch Reichsgesetze (1871 „Kanzelparagraph“, 1876 verschärft; 1872 Ausweisung der Jesuiten und der ihnen ver- wandten Orden; 1874 Gesetz über Verhinderung unbefugter Ausübung von Kirchenämtern) erfolgenden Einschränkungen und Hemmungen, sowie polizeiliche und gerichtliche Verfolgungen. Ein bleibendes Ergebnis des Kulturkampfes war für Preussen Be- seitigung der besonderen katholischen Abteilung im Kultmini- sterium (1871), ein Schulaufsichtsgesetz (1872), wodurch das Schulwesen ganz in die Hände des Staats kam, und Aufhebung der Artikel 15, 16 und 18 der Verfassung (s. S. 412); für das Reich die Einführung der obligatorischen Zivilehe (1875). Pius Ix. erklärte in einer Encyclica 1875 alle neueren Kirchengesetze für ungültig. Die katholische Kirche gewann gerade durch den Kulturkampf an Ergebenheit und Geschlossenheit der Laien, das Zentrum an Wählern und Parlamentssitzen; der Altkatholicismus (geistiges Haupt Döllinger, erster Bischof 1873 Reinkens), dessen Schutz durch den Staat den Anstoss zum Konflikt gegeben hatte, erwies sich für die Regierung als ein numerisch zu schwacher Bundesgenosse. Dann wurden für die innere Entwickelung des Reiches be- stimmend die wirtschaftlich-gesellschaftlichen Fragen, erstens die soziale(n) Frage(n), insbesondere der Kampf gegen

19. Für die 2. Klasse - S. 75

1911 - Halle a.d.S. : Buchh. des Waisenhauses
Iii. Ausbau des Deutschen Reiches. Seine Weltmachtstellunsi, 75 ein Kreistag gewhlt, der mit dem Landrat die Angelegenheiten des Kreises Kreisordnung, verwaltet. hnlich bert ein Provinziallandtag, dessen Abgeordnete Provwzwl-von den Stdten und Kreisen gewhlt sind, unter der Leitung eines von otbnun0' ihm gewhlten Landesdirektors der Die Angelegenheiten der Provinz. Die Haupteinnahmequelle des preuischen Staats sind einmal Preu. Staats-der Staatsbesitz (Domnen und Forsten) und die Staatsbetriebe fincm5cn' (die durch Bismarck verstaatlichten Eisenbahnen und die Berg-, Htten-und Salinenverwaltung), serner die direkten Steuern (Einkommen- Staatssteuern, und Ergnzungssteuer, die das Vermgen der Staatsbrger im besonderen trifft). Die Grund-, Gebude- und Gewerbesteuern, die frher Kommunal-der Staat erhob, sind infolge der Steuerreform des Finanz Ministers fteuern' Miquel den Gemeinden berlassen worden. Sicherung der Reichsewheit. 103. Der Kulturkampf. Durch die Art, wie die nationale Einheit in Italien und Deutschland zustande gekommen war, fhlten sich die ultramontan" gesinnten Katholiken schwer verletzt. Die deutschen Siege veranlagen im September 1870 den Abzug der franz-fischen Truppen aus Rom, worauf die heilige" Stadt und der Kirchenstaat dem geeinten italienischen Knigreich einverleibt wurden. Viele deutsche Katholiken waren zudem grodeutsch gesinnt gewesen und hatten die Ausscheidung der katholischen Habsburger aus den deutschen Angelegenheiten mibilligt. Unter dem Einflu dieser Stim-mung kam es in dem neuen deutschen Reichstage sofort zur Bildung der mchtigen Zentrumspartei". Als diese von der Reichsregierung die Wiederherstellung der Macht des Papstes und die Unabhngigkeit der katholischen Kirche von der Aufsicht des Staates forderte, kam es zum offenen Kampf, dem Kulturkampf". Er fhrte zu einer Reihe von deutschen Kulturkampf Reichs- und preuischen Staatsgesetzen, durch die sich unter anderem 1873' der Staat die Aussicht der das katholische Schulwesen, das Recht der Mitwirkung bei der Anstellung katholischer Geistlichen sicherte, durch die ferner die Zivilehe" eingefhrt und der Jesuitenorden aus-gewiesen wurde. Aber auch der Staat litt unter der Entfremdung eines groen Teiles seiner Stammesangehrigen. Erst als seit 1879 ein neuer Beilegung des milder gesinnter Papst die katholische Kirche leitete, wurde der Streit bei- treites 1879' gelegt, wobei beide Teile Entgegenkommen zeigten. Der Streit ist bei-gelegt, nicht ausgetragen. Nur wenn jeder Teil die religisen Anschau-ungen des anderen, die diesem heilig sind, in wahrer christlicher Duld-samkeit achtet, wird der Friede erhalten bleiben, der im Interesse der Machtstellung unseres gemeinsamen deutschen Vaterlandes so wichtig ist. 104. Die Stellung des Deutschen Reichs zu seilten Nachbaru. Der Friede und die Sicherheit des Reiches wurden besonders durch das Revanchegelst der Franzosen bedroht. Es war ein Meisterstck der Staats-

20. Vom Westfälischen Frieden bis zu Kaiser Wilhelm II. - S. 146

1894 - Breslau : Trewendt
146 Sozialdemokratie; Arbeitergesetze Schon im November 1870 bildete sich im preußischen Abgeordnetenhause, dann 1871 im Deutscheu Reichstage die katholisch-kirchliche Partei des Centrums, welche die Wiederherstellung des Kirchenstaates und die Befreiung vou eitlen Aufsichts- und Bestätiguugsrechteu des Staates (kirchliche Suchtmittel, Vorbildung der Geistlichen, Besetzung der Bischoss-stellen ü. s. tu.) verlangte. Sie drang aber mit beiden Forderungen nicht durch; das Reich verbot vielmehr 1872 alle Orden, die nicht der Krankenpflege dienten, besonders den Jesuitenorden, und Preußen unterwarf durch die sogenannten Maigesetze 1873 Kirche und Schule einer strengen staatlichen Aufsicht. Der aus Diesen Verhältnissen entspringend Kulturkampf verschärfte sich noch, als das Reich 1875 die Civilehe einführte, würde aber seit Pin's Ix. Tode und Leos Xiii. Thronbesteigung (1878) infolge allmählicher Zurücknahme der meisten Mai-gejetze bedeutend abgeschwächt. ^Sozialdemokratie; Arbeitergesetze.] In der zahlreichen Arbeiterwelt gärte der Geist der Sozialbemokratie, die inzwischen von Lassalle und Marx wissenschaftlich begründet worden war, aber seit 1873 (Kongreß zu Basel) immer revolutionärer auftrat und die Republik, beit Atheismus, gleiche kurze Arbeitszeit und die Abschaffung der Ehe verlangte, in erfchreckeitbent Maße und gab sich in zwei der frevelhaftesten Thaten kn üb: ein verkommener Klempnergefelte itub bantach sogar ein ©tubierter erhoben die verbrecherische Hand gegen das geheiligte Haupt Wilhelms I., der tut zweiten Falle durch Schrot'chüffe getroffen würde und auch körperlich viel zu leiben hatte. Die nächste Folge biefer unseligen Thaten war das „Sozialistengesetz“, das erst 1890 aufgehoben würde. Aber der Kaiser wollte, daß dem Unwesen der verirrten Massen auch ans dem Wege der Förderung des Wohles der Arbeiter gesteuert werde, uttb so kamen nach Übereinkunft zwischen Bundesrat und Reichstag 1883 das Arbeiter-Krankenversicherungsgesetz, 1884 das Arbeiter-Unfallversicherungsgesetz und unter Wilhelm Ii. 1890 das Arbeiterschutzgesetz, 1891 das Juvalibitäts- und Altersversicherungsgesetz sowie das Gesetz über die Sonntagsfeier znftanbe, alles Gesetze, die infolge ihrer wahrhaft großartigen Sorge utn das Wohl der Arbeiter alle auswärtigen Staaten in Erstaunen setzten. Als am 9. März 1888 Kaiser Wilhelm I. durch eittett fanften Tod aus feinem thatenreichen Leben abberufen würde, bis zum letzten Augenblicke feiner Regentenpflicht treu, wie er bertn noch das unvergeßliche Wort sprach: „Ich habe jetzt keine Zeit tnitbe zu fein", da ging die Trauerklage um ihn durch die ganze Welt; benn so viel Verehrung und