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Zwischen dem 2. und 3. Geschosse desselben zieht sich ein breites Band von
Bildern um die Straßenseiten des Gebäudes herum und veranschaulicht die
mannigfaltigen Geschäfte, die die Post zu bewältigen hat. Der Post gegen-
über steht das Denkmal des Vogtländischen Dichters Julius Mosen, dessen
„Andreas Hofer" wir so oft und gern mit einander gesungen haben. Vom
Postplatze aus führen nns wenige Schritte an das neue Stadttheater, das
1897 erbaut und am 1. Oktober 1898 eingeweiht wurde. Eine Brücke über
das tief eingeschnittene Syrathal führt uns nun an die Restanration „Zum
Tunnel." Wir kehren auf einige Minuten dort ein und setzen uns an ein
Fenster des Glassalons. Da bietet sich uns ein herrliches Bild. Die Bahn-
Hofstraße herein und hinaus wogt und wimmelt es, namentlich zur Mittags-
und Abendzeit, wenn die Geschäfte und die Schulen geschlossen werden, von
Menschen, zwischen denen sich zahlreiche Fuhrwerke aller Art bewegen. Gerade
vor uns erhebt sich jenseits des sich hier erweiternden und mit Gärten und
Anlagen ausgefüllten Syrathales auf dem steilen Hradschinberge das Schloß
mit den Wohnungen der höheren Gerichtsbeamten. Hinter ihm sind
die Gebände des alten Schlosses, in denen sich das Landgericht und das
Amtsgericht befinden. An die Tunnel-Restanration stößt der altertümliche
Nonnenturm, und diesem gegenüber dehnt sich der Lntherplatz mit der
Lutherkirche ans. Bis znm Jahre 1866 diente der Platz als Gottesacker.
Im Jahre 1883 aber erhielt er zur 400 iährigeu Jubelfeier der Geburt
unseres großen Reformators Luther dessen Namen. Am 10. November ge-
nannten Jahres zogen sämtliche Schulklassen von Planen nach diesem Platze
und jede pflanzte einen Banm. Solche Pflanzungen wurden iu den nächsten
Jahren fortgesetzt und es entstand ein stattlicher Hain von Linden, Eichen
und Buchen inmitten der Stadt, der das Andenken an nnsern Luther lebendig
erhalten wird.
Nicht weit vom Tunnel ist der als Obst- und Gemüsemarkt dienende
Klostermarkt mit vielen stattlichen Verkausslädeu. Er hat seinen Namen
von dem im Jahre 1525 zerstörten Dominikanerkloster. Vom Klostermarkte
gelangen wir an den Altmarkt, an dem besonders das alte Rathaus mit
seineni hohen geschweiften Giebel, den es dem Markte znkehrt, auffällt.
Zwei Uhren an diesem melden uns die Zeit. Die obere ist sehr kunstvoll.
Zu beiden Seiten ihres Zifferblattes stehen Männer, die beim Stundeuschlag
die Hände bewegen und den Mund öffnen. Uber dem Zifferblatte befinden
sich zwei Löwen, die mit ihren Tatzen die Viertel und die Stunden schlagen,
und unter- ihm zeigt eine große, halb blau, halb goldgelb gefärbte Kugel
den Mondwechsel an.
Wenige Schritte führen uns vom Altmarkte auf den Kirchplatz und au
die Johanniskirche mit ihren zwei großen, viereckigen Türmen. Über den
zwei Hanptthoren der Kirche find schöne, in Stein gehauene Bilder angebracht.
Das eine zeigt Christus, Moses und Elias' das andere stellt nnsern Heiland
als Arzt und Helfer der Kranken dar. Das Innere der Kirche ist hell und
freundlich. Das schöne, große Altarbild ist von Matthäi und stellt die Ein-
setzung des heiligen Abendmahles dar. Die wertvolle Orgel ist von den
württembergischen Orgelbauern Gebrüder Walker gebaut.
Vom 'Kirchplatze geht man den steilen „Schulberg" hinab in die Neu-
stadt und von dieser über die nach der Brückenthorvorstadt führende große
Elsterbrücke. Letztere ist sehr alt und soll aus dem 12. Jahrhundert stammen.
TM Hauptwörter (50): [T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität]]
TM Hauptwörter (100): [T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T13: [Kirche Dom Zeit Bau Denkmal Kunst Tempel Bild Werk Stadt]]
TM Hauptwörter (200): [T25: [Stadt Schloß Straße Garten Berg Dorf Nähe Park Ufer Haus], T0: [Kirche Haus Gebäude Stadt Straße Säule Platz Fenster Seite Palast], T110: [Tag Jahr Stunde Nacht Monat Uhr Zeit Winter Sommer Juni], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf]]
— 36 •—
enthält Eisen und Salz; es wird znm Trinken und Baden benutzt und leistet
vor allen Bleichsüchtigen, Blutarmen und Nervenleidenden die besten Dienste.
Schon vor 600 Jahren sollen die Quellen zu Elster bekannt gewesen
sein. Reiche Kaufleute aus der berühmten, einst mächtigen Stadt Venedig
sollen damals zu ihuen gekommen sein. Doch werden dieselben wohl nur
nach den herrlichen Elsterperlen gesucht haben, die zu jeuer Zeit uoch iu
großer Meuge in dem Elsterflusse gefunden wurden. Gewiß wissen wir aber,
daß im Jahre 1669 ein Arzt aus Plauen (Namens Leißner) eine leidende
Frau mit Hilfe dieses Qnellwassers gesund machte und in einem Büchlein
die Quellen rühmte. Wohl wurden sie nun öfter aufgesucht, doch geschah
das immer nur von einzelnen Leidenden. Im Jahre 1848 wurden sie unter
König Friedrich August Ii. vou Sachsen Staatseigentum. Die Quellen
wurden uuu besser gefaßt; an Stelle des alten hölzernen Badehanses führte
man ein steinernes Gebäude auf, legte Spazierwege an und rief geschickte
Ärzte herbei. Der Ort wurde immer bekannter und hob sich zusehends.
Schon nach zehn Jahren besuchten ihn über elfhundert Badegäste; aus dem
armen Weberdorfe Elster mit seinen unscheinbaren Häuschen wurde eiu weit-
bekaunter Badeort mit schönen stattlichen Wohnhäusern. Heute gilt Bad
Elster wegen seiner vortrefflichen Quellen und seiner schönen Umgebung für
eins der besten und lieblichsten Bäder in Deutschland.
Der Glanzpunkt des Ortes ist der herrliche K urplatz. An ihm steht
das schöne, trefflich eingerichtete Badehans. Eine Wandelbahn mit freund-
licher Umgebung, geschmackvolle Trinkhallen und reichansgeftattete Berkaufs-
hallen umgeben deu Platz. Hier herrscht fast immer ein reges Leben. Täg-
lich durchschallt am frühen Morgen liebliche Musik das Thal. Eiu feierlicher
Choral eröffnet das Morgenkonzert. Die Kurgäste sind erschienen und lassen
sich ans den Quellen von den sauberen, schmuck gekleideten Brunnenmädchen
den heilspendenden Trank reichen, den man mit Glasröhren aus schönen
Bechern trinkt. Darnach durchwandelt mau bei den Klängen der Musik die
weitausgedehuten, schönen Parkanlagen mit ihren prächtigen Wiesen, Herr-
lichen Baumgruppen, bunten Teppichbeeten und dem vielbewuuderten Meister-
werke unseres sächsischen Bildhauers Hultsch, das die Göttin der Gesund-
heit darstellt.
So, wie- am Morgen, ermuntert anch am Nachmittage fröhliche Musik
die Gemüter der Kurgäste; nnr in der Mittagsstunde ist es still. Da sitzt
man gern in gemütlicher Unterhaltung vor den schmucken Wohnhäusern, von
denen eiu jedes mit einem Garten gleich einem Kranze umzogen ist und
seinen besonderen Namen trägt, wie Edelweiß, Vergißmeinnicht, Daheim,
Paradies u. a.
Wie in den meisten Badeorteu hilft auch iu Bad Elster die schöue
Lage des Ortes die Kranken mit heilen. Die Luft, die das Thal durch-
weht, ist zwar frischer als iu den benachbarten böhmischen Bädern, aber
milder als sonst im Vogtlande. Gegen die starken Winde bilden die im
Osten und Norden aufsteigenden Höhenzüge eine gute Schutzmauer, während
die warmen Südwinde leicht hereinströmen können.
Eine unschätzbare Zierde des Ortes, ein wahrer Segen für die Bade-
gäste, ist der Brunnenberg. Er erhebt sich wohl 100 m über den Kur-
platz. Die schattigen Wege, die zu ihm und über ihn führen, sein duftender
Nadelwald, feine schönen Aussichtspunkte bleiben jedem Besucher uuver-
TM Hauptwörter (50): [T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
TM Hauptwörter (100): [T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T49: [Berg Gebirge Höhe Fuß Ebene Seite Gipfel Gebirg Elbe Meer]]
TM Hauptwörter (200): [T25: [Stadt Schloß Straße Garten Berg Dorf Nähe Park Ufer Haus], T89: [Wasser Fluß Quelle Bach See Erde Boden Brunnen Land Ufer], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf]]
Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich August
Extrahierte Ortsnamen: Venedig Plauen Sachsen Deutschland
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fallen kann. Das Grün der Wiesen und Felder zur Sommerszeit gewährt
dem Auge einen wohlthueudeu Eindruck, und die gefiederten Sänger ergötzen
vom frühen Morgen bis zum sinkenden Abende das Ohr durch ihre munteren
Lieder. Auch sind die Orte wohl geschützt vor rauhen Winden. Was aber
beide Bäder vor vielen anderen voraus haben, ist ihr Reichtum an eisen-
haltiger Moorerde. Diese ist in fast unerschöpflicher Menge vorhaudeu und
gilt als die beste im Vogtlande; sie wurde in früheren Zeiten selbst bis nach
deni berühmten Karlsbad versendet. Man mischt die Erde mit dem Badewasser
und erhöht dadurch die Heilkraft der Quellen, die für Nervenleidende und
Gichtgelähmte besonders wohlthätig ist. Oft erfolgt die Heilung zusehends
schnell. Meiu Freund erzählte mir von einem seiner Bekannten, der dort
Heilung suchte. Dieser Manu war gelähmt von der schlimmen Gicht. Wie
ein hilfloses Kind mußte er sich von Ort zu Ort heben, tragen oder fahren
lassen. Nach 14 Tagen schon zeigte sich an ihm die Kraft des Bades.
Mit Hilfe eines Stockes war es ihm möglich, langsam umherzugehen. Nach
drei Wochen aber war er vollständig geheilt. — Und wer mehr solche Bei-
spiele kennen lernen will, der blicke nur einmal in die Badelisten, in die
alle Bädegäste ihre Namen eintragen. Da ist den Geheilten gar oft das
Herz vor Dankbarkeit aufgegangen. Ihre Segenswünsche für das Gedeihen
der Bäder zeugen davon.
2. Im Osten unserer vogtländischen Heimat, nicht weit von der Stadt
Auerbach, treffen wir das hochgelegene Bad
Reiboldsg rü n.
Das ist ein herrliches Fleckchen Erde! Von dem Kurhause aus schweift
der Blick über den dunkeln Wald hinweg nach dem mächtigen Auersberge
und seinen stattlichen Nachbarn. Zahlreiche Spazierwege durchkreuzen den
duftigen Wald und bieten liebliche Ausschau in die Ferne. Von der „Gol-
denen Höhe" aus gewährt der weithin sichtbare „Karlsturm" einen treff-
lichen Blick auf das westliche Erzgebirge und das Vogtland bis zu den
fernen Bergen am User der Saale. Die Leidenden, die an diesen Ort
kommen, suchen in seiner reinen, gesunden Lnft Heilung für ihre kranke Lunge.
In der Nähe des Bades finden wir eine Volksheilstütte für Lungenkranke.
Sie wnrde 1897 von dem Verein für Volksheilstätten eröffnet und führt
nnserm König Albert zu Ehren den Namen Albertsberg.
3. Im Süden des Vogtlandes endlich liegt im Thale der jungen Elster
das größte und schönste Bad Sachsens:
Bad Elster.
Weit über die Grenzen unseres Vaterlandes hinaus ist es bekannt und wird
jährlich von mehr denn 6000 Badegästen besucht. Österreicher und Schweizer,
Russen und Engländer, ja selbst Amerikaner weilen jedes Jahr neben An--
gehörigen aller deutschen Staaten in Bad Elster. Es ist aber auch dieses
reichen Besuches wert; denn es ist eine wahre Perle unter den Bädern.
Aus elf Quellen strömt der leidenden Menschheit das gottgesegnete
Heilwasser entgegen. Alle Quellen sind sauber iu Stein gefaßt, und die
meisten sind nnt schönen Hallen Überbant. Die Königs-, Marien-, Albert-,
Moritz- und Salzquelle sind die vorzüglichsten unter ihnen; sie können an
Heilkraft mit den Quellen des nahen Franzensbad wetteifern. Das Wasser
3*
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T18: [Donau Stadt Ungarn Böhmen Wien Hauptstadt Land Einw. Königreich Mulde], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T5: [Rhein Main Wald Thüringer Teil Schwarzwald Gebirge Neckar Saale Jura]]
TM Hauptwörter (200): [T25: [Stadt Schloß Straße Garten Berg Dorf Nähe Park Ufer Haus], T89: [Wasser Fluß Quelle Bach See Erde Boden Brunnen Land Ufer], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T111: [Kind Mutter Vater Eltern Frau Jahr Knabe Schule Haus Mann], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
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Werkstätten hergestellt, die sich hauptsächlich in den umliegenden Ortschaften
befinden. Hier werden Stege geschnitzt und Wirbel gedreht, dort Hälse,
Griffbretter und Saitenhalter gearbeitet; aus besonderen Werkstätten gehen
die Böden, Decken und Zargen oder Seitenbretter hervor, und in anderen
werden diese zu dem eigentlichen Körper der Violine, der „Schachtel", ver-
einigt. Die Markneukirchuer Jnstrumentenmacher setzen diese Bestandteile
nach den etwa nötigen Nachbesserungen zusammen, lackieren sie und richten
sie zum Spielen ein. Manche der einzelnen Bestandteile werden auch als
besondere Handels-Artikel geführt und nach auswärts verkauft; so gehen
z. B. durch die Häude der Markneukirchuer jährlich ungefähr eine Million
Stege, 3 bis 4 Millionen Guitarren- und Nioliuwirbel.
3. Die Geigenmacherei hat auch die Bogeufabrikatiou hervor-
gerufen. Für Violin-, Cello- und Baßbogeu ging lange Zeit viel Geld
nach Schmalkalden. Die ersten Violinbogen wurden in Markneukirchen in
der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gemacht; jetzt beschäftigen sich an
500 Menschen damit, die im Jahre durchschnittlich 500 900 Bogen fertig
bringen. Dabei werden über 5000 Zentner Holz verwendet, und außerdem
sind noch über 80 Zeutuer Roßhaare, die meistens ans Rußland bezogen
werden, nötig. Auch die Herstellung von Futteralen für die verschiedenen
Instrumente, besonders für die Geigen, giebt vielen lohnende Beschäftigung.
In Kliugeuthal und seiner Umgebung haben sich die Bewohner in be-
sonderem Maße der Herstellung von Mund- und Zugharmonikas zugewandt,
die von dort aus ebenfalls noch allen Teilen der Erde zum Versand kommen.
Was könnten nns nun die Jnstrumentenmacher noch von andern In-
strnmenten erzählen, von den Instrumenten, die jeder Ort „da oben" seine
„Spezialität" nennt! Wir kämen aus dem Staunen und aus der Bewuude-
rung nicht heraus.
Wer einmal uach Markneukirchen kommt, der versäume nicht, dem Ge-
Werbemuseum einen Besuch abzustatteu. Tort kann man nicht nur solche
Instrumente schaueu, die in Markneukircheu gemacht worden sind in alter
und neuer Zeit; souderu durch die Unterstützung der Regierung des deutschen
Reiches ist es auch möglich geworden, Musikinstrumente anzusammeln, deren
sich die Bewohner auch der fernsten Länder bei ihren Mnsikansführuugcn
bedienen.
4. Wie ist es nun aber im oberen Vogtlande znr Einführung der Jn-
strumentenfabrikation gekommen? Nach der gewöhnlichen Anschauung haben
böhmische Exulanten, die nach dem dreißigjährigen Kriege um ihres evauge-
tischen Glaubens willen aus ihrer Heimat vertrieben worden waren, sich in
Markneukirchen niedergelassen und den Geigenbau eingeführt. Dafür spricht
eine Nachricht aus dem Jahre 1680, nach welcher sich die Geigenmacher
— „vor nicht langer Zeit eingewanderte Exulauten, etwa 9 bis 10" —
die Erlaubnis erbaten, in der Kirche eine besondere Empore für sich erbauen
zu dürfen. Durch die Einführung der Justrumentensabrikation aber sind
die armen Vertriebenen zu Wohlthätern sür das obere Vogtland geworden.
19. Wie eine Darmsaite entsteht.
Großartig ist in Markneukircheu und Umgegend auch die Fabrikation
von Darmsaiten. Diese nahm um 1730 in Markneukircheu ihren Anfang
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund]]
TM Hauptwörter (200): [T1: [Maschine Fabrik Herstellung Industrie Papier Leder Wolle Leinwand Fabrikation Art], T154: [Meister Handwerker Geselle Arbeit Lehrling Handwerk Arbeiter Jahr Kaufleute Stadt], T91: [Geschichte Krieg Zeit Zeitalter Mittelalter Revolution Reformation deutsch Jahrhundert Ende], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T124: [Wasser Luft Sauerstoff Körper Stoff Kohlensäure Teil Feuer Pflanze Kalk]]
— 50
Etwa acht Tage nach dem Einweichen der Därme werden soviel Teile,
als zur Herstellung einer Saite von bestimmter Stärke nötig sind, an Schlingen
befestigt, auf Rahmen gezogen und gedreht. Nun ist die Saite fertig;
sie wird zu ihrer Vollendung nur noch getrocknet, womöglich im Sonnen-
schein, dann geschliffen oder mit Bimsstein abgerieben, mit Glanz versehen,
geringelt und zu je 30 Stück oder in „Stock" gebunden, die in den Handel
kommen.
Die Vogtländischen Darmsaiten gehen nach allen Ländern, viele auch
als „echt römische"; denn die meisten der letzteren, die in den Handel kommen,
werden in Marknenkirchen fabriziert. Die französischen Saiten übertreffen
die vogtländischen zwar an Billigkeit, weil den dortigen Fabrikanten ein
billigeres Rohmaterial zu Gebote steht, kommen ihnen aber an Güte und
Schönheit uicht gleich. In jedem Jahre werden durchschnittlich 6 bis 700000
Stock oder 18 bis 20 Millionen Saiten hergestellt. In einem Jahre kamen
(1873—74) über 4 Millionen Stück getrocknete Schafdärme an, wozu eben-
soviel Schafe hatten geschlachtet werden müssen.
20. Unsere Hisenöahnen.
1. Es gab eine Zeit, in welcher Deutschland nur wenige Kunststraßen
oder Chausseen besaß. Das waren die Zeiten, von denen uns erzählt wird,
daß die Kaufleute aus Hamburg, Wien, Nürnberg, Augsburg u. s. w., wenn
sie zur Leipziger Meffe reisen wollten, zuvor ihr Testament machten, da
eine so weite, lange Reise lebensgefährlich erschien. Bei Regenwetter wnrde
die Straße oft bodenlos, und die Reise ging noch langsamer. Im Winter
hielt starker Schneefall den Wagen manchmal tagelang an einem Orte fcft.
Wie hat sich das im Laufe der Jahre geändert! Durch das ganze
Land zieheu sich treffliche Landstraßen; selbst die Verbindungswege zwischen
den Dörfern sind jetzt in viel besserem Zustande als in früheren Zeiten
die Hauptstraßen.
Doch auch die besten Landstraßen genügen in der gegenwärtigen Zeit
nicht mehr für ein so gewerbereiches Land wie Sachsen. Mit Hilfe der Dampf-
Maschinen werden hier jährlich viele, viele Millionen Zentner Waren herge-
stellt, und man mußte darauf bedacht sein, diese Waren schnell, leicht, billig
und sicher in die Ferne zu briugen; es mußte — wie die Gewerbetreibenden
sagen — für gute „Absatzwege" gesorgt werden. So gut nun unsere Laud-
straßeu sind, so Hütte man doch für die Lasten, die jetzt täglich versendet
werden, nicht genug Zugtiere gehabt. Da mnßte der Dampf helfen! Durch
die Eisenbahnen sind nun auch die besten Straßen überflügelt worden, sodaß
man gegenwärtig vor diesen neuen Wnnderbanten jene fast gänzlich über-
sieht. — Unserem sächsischen Vaterlande gebührt der Ruhm, unermüdlich für
die besten Handels- und Verkehrswege gesorgt zu haben. Sachsen war einst
der erste deutsche Staat, in welchem eine größere mit Dampfwagen befahrene
Eisenbahn in der Richtung von Leipzig nach Dresden hergestellt wurde,
und jetzt besitzt es int Verhältnisse zu seiner Größe die meisten Eisenbahnen.
Die Länge aller sächsischen Eisenbahnen beträgt zusammen über 3 000
Kilonieter.
2. Durch unser Vogtland führten schon vor Jahrhunderten zwei be-
lebte Straßeu aus Bayern herein nach Sachsen; die eine nahm ihre Richtung
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch]]
TM Hauptwörter (200): [T11: [Kanal Rhein Verkehr Eisenbahn Fluß Land Meer Handel Stadt Deutschland], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T1: [Maschine Fabrik Herstellung Industrie Papier Leder Wolle Leinwand Fabrikation Art], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T125: [Haus Stein Fenster Dach Holz Stroh Winter Erde Wand Wohnung]]
Extrahierte Ortsnamen: Marknenkirchen Deutschland Hamburg Wien Nürnberg Augsburg Sachsen Sachsen Leipzig Dresden Sachsen
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Stelzenbaumes fast ganz vergessen worden. Nur wenige alte Leute
glaubten noch fest daran. Zu ihnen gehörte der alte Traumchristoph in
Stelzen.
Arm war er. Der Krieg hatte ihm nichts gelassen als sein Weib und
seine Kinder. Mit ihnen baute er sich an der Stelle, wo einst sein Häusleiu
stand, eine ärmliche Hütte. Sein Nachbar schenkte ihm aus Mitleid ein
wenig Saatkorn. Da bestellte er mit den Seinen den verwilderten Acker
und hoffte auf eiu fruchtbares Jahr. Doch die Ernte war noch so fern,
und der Hunger trat täglich als ungebetener Gast in Christophs Hütte.
Oftmals schlich Christoph in seinem Jammer während der Dämmer-
stunde unter den Stelzenbaum. Dort ward ihni wieder wohl ums Herz.
Zuweilen schlummerte er eiu. Daun träumte ihm vou einem Bauerngute
mit großen Kornfeldern und saftigen Wiesen, oder mich von goldenen Schätzen.
Das ganze Dorf wußte von seinen Träumen zu erzählen. Weil aber der
Traumchristoph trotz alledem ein armer Tropf blieb, wurde er überall seiner
Träume ivegeu verlacht.
Die Saat auf Christophs Felde war nur spärlich ausgegangen. Eine
späte Frostnacht vernichtete sie völlig. Voll Verzweiflung stand Christoph
am Morgen darauf vor dem toten Acker. Endlich lenkte er feine Schritte
lebensmüde nach dem Stelzenbaume. Er fetzte sich aus eine hervorragende
Wurzel. In seinen Augen standen noch die Thränen. Aber auch heute
fand er hier seine Rnhe wieder. Er lehnte sich an den starken Stamm
und schante hinans in die weite Welt, die von der Sonne vergoldet zu
seinen Füßen lag.
Da versank er in einen tiefen Schlaf. Plötzlich erschien ihm im
Tranme ein ehrwürdiger Hille mit weißem Haar. Der blickte ihn freundlich
an, winkte ihm, zeigte hinans ins Bayerland und sprach:
„Auf der Regensburger Brück'
findest du deiu Glück!" —
Dann verschwand der Hirte, und Christoph erwachte. So lebhaft
hatte er uoch nie geträumt. Nachdenklich fchritt er ins- Dorf zurück.
In der folgenden Nacht hatte er denselben Traum. Am nächsten
Abende empfand er einen unwiderstehlichen Draug, uach dem Stelzenbaume
zu gehen. Er that es. Das Rauschen des Wnnderbanmes schläferte ihn
auch heute ein. Und wieder erschien ihm der greise Hirte und sprach noch
eindringlicher als zuerst:
„Nach der Regensbnrger Brück'
richte eilig deinen Blick!
Suche dort, — dort blüht dein Glück,
kehrst als reicher Mann zurück."
Als Christoph erwachte, war er fest entschlossen, die Reise nach Regens-
bürg anzutreten. Schou am andern Morgen war er unterwegs. Uberall
fand er mitleidige Seilte, die dem armen Wanderer ein Stück Brot, einen
Zehrpfennig oder auch ein Nachtlager gewährten.
So stand er nach wenigen Tagen vor der langen Donaubrücke zu
Regensburg. Sinnend betrachtete er ihre weitgestreckten fünfzehn Bogen.
Dann betrat er sie selbst. Er untersuchte alle Winkel, Nischen und Löcher
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T49: [Berg Gebirge Höhe Fuß Ebene Seite Gipfel Gebirg Elbe Meer]]
TM Hauptwörter (200): [T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus]]
Extrahierte Personennamen: Christophs Christoph Christophs Christoph Hille Christoph Christoph
— 41 —
eines Roggenkorns. Von ihnen heißt das Gestein Frucht- oder Fleck-
schiefer. Irrtümlich hat man Wohl diese Flecken für Pflanzen oder Tier-
reste gehalten. Die Theumaer Schiefer enthalten aber keinerlei Versteine-
rungen. Sie zeichnen sich aus durch Härte und Wetterbestäudigkeit und
spalten leicht, wenn auch nicht in so dünne Tafeln, wie der Dachschiefer.
Sie lassen sich gnt mit Hammer und Meisel bearbeiten, sogar sagen und
schleifen. Diese Eigenschaften begründen ihren Wert.
Die uralten Thonschieferschichten des Gebiets mögen sich früher mehr
eben ausgebreitet haben. Im Lanfe der Zeiten, so nimmt man an, wurden
sie seitlich zusammengedrängt und richteten sich auf um den von ihnen ein-
geschlossenen Grauitftock (Bergen — Lauterbach — Schreiersgrün). Wie
ein Stück Erzgebirge aus der Freiberger Gegend liegt die einsame Bruch-
gegend vor uns. Mächtige Schutthaufen find um die Brüche aufgetürmt,
gekrönt von ranchenden Dampfessen, die das geschäftige Treiben dort oben
verraten. Die einzelnen Schollen sind wenig verwittert. Doch haben ge-
nügsame Birken, Weiden und Zitterpappeln sich angesiedelt, und borstige
Brombeeren schlingen lange, üppige Ranken von Klippe zu Klippe. Zwischen
solchen Geröllhalden hindurch winden sich die Zufahrtswege zu den Brüchen,
deren gegenwärtig sechs in Betrieb sind.
Die Besitzer wehren niemand den Zutritt Über 200 Arbeiter aus
Theuma und Umgegend, kräftige, echt vogtlüudische Gestalten, finden in den
Brüchen jahraus, jahrein, auch im Winter, ihr Brot. Zu den Steinbrüchen
gelangt man aui bequemsten, weuu man durch Schluchten den Schienen-
geleisen nachgeht; doch muß man oft auch Leitern benutzen. Mit Hammer
und Brecheiseu, wenn nötig mit Pulver, sprengen die Arbeiter das Geröll
ab; andere befördern es in starken Holzkästen oder durch Hebewerke an die
Oberfläche. Ist eine größere Platte freigelegt, so wird sie mittels eiserner
Keile vorsichtig abgespalten, mit Krahn und Kette emporgewunden oder auf
Karren aus dem Bruche gefahren.
Draußen anf dem Werkplatze nehmen andere Arbeiter die kleinen oder
größeren, oft einige qm messenden Platten in Empfang und bringen sie
unter die Sägen. Die in schaukelndem Rahmen eingeschraubten Sägen
werden durch Dampfkraft hin und her bewegt. Nach tagelanger Arbeit
trennen sie quadratische, rechteckige oder streifenförmige Stücke ab. In die
entstehenden Fugen wird scharfkörniger Sand eingestreut und des Wassers
„steter Tropfen höhlt den Stein." Die Platten wandern oft über '/4 m
stark unter die Säge. So ist es möglich, die getrenuteu Stücke durch Keile
noch mehrfach zu spalten, namentlich zu Garteusäulen, die bis p 3 m Läuge
geliefert werden. Rohe oder geschnittene Steine werden ferner „charriert"
(spricht: fcharriert). In einfachen Holzhütten beklopfen meist jüngere Hände
die Stücke mittels gekörnter Hämmer so lange, bis alle Höcker zermalmt
und ziemlich ebene Flächen hergestellt sind. Die bald höheren, bald tieferen
Töne^ der im Dreschertakt geschwungenen Charrierhämnier bringen muntern
Wechsel in die stille Einsamkeit der Gegend. Eharrierte, rechtwinkelig oder
kreisförmig geschnittene Platten werden in großen Mengen abgesetzt als
Pflasterplatten, Treppenstufen, Straßeubordsteine, zu Viehständen, Fenster-
sohlen, Brunnen- und Essendecken, endlich auch zu Wassertrögen. Zn letztern
werden je vier genau abgemessene Schiefer rechtwinkelig auf eine gemeinsame
Bodenplatte aufgefetzt, durch Eisenstübe zusammengeschraubt und ihre Eckfugen
TM Hauptwörter (50): [T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
TM Hauptwörter (100): [T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T6: [Eisen Gold Silber Kupfer Wasser Blei Metall Salz Kalk Stein], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland]]
TM Hauptwörter (200): [T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T95: [Gestein Schicht Wasser Boden Erde Granit Gebirge Masse Sand Teil], T125: [Haus Stein Fenster Dach Holz Stroh Winter Erde Wand Wohnung], T75: [Strom Elektrizität Ende Eisen Magnet Elektricität Körper Draht Funke Leiter], T107: [Eisen Gold Silber Kupfer Blei Metall Salz Zinn Stein Mineral]]
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dem Walde heraus; niemand dnrfte es wagen, seine Wohnung zu ver-
lassen und seiner Arbeit nachzugehen. Da beschloß man, es solle ein Be-
wohner nach dem andern, Männer und Fraueu, Jünglinge und Jungfrauen
zum Lindwurm in ven Wald gehen und ihu töten, oder ihm Zur Speise
dienen. Aber niemand wollte der erste sein. So mußte das Los entscheiden,
wer den Anfang machen solle. Und das Los traf ein schönes, frommes,
junges Mädchen, das einzige Kind des Müllers von Syran. Alle hatten
das brave Mädchen lieb und bedauerten es herzlich; aber niemand wußte
Rat noch Hilfe. Ihr Bater und ihre Mutter vergingen fast vor Jammer
und Schmerz. Das junge Mädchen selbst aber war vor Schrecken und Angst
schon jetzt halbtot; denn am nächsten Morgen sollte es in den Lindwurms-
wald gehen, und ein schrecklicher Tod war ihm da gewiß.
Nuu hatte aber der Müller einen braven und tüchtigen Knecht; der
war ein kluger und gewandter und dabei riesenstarker Bursche und hatte
einen fröhlichen und unerschrockenen Sinn; denn er fürchtete von Herzen
Gott. Als die Not und das Herzeleid im Müllerhause auf das höchste
gestiegen waren, faßte sich der Knecht ein Herz, trat vor die Müllersleute
und sprach: „Höret auf zu weinen und fasset frischen Mut; denn ich will
morgen für enre Tochter zu dem Lindwurm gehen. Gott wird mir bei-
stehen, daß ich das Untier besiege. Kann ich ihn aber nicht überwältigen,
so will ich gern für eure Tochter sterben." Da wollte zwar das Mädchen
nicht zugeben, daß der Jüngling sich für sie opfere; als aber dieser ganz
getrost redete und fest auf seinem Sinne blieb, so gaben die Eltern ihre
Zustimmung, und auch das Mädchen willigte mit freudiger Hoffnung
endlich darein. Am andern Morgen aber ging der unerschrockene Mühl-
knecht, uur mit einer großen starken Heugabel bewaffnet, in den Lindwurms-
wald. Die herzliche Fürbitte der Müllersleute und die Segenswünsche der
ganzen Gemeinde begleiteten ihn. Bald kam ihm der grimmige Lindwurm
wutschnaubend entgegen und sperrte schon den gewaltigen Rachen aus, ihn
zu zerreißen. Aber schnell sprang der flinke Bursche auf die Seite. Als
das Tier sich nach ihm wenden wollte, kehrte es ihm den ungepanzerten,
weichen Bauch zu. Da faßte der Bursche mit beiden Händen fest seine
starke, spitze Gabel und stieß sie tief in den Leib des gewaltigen Tieres.
Ins Herz getroffen wand sich der greuliche Wurm kraftlos am Boden und
lag nach wenigen Minuten tot zu deu Füßen des glücklichen Jünglings.
Innig Gott für seinen Beistand dankend, eilte der tapfere Drachentöter znm
Dorfe zurück und verkündete die Vernichtung des übermächtigen Feindes.
Von der gesamten Bewohnerschaft wurde er mit Freude und Jubel als
Erretter begrüßt und mit Dankesbezeigungen überschüttet. Die größte und
innigste Freude aber herrschte in der Mühle.
Als Zeichen ihrer Dankbarkeit gegen Gott wurde vou dem Müller
und der Syrauer Gemeinde auf der Höhe des Lindwurmberges ein schönes
Kirchlein erbaut. Jahrhunderte laug stand das Kirchlein unversehrt, bis es
vor langer, langer Zeit zerstört ward und gänzlich in Trümmer fiel. Weil
aber vom Dorfe ein weiter Weg nach der Lindwurmskirche war, so ward
sie nicht wieder ausgebaut, sondern eine neue Kirche im Dorfe errichtet.
In derselben wurde ein schönes Bild, das die mutige That des Mühlknechtes
darstellte, angebracht. Lange soll es in der Kirche gehangen haben, später
aber verloren gegangen sein.
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bcr Brücke. Er blickte nach allen Seiten hin, ging auf und ab und suchte
alleuthalbeu auf dem Fahr- und Fußwege. Er sah den Vorübergehenden
ins Gesicht, betrachtete die Reiter, Fuhrleute und Frachtmagen, verfolgte die
Schiffe und Kühue mit spähendem Auge und ließ sogar die Tiere, die die
Brücke betraten, nicht unbeachtet. Es wurde Abend, ohne daß er auch nur
eine Spur von dem verheißenen Schatze entdeckt hatte. Kleinlaut sprach er
bei sich: „Villeicht morgen," und verließ die Brücke um eine billige Her-
berge aufzusuchen.
Kaum ergläuzte die Donau iu den ersten Strahlen der Morgensonue,
da stand auch Christoph schou wieder auf der Brücke. Vergebens stellte
er noch aufmerksamere Beobachtungen an als tags zuvor. Vergebens be-
trachtete er auch die kleinste Mauerritze, ja jedes Steinlein. — Aber aller
guten Dinge sind ja drei. Christoph beschloß, auch noch den dritten Tag
sein Glück zu versuche».
Allein, als die Sonne zum dritten Male unterging, ohne daß Christoph
auch nur einen Kreuzer auf der Brücke gefunden hatte, schwand ihm alle
Hoffnung. Er hörte auf zu suchen. Traurig beugte er sich über die
Brückenmauer und schaute in das dahinfließende Wasser. Doch seine Ge-
danken waren weit weg. „Mein armes Weib, meine hungernden Kinder,"
seufzte er, und eine Thräne rann über sein bleiches Gesicht.
Da klopfte ihm jemand auf die Schulter. Erschrocken sah er sich um.
Es war der Wirt, bei dem er übernachtet hatte. Der führte Christoph zu
einer nahen Bank und fragte ihn nach seinem Herzeleid. Christoph er-
zählte ihm, wie arm er sei, und daß er geträumt habe, er werde auf der
Regensburger Brücke einen Schatz finden.
Der ehrliche Bayer schüttelte den Kopf und sagte: „Nur eines Traumes
wegen habt ihr die weite Reise unternommen? — Das war nicht klug ge-
handelt. Mir hat auch vor Jahreu drei Nächte hintereinander geträumt,
ich solle ins Vogtland wandern, dort läge unter dem Stelzenbaume ein
großer Schatz vergraben. Ich habe mich aber nicht narren lassen, sondern
bin zu Hans geblieben. Es ist das beste, ihr tretet morgen eure Rückreise
wieder an. Und weil ihr so gar arm seid und doch eure Reise umsonst
gemacht habt, will ich für enre Zeche nichts nehmen."
Bei der Erzähluug von dem Traume des Wirtes war Christophs
Hoffnung von neuem erwacht. Er dankte dem freundlichen Manne und
folgte ihm in die Herberge.
Noch ehe der Hahn krähte, hatte Christoph sein Bündel geschnürt und
eilte heimwärts. Unterwegs gönnte er sich nur wenig Ruhe.
Die Ungeduld trieb ihn vorwärts. Endlich sah er eines Abends den
Stelzenbaum von'ferne. Jetzt trat er in seine Hütte. Enttäuscht hörten
die Seinen, daß er ihnen gar nichts mitbringe. Er setzte sich nicht crst zu
ihnen. Er sagte auch nicht, was er vorhatte. Von ihnen unbeobachtet
ging er in den leeren Stall. Dort nahm er Hacke und Schaufel und
schritt schnell hinauf zum Stelzenbaume.
Eilig schaffte er das Erdreich unter der Wurzel, auf der er so oft ge-
sessen und geträumt hatte, beiseite. Lauge grub er vergeblich. Plötzlich
traf seine Hacke einen harten Gegenstand. Ein wunderbarer Klang tönte
zu ihni herauf. Er bückte sich, räumte mit den Händen die Erde weg und
fand einen großen kupfernen Kessel, der mit einem schweren Deckel ver-
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Extrahierte Personennamen: Christoph Christoph Christoph Christoph Christoph_er- Hans Christophs Christoph
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das Vieh in Herden zusammen und entführten es als Beute. Kaltblütig
schleuderten die wilden Krieger Feuerbrände auf die Stroh- und Schindel-
dächer der Bauernhöfe, und gar bald gingen Regnitzlosa, Neukirchen und
auch das hochgelegene Schöneck in Flammen auf.
Nach dem Wegzuge der Reiter traf am 12. August General Holk mit
seiner 16 000 Mann starken Hauptmacht vor Adorf ein. Mit dem
frühesten Morgen waren schon viele Einwohner, Weiber, Kinder und
ein Geistlicher in den Schönecker Wald geflüchtet. Die streitbaren Bürger
dagegen liefen auf die Mauern und Türme, als durch die Wachtposten die
Ankunft des Feindes gemeldet worden war. Von hier aus konnten die
Adorfer ein buntes Leben und Treiben beobachten. Den einzelnen Fähn-
lein Fußvolk wurden von den Hanptlenten und Wachtmeistern die Lager-
Plätze angewiesen. Ein jedes Fähnlein bestand aus 300 Mann, von denen
200 mit Musketen, die übrigen aber mit Piken und kurzen Wehren be-
wasfnet waren. Nach allen Seiten schwärmten Reiterabteilungen aus, um
Futter für die Pferde zu beschaffen. Die Hügel hinan fuhr man das grobe
Geschütz, während die Troßjungen und die Marketender auf der Landstraße
Halt machten. Alsbald nahten sich der Stadt truppweise Reiterei und Fuß-
Volk. Die Bürger, die durch den Stadtvogt Hendel an ihre Pflicht erinnert
und zur Staudhaftigkeit ermahnt worden waren, empfingen den Feind mit
lebhaftem Feuer. Nachdem einige Schüsse gewechselt worden waren, schickten
die Kaiserlichen einen Trompeter hinein, welcher die Stadt zur Übergabe
auffordern sollte. Er wurde mit verbundenen Augen aufs Rathaus
geführt. Mittlerweile wurden 30 Pferde tüchtig auf dem Markte herum-
geritten, auch machte mau mit Wagen und Ketten viel Lärm, damit der
Trompeter meinen sollte, es läge eine starke Verteidigungsmannschaft in der
Stadt. Darauf baten sich die Adorser einige Tage Bedenkzeit aus, weil
sie erst alles ihrem Kurfürsten berichten wollten. Doch Holk gewährte keine
Frist und als er nun Anstalt machte, die Stadt mit Sturm zu nehmen,
wurde er nachmittags zwischen 2 und 3 Uhr eingelassen. Obgleich die
Bürger aus Holks ausdrücklichen Befehl ihre Häuser verschlossen, drangen
doch die Soldaten in die Wohnungen der Leute ein, brachen Kisten und
Kästen auf, schlugen auch die Bürger gar übel. Vor weiterer Braudschatzuug
konnte sich das Städtchen nur dadurch schützen, daß es dem Feinde eine hohe
Kriegssteuer zahlte.
Der nächste Ort, welcher die plündernden Scharen aufhielt, war Öls-
nitz. Schon Sonnabend, den 11. August, kamen 4 Trupp Reiter früh um
6 Uhr auf der Hoser Straße herab gegen die Stadt geritten; sie steckten
die Dörfer Schönbrunn, Lauterbach, Bösenbruun und Raschau in Brand,
zündeten 4 Mühlen und etliche Häuser der Vorstadt an und lagerten sich
nahe am Galgen. Einzelne Abteilungen näherten sich zwar der Stadt; doch
zogen sie sich stets eilends zur Haupttruppe am Galgen zurück, so oft die
schwache Besatzung des Schlosses Vogtsberg einen Ausfall machte. Am
Nachmittage stiegen alle wieder zu Pferd und ritten in der Richtung nach
Hof zu davon. Schon waren die Ölsnitzer hocherfreut, daß sie von diesen
schlimmen Gästen nicht länger bedroht wurden, als sich am Abend des nächsten
Tages, eines Sonntags, auf der Adorfer Straße der Feind in lichten
Haufen zeigte. Die Höllischen Truppen kamen in „geschwinder Eil heran",
wie der Chronist berichtet. Der eine Teil derselben rückte gegen das
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TM Hauptwörter (50): [T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
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Extrahierte Personennamen: August Holk Hendel Holk August