8 Mittlere Geschichte. 1. Periode. Langobarden.
ein neues, auch deutsches Volk in Italien ein, die Langobarden.*) Unter ihrem tapfern Könige Alboin kamen sie aus Ungarn über die Alpen, eroberten Oberitalien und machten Pavia zur Hauptstadt. Von -ihnen wird noch Oberitalien die Lombardei genannt. Alboin war ein wilder Krieger. Er hatte, ehe er nach Italien gekommen war, einen König der Gepiden in Ungarn, K uni mund, erschlagen und ans dessen Schädel sich ein Trinkgefäß gemacht, dessen er sich bei der Tasel bediente. Auch zwang er die Tochter des erschlagenen Feindes, die schöne Rosamunda, seine Frau zu werden. Wie konnte sie aber den Mörder ihres Vaters lieben? Als er nun Italien eingenommen hatte und einst in Verona ein festliches Gastmahl hielt, befahl er im Rausche seiner Frau, sie solle aus dem Schädel ihres Vaters trinken. Rosamunda bebte zurück, aber sie mußte gehorchen, gelobte jedoch im Süllen, sich dafür an Alboin blutig zu rächen. Und das that sie auch. Sie beredete seinen Schildträger, ihn zu ermorden. Als Alboin eines Tages Mittagsruhe hielt, ließ sie jenen in das Schlafgemach, und so wurde der mächtige König im Schlafe durchbohrt. Aber die Strafe ereilte die Mörder. Rosamunda und Helmichis mußten vor der Rache der Langobarden fliehen. Sie wandten sich nach Ravenna, wo der griechische Statthalter (Longinus) sie in Schutz nahm. Rosamunda hatte zwar dem Helmichis die Ehe versprochen, da aber der Statthalter um ihre Hand warb, wollte sie sich von Helmichis losmachen und reichte ihm einen Giftbecher. Er trank; als er aber den Becher erst halb geleert, merkte er die Natur des Trankes. „Wenigstens sollst du mit mir sterben!" rief er zornglühend, zog das Schwert und zwang Rosamnnden, den Rest zu leeren. So starben beide Uebelthäter.
*) Man erzählt, die damalige Kaiserin Sophie, die den Narses nicht leiden konnte und ihren Gemahl (Justin Ii.) bewog, ihn aus Italien, wo er Statthalter war, zurückzurufen, habe dabei geäußert: er könne nun wieder in die Weiberstuben an den Spinnrocken zurückkehren — eine Anspielung auf seine kleine, unmännliche Gestalt. Da habe der gereizte Mann ausgerufen: „Nun wohl! so will ich ihr denn einen Faden spinnen, an dem sie genug zu wickeln haben soll!" Und nun seien die Langobarden durch ihn zu einem Einfall in Italien berufen worden.
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Extrahierte Personennamen: Rosamunda Rosamunda Rosamunda Sophie Justin_Ii
30
Mittlere Geschichte. 1. Periode. Franken.
Monaten. Dem gefangenen Desiderins wurden die Haare abgeschoren und er in's Kloster geschickt. Das Langobardenreich aber vereinigte Karl mit seinem Reiche, so daß ihm nun Deutschland, Frankreich und Ober-Italien gehorchten.
Als Karl sich wegen des Sachsenkriegs in Paderborn aufhielt (777), kam eine sonderbare Gesandtschaft dahin, die großes Aufsehen erregte. Es waren Mauren aus Spanien, in langen Kaftans und mit Turbanen auf den Köpfen. Solche Leute hatte man in Deutschland noch nie geschen, und Jung und Alt stürzte herbei, die Fremden zu betrachten. Es war ein arabischer Fürst aus Saragossa, Jbn el Arabi, der bei einem Bürgerkriege aus Spanien vertrieben war, und Karl, den mächtigen Karl, dessen Name also schon bis jenseit der Pyrenäen gedrungen war, um Hülfe bat.*) Karl sagte zu und zog wirklich im folgenden Jahre schon über die steilen und beschneiten Gipfel der Pyrenäen, eroberte Pampelona und Saragossa, setzte hier seinen maurischen Freund ein und zog wohlgemuth wieder zurück. Er war schon über das Gebirge wieder hinüber, nur sein Gepäck zog noch auf den geschlängelten Bergpfaden, da stürzten die feindlichen Bergbewohner im Thale Ronceval plötzlich aus den Schluchten hervor, überfielen den Troß und erschlugen alle Begleiter, so daß auch nicht Einer entkam. Unter den hier Erschlagenen waren auch der Pfalzgraf Anselm, der Seneschall Eckart und Rutlaud oder Roland, Karls Liebling und Sohn.**)
*) Das Haus der Ommajaden in Damaskus war 750 von Abul Abbas gestürzt und ein neues Khalifengeschlecht, das der Abassiden, welche ihre Residenz in Bagdad nahmen, gegründet worden. Ein Ommajade, Abderrahman, hatte sich nach Spanien gerettet und stiftete hier das Khalifat von Cordova. Nicht alle Emirs erkannten ihn an, auch der von C aragossa nicht, worauf dieser von Abderrahman vertrieben worden war.
**) Die Helden, besonders der groß«, Roland, find nachher in den Gedichten des Mittelalters in deutscher, französischer, italienischer und spanischer Sprache besungen worden. Besonders von Rolands Thaten sind diese voll, und haben dieselben ins Romanhafte ausgeschmückt. Da wird erzählt von dem Kampfe, den er gegen den Riesen Ferrant bestanden; wie er durch Verrath mit seinem Streitroß gefallen; wie sein Helm Venerant sein Haupt nicht mehr geschützt; wie er in grausamer Noth in sein elfenbeinernes Wunderhorn Olifante gestoßen, dessen Schall über eine Tagesweil>k gehört wurde; wie von dem heftigen Blasen ihm die Adern am Halse gesprungen, und Karl in Frankreich bei dem gehörten Tone die Noth seines Lieblings geahnet; wie jener unter vielen Klagen sein köstliches Schwert Durindana oder Durendarte, weil er es keinem gönnte, an einer Marmorsäule zerschlagen wollen, wie aber diese zersprungen, die Klinge dagegen unversehrt ge-
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl Pampelona Anselm Eckart Roland Karls Cordova Roland Karl Karl
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Frankreich Paderborn Spanien Deutschland Saragossa Spanien Saragossa Karls Damaskus Bagdad Spanien Frankreich
184 Mittlere Geschichte. 3. Periode. Deutschland.
stehen zu geben, bctfi er sie nicht mehr liebe. Währenb ihre heimlichen Feinde so baraus bachten, sie vom Hofe zu entfernen und sie dem jungen Landgrafen zu verleiben, erweckte ihr Gott einen Freuub in der Noth, den ebeln Walther von Vargila, der zu der Gesanbtschast, die sie aus Ungarn nach Thüringen begleitet, gehört hatte. Er hatte immer im Stillen ihre nngeheuchelte Frömmigkeit bewuubert, und ba sie dem alten Manne jetzt ihre Herzensangst klagte, entschloß er sich, für sie zu handeln. Auf einer Reise, die er mit dem Lanbgrasen machte, näherte er sich biesem und fragte ihn feierlich: „Wozu seib Ihr entschlossen: Euch mit des Königs Anbreas Tochter zu vermählen, ober sie ihrem Vater zurückzuseubeu?" Da zeigte Ludwig auf einen Berg, der vor ihnen lag, und sprach: „ Siehe biesen Berg! wenn er vom Fuße bis zur Spitze von Golb wäre, so würde ich ihn bennoch verschmähen um meiner verlobten Braut willen. Mögen Anbere über sie beukeu, was sie wollen, ich liebe meine Elisabeth einmal nnb ziehe sie allen andern vor." — „Darf ich ihr das verkünbigen?" fragte Vargila. — „Thue es," antwortete der Lanbgraf, „und reiche ihr bies Geschenk." Es war ein boppelter Taschenspiegel, mit einer metallenen Einfassung und -dem Bilbe des gekreuzigten Jesus geziert. Wie freute sich Elisabeth über bies Geschenk,'noch mehr aber über die Nachricht, von der es begleitet würde.
Die Erklärung des Lanbgrasen hatte, wie es an Höfen zu geschehen pflegt, das Benehmen der Höflinge plötzlich geänbert. Jetzt schwiegen sie nnb stellten sich wieber sreunblich gegen Elisabeth, die auch, sobalb sie 14 Jahre alt war, ihre Vermählung mit Ludwig feierte. Von nun an fühlte sie sich sehr glücklich; aber ihr Eifer, Gott nach ihrer Weise zu bienen, verboppelte sich zugleich. Sie glaubte nämlich, nur baburch könne sich der Mensch der Seligkeit des Himmels und des Beifalls Gottes recht würbig machen, wenn er sich hier recht abquäle und alle irbische Freuben sich versage. Dies that sie bettn nun auch mit dem größten Eifer und machte sich aus jebem uuschulbigeu Genusse eine Sünbe. Diesen traurigen Irrthum ihres Verstanbes müssen wir freilich beklagen, aber boch die fromme Hingebung, mit der sie ihren Vorsatz burch-siihrte, betvunbern. Keine Nacht schlief sie hintereinanber; in jeber ftanb sie auf, tnieete ttteber und betete oft so lange, bis sie im Schlummer ganz niebersank. Alle Bitten ihres Mannes, sich zu schonen, waren vergebens; eine ihrer Kammerjungfern mußte wachen und sie zur bestimmten Zeit znm Gebet wecken. Doch das
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Extrahierte Personennamen: Walther_von_Vargila Ludwig Ludwig Vargila Elisabeth Ludwig Ludwig
Karl der Kühne.
283
er aber der Erlaubniß des Kaisers, der nichts dagegen halte, wofern Karl dafür seine Tochter Maria, die einzige Erbin aller seiner Länder und Schätze, an Friedrichs Sohn Maximilian verloben wollte. Beide Geschäfte sollten auf einer Zusammenkunft in Trier 1473 abgemacht werden. Der Kaiser begab sich dorthin mit seinem Sohne und hielt seinen Einzug so prachtvoll, als es seine stets schwache Kasse nur erlaubte. Jetzt kam auch Karl. Wie ärmlich erschien gegen seinen und der Seiuigeu Glanz der kaiserliche Aufzug! Karl selbst trug einen vergoldeten Harnisch und über diesem einen Mantel von Goldbrocat, der von Edelsteinen und echten Perlen strotzte,*) und als er in der Ferne den ihm entgegeneilenden Kaiser erblickte und sich mit seinem Gefolge in Bewegung setzte, ließ sich ein seltsames Geklingel vernehmen; denn über die stählernen Bedeckungen seiner Pferde waren durchsichtige Goldstoffe gehängt, die mit silbernen Schellen besetzt waren. Mochte auch den Kaiser dieses übertriebene Schautragen des Reichthums ärgern, so empfing er ihn doch freundlich. Beide besprachen sich recht herzlich, und mit besonderem Wohlgefallen ruhte Karls Blick auf dem jungen Erzherzoge Maximilian, der, ein schöner Jüngling mit herabwallenden blonden Locken, hinter seinem Vater mit entblößtem Haupte hielt. Dann wurde der Tag der Krönung verabredet und schon war die Kirche dazu geschmückt, der Thron aufgestellt, Krone und Scepter dazu angeschafft — da war der Kaiser den Tag vor der Krönung plötzlich verschwunden. Ohne Abschied war er abgereist und ließ dem Herzoge nur sagen, die Feier müsse bis auf gelegenere Zeit verschoben werden. Wahrscheinlich war dies sonderbare Betragen durch einen Brief des damaligen Königs von Frankreich, Ludwigs Xi., veranlaßt worden. Dieser hatte ihm — so heißt es geschrieben, er solle sich vor Karls Ehrgeize hüten, der, wenn er erst König wäre, seine Hand gewiß auch nach der deutschen Kaiserkrone ausstrecken würde. Vielleicht hatte auch Karls Gepränge einen widerlichen Eindruck auf Friedrich gemacht. Kurz, die Krönung unterblieb und ist nie vollzogen worden; der Herzog reiste sehr verdrießlich ab, und alle Verbindung zwischen Maria und Maximilian, die schon Ringe und Briefe gewechselt hatten, wurde abgebrochen.
Der eben erwähnte König von Frankreich, Ludwig Xi., war ein Sohn jenes Karl Vii., zu dessen Zeilen das Mädchen von Or-
*) Er wurde auf 200,000 Rthlr. geschätzt.
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101
Also denke! so fließe dein Herz von Empfindungen über,
Derer sich, wär' er ein Mensch, selbst Adramelech nicht schämte!
Sprich dem Nazaräer den Tod! Ich will dich belohnen,
Und dein Herz mit der Hölle Freuden, sobald du sein Blut siehst,
Ganz erfüllen, und, kommst du zu uns, dein Führer werden,
Und zu den Seelen dich führen, die Helden waren, und würgten!"
So sprach Satan für sich, und Seraph Jthuriel hört' ihn.
Jedes Volk hat seine Heldenlieder, die in der Urzeit desselben,
von Sängern vorgetragen oder am häuslichen Herde erzählt, die
Stelle schriftlicher Ueberlieferung vertreten. Bei den gebildeteren
Völkern werden diese Lieder dann zu größeren Dichtungen ver-
einigt. So haben die Griechen ihre Homerischen Dichtungen
Ilias und Odyssee, die Deutschen ihr Nibelungenlied, Gudrun,
die Lieder von Dietrich von Bern, und die verschiedenen Bearbei-
tungen der Thiersage von Reinhart Fuchs, die Indier ihre großen
Heldendichtungen Mahäbhärata und Rämäjana, Diese sind,
weil aus Voklsliedern erwachsen, volksthümliche Dichtungen. In
Nachahmung derselben entsteht dann das kunstmäßige Epos. So
ahmte Virgil in seiner Aeneis, in welcher er die Abkunft rmd
die kriegerische Größe seines Volkes verherrlichen wollte, die
Homerischen Dichtungen nach, der Engländer Milton schuf in
seinem „Verlornen Paradies" das religiöse Epos, welches bei
den Deutschen besonders Klopstock und Bodmer nachahmten, und
in der Blütezeit der italienischen Dichtung entstand das romantische
Epos (Dante's Göttliche Komödie, Ariosto's Rasender Roland,
Taffo's Befreites Jerusalem).
2. Dasromantischeepos schildert ritterliche Tapferkeit,
Turniere, Schlachten, auch edle Frauen, die von tapfern Rittern
aus Gefahren gerettet worden, aber nicht allein den Ernst des
Lebens, sondern auch fröhliche Scenen; kurz, es führt eine große
Mannigfaltigkeit ernster und heitrer Begebenheiten vor uns vor-
über, und setzt dadurch, daß es den Helden in große Verlegenheit
bringt, aus denen er sich durch Tapferkeit und Klugheit rettet,
die Phantasie in eine angenehme Bewegung.
Wir geben zur Probe ein Stück aus dem Oberon von
Wieland. Besonders beliebt waren nämlich für das romantische Epos
Stoffe aus dem Sagenkreise von Karl dem Großen. Einen
wichen wählte auch Wieland aus einem französischen Volksbuche,
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Extrahierte Personennamen: Seraph_Jthuriel Gudrun Gudrun Dietrich_von_Bern Reinhart_Fuchs Engländer_Milton Roland Dasromantischeepos Ernst Karl_dem_Großen Karl
102
„Hüon von Bordeaux" betitelt. Kaiser Karl hatte dem jungen
Ritter Hüon befohlen, nach Bagdad zu ziehen, und ihm von dort
einige Zähne aus des Sultans Munde und einige Haare aus
dessen Bart zu holen, in der Hoffnung, daß der Ritter, den er
haßte, weil er der, freilich unfreiwillige, Mörder seines Sohnes
war, dabei umkommen würde. Aber Hüon überwand durch Hilfe
des Elfenkönigs Oberon alle Schwierigkeiten, und kam, mit der
Tochter des Sultans, der schönen Rezia oder Amanda, vermählt,
glücklich nach Frankreich zurück. Folgendes ist der Schluß des
Gedichtes:
Herr Hüon, dem das Herz von Freude überfloß,
Weckt seinen Alten *) auf; Amande
Sucht ihren Sohn, der noch auf Fat'mens**) Schooß
Sanftschlummernd lag. Sie sehn sich um: Wie groß
Ist ihr Erstaunen! — „Herr, in welchem Lande
„Glaubt ihr zu sein?" ruft Scherasmin entzückt
Dem Ritter zu. — „Kommt, seht von diesem Stande
„Rach Westen hin, und sagt, was ihr erblickt?"
Der Ritter schaut hinaus, und traut
Dem Anblick kaum. — Er, der so viel erfahren.
Und dessen Augen so gewöhnt an Wunder waren,
Glaubt kaum, was er mit offnen Augen schaut.
Es ist die Sein' ***), an deren Bord sie stehen!
Es ist Paris, was sie verbreitet vor sich sehen!
Er reibt sich Aug' und Stirn, schaut immer wieder hin,
Und ruft: „Jst's möglich, daß ich schon am Ziele bin?"
Nicht lange schaut er hin, bor Freude ganz betroffen,
So stellt sich ihm ein neues Schauspiel dar.
Ihm däucht, daß alles um die Burg in Aufruhr war,
Man hört Trommetenschall, und eine Ritterschaar
Trabt dem Turnierplatz zu, die Schranken stehen offen.
„Mein Glück," ruft Hüon, „läßt mein Hoffen
„Stets hinter sich. Geh', Freund! wofern nicht alles mich
„Betrügt, giebt's ein Turnier; geh' und erkund'ge dich."
Der Alte geht. Inzwischen wird Amande
Von Fat'men angekleid't. Denn, was sie haben muß.
Sich mit dem Glanz, der ihrem hohen Stande
Und ihrer Schönheit ziemt, in diesem fremden Lande
*) Seinen Knappen. **) Der Dienerin.
«•-*) Der Fluß in Frankreich.
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Amanda Hüon
Extrahierte Ortsnamen: Bagdad Frankreich Paris Frankreich
130
Steht vor mir, der sich gerühmet
In vermeßner Prahlerei,
Daß ihm nie mehr als die Hälfte
Seines Geistes nöthig sei?
Nun der halbe dich nicht rettet,
Ruf' den ganzen doch herbei,
Daß er neu dein Schloß dir baue,
Deine Ketten brech' entzwei!"
„Wie du sagst, mein Herr und König!
Steht vor dir Bertran de Born,
Der mit einem Lied entstammte
Perigord und Ventadorn,
Der dem mächtigen Gebieter
Stets im Auge war ein Dorn,
Dem zu Liebe Königskinder
Trugen ihres Vaters Zorn.
Deine Tochter saß im Saale,
Festlich, eines Herzogs Braut,
Und da sang vor ihr mein Bote,
Dem ein Lied ich anvertraut,
Sang, was einst ihr Stolz gewesen,
Ihres Dichters Sehnsuchtlaut,
Bis ihr leuchtend Brautgeschmeide
Ganz von Thränen war bethaut.
Aus des Oelbaums Schlummerschatten
Fuhr dein bester Sohn empor,
Als mit zorn'gen Schlachtgesängen
Ich bestürmen ließ sein Ohr.
Schnell war ihm das Roß gegürtet,
Und ich trug das Banner vor,
Jenem Todespfeil entgegen,
Der ihn traf vor Montforts Thor.
Blutend lag er mir im Arme,
Nicht der scharfe, kalte Stahl —
Daß er sterb' in deinem Fluche,
Das war seines Sterbens Oual.
Strecken wollt' er dir die Rechte
Ueber Meer, Gebirg und Thal,
Als er deine nicht erreichet,
Drückt' er meine noch einmal.
Da, wie Autafort dort oben,
Ward gebrochen meine Kraft;
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258
Die erste sprach behende:
„Ja, lächle nur auf mich!
„Ich gebe dir frühes Ende
„Von einer Spindel Stich!"
Die andre sprach dagegen:
„Ja, lächle nur aus mich!
„Ich gebe dir meinen Segen,
„Der heilt den Todesstich;
„Der wird dich so bewahren,
„Daß süßer Schlaf dich deckt,
„Bis nach vierhundert Jahren
„Ein Königssohn dich weckt."
Da ward in's Reich erlassen
Ein feierlich Gebot,
Verkündet in allen Straßen,
Der Tod darauf gedroht:
Wo Jemand Spindeln hätte,
Die sollte man liefern ein,
Und sie an osf'ner Stätte
Verbrennen insgemein.
Nicht nach gewohnter Sitte
Erzog man dieses Kind
In dumpfer Kammern Mitte,
Noch sonst wo Spindeln sind;
Nein! in den Rosengärten,
In Wäldern, frisch und kühl,
Mit lustigen Gefährten,
Bei freiem, kühnem Spiel.
Und als es kam zu Jahren,
Ward es die schönste Frau,
Mit langen, gold'nen Haaren,
Mit Augen dunkelblau;
In Gang, Geberde züchtig,
In Reden treu und schlicht,
In aller Arbeit tüchtig,
Nur mit der Spindel nicht.
Viel stolze Ritter gingen
Der Holden Dienste nach:
Heinrich von Ofterdingen,
Wolfram von Eschenbach.
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_von_Ofterdingen Heinrich Wolfram_von_Eschenbach
129
Die drei Zigeuner
(von Nic. Niembsch von Strehlenau gen. Lenau).
Drei Zigeuner fand ich einmal
Liegen an einer Weide,
Als mein Fuhrwerk mit müder Qual
Schlich durch sandige Haide.
Hielt der Eine für sich allein
In den Händen die Fidel,
Spielte umglüht vom Abendschein
Sich ein lustiges Liedel.
Hielt der zweite die Pfeif' im Mund,
Blickte nach seinem Rauche,
Froh, als ob er vom Erdenrund
Nichts zum Glücke mehr brauche.
Und der Dritte behaglich schlief.
Und sein Cimbal am Baum hing,
Ueber die Saiten der Windhauch lief,
Ueber sein Herz ein Traun: ging.
An den Kleidern trugen die Drei
Löcher und bunte Flicken,
Aber sie boten trotzig frei
Spott den Erdengeschicken.
Dreifach haben sie mir gezeigt,
Wenn das Leben uns nachtet.
Wie man's verraucht, verschläft, vergeigt,
Und es dreimal verachtet.
Nach den Zigeunern lang' noch schau',:
Mußt' ich im Weiterfahren,
Nach den Gesichtern, dunkelbraun,
Den schwarzlockigen Haaren.
Bertran de Born
(von Ludwig Uhland).
Droben auf dem schroffen Steine
Raucht in Trümmern Autasort,
Und der Burgherr steht gefesselt
Vor des Königs Zelte dort:
„Kamst du, der mit Schwert und Liedern
Aufruhr trug von Ort zu Ort,
Der die Kinder aufgewiegelt
Gegen ihres Vaters Wort?
Literaturgesch. v. Nösselt. I. e. Aufl.
9
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